TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/23 W255 2240037-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2021
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Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

AlVG §24
AlVG §25
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch


W255 2240037-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 19.01.2021, GZ: 2020-0566-3-000650, betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 11.01.2021, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1.       Verfahrensgang:

1.1.    Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: AMS) vom 02.04.2020, VN: XXXX , wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) für den Zeitraum 04.10.2019 bis 31.12.2019 gemäß § 24 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) widerrufen und die BF gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 3.301,93 verpflichtet. Begründend führte das AMS aus, dass die BF im Zeitraum 04.10.2019 bis 31.12.2019 zu Unrecht Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe, da das Beschäftigungsausmaß der BF bei der Firma XXXX einen Anspruchslohn über der Geringfügigkeitsgrenze begründet habe.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde die BF darüber belehrt, dass sie bis einschließlich 29.05.2020 eine Beschwerde einbringen könne, so ihr der Bescheid vor dem 01.05.2020 zugestellt werde.

1.2.    Gegen den unter Punkt 1.1. genannten Bescheid des AMS erhob die BF mit Schreiben vom 29.05.2020 fristgerecht Beschwerde.

1.3.    Mit Bescheid des AMS vom 23.06.2020, GZ: 2020-0566-03-000650, wurde das Verfahren gemäß § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) bis zur Beendigung des bei der Österreichischen Gesundheitskasse anhängigen Prüfungsverfahrens betreffend die BF ausgesetzt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.4.    Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 19.10.2020, GZ: 2020-0566-3-000650, wurde die unter Punkt 1.2. genannte Beschwerde der BF gegen den Bescheid des AMS vom 02.04.2020, VN: XXXX , abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Der Bescheid wurde der BF am 22.10.2020 per Hinterlegung zugestellt.

1.5.    Mit Schreiben des AMS vom 18.12.2020, wurde die BF ermahnt, den ausständigen Rückforderungsbeitrag in Höhe von EUR 3.301,93 binnen einer Nachfrist von 14 Tagen zu zahlen. Dieses Schreiben wurde der BF am 18.12.2020 per eAMS übermittelt und das Schreiben von der BF am 21.12.2020 gelesen.

1.6.    Am 21.12.2020 rief die BF aufgrund der unter Punkt 1.5. genannten, erhaltenen Mahnung des AMS beim AMS an. Im Zuge des Telefonates wurde der BF die Information erteilt, dass ihr Strafverfahren das Verfahren nach dem AlVG nicht aufhebe, sondern der Bescheid des AMS vom 19.10.2020 rechtskräftig sei. Die BF gab bekannt, die Angelegenheit ihrem Rechtsanwalt zu übergeben.

1.7.    Mit Schreiben vom 23.12.2020 teilte der rechtsfreundliche Vertreter der BF mit, dass die BF im Zeitraum des Bezuges des Arbeitslosengeldes keine diesem Bezug entgegenstehenden Erwerbstätigkeiten ausgeübt habe, weshalb auch kein Rückforderungsanspruch bestehen könne. Es werde daher ersucht, von der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen Abstand zu nehmen.

1.8.    Mit Schreiben des AMS vom 28.12.2020 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF mitgeteilt, dass die Beschwerde der BF vom 29.05.2020 mit rechtskräftigem Bescheid des AMS vom 19.10.2020 abgewiesen worden sei. Es bestehe daher die Verpflichtung zur Rückzahlung des Betrages in Höhe von EUR 3.301,93.

1.9.    Mit Schreiben vom 11.01.2021, eingelangt beim AMS am 12.01.2021, führte die BF aus, dass der Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 19.10.2020 nie an sie zugestellt worden sei. Daher beantrage sie die Zustellung dieses Bescheides. Für den Fall, das eine Zustellung des Bescheides wider Erwarten dennoch erfolgt sein sollte, stelle die BF aus rechtlicher Vorsicht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Weiters stelle die BF den Antrag, die von ihr am 29.05.2020 eingebrachte Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete die BF damit, dass – sollte wider Erwarten [im Oktober 2020] eine Zustellung des Bescheides an sie erfolgt sein – dieser Bescheid (oder eine Hinterlegungsanzeige) von der BF offenkundig verlegt worden oder anderweitig verloren gegangen und in Vergessenheit geraten sei. Jedenfalls liege der BF dieser Bescheid nicht vor. Dies könne – Zustellung des Bescheides bzw. einer Hinterlegungsanzeige unterstellt – nur auf einen „Blackout“ der BF beruhen. Die BF sei mit einer belastenden Situation aufgrund mehrerer Verfahren konfrontiert gewesen, insbesondere auch mit einem gegen sie geführten Strafverfahren, was ein derartiges Versehen verständlich erscheinen ließe. Es sei für die BF auch aufgrund des Umstandes, dass sie im Strafverfahren am 22.10.2020 von dem Vorwurf des versuchten Betruges rechtskräftig freigesprochen worden sei, überhaupt nicht zu erwarten gewesen, eine Zustellung des AMS, welche rechtliche Schritte ihrerseits nach sich ziehen würde, zu erhalten. Ein Versehen dahingehend, dass ein Schriftstück bzw. eine etwaige Hinterlegungsanzeige verlegt werde, sei ihr jedenfalls noch nie unterlagen.

Erst als die BF seitens ihres rechtsfreundlichen Vertreters am 28.12.2020 informiert worden sei, dass das AMS die Existenz einer angeblichen Beschwerdevorentscheidung mitgeteilt habe, habe die BF Kenntnis davon erlangt, dass sie diese Beschwerdevorentscheidung (oder eine Hinterlegungsanzeige) möglicherweise verlegt habe. Der Umstand, dass eine Hinterlegungsanzeige oder eine Beschwerdevorentscheidung verlegt worden sei und daher übersehen worden sei, stelle ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis dar.

Unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Rechtshandlung werde beantragt, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Stellung eines Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 19.10.2020 zu bewilligen.

Dem Schreiben wurde eine „Eidesstättige Erklärung“ der BF vom 11.01.2021 beigelegt, in der sie erklärte, den Bescheid des AMS vom 19.10.2020 nicht erhalten zu haben. Sollte wider Erwarten eine Zustellung erfolgt sein, so sei der Bescheid (oder eine Hinterlegungsanzeige) von der BF offenkundig verlegt oder anderweitig verloren gegangen und in Vergessenheit geraten. Jedenfalls liege der BF diese (angeblich zugestellte) Beschwerdevorentscheidung nicht vor. Erklären könne sich die BF nur als Folge eines „Blackouts“, wobei dieser aufgrund der für die BF belastenden Situation mehrerer Verfahren, insbesondere auch eines gegen die BF geführten Strafverfahrens, verständlich erscheine. Ein Versehen dahingehend, dass ein Schriftstück bzw. eine etwaige Hinterlegungsanzeige verlegt werde, sei der BF jedenfalls noch nie unterlaufen. Erst als dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF am 28.12.2020 vom AMS die Existenz einer angeblichen Beschwerdevorentscheidung mitgeteilt worden sei, habe die BF Kenntnis davon erlangt, dass sie diese Beschwerdevorentscheidung (oder Hinterlegungsanzeige) möglicherweise verlegt habe.

1.10.   Mit Schreiben des AMS vom 12.01.2021 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF mitgeteilt, dass beim AMS ein Beschwerdeverfahren betreffend die BF anhängig gewesen sei. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 19.10.2020 sei die fristgerecht erhobene Beschwerde der BF abgewiesen worden. Aus dem vorgelegten Rückschein gehe hervor, dass seitens des zuständigen Postamtes am 22.10.2020 ein Zustellversuch unternommen und in weiterer Folge die Beschwerdevorentscheidung mit Beginn der Abholfrist 23.10.2020 hinterlegt worden sei. Die BF habe die gesamte Hinterlegungsfrist ablaufen lassen, weshalb die Beschwerdevorentscheidung vom zuständigen Postamt mit dem Vermerk „nicht behoben“ an das AMS retourniert worden sei, wo sie am 11.11.2020 eingelangt sei. Am 11.11.2020 sei seitens des AMS eine Abfrage aus dem ZMR durchgeführt worden, woraus hervorgegangen sei, dass die BF nach wie vor an jener Adresse wohnhaft gewesen sei, wohin die Beschwerdevorentscheidung zugestellt worden sei. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes liege eine rechtswirksame Zustellung der Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 19.10.2020 vor. Diese rechtskräftige Beschwerdevorentscheidung vom 19.10.2020 werde dem rechtsfreundlichen Vertreter nunmehr gemeinsam mit Kopien des Rückscheines und der Behördenabfrage aus dem ZMR vom 11.11.2020 übermittelt. Über den am 11.01.2021 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolge eine gesonderte Entscheidung, so das AMS.

1.11.   Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des AMS vom 19.01.2021, GZ: 2020-0566-3-000650, wurde dem Antrag der BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 11.01.2021 gemäß § 71 AVG keine Folge gegeben.

Begründend führte das AMS aus, dass der von der BF vorgebrachte Grund für den nicht fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag – wie offenkundige Verlegung der Hinterlegungsanzeige oder ein „in Vergessenheit geraten“ – kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstelle, welches die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könne. Darüberhinaus habe die BF von dem anhängigen Beschwerdevorentscheidungsverfahren vor dem AMS gewusst, da sie selbst Beschwerde eingebracht hätte und habe somit mit der Zustellung einer Entscheidung rechnen müssen.

1.12.   Gegen den unter Punkt 1.11. genannten Bescheid richtet sich die von der BF fristgerecht erhobene Beschwerde vom 18.02.2021. Darin brachte die BF vor, dass es sehr wohl ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis darstelle, wenn eine Hinterlegungsanzeige aufgrund eines „Blackouts“ und einer überaus belastenden Situation aufgrund mehrerer anhängiger Verfahren (insbesondere auch eines gegen sie geführten Strafverfahrens) verlegt oder anderweitig verloren gegangen und so in Vergessenheit geraten sei. Der VwGH habe klargestellt, dass auch in einem inneren, psychischen Geschehen, also auch bei einem Vergessen oder einem Versehen ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis liegen könne (VwGH vom 04.10.2018, Ra 2018/22/0191). Dies gelte auch für Hinterlegungsanzeigen (VwGH vom 13.10.2020, Ra 2020/15/0032).

1.13.   Am 02.03.2021 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.       Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2.1.    Feststellungen

2.1.1.  Mit Bescheid des AMS vom 02.04.2020, VN: XXXX , wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes der BF für den Zeitraum 04.10.2019 bis 31.12.2019 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und die BF gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 3.301,93 verpflichtet. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 29.05.2020 fristgerecht Beschwerde.

2.1.2.  Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 19.10.2020, GZ: 2020-0566-3-000650, wurde die unter Punkt 2.1.1. genannte Beschwerde der BF gegen den Bescheid des AMS vom 02.04.2020, VN: XXXX , abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

2.1.3.  Der Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 19.10.2020, GZ: 2020-0566-3-000650, wurde der BF am 22.10.2020 per Hinterlegung zugestellt, da die BF zum Zeitpunkt der Zustellung an der Adresse XXXX , am 22.10.2020 nicht angetroffen wurde.

Der BF wurde die Verständigung über die Hinterlegung im zuständigen Postamt, in der Abgabeeinrichtung in XXXX , eingelegt.

Der Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 19.10.2020, GZ: 2020-0566-3-000650, lag ab 23.10.2020 beim zuständigen Postamt zur Abholung bereit.

Der Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 19.10.2020, GZ: 2020-0566-3-000650, wurde von der BF nicht beim zuständigen Postamt behoben und das Poststück mit dem Bescheid (Beschwerdevorentscheidung), mit dem Vermerk „nicht behoben“, an das AMS retourniert, wo es am 11.11.2020 eingelangt ist.

2.1.4.  Mit Schreiben des AMS vom 18.12.2020, wurde die BF ermahnt, den ausständigen Rückforderungsbeitrag in Höhe von EUR 3.301,93 binnen einer Nachfrist von 14 Tagen zu zahlen. Dieses Schreiben wurde der BF am 18.12.2020 per eAMS übermittelt und das Schreiben von der BF am 21.12.2020 gelesen.

2.1.5.  Am 21.12.2020 rief die BF aufgrund der unter Punkt 2.1.4. genannten, erhaltenen Mahnung des AMS beim AMS an. Im Zuge des Telefonates wurde der BF die Information erteilt, dass ihr Strafverfahren das Verfahren nach dem AlVG nicht aufhebt, sondern der Bescheid des AMS vom 19.10.2020 rechtskräftig ist. Die BF gab bekannt, die Angelegenheit ihrem Rechtsanwalt zu übergeben.

2.1.6.  Mit Schreiben vom 11.01.2021, eingelangt beim AMS am 12.01.2021, beantragte die BF erstmals die Vorlage ihrer Beschwerde vom 29.05.2020 an das Bundesverwaltungsgericht und stellte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

2.1.7.  Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des AMS vom 19.01.2021, GZ: 2020-0566-3-000650, wurde dem Antrag der BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 11.01.2021 gemäß § 71 AVG keine Folge gegeben. Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der BF am 18.02.2021 fristgerecht erhobene Beschwerde.

2.1.7.  Die BF ist seit 21.07.2020 durchgehend mit Hauptwohnsitz an der Adresse XXXX , gemeldet. Die BF war im Zeitraum zwischen 22.10.2020 und 11.11.2020 nicht ortsabwesend.

2.1.8.  Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 19.10.2020 versäumt hat.

2.1.9.  Festgestellt wird, dass kein minderer Grad des Versehens vorliegt.

2.2.    Beweiswürdigung:

2.2.1.  Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt des AMS und jenem des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2.2.  Die Feststellungen zum Bescheid des AMS vom 02.04.2020, VN: XXXX , und der Beschwerde vom 29.05.2020 (Punkt 2.1.1.) stützen sich auf den im Akt einliegenden Bescheid des AMS vom 02.04.2020 sowie der im Akt einliegenden Beschwerde vom 29.05.2020. Im Bescheid des AMS vom 02.04.2020 wurde die BF darüber belehrt, dass sie bis 29.05.2020 Beschwerde erheben darf. Ihre Beschwerde vom 29.05.2020 erweist sich somit als fristgerecht.

2.2.3.  Die Feststellung zum Bescheid des AMS vom 19.10.2020, GZ: 2020-0566-3-000650 (Punkt 2.1.2.), stützt sich auf den im Akt einliegenden Bescheid vom 19.10.2020.

2.2.4.  Die Feststellungen betreffend die Zustellung des Bescheides des AMS vom 19.10.2020 und die Nichtbehebung durch die BF (Punkt 2.1.3.) stützen sich auf den Rückschein. Diesem ist klar zu entnehmen, dass am 22.10.2020 ein Zustellversuch an der Adresse XXXX , unternommen wurde, die BF nicht angetroffen wurde, eine Verständigung über die Hinterlegung in der Abgabeeinrichtung eingelegt wurde und der Beginn der Abholfrist mit 23.10.2020 festgelegt wurde. Der Rückholschein weist eine eigenhändige Unterschrift des Zustellers sowie einen Stempel über die erfolgte Hinterlegung im zuständigen Postamt mit Datum „22.10.2020“ auf.

Die BF hat in ihrer Beschwerde bestätigt, dass es „durchaus sein mag, dass eine Hinterlegung der Beschwerdevorentscheidung beim zuständigen Postamt erfolgt ist.“

Der „Eidesstättigen Erklärung“ der BF vom 11.01.2021 ist zu entnehmen, dass sie es selbst nicht ausschließt, eine Hinterlegungsanzeige erhalten zu haben. Diese könne sie „offenkundig verlegt“ oder „anderweitig verloren“ haben oder sie sei „in Vergessenheit geraten“, was sich die BF nur als Folge eines „Blackouts“ erklären könne.

Die Feststellungen stützen sich weiters auf das vom zuständigen Postamt an das AMS retournierte Kuvert mit dem Vermerk „nicht behoben.“ Dieses Kuvert ist am 11.11.2020 beim AMS eingelangt. Die Feststellungen stützen sich schließlich darauf, dass die BF nie behauptet hat, das Poststück (den Bescheid) vom zuständigen Postamt abgeholt zu haben.

2.2.5.  Die Feststellungen zur Ermahnung der BF (Punkt 2.1.4.) stützen sich auf das Mahnschreiben des AMS vom 18.12.2020 sowie das Empfangsprotokoll des AMS betreffend das eAMS-Konto der BF, dem zu entnehmen ist, dass der BF das Mahnschreiben des AMS am 18.12.2020 um 23:59 Uhr per eAMS-Konto zugestellt wurde und die BF das Mahnschreiben am 21.12.2020 um 06:20 Uhr gelesen hat.

2.2.6.  Die Feststellungen zum Telefonat vom 21.12.2020 (Punkt 2.1.5.) stützen sich auf den Aktenvermerk des AMS vom 21.12.2020. Darin wurde festgehalten, dass der BF mitgeteilt wurde, dass der Bescheid des AMS vom 19.10.2020 rechtskräftig ist. Weiters wurde festgehalten, dass die BF dem AMS bekanntgab, die Angelegenheit ihrem Rechtsanwalt zu übergeben. Am 23.12.2020 folgte das erste Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters der BF an das AMS im gegenständlichen Verfahren. Darin wurde auf den Rückforderungsanspruch Bezug genommen. Auch dieses Schreiben bzw. der zeitliche Verlauf spricht für die Richtigkeit des Aktenvermerks des AMS vom 21.12.2020.

2.2.7.  Die Feststellungen zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den Vorlageantrag vom 11.01.2021 (Punkt 2.1.6.) stützen sich auf das Schreiben der BF vom 11.01.2021.

2.2.8.  Die Feststellungen zum Bescheid des AMS vom 19.01.2021, GZ: 2020-0566-3-000650, und der verfahrensgegenständlichen Beschwerde vom 18.02.2021 (Punkt 2.1.7.) stützen sich auf den im Akt einliegenden Bescheid des AMS vom 19.01.2021 sowie der im Akt einliegenden Beschwerde der BF vom 18.02.2021. Der Bescheid des AMS vom 19.01.2021 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der BF am 21.01.2021 zugestellt. Die am 18.02.2021 erhobene Beschwerde erweist sich somit als fristgerecht.

2.2.9.  Die Feststellung zum Hauptwohnsitz der BF (Punkt 2.1.7.) stützt sich auf die Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Die Feststellung, dass die BF im Zeitraum zwischen 22.10.2020 und 11.11.2020 nicht ortsabwesend war (Punkt 2.1.7.), stützt sich auf die Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister sowie den Umstand, dass die BF nie behauptet hat, im angeführten Zeitraum ortsabweisend gewesen zu sein.

2.2.10. Es konnte deshalb nicht festgestellt werden, dass die BF durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis die Frist zur Einbringung des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 19.10.2020 versäumt hat (Punkt 2.1.8.), da von der BF der folgende Grund für ihr Versäumnis angegeben wurde: Sie habe die Hinterlegungsanzeige offenkundig verlegt oder diese sei anderweitig verloren gegangen und in Vergessenheit geraten. Dies könne nur auf ein „Blackout“ der BF beruhen. Sie sei mit einer belastenden Situation aufgrund mehrerer Verfahren konfrontiert gewesen, insbesondere auch einem gegen sie geführten Strafverfahren. Es sei für sie auch aufgrund des Umstandes, dass sie im Strafverfahren am 22.10.2020 vom Vorwurf des versuchten Betruges rechtskräftig freigesprochen worden sei, überhaupt nicht zu erwarten gewesen, eine Zustellung des AMS, welche rechtliche Schritte ihrerseits nach sich ziehen würde, zu erhalten.

Weiters wird in diesem Zusammenhang auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

2.2.11. Die Feststellung, dass kein minderer Grad des Versehens vorliegt (Punkt 2.1.9.), stützt sich ebenso auf den von der BF für ihr Versäumnis angeführten Grund (siehe Punkt 2.2.10.).

Weiters wird in diesem Zusammenhang auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

2.3.    Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

2.3.1.  Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Mit Bescheid des AMS vom 02.04.2020, VN: XXXX , wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes der BF für den Zeitraum 04.10.2019 bis 31.12.2019 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und die BF gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 3.301,93 verpflichtet. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 29.05.2020 fristgerecht Beschwerde.

Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 19.10.2020, GZ: 2020-0566-3-000650, wurde die Beschwerde der BF vom 29.05.2020 abgewiesen.

Der Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 19.10.2020, GZ: 2020-0566-3-000650, wurde der BF am 22.10.2020 per Hinterlegung zugestellt und lag ab 23.10.2020 beim zuständigen Postamt zur Abholung bereit. Der Bescheid wurde von der BF nicht behoben und erwuchs – mangels Einbringung eines Vorlageantrags binnen zwei Wochen – mit 06.11.2020 in Rechtskraft.

Am 11.01.2021 stellte die BF den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und brachte gleichzeitig den Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde vom 29.05.2020 gegen den Bescheid des AMS vom 02.04.2020 an das Bundesverwaltungsgericht ein.

2.3.2.  Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Bis zur Vorlage der Beschwerde hat gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden, nach Vorlage hat das BVwG mit Beschluss zu entscheiden. Im gegebenen Fall hat die belangte Behörde vor Beschwerdevorlage über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden, sodass diese gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG zur bescheidmäßigen Erledigung dieses Antrages zuständig war.

Das Instrument der Wiedereinsetzung ist aus dem AVG (§ 71) bekannt und wurde in das VwGVG übernommen. Da lediglich der IV. Teil des AVG gemäß § 17 VwGVG nicht auf die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anwendbar ist, finden die zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze und Judikatur auf § 33 VwGVG Anwendung.

Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind die

(1) die Glaubhaftmachung eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses und

(2) dass der Partei an der Versäumung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens zur Last liegt.

Ein „Ereignis“ iSd § 33 VwGVG kann sowohl ein „äußerer Vorgang“, wie etwa ein Unfall, aber auch ein „innerer Vorgang“, wie beispielsweise ein Irrtum, die unrichtige Beurteilung der Rechtslage, sein (vgl Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 618 zu § 71 AVG).

Von einem unvorhergesehenen Ereignis ist auszugehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann (VwGH 0265/75 VwSlg 9024/A; vgl. auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K6 zu § 33 VwGVG).

Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht (von dieser Partei) nicht erwartet werden konnte (VwSlg 9024 A/1976 verst Sen; vgl. auch VwGH 29.11.1994, 94/05/0318; 03.04.2001, 2000/08/0214). Ob ein Ereignis als „unvorhergesehen“ einzustufen ist, richtet sich nach den subjektiven Verhältnissen der Partei, nach den tatsächlichen Umständen und dem konkreten Ablauf der Ereignisse und nicht nach dem „objektiven Durchschnittsablauf“ (VwSlg 9024 A/1976 verst. Sen; VwGH 24.11.1986, 86/10/0169; 15.09.2005, 2004/07/0135). Der Gesetzgeber hat eben nicht den Begriff „unvorhersehbar“, der auf objektive Gesichtspunkte abstellen würde, verwendet, sondern den Terminus „unvorhergesehen“, der die subjektiven Verhältnisse der Partei anspricht (VwSlg 9024 A/1976 verst. Sen). Das im Begriff der „Unvorhergesehenheit“ gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin gehend zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn die Partei an der Versäumung der Prozesshandlung kein Verschulden (nur ein minderer Grad des Versehens [Rz 40 ff]) trifft (VwGH 28.04.1994, 94/16/0066; 02.09.1998, 98/12/0173; 11.06.2003, 2003/10/0114). Wurde zB ein Schriftstück nicht eingeschrieben aufgegeben, hat die Partei den Umstand, dass es bei der Behörde, an die es adressiert war, nicht eingelangt ist, offensichtlich nicht einberechnet. Er konnte im Hinblick auf die Zuverlässigkeit des Postverkehrs auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht von ihr nicht erwartetet werden, weshalb es sich iSd Jud des VwGH um ein unvorhergesehenes Ereignis handelt (VwGH 26.05.1999, 99/03/0078); 29.09.2000, 99/02/0356). Andere Beispiele für ein unvorhergesehenes Ereignis wären etwa eine Erkrankung oder eine Naturkatastrophe, ein Eisenbahnunglück oder eine Autopanne (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71, Rz 38).

Vgl. zum Begriff des minderen Grades des Versehens § 1332 ABGB. Davon ist dann auszugehen, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 22.01.1992, Zl. 91/13/0254).

Nach der stRsp des VwGH darf der Wiedereinsetzungswerber nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit im Verkehr mit Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligten Personen (vgl. VwGH 18.04.2002, 2001/01/0559, mwH, vgl. auch Schrefler-König in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht zu § 33 VwGVG).

2.3.3.  In ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie in ihrer Beschwerde führte die BF im Wesentlichen aus, dass sie die Hinterlegungsanzeige offenkundig verlegt habe oder diese anderweitig verloren gegangen und in Vergessenheit geraten sei. Dies könne nur auf ein „Blackout“ der BF beruhen. Sie sei mit einer belastenden Situation aufgrund mehrerer Verfahren konfrontiert gewesen, insbesondere auch einem gegen sie geführten Strafverfahren. Es sei für sie auch aufgrund des Umstandes, dass sie im Strafverfahren am 22.10.2020 vom Vorwurf des versuchten Betruges rechtskräftig freigesprochen worden sei, überhaupt nicht zu erwarten gewesen, eine Zustellung des AMS, welche rechtliche Schritte ihrerseits nach sich ziehen würde, zu erhalten.

Zum Vorbringen der BF ist zunächst festzuhalten, dass sie als Grund für ihre belastende Situation ein gegen sie laufendes Strafverfahren angeführt hat. Es wurde von ihr aber nicht behauptet, unter einer psychischen Belastung gestanden zu sein, derentwegen sie beispielsweise im Krankenstand gewesen oder behandelt worden wäre. Von der BF wurden „mehrere Verfahren“ behauptet, jedoch – abgesehen vom Strafverfahren – nicht konkretisiert, auf welche Verfahren sie sich berufe.

2.3.4.  Die BF konnte mit ihrem Vorbringen nicht schlüssig darlegen, inwiefern sie durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis die Frist zur Einbringung des Vorlageantrags versäumt hat.

Ein „offenkundiges Verlegen“ einer Hinterlegungsanzeige – wie von der BF vorgebracht – ist selbst unter der Annahme, dass diese Person aufgrund eines Strafverfahrens belastet ist, jedenfalls kein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis, liegt es doch an der BF, eine Mindestsorgfalt an den Tag zu legen, um Hinterlegungsanzeigen nicht zu verlegen. Ein „offenkundiges Verlegen“ einer Hinterlegungsanzeige kann von einem Durchschnittsmenschen objektiv verhindert werden. Ein „offenkundiges Verlegen“ einer Hinterlegungsanzeige kann unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht verhindert werden.

Ein „anderweitig Verlorengehen“ einer Hinterlegungsanzeige – wie von der BF vorgebracht – ist selbst unter der Annahme, dass diese Person aufgrund eines Strafverfahrens belastet ist, jedenfalls auch kein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis, zumal es diesbezüglich bereits an einer Konkretisierung seitens der BF fehlt, wie die Hinterlegungsanzeige verloren gegangen sein soll und liegt es auch diesbezüglich an der BF, eine Mindestsorgfalt an den Tag zu legen, um Hinterlegungsanzeigen nicht „anderweitig zu verlieren“. Ein „anderweitiges Verlorengehen“ einer Hinterlegungsanzeige kann von einem Durchschnittsmenschen objektiv verhindert werden. Ein „anderweitiges Verlorengehen“ einer Hinterlegungsanzeige kann unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht verhindert werden.

Auch ein „in Vergessenheit geraten“ einer Hinterlegungsanzeige – wie von der BF vorgebracht – ist selbst unter der Annahme, dass diese Person aufgrund eines Strafverfahrens belastet ist, jedenfalls auch kein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis, da von einem Durchschnittsmenschen objektiv verhindert werden kann, eine Hinterlegungsanzeige für zwei Wochen zu vergessen.

Ein sorgfältiger Mensch verlegt weder Hinterlegungsanzeigen noch verliert er diese anderweitig oder vergisst sie für zwei Wochen. Es würde daher gegenständlich auch kein bloß minderer Grad des Versehens vorliegen.

Hinzu kommt, dass der BF zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides (Beschwerdevorentscheidung) des AMS bewusst war, dass beim AMS ein Verfahren betreffend ihre Person anhängig war. Dieses Beschwerdevorentscheidungsverfahren wurde durch die von ihr erhobene Beschwerde begründet. Anders als von der BF in ihrer Beschwerde behauptet, musste die BF somit zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides (Beschwerdevorentscheidung) damit rechnen, einen Bescheid des AMS zu erhalten, mit dem für sie rechtliche Konsequenzen verbunden waren.

2.3.5. Sofern die BF in ihrer Beschwerde vorbrachte, dass der VwGH klargestellt habe, dass auch in einem inneren Geschehen, ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis liegen könne, ist dem zu entgegnen, dass sich ein solcher „innerer Vorgang“ in erster Linie auf einen Irrtum oder die unrichtige Beurteilung einer Rechtslage, nicht aber darauf bezieht, dass eine Person eine Hinterlegungsanzeige „verlegt“ oder „anderweitig verliert“.

In dem von der BF in der Beschwerde zitierten Beschluss des VwGH vom 04.10.2018, Ra 2018/22/0191, hat der VwGH eine Revision gegen das Erkenntnis eines Landesverwaltungsgerichts zurückgewiesen, in dem das Landesverwaltungsgerichts unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Mitbeteiligten im Zusammenhang mit ihrem schlechten Gesundheitszustand und ihrer medizinisch begründeten Vergesslichkeit sowie auf die vorgelegte nachvollziehbare Darstellung der behandelnden Hausärztin zum Ergebnis gelangt war, dass die zur Verwechslung der Frist infolge „verminderte(r) geistige(r) Beweglichkeit" führenden Umstände als unvorhersehbar und unabwendbar zu bezeichnen wären. Im Unterschied zum dortigen Fall wurde im gegenständlichen Fall weder ein schlechter Gesundheitszustand vorgebracht, noch eine medizinisch begründete Vergesslichkeit vorgebracht, noch unter Vorlage ärztlicher Bestätigungen ins Treffen geführt, noch von einer behandelnden Ärztin bestätigt. Der dem zitierten Beschluss zugrundeliegende Sachverhalt ist somit mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar.

2.3.6. Dem weiteren Vorbringen der BF in ihrer Beschwerde – mit Verweis auf VwGH vom 13.10.2020, Ra 2020/15/0032 – ist insofern zuzustimmen, dass in Fällen, in denen eine Zustellung ordnungsgemäß erfolgt ist, die Partei aber dennoch keine Kenntnis von diesem Zustellvorgang erlangt hat, diese Unkenntnis von der Zustellung eines Schriftstückes – sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt – grundsätzlich geeignet sein kann, die Wiedereinsetzung zu begründen (vgl. z.B. VwGH 5.12.2018, Ra 2018/20/0441; 12.7.2019, Ra 2018/14/0240, je mwN; vgl. auch Deixler-Hübner in Fasching/Konecny³, § 146 ZPO Rz 25 ff). Im gegenständlichen Fall hat die BF jedoch Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt, in weiterer Folge jedoch die Hinterlegungsanzeige „verlegt“ oder „anderweitig verloren“.

2.3.7. Im gegenständlichen Fall ist daher zusammenfassend weder von einem unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignis auszugehen, noch ist es der BF gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft.

2.3.8. Lediglich vollständigkeitshalber sei festgehalten, dass die BF – anders als in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand behauptet – nicht erst am 28.12.2020 durch eine E-Mail des AMS an ihren rechtsfreundlichen Vertreter davon erfahren hat, dass eine Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 19.10.2020 ergangen und zugestellt worden war, sondern die BF (ua bereits) am 21.12.2020 in einem Telefonat vom AMS davon erfahren hat und somit Kenntnis hatte.

2.3.9. Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. In der rechtlichen Beurteilung zu Punkt A) wurde ausführlich auf die Judikatur des VwGH eingegangen und diese zitiert.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Hinterlegung rechtswirksame Zustellung Sorgfaltspflicht Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W255.2240037.2.00

Im RIS seit

31.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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