TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/24 W153 2235214-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.03.2021
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Entscheidungsdatum

24.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W153 2235213-1/12E
W153 2235214-1/10E
W153 2235212-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , alle StA. aus der demokratischen Republik Kongo, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.08.2020, Zlen 1.) 1255578310-191284653, 2.) 1255580700-191284645, 3.) 1265271300-200479660, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.01.2021 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin (BF1 und BF2), ein Ehepaar, beide aus der Demokratischen Republik Kongo, stellten am 15.12.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.12.2019 gaben die BF an, dass sie legal mit einem belgischen Visum, ausgestellt für den Zeitraum vom 24.11.2019 bis zum 29.12.2019 für touristische Zwecke, nach Europa gereist seien und nach Österreich gelangten. Sie seien jedoch mit Reisedokumenten mit einer falschen Identität eingereist.

Am 28.02.2020 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF1 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), bei der er hinsichtlich seiner Fluchtmotive im Wesentlichen vorbrachte, dass er den Kongo verlassen habe, weil er ein störender Zeuge gewesen sei. Er habe 2007 Fotos von Leuten, die in Massakern umgebracht worden seien, gemacht und besessen. Deswegen werde er von den Leuten, die die Fotos haben wollen, gesucht. Er habe kein Sicherheitsgefühl mehr in seiner Heimat gehabt. Damals sei er nach Angola gegangen. 2010 sei er kurz zu seiner Gattin, der BF2, und den gemeinsamen Kindern zurückgekehrt. Die Kinder hätten dann in Kinshasa bei seinem Bruder gelebt und seien dort in die Schule gegangen. BF2 habe weiterhin in einem Dorf gelebt. Nach ca. einem Monat sei er wieder nach Angola gereist und erst 2019 wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Die BF hätten dann ihre Reise nach Europa vorbereitet und seien über das Nachbarland Republik Kongo-Brazzaville ausgereist.

BF2 wurde ebenfalls am 28.02.2020 vom BFA einvernommen. Sie gab an, dass sie im 7. Monat schwanger und ihre Muttersprach Lingala sei. Sie könne kaum Französisch sprechen.

Am XXXX wurde der gemeinsame Sohn (BF3) geboren und am 12.06.2020 haben BF1 und BF2 für diesen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Eigene Fluchtgründe für das Kind wurden nicht vorgebracht.

Die volljährigen BF wurden am 16.06.2020 neuerlich vom BFA einvernommen. Sie wiederholten im Wesentlichen Ihre Angaben und führten aus, dass BF2 sowie der in Österreich geborene BF3 keine eigenen Fluchtgründe hätten. Sie seien wegen des BF1 in Österreich.

Das BFA wies die Anträge der BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 18.08.2020 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Demokratische Republik Kongo gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Weiters erteilte das BFA den BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ ihnen gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass eine Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diese Bescheide wurde am 11.09.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen bekräftigen die BF ihre Verfolgungsgründe und gaben nunmehr an, dass drei ihrer Kinder, die sich im Heimatstaat befinden, dort vermisst werden würden.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.01.2021 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Lingala eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die BF sowie deren Rechtsvertretung teilnahmen. BF1 und BF2 wurden insbesondere ausführlich zu ihrer Person und ihren Fluchtgründen befragt. Es wurde ihnen Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen. Es wurde eine Geburtsurkunde des BF3 vorgelegt, aus der hervorgeht, dass das zuständige Standesamt die Identitäten der BF1 und BF2 aufgrund der vorgelegten Dokumente aus dem Heimatstaat abgeändert hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person der BF:

Die BF sind Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo. Ihre Muttersprache ist Kikongo, sie sprechen beide Lingala, darüber hinaus besitzt BF1 Sprachkenntnisse in Französisch, Portugiesisch und Deutsch.

Die BF gaben bei der Antragsstellung an, dass sie mit falschen Identitäten nach Europa gereist seien. Trotz dieses Hinweises hat das BFA entschieden, dass die BF aufgrund fehlender Beweismittel weiterhin unter ihren Identitäten, die im Visum und Reisepass stehen und in der Visa-Datenbank aufscheinen, geführt werden. Die Personenstandsbehörde hat nach Prüfung der nachträglich vorgelegten Geburtsurkunden dem Antrag der BF1 und BF2 auf Änderung der Personaldaten am 04.06.2020 stattgegeben und entsprechende Urkunden ausgestellt.

Daher wird festgestellt, dass Namen und Geburtsdaten der BF1 und BF2 nunmehr wie folgt lauten:

Der im Bescheid als XXXX , geb. XXXX bezeichnete BF1 heißt XXXX und wurde am XXXX geboren.

Die im Bescheid als XXXX , geb. XXXX bezeichnete BF2 heißt XXXX und wurde am XXXX geboren.

Die genannten BF haben die Richtigkeit ihrer Angaben in der mündlichen Verhandlung mit ihrer Unterschrift bestätigt.

Die BF gehören der Volksgruppe der Bakongo an und sind in XXXX geboren und aufgewachsen. BF1 hat 12 Jahre die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Er hat u.a. als Verkäufer von Satelliten- und Musikgeräten gearbeitet und lebte seit 2007 in Angola (Enklave Cabinda, liegt nahe dem Heimatgebiet der BF) als nicht fix Beschäftigter.

Im Kongo leben noch die Mutter, zwei ältere Brüder und eine jüngere Schwester des BF1. BF1 und BF2 sind seit 2001 verheiratet. Ebenso befinden sich dort vier gemeinsame Kinder, die seit 2010 zwecks Schulbildung beim ältesten Bruder des BF1 bzw. dessen Familie in Kinshasa leben. Die Familie lebt in gesicherten materiellen Verhältnissen.

BF2 hat sieben Jahre die Schule besucht und als selbständige Schneiderin zu Hause gearbeitet. 2008 ist sie von XXXX weggezogen und hat in einem Dorf bei einem Cousin des BF1 gelebt.

Die Angaben der BF, insbesondere des BF1, dass nunmehr kein Kontakt zur Familie, außer zu drei Kindern, die bei einem Lehrer wohnen würden, bestehe, sind unglaubwürdig. Es ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die BF Kontakt zu Familienmitgliedern haben bzw. diesen rasch wiederherstellen können.

BF3 wurde am XXXX als Sohn der BF1 und BF2 in Österreich geboren.

Zum Fluchtvorbringen der BF:

Als Fluchtgrund wurde angegeben, dass der BF1 im Jahr 2007 ein störender Zeuge gewesen sein soll, da er Fotos von Leuten, die in Massakern umgebracht worden seien, gemacht und besessen habe. Deswegen werde er von den Leuten, die die Fotos haben wollen, gesucht.

Es wird festgestellt, dass die BF in ihrem Heimatstaat keiner asylrelevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt sind und eine solche, im Falle einer Rückkehr, nicht zu befürchten haben. Die BF konnten nicht glaubhaft darlegen, dass sie wegen des BF1 von staatlichen Behörden oder Privatpersonen verfolgt werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die BF aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa gereist.

Festgestellt wird weiters, dass für den in Österreich geborenen BF3 keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden.

Es wird somit unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände festgestellt, dass die BF im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK nicht ausgesetzt sind.

Zur Rückkehrsituation der BF in seinem Herkunftsland:

Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat droht den BF kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention. Die BF stammen aus dem Westen des Staates, der Kongomündung. Im Gegensatz zum Nordosten bzw. Osten des Landes, der von Wellen der Gewalt gekennzeichnet ist, liegen über diese Region keine Berichte vor, dass die Lage dort gefährlich oder instabil wäre. Den arbeitsfähigen und gesunden volljährigen BF sowie dem gesunden minderjährigen BF3 ist es somit zumutbar in der DR Kongo zu leben. Die BF verfügen im Herkunftsstaat über ein familiäres und soziales Netzwerk, dort leben u.a. vier Kinder der BF1 und BF2. Die Familie lebt im Heimatstaat in stabilen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, sodass davon auszugehen ist, dass die BF bei einer Rückkehr, wie auch bisher (Kinder leben seit 2010 beim Bruder des BF1 und dessen Familie in Kinshasa und gehen bzw. gingen zur Schule, BF2 lebte bei einem Cousin des BF1) Unterstützung erwarten können. Die Pflege und Obsorge des minderjährigen BF3 ist durch die BF1 und BF2 somit gesichert. Indiz dafür, dass der Bekanntenkreis der BF auch gut mit Behörden vernetzt sind, ist die Beschaffung von Visa nach Europa mit gefälschten Identitäten und die nachträgliche Besorgung von Identitätsnachweisen. Die BF verfügen im Rahmen einer Gesamtschau somit über eine gesicherte Existenzgrundlage.

Im Hinblick auf die Anfang 2020 weltweit aufgetretene Covid-19-Pandemie, wird festgestellt, dass die BF nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren und der Personen mit Vorerkrankungen fallen. Selbst im Falle einer Infektion mit Covid-19 ist mit einer lediglich im (unteren) einstelligen Prozentbereich liegenden Wahrscheinlichkeit einer Gefahr für ihr Leben oder, dass sie dauerhafte schwerwiegende gesundheitliche Schäden davontragen, zu rechnen. In der DR Kongo gibt es mit Stand 23.03.2021 mehr als 27.500 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, wobei 726 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

Die BF leiden aktuell weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit, die bei einer Rückkehr eine unzumutbare Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bewirken würde.

Die BF1 und BF2 wurden in der Beschwerdeverhandlung über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt.

Zum (Privat-)Leben der BF in Österreich:

BF1 und BF2 reisten mit Reisedokumenten mit gefälschten Identitäten Ende November 2019 nach Österreich ein (vgl. Akte des BF1, AS 248), stellten am 15.12.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz und halten sich seither nur aufgrund eines vorläufigen Aufenthaltsrechts als Asylwerber im österreichischen Bundesgebiet auf. BF3 wurde im Mai 2020 in Österreich geboren und am 12.06.2020 haben BF1 und BF2 für diesen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die BF verfügen in Österreich über keine schützenswerten familiären oder privaten Bindungen. Sie leben von der Grundversorgung, sind nicht selbsterhaltungsfähig und im Bundesgebiet strafrechtlich unbescholten.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Hinsichtlich der Lage in der Demokratischen Republik Kongo ist auf Basis des aktuellen "Länderinformationsblattes der Staatendokumentation" (Stand: 17.12.2020) festzustellen:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
COVID-19

In der DR Kongo ist mit anhaltenden Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr sowie weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben bis auf weiteres zu rechnen. Es besteht hohes Sicherheitsrisiko im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19). Mit anhaltenden Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr sowie weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben ist bis auf weiteres zu rechnen (BMEIA 16.10.2020; vgl. AA 18.11.2020). Seit 15.6.2020 sind die Außengrenzen des Landes wieder offen und auch Binnenreisen sind wieder möglich (FD 25.11.2020).

Der internationale Flugverkehr (BMEIA 16.10.2020; vgl. AA 18.11.2020) und auch der nationale Flugverkehr wurde wieder aufgenommen (AA 18.11.2020). Bei der Einreise ist ein negativer COVID-19 Tests bzw. die direkte Durchführung eines COVID-19 Tests am Flughafen und bei der Ausreise die Vorweisung eines negativen Tests vorgeschrieben (BMEIA 16.10.2020; vgl. AA 18.11.2020, FD 25.11.2020). Um innerhalb der Demokratischen Republik Kongo reisen zu können, muss den Grenzbehörden vor Antritt der Reise am Flughafen ein negativer Test vorgelegt werden (AA 18.11.2020; vgl. FD 25.11.2020).

Das Tragen eines Nasen-Mundschutzes in der Öffentlichkeit ist verpflichtend. Vielfach kommt es zu Straßensperren und Polizeikontrollen mit Temperaturmessungen (BMEIA 16.10.2020). Im gesamten Stadtgebiet Kinshasas gilt die Pflicht zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes (AA 18.11.2020).

Das Gesundheitssystem ist auf die Pandemie nicht vorbereitet. Im Falle einer Infektion mit dem Virus kann nicht von einer angemessenen Behandlung ausgegangen werden (AA 18.11.2020).

Politische Lage

Die seit dem 18.2.2006 geltende Verfassung bestimmt eine gemäßigte präsidiale Regierungsform. Das System wird sowohl von zentralistischen als auch föderalistischen Elementen geprägt (GIZ 10.2020a). Die DR Kongo ist seit 2015 in 26 Provinzen mit eigenen Parlamenten und Regierungen gegliedert. Das Parlament der DR Kongo besteht aus zwei Kammern: Nationalversammlung und Senat. Der Staatspräsident wird für fünf Jahre direkt gewählt und hat weitreichende Machtbefugnisse (AA 28.8.2019a; vgl. GIZ 10.2020a). Durch eine Verfassungsänderung wurde 2011 der zweite Wahlgang bei den Präsidentschaftswahlen abgeschafft. Dabei wurde dem Präsidenten das Recht zur Absetzung der Gouverneure und zur Auflösung der Provinzparlamente eingeräumt (AA 28.8.2019a).

In der DR Kongo fanden mit mehr als zweijähriger Verspätung am 30.12.2018 Präsidentschafts-, Parlaments- und Provinzratswahlen statt. Diese liefen verhältnismäßig friedlich und organisiert ab (AA 17.2.2020). Nachdem die Regierung alle sozialen Netzwerke stilllegte und eine massive Militär- und Polizeipräsenz keine kritischen Bewegungen erlaubte, verliefen die Wahlen relativ ruhig. Doch sowohl die gut organisierte katholische Kirche als auch der südafrikanische Staatenverband SADC bestätigten viele Unregelmäßigkeiten während der Wahlen (GIZ 10.2020a).

Das von der nationalen Wahlkommission CENI verkündete Ergebnis der Präsidentschaftswahlen wies überraschend den Führer der oppositionellen UDPS-Partei Félix Tshisekedi als Wahlsieger aus, womit er seine Konkurrenten Martin Fayulu (Oppositionsbündnis Lamuku) und Emmanuel Ramazani Shadary (bisheriges Regierungsbündnis FCC) auf den zweiten bzw. dritten Platz verwies. Das Wahlergebnis gilt weiterhin als umstritten, da die informellen Ergebnisse ziviler Wahlbeobachter für Fayulu als Wahlsieger sprachen (AA 17.2.2020).

Am 26.8.2019 benannte Ministerpräsident Sylvestre Ilunga die neuen Minister. Insgesamt 67 Mitglieder umfassend zeichnet das Kabinett sich u.a. dadurch aus, dass drei von vier Ministern keine Regierungserfahrung besitzen und 42 Plätze dem Front Commun pour le Congo (FCC) zukommen. Deren sogenannte „moralische Autorität“ ist Ex-Präsident Joseph Kabila. Der Frauenanteil stieg von 10% auf 17% an (AA 17.2.2020).

Am 6.12.2020 verkündete Staatspräsident Félix Tshisekedi nach mehrwöchigen Verhandlungen das Ende der Zusammenarbeit zwischen seiner Parteikoalition Cap pour le Changement (CACH) und der seines Vorgängers Joseph Kabila, Front commun pour le Congo (FCC). Er ernannte einen Beauftragten zur Herstellung einer neuen Mehrheit. In der Regierungskoalition der beiden Lager sei sein Reformprogramm blockiert gewesen. Der FCC stellt die Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Auch die Ernennung von Sylvestre Ilunga zum Premierminister im Mai 2019 musste auf die Mehrheit des FCC gestützt werden. Zum Koalitionsende trug ein Streit über die Ernennung dreier neuer Verfassungsrichter durch Tshisekedi bei, der sich dabei über den Premierminister hinweggesetzt haben soll. Am 10.12.2020 setzte die Nationalversammlung (Unterhaus) ihre bisherige Parlamentspräsidentin Jeanine Mabunda ab. Das Lager Kabilas, zu dem sie zählt, erhob den Vorwurf des Stimmenkaufs gegen die Seite Tshisekedis (BAMF 14.12.2020).

Sicherheitslage

In Kinshasa und anderen kongolesischen Städten führten in der Vergangenheit wiederholt, teilweise gewalttätige, Proteste gegen die Regierung zur Verwendung scharfer Munition, Todesopfern und Verletzten, sowie zu zahlreichen Festnahmen. Auch weiterhin kann es im ganzen Land im Zusammenhang mit Protestaktionen und Versammlungen zu Gewalt kommen. Dabei muss auch mit weitreichenden Störungen des öffentlichen Lebens sowie einer hohen Präsenz von bewaffneten Sicherheitskräften gerechnet werden (AA 18.11.2020).

Die Sicherheitslage ist äußerst instabil. Versammlungen, Proteste und bestimmte Veranstaltungen können, selbst ohne erkennbaren äußeren Anlass, jederzeit zu unvorhersehbaren sicherheitsrelevanten Ereignissen oder gewalttätigen Ausschreitungen führen und scharfe Gegenmaßnahmen zur Folge haben. Dies betrifft neben zahlreichen Provinzen inzwischen auch die Hauptstadt Kinshasa (AA 18.11.2020). Es kommt vor allem in der Hauptstadt, aber auch in anderen Ballungsräumen (Matadi, Bukavu, Goma, Kananga etc.), immer wieder zu schweren Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen Opposition und Sicherheitskräften (BMEIA 16.10.2020).

Der Nordosten der Demokratischen Republik Kongo ist seit dem Genozid in Ruanda (1994) von Wellen der Gewalt gekennzeichnet. Hintergrund ist die maßlose Gier der unterschiedlichsten Waffenträger nach Rohstoffen wie Coltan, Gold und Diamanten. Zeitweise bewegten sich 14 verschiedene bewaffnete Gruppen und Rebellenorganisationen im Gelände. Ungelöst ist das Problem des Verbleibs der FDLR (Demokratische Front zur Befreiung Ruandas), jener Rest-Hutu-Armee, die seit dem Ende des Genozids 1994 ihr gewalttätiges Unwesen in der ganzen Region – einschließlich Ruanda – treibt. Die Rebellengruppe M-23 hat sich nach einem Friedensvertrag Ende 2013 offiziell aufgelöst, jedoch demobilisierten einige ihrer Kämpfer nicht und kämpfen weiter. Die Kampfkraft der verschiedenen Rebellengruppen – allen voran die der FDLR nahestehenden – bleibt ungebrochen. Die im Oktober und November 2015 begonnenen aktiven Angriffe und Kämpfe der MONUSCO [Anm. UNO Mission in der DR Kongo] haben bisher nichts an der Situation verändert (GIZ 10.2020a).

In den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Orientale, Ituri, Haut-Uele, Tanganyika, Haut-Lomani, Kasai und Maniema finden häufig kriegerische Handlungen zwischen den zahlreichen Rebellengruppen und der Armee sowie der MONUSCO statt (BMEIA 16.10,2020). Ende November 2019 kam es bei Protesten der Bewohner Benis zu Übergriffen auf einzelne Einheiten der UNO-Mission MONUSCO (AA 18.11.2020).

In den Provinzen Bas-Uele, Haut-Uele, Tshopo, Ituri, Nord-Kivu, Süd-Kivu, Maniema, Tanganyika, Haut-Lomami, Haut-Katanga (nur nördliche Gebiete), Lomami, Kasai, Kasai-Central und Kasai Oriental kommt es immer wieder zu gewaltsamen Zwischenfällen zwischen den kongolesischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen, insbesondere der Allied Democratic Force (ADF). Von der kongolesischen Armee wird derzeit eine Großoffensive gegen die ADF durchgeführt (AA 18.11.2020).

Konflikte setzen sich insbesondere in den Ostprovinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Tanganyika, Ituri, Haut-Uele und Bas-Uele und in den Provinzen der Kasai-Region (Kasai central, Kasai, Kasai oriental, Sankuru und den Lomami Provinzen) fort. Bewaffnete Gruppen wie u.a. die demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR), die vereinten Kräfte zur Befreiung Ugandas (ADF/NALU), die nationalen Befreiungskräfte (FNL), die Lord’s Resistance Army (LRA), aber auch indigene Gruppen, wie die lokalen Nduma Defense of Congo-Renewal (NDC-R), Kamuina Nsapu, Bana Mura und diverse Mai-Mai-Gruppen (lokale Milizen) attackieren die Zivilbevölkerung. Viele dieser Gruppen stammen ursprünglich aus dem Ausland. Die Angriffe führen zu massiven Vertreibungen der Zivilbevölkerung, und es kommt zu vielen Menschenrechtsverletzungen (USDOS 11.3.2020).

Die Zivilbevölkerung ist hauptleidtragend. Teile der Bevölkerung werden aufgrund ihrer (angenommenen) Zugehörigkeit zu einer Ethnie (Hutu, Tutsi, Nande, Hunde, und zahlreiche andere) oder einer Sprachfamilie (insbesondere Kinyar-wanda-Sprecher) Opfer von Gewalt. Oftmals sind sie jedoch auch Opfer willkürlicher Gewalttaten. Die Zahl der Binnenvertrieben bleibt auf einem hohen Niveau und Flüchtlinge müssen nicht selten ein-bis zweimal im Monat ihren Aufenthaltsort wechseln und erneut fliehen, weil weitere Plünderungen und Missbrauch drohen. Internationale Bemühungen zur Befriedung der Situation haben bislang noch keine durchschlagende Wirkung erzielen können (AA 17.2.2020).

Die kongolesische Armee, sowie sämtliche Rebellengruppen und Milizen ernähren sich außerdem „aus dem Land“, d.h. sie plündern die Vorräte der Bevölkerung. Nur ein Teil der fliehenden Bevölkerung kann von UN-Organisationen oder NGOs unterstützt werden. Bei Rückkehr in ihre Stammesgebiete droht diesen nicht selten erneute Ausplünderung und physische Gewalt. Insgesamt herrscht in weiten Teilen der Unruheprovinzen des Landes ein Klima der Gewalt und Vertreibung, dem die Zivilbevölkerung weitestgehend schutzlos ausgesetzt ist. Trotz der Bemühungen der Friedensmission der Vereinten Nationen, MONUSCO, bleiben erhebliche Schutzlücken bestehen (AA 17.2.2020).

Rechtsschutz/Justizwesen

Während gesetzlich eine unabhängige Justiz vorgesehen ist (USDOS 11.3.202; vgl. GIZ 10.2020a), war die Justiz in der Praxis Korruption und politischer Einflussnahme unterworfen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Beamte und andere einflussreiche Personen unterwarfen Richter häufig der Nötigung. Richtermangel führte zu langwierigen Gerichtsverfahren, insbesondere in den Provinzen. Behörden missachteten regelmäßig Gerichtsurteile. Disziplinarkommissionen beschäftigten sich mit zahlreichen Fällen von Korruption und Amtsmissbrauch, die in Entlassungen und Suspendierungen von Richtern mündeten (USDOS 11.3.2020).

In der Praxis funktioniert das Rechtswesen nur sehr unzureichend. Es gibt eine sehr eingeschränkte Rechtssicherheit. Die Ursachen sind vielfältig: ausufernde Korruption, Postenschieberei und schlechte Bezahlung auf allen Ebenen sowie mangelnde Ausbildung, Bezahlung und Disziplin der Polizei. Folgernd hieraus ist die Justiz in der Demokratischen Republik Kongo weitgehend blockiert. Recht hat in der Regel der, der am meisten für sein vermeintliches Recht bezahlen kann (GIZ 10.2020).

Eine funktionierende und unabhängige Justiz gibt es noch nicht. Beschäftigte im Justizdienst werden schlecht und unregelmäßig bezahlt und sind häufig korrupt. Die zivile Justiz ist mit den zu bewältigenden Aufgaben überfordert. Nach Einschätzung von nationalen und internationalen Experten, wird es noch Jahre dauern, bis neu ausgebildetes, motiviertes und angemessen bezahltes Justizpersonal die aktuelle Misere beenden könnte. Bemühungen ausländischer Organisationen, diesen Zustand mit Seminaren, Sachspenden etc. zu bessern, zeigen bisher nur geringen Erfolg. Reformen werden versprochen, dürften jedoch Jahrzehnte in Anspruch nehmen, um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen (AA 17.2.2020).

Die Militärjustiz ist für alle Vorgehen von und gegen Soldaten und Polizisten zuständig, sowohl für im Dienst als auch im Privaten begangene Straftaten. Sie ist überlastet, aber bemüht, ihrer Aufgabe, die Straflosigkeit bei Angehörigen der Sicherheitsdienste (Streitkräfte, Polizei) zu bekämpfen, gerecht zu werden. Ihr Personal ist in der Regel besser ausgebildet als das in der Ziviljustiz (AA 17.2.2020).

Sicherheitsbehörden

Die primäre Verantwortung zur Rechtsdurchsetzung obliegt der kongolesischen Nationalpolizei (Police National Congolaise – PNC). Diese untersteht dem Innenministerium. Die Nationale Geheimdienstagentur (National Intelligence Agency – ANR) untersteht dem Präsidenten. Ihr obliegt die interne und externe geheimdienstliche Informationsbeschaffung. Die Streitkräfte der DR Kongo (FARDC) sowie der militärische Geheimdienst unterstehen dem Verteidigungsministerium. Sie haben primär Verantwortlichkeit in Bezug auf äußere Sicherheit, in der Praxis liegt ihr Fokus primär auf der inneren Sicherheit. Die FARDC sind geprägt von schwacher Führung, schlechter operationeller Planung, geringen administrativen und logistischen Kapazitäten, mangelnder Ausbildung und fraglicher Loyalität ihrer Soldaten, vor allem im Osten des Landes. Dem Präsidenten unterstehen die republikanischen Garden (Republican Guard – RG). Dem Innenministerium untersteht das Direktorat für Migration, das, gemeinsam mit der Polizei, für die Grenzkontrollen verantwortlich ist (USDOS 11.3.2020).

Die Kooperation der MONUSCO (UN-Friedensmission in der DR Kongo) und der kongolesischen Regierung findet im Osten weiterhin statt, mit Ausnahme der Kasai-Region (USDOS 11.3.2020). Trotz einer Truppenreduzierung stellt die MONUSCO mit über 16.000 Soldaten und über 1.300 Polizisten nach wie vor eine der größten UN-Friedensmissionen weltweit dar (AA 17.2.2020).

Obwohl es zu Verurteilungen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte kam, blieb die Straffreiheit ein Problem. Behörden unterließen es häufig, Missbrauch durch Beamte zu untersuchen, verfolgen oder zu bestrafen. In diesem Zusammenhang betrieben die Behörden zusammen mit der UN-Schutztruppe MONUSCO gemeinsame Menschenrechtskomitees und nutzten diesbezügliche internationale Einrichtungen, um Vergehen von Mitgliedern der staatlichen Sicherheitskräfte bzw. disziplinäre Probleme zu untersuchen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020).

Die zivilen Behörden üben keine effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Das Militär ist notorisch undiszipliniert. Vorfälle von Informationsaustausch zwischen kongolesischen Soldaten und Rebellengruppen gab es im Jahr 2019 weiterhin. Soldaten und Polizisten begehen regelmäßig Menschenrechtsvergehen. Hochrangige Militärs gehen bei solchen Vergehen oft straffrei aus (FH 4.3.2020).

Laut einem Bericht von GlobalSecurity existiert eine richtige kongolesische Armee, gemessen an modernen Kriterien, gar nicht. Vielmehr gibt der Staat nur vor, eine zu haben. Die FARDC wurde 2003 aus verschiedenen bewaffneten Gruppen unterschiedlicher politischer Gruppierungen geformt, die seit dem kaum als einheitlicher Armeekörper in Erscheinung tritt und durch mangelnde Loyalität, Disziplin und eine kaum vorhandene Befehlskette gekennzeichnet ist. Daneben leidet die Armee unter schlechter Ausbildung und schlechtem Kriegsmaterial, Korruption, schwachen Kommandostrukturen, Versorgungsproblemen und unregelmäßiger Bezahlung, was dazu führt, dass Mitglieder der Armee oft in Plünderungen und Überfällen auf Zivilisten, einhergehend mit massiven Menschenrechtsverletzungen und selbst am ständigen Hin- und Her-Wechsel zwischen den Fronten beteiligt sind. Ein Reformplan zur Umwandlung der Truppe in eine moderne Armee, wurde 2009 dem Parlament präsentiert. Laut MONUSCO hat die kongolesische Armee bedeutende Schritte zur Hebung der Armeedisziplin durch Verfolgung von durch Soldaten begangener Menschenrechtsverletzungen unternommen. Trotzdem bleibt Straffreiheit in der Armee weiterhin ein großes Problem (GS o.D.).

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz kriminalisiert zwar die Anwendung von Folter, dennoch gibt es Berichte von Menschenrechtsorganisationen, dass die Sicherheitskräfte weiterhin Zivilisten, vor allem Häftlinge, foltern. Während des Jahres 2019 brachten Aktivisten Videos in Umlauf, wo Polizisten unbewaffnete Demonstranten schlugen (USDOS 11.3.2020). Folter von Häftlingen kommt häufig vor (FH 4.3.2020).

Viele Beobachter (Menschenrechtsorganisationen, UN-Menschenrechtsbüro, EU-Missionen, NGOs und die Botschaft) gehen davon aus, dass – entgegen dem in Art. 16 der Verfassung statuierten ausdrücklichen Verbot – Folter in Gefängnissen, Polizeistationen und geheimen Haftanstalten (so genannte „cachots“) durch Militär und Sicherheitskräfte nach wie vor angewandt wird. Dies betrifft nicht nur die Hauptstadt, sondern auch die Provinzen. Am 20.7.2011 trat ein Gesetz zum Verbot der Folter in Kraft. Kongolesische Menschenrechtsorganisationen begrüßten das Gesetz und mahnten angesichts der fortgesetzten Praxis seine gewissenhafte Umsetzung an (AA 17.2.2020).

Korruption

Gesetzlich sind Strafen für Korruption durch Beamte zwar vorgesehen, jedoch setzt die Regierung diese Vorgaben nicht effektiv um und korrupte Praktiken sind oft mit Straflosigkeit verbunden. Durch behördliche Korruption auf allen Ebenen sowie in Firmen in Staatsbesitz entgehen der Staatskassa hunderte Millionen US-Dollar pro Jahr. Präsident Tshisekedi startete am 11.7.2019 eine nationale Korruptions-Bewusstseins-Kampagne. 80% der Befragten gaben an, dass sie Bestechungsgelder zahlen mussten, um öffentliche Güter und Dienstleistungen wie etwa Polizeischutz, Wasser, Geburtsurkunden und Personalausweise zu erhalten. Auch Mitglieder der Sicherheitskräfte sind undiszipliniert und korrupt. Polizei- und Armeeeinheiten betreiben illegale Geldeinhebung und Erpressung von Zivilisten, oft an Checkpoints, wo sie Geld und Nahrungsmittel von Individuen forderten und jene, die nicht zahlen können, inhaftieren (USDOS 11.3.2020).

Korruption ist in der Regierung, den Sicherheitskräften und der Mineralienindustrie weit verbreitet, der öffentliche Dienst und Entwicklungshilfeversuche sind davon unterminiert. Ernennungen zu hochrangigen Positionen in der Regierung sind von Nepotismus geprägt. Rechenschafts-Mechansimen sind schwach, und Straffreiheit ist die Norm (FH 4.3.2020).

Im aktuellen Ranking von Transparency International rangiert die DR Kongo an 168. Stelle bei insgesamt 198 gereihten Ländern (TI 2020).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Die Zivilgesellschaft war und ist ein sehr wichtiger Akteur in der politischen und sozialen Entwicklung des Landes. Sie verändert ihre Aufstellung und ihre Aktionen entsprechend der aktuellen politischen, sozialen und ökonomischen Situation. So wurden beispielsweise die entscheidenden Wahlen im Dezember 2018 maßgeblich von kirchlichen und genossenschaftlichen Gruppen sowie von Jugendorganisationen, Frauenverbänden und einer Vielzahl zivilgesellschaftlicher Zusammenschlüsse beeinflusst. Besonders in den Städten hat die breite politische Debatte, die von der Zivilgesellschaft geführt wurde, zu einer Verhinderung von exzessiver Gewalt geführt (GIZ 10.2020a).

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen sind aktiv und können grundsätzlich frei agieren. Menschenrechtsorganisationen erfahren auch in der Presse Rückhalt. Im Zuge der Wahlen im Dezember 2018 kam es zu massiven Einschüchterungswellen von Menschenrechtsverteidigern und aktiver Zivilgesellschaft durch staatliche Sicherheitskräfte. Versammlungen wurden verboten und gewaltsam aufgelöst, willkürliche Festnahmen und Verhöre unter Einsatz von Gewalt fanden in regelmäßigen Abständen statt. Nach Ernennung des neuen Staatspräsidenten Tshisekedi kam es zu ersten Anzeichen einer Entspannung und einem neuen, demokratischeren Umgang mit Menschenrechtsorganisationen. So ordnete der neue Präsident etwa die Entlassung einer Reihe politischer Gefangener an. NGO-Vertretern zufolge geschehen dennoch weiterhin nicht nachvollziehbare Verhaftungen von Aktivisten, insbesondere im, dem Wirkungskreis Kinshasas entzogenen, Osten des Landes (AA 17.2.2020).

Tausende von NGOs sind in der DR Kongo aktiv, aber viele sehen sich Hindernissen bei ihrer Arbeit ausgesetzt. Vor allem nationale Menschenrechtsverteidiger sind Belästigungen, willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt. Druck wurde vor allem im Rahmen der Wahlperiode 2018 und 2019 spürbar. Die Repressionen sind seit dem Amtsantritt von Tshisekedi etwas zurückgegangen (FH 4.3.2020). Mitarbeiter des Justizministeriums treffen sich mit nationalen NGOs und antwortet gelegentlich auf Anfragen seitens dieser NGOs. Die Regierung kooperiert gelegentlich mit internationalen NGOs und der UNO. Es gibt zwar ein interministerielles Menschenrechtskomitee, seine Effektivität ist aber begrenzt (USDOS 11.3.2020).

Allgemeine Menschenrechtslage

In der DR Kongo ist die Wahrung grundlegender Menschenrechtsnormen und Prozessstandards nicht garantiert. Im Zuge der Krise um die Wahlen kam es zu massiven Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Medienfreiheit. Darüberhinaus steigt die Zahl der von internen bewaffneten Auseinandersetzungen betroffenen Menschen an. Willkür ist im Justiz- und Polizeiwesen und bei den Streitkräften verbreitet. Die Menschenrechtslage in den Konfliktregionen im Osten des Landes ist äußerst problematisch: Zivilisten werden häufig Opfer von Gewalt, auch sexualisierter Gewalt, verübt durch Regierungstruppen sowie Rebellengruppen. Viele Menschen haben keinen Zugang zu ausreichender Nahrung, Bildung, und Gesundheitsversorgung. Auch grundlegende Arbeitsnormen (darunter das Verbot von Kinderarbeit, Höchstarbeitszeiten, Gesundheitsnormen etc.) werden kaum beachtet. Rechtlich besteht Gleichheit der Geschlechter; in der Realität werden Frauen benachteiligt. Medien- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt (AA 17.2.2020). Bedeutende Menschenrechtsprobleme sind willkürliche Tötungen, darunter ungesetzliche Tötungen, Verschwindenlassen, Folter und willkürliche Inhaftierungen durch die Regierung, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, usw. (USDOS 11.3.2020).

Gesetzlich ist Pressefreiheit und Meinungsfreiheit vorgesehen, aber die Regierung respektiert dieses Recht nicht immer. Öffentliche Kritik an der Regierung oder ihren Beamten kann zu Einschüchterungen, Drohungen und Verhaftungen führen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). ARTICLE 19 berichtet im November 2020, dass im Jahr 2020 mindestens 40 Journalisten in Verbindung mit ihrer Tätigkeit festgenommen wurden; Aktivisten und Bürger wurden nach kritischen Äußerungen eingeschüchtert, geschlagen, festgenommen und / oder strafrechtlich verfolgt (A19 27.11.2020).

Die Versammlungsfreiheit ist zwar per Verfassung garantiert, wird aber eingeschränkt (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Unter Präsident Tshisekedi kam es zwar diesbezüglich zu Verbesserungen, aber Einschränkungen bestehen weiterhin (USDOS 11.3.2020). Demonstrationen finden regelmäßig statt, aber die Teilnehmer riskieren Verhaftungen, Schläge, und tödliche Gewalt (FH 4.3.2020).

Die Verfassung gewährleistet Vereinigungsfreiheit, und dieses Recht wird seitens der Regierung auch üblicherweise respektiert (USDOS 11.3.2020).

Bürger haben das Recht, sich in politischen Parteien zu organisieren. Oppositionsparteien konnten im Jahr 2019 freier operieren. So wurde ihnen auch mediale Präsenz durch neu gegründete Radiosender ermöglicht. Unter der Regierung Tshisekedi wurden einige Oppositionsmitglieder aus der Haft entlassen. Einige im Ausland lebende Politiker konnten zurückkehren (FH 4.3.2020).

NGOs, Zivilgesellschaft und Journalisten, die sich kritisch über die Regierung äußern, sind zwar keiner systematischen staatlichen Verfolgung ausgesetzt, können aber in manchen Landesteilen jederzeit willkürlich durch die Sicherheitspolizei oder Armeedienste verfolgt werden. Der politische Betätigungsraum zeichnete sich nach den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2018 jedoch durch erste Entspannungen und Öffnungen aus (AA 17.2.2020).

Ethnische Minderheiten

Insgesamt leben in der Demokratischen Republik Kongo mehr als 200 (CIA 24.11.2020) / bis zu 250 (GIZ 10.2020b) Volksgruppen. Die größten sind die Luba (18%), die Mongo (17%), die Bakongo (16%) und die Zande (10%) (GIZ 10.2020b). Diese vier größten Gruppen machen 45% der Bevölkerung aus (CIA 24.11.2020).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Die Verfassung von 2006 sieht in Art. 11 und 12 ausdrücklich die Gleichberechtigung der Geschlechter vor. Durch eine Änderung des Familienrechts „Code de la Famille“ wurde 2016 versucht, diesem Verfassungsgrundsatz zu mehr Durchsetzung zu verhelfen. Eine Reihe diskriminierender Pflichten bleiben bestehen, u.a.die Pflicht zum Gehorsam der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann in Artikel 444 des „Code de la Familie“. Jedoch kam es auch zu begrüßenswerten, wenn auch längst überfälligen, Modernisierungen. So ist die Ehefrau nicht mehr verpflichtet, bei ihrem Ehemann zu leben und ihm überall dahin zu folgen, wo er einen Aufenthalt für angebracht hält. Stattdessen richtet sich diese Anforderung nun an beide Ehepartner (Art. 454). Größte Herausforderung ist die Implementierung der gesetzlichen Vorgaben in den Alltag der Betroffenen, gerade in ländlicheren Gebieten die oftmals keine Informationen über die gesetzlichen Bestimmungen haben (AA 17.2.2020). Auch wenn die Gesetze des Landes eine Geschlechtergerechtigkeit beinhalten, ist man noch weit von einer gerechten Situation entfernt (GIZ 10.2020b). Die Verfassung verbietet zwar Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, Gesetze gewähren Frauen aber nicht die gleichen Rechte wie Männern. Gesetzlich ist eine Reihe von Schutzmechanismen für Frauen vorgesehen. Im wirtschaftlichen Bereich dürfen Frauen, ohne die Zustimmung ihrer männlichen Verwandten agieren, Mutterschutz ist vorgesehen, für Diskriminierungen oder Missbrauch von Frauen sind Strafen vorgesehen (USDOS 11.3.2020).

Im UNDP Human Development Index belegt die Demokratische Republik Kongo Platz 176 von 189. Entsprechend dem Social Institutions & Gender Index (SIGI) ist die Gender-Ungerechtigkeit in diesem Land weiterhin ein zentrales Thema bei der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Entwicklung. 36,2 % der Männer und nur 10,7 % der Frauen verfügen über einen Schulabschluss. Die Entwicklungschancen sind für Mädchen deutlich schlechter als für Jungen. Im öffentlichen Leben nehmen Frauen zwar zunehmend am politischen und wirtschaftlichen Leben teil, jedoch sind nur 50 Frauen - 10,3% der Abgeordneten - als Volksvertreter im kongolesischen Parlament vertreten. Die Zahl der alleinstehenden Frauen und Mütter nimmt besonders auch im städtischen Umfeld stark zu. Die Frauen sind mit extrem schweren sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen konfrontiert (GIZ 10.2020b).

Vergewaltigung steht unter Strafe, aber Opfer erstatten nicht immer Anzeige und das Gesetz wird somit nicht immer umgesetzt. Innereheliche Vergewaltigung ist nicht als Straftatbestand erfasst (USDOS 11.3.2020). Sexualisierte Gewalt kommt häufig vor und ist keineswegs auf die Ostprovinzen beschränkt. Unter dem Druck von Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft werden die Täter seit mehreren Jahren stärker verfolgt, das Problem der Straflosigkeit in diesem Bereich besteht jedoch prinzipiell fort. Zudem werden Vergewaltigungsopfer nicht selten durch die eigene Familie dadurch weiter diskriminiert, dass sie aus der örtlichen Gemeinschaft ausgestoßen, oder zu einer Heirat mit dem Täter gedrängt werden. Daneben sind schätzungsweise 4 bis 10 % der Vergewaltigungsopfer männlichen Geschlechts. Für sie sind die mit sozialer Isolation und Traumatisierung verbundenen Folgen der Tat ebenso schwerwiegend (AA 17.2.2020). 76% der Mädchen und Frauen sind Opfer häuslicher Gewalt (GIZ 10.2020b).

Im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten des Landes, sind sexuelle Übergriffe Teil der Kriegsführung geworden. Man schätzt, dass 200.000 Mädchen und Frauen in den vergangenen zehn Jahren vergewaltigt wurden. Die UNO und andere internationale Organisationen bringen das Thema regelmäßig in die Öffentlichkeit. Leider bisher nur mit begrenztem Erfolg hinsichtlich der Vergewaltigungsrate. Im Rahmen der Friedens- und Traumaarbeit erhalten die Opfer Unterstützung, jedoch wird nur ein geringer Teil erreicht (GIZ 10.2020b).

Bewegungsfreiheit

Gesetzlich sind interne Bewegungsfreiheit Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Regierung schränkte diese Rechte manchmal ein. Sicherheitskräfte und Rebellengruppen richteten Checkpoints auf Straßen, Flughäfen und Märkten ein, und belästigten routinemäßig Zivilisten bzw. fordern Geld. Die Regierung unterwarf Reisende Immigrationsprozeduren bei Inlandsreisen am Flughafen, in Häfen, und beim Verlassen oder Betreten von Städten bzw. verlangten lokale Behörden illegale Steuerzahlungen und Gebühren für Reisen am Fluss Kongo (USDOS 11.3.2020).

Die Bewegungsfreiheit ist gesetzlich gewährleistet, wird in der Praxis aufgrund von bewaffneten Konflikten und anderen Sicherheitsproblemen stark eingeschränkt. Verschiedene bewaffnete Gruppen und Regierungskräfte erlegen Reisenden illegale Zölle bei der Durchreise durch von ihnen kontrolliertes Gebiet auf (FH 4.3.2020).

Grundversorgung und Wirtschaft

Trotz seiner wertvollen natürlichen Ressourcen (Bodenschätze, Holz, Wasserkraft, fruchtbare Böden) ist die Demokratische Republik Kongo ein armes Land (AA 28.8.2019b; vgl. GIZ 10.2020b). Es ist geprägt vom Bergbau, von landwirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft und Kleinhandel. Die Landwirtschaft macht etwa 40% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Demokratische Republik Kongo ist sehr schwach industrialisiert. Die Rohstoffindustrie ist ein wachsender Wirtschaftszweig, besonders der Bergbausektor (Kupfer, Kobalt, Gold, Diamanten, Coltan, Kasserit, seltene Erden). Weite Teile der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Schätzungen der Weltbank zufolge leben 77% der kongolesischen Bevölkerung von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Im „Human Development Index“ der Vereinten Nationen belegt die DR Kongo Platz 176 von 199 betrachteten Ländern (AA 28.8.2019b).

Die Demokratische Republik Kongo ist ein reiches – armes Land. Reich an Rohstoffen profitiert nur eine sehr kleine Minderheit von den Schätzen des Bodens und der Natur. Zwei Drittel der Bevölkerung lebt in absoluter Armut. Mangel- und Fehlernährung sind an der Tagesordnung. In den Städten fehlt es an Arbeitsplätzen, Nahrungsmitteln, Wasser und der elementarsten sanitären Versorgung. Auf dem Land fehlt es an Straßen zur Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte. Zusätzlich behindern die innenpolitischen Konflikte und die allgegenwärtige Korruption eine erfolgreiche Armutsbekämpfung (GIZ 10.2020b).

Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt am Rande des Existenzminimums. Großfamilien gelingt es nicht immer, Härten durch wechselseitige Unterstützung aufzufangen. Die Stadtbevölkerung in der Millionenstadt Kinshasa ist immer weniger in der Lage, mit städtischer Kleinstlandwirtschaft und Kleinviehhaltung die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern. Die Zentral- und Provinzregierungen versuchen mit agro-industriellen Projekten gegenzusteuern (AA 17.2.2020).

Auch im Sektor Ernährung und Landwirtschaft sind grundlegende Reformen und Investitionen notwendig. Vor allem Frauen und Kinder müssen mit Kleinsthandel zum Familienunterhalt beitragen. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist für die Bevölkerung in Kinshasa und in den übrigen Landesteilen zwar schwierig und teuer, es herrscht jedoch noch keine akute Unterversorgung. Eine Ausnahme bilden die Unruheprovinzen, da die Vertriebenen oft keine Möglichkeit haben, sich neu anzusiedeln und zumindest eine Subsistenzlandwirtschaft zu betreiben. Ferner können sie von internationalen Hilfsorganisationen wegen der Aktivitäten vieler bewaffneter Gruppen immer noch nicht auf dem gesamten Territorium der DR Kongo versorgt werden. MONUSCO sowie der Staat sind bemüht, die staatliche Autorität flächendeckend zu etablieren. Diese Bemühungen haben auch 2019 erhebliche Rückschläge erlitten (AA 17.2.2020).

In der DR Kongo gibt es ein formelles System für soziale Sicherheit, von dem jedoch nur ein kleiner Teil der Bevölkerung profitieren kann. Seit 2016 sind mehrere Neuerungen eingeführt worden, die unter anderem Familienzulagen und Tagsätze für Frauen während des Mutterschaftsurlaubs umfassen, um Verdienstausfälle auszugleichen. Auch die Gleichstellung der Geschlechter wurde berücksichtigt. Ungeachtet dieser Reformen gilt das System aber nur für Bürger, die im formellen Sektor beschäftigt sind und schließt den beträchtlichen Bevölkerungsteil aus, der im informellen Sektor Geld verdient. Mehr als 80% der aktiven Berufstätigen arbeiten im informellen Sektor. Viele Kongolesen können sich das Überleben nur durch Subsistenzlandwirtschaft und informellen Kleinhandel sichern. Kirchen und Familienangehörige leisten oft eine gewisse soziale Unterstützung. Dabei hat Armut wenig systematischen Bezug zur ethnischen Zugehörigkeit, sondern diejenigen, die Zugang zur Macht hätten, führen ein relativ komfortables Leben (BS 29.4.2020)

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) warnt in einem Situationsbericht vom 3.12.2020, dass die Zahl der von einer akuten Nahrungsmittelunsicherheit betroffenen Menschen in der DR Kongo dramatisch steigt. 2019 seien 15,6 Millionen Menschen betroffen gewesen, 2020 bereits 21,8 Millionen, insbesondere in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu, Ituri und Kasai-Central. Besondere Schwierigkeiten erfahren intern Vertriebene sowie an ihre Heimatorte Rückkehrende. Zum Anstieg der Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung hätte neben den herrschenden Konflikten auch die COVID-19-Pandemie beigetragen, die zu höheren Nahrungsmittelpreisen geführt habe. Weitere Gründe seien eine Abwertung der Währung, ein sinkendes Wirtschaftswachstum sowie Überschwemmungen oder Tierseuchen (BAMF 7.12.2020).

Medizinische Versorgung

Das mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO / OMS) aufgebaute Gesundheitssystem der Demokratischen Republik Kongo ist sehr gut durchdacht. Zentralen Krankenhäusern (Hôpital de Reference) sind sekundäre Gesundheitsstrukturen (Zone de Santé, Centre de Santé, Poste de Santé), entsprechend der Bevölkerungszahl und Siedlungsdichte, zugeordnet. Jede Gesundheitszone versorgt ca. 150.000 Menschen. Es gibt grundsätzlich keine Doppelung von Krankenhäusern im Einzugsgebiet der Referenzkrankenhäuser. Das System ist kostengünstig und könnte eine gute medizinische Versorgung der Bevölkerung garantieren. In der Realität zeigen sich vielerorts die Defizite der Umsetzung. In einem großen Teil der DR Kongo sind die Gesundheitseinrichtungen in den 306 Gesundheitszonen sehr unzureichend ausgestattet. Es fehlt an Geldern für Medikamente, Ausrüstung und qualifiziertem medizinischem und administrativem Fachpersonal. Die meisten der 400 Krankenhäuser wurden in der Kolonialzeit gebaut und befinden sich in einem schlechten Zustand. Das Personal ist extrem schlecht bezahlt, man arrangiert sich durch Korruption und private Dienstleistungen, die aber häufig nur für Wohlhabende zugänglich sind. So kommt es, dass der öffentliche Haushalt mit bis zu 2% des BIP nur spärliche Mittel für das Gesundheitswesen verwendet. Durch das Zusammenbrechen der Infrastruktur ist die medizinische Versorgung im Landesinneren oft nur noch in kirchlichen Gesundheitseinrichtungen vorhanden. Viele Menschen sterben an behandelbaren Krankheiten wie Magen-Darm-Erkrankungen oder Malaria. In den meisten ländlichen Regionen kann meist nur eine Notfallmedizin betrieben werden (GIZ 10.2020b).

Der Großteil der Bevölkerung kann nicht ausreichend versorgt werden. UNHCR bezeichnet die Gesundheitsversorgung im ganzen Land als katastrophal. Nur im formellen Sektor (1,5 Mio. Beschäftigte) gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Krankenversicherung, allerdings mit eingeschränktem Leistungsspektrum. Für zahlungskräftige Patienten stehen in den großen Städten hinreichend ausgestattete private Krankenhäuser zur Verfügung. Ebenso gibt es in Kinshasa mehrere Apotheken, die gegen Bezahlung binnen weniger Tage so gut wie alle auf dem europäischen Markt zur Verfügung stehenden Medikamente liefern können. Ebenso gibt es in Kinshasa einen Pharmagroßhandel, der so gut wie alle auf dem europäischen Markt zur Verfügung stehenden Medikamente liefern kann. Viele Krankheiten können zwar behandelt werden, sind aber für die meisten Kongolesen unbezahlbar (AA 17.2.2020).

Die medizinische Versorgung im Land ist mit der in Europa nicht zu vergleichen, sie ist vielfach technisch und apparativ problematisch, die hygienischen Standards sind oft unzureichend, im unzugänglichen Landesinneren ist eine medizinische Versorgung oft gar nicht verfügbar. In der Hauptstadt Kinshasa sind die meisten Medikamente erhältlich, aber sehr teuer - vorübergehende Engpässe können nie ausgeschlossen werden. In Kinshasa und anderen Städten des Landes sind private Arztpraxen und Kliniken verfügbar (AA 18.11.2020).

Fast alle Geberorganisationen, die in der DR Kongo aktiv sind, fördern medizinische Einzelprojekte. In der Regel übernehmen sie direkt oder in Zusammenarbeit mit einer kirchlichen Trägerstruktur ganze Gesundheitszonen, einschließlich die Referenzkrankenhäuser. Andere Geber, wie beispielsweise die EU, sichern für mehrere Jahre die Versorgung mit Medikamenten für mehrere Gesundheitszonen. In den vergangenen Jahren wurde die Ausbildung von Krankenpflegepersonal, Gesundheitsarbeitern und Ärzten im ganzen Land intensiviert. Traditionelle Medizin und auch Heilung durch Wunderheiler sind weit verbreitet. Ursache sind Armut, Unwissenheit aber auch der mangelnde Dialog zwischen lokalem Wissen und moderner westlicher Medizin (GIZ 10.2020b).

Die DR Kongo ist wieder Ebola-frei. Das geht aus einer offiziellen Erklärung des kongolesischen Gesundheitsministeriums vom 18.11.2020 hervor. Der erste Fall des inzwischen elften Ebola-Ausbruchs in der jüngeren Geschichte des zentralafrikanischen Landes wurde am 1.6.2020 aus der nordwestlichen Provinz Équateur gemeldet. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben bei dem jüngsten Ausbruch 55 Menschen. Insgesamt seien 119 Fälle registriert worden. Die DR Kongo erlebte zuletzt drei Ebola-Epidemien kurz hintereinander. Der zehnte Ausbruch, der von August 2018 bis Juni 2020 den Osten des Landes betraf, kostete mehr als 2.200 Menschen das Leben. Mehr als 3.400 hatten sich infiziert. Wegen Instabilität und Kämpfen unter Milizen in den östlichen Provinzen war der zehnte Ausbruch besonders schwer in den Griff zu bekommen gewesen. Beobachter hoffen, dass die Expertise, die im Kampf gegen Ebola aufgebaut wurde, auch zur Eindämmung anderer Infektionskrankheiten eingesetzt werden kann. So könnte die Technik, mit der der Ebola-Impfstoff gekühlt wird, auch bei der Kühlung eines künftigen COVID-19-Impfstoffs zum Einsatz kommen (BAMF 30.11.2020).

Rückkehr

Es liegen auch keine Erkenntnisse vor, dass allein ein Asylantrag zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen kongolesische Staatsangehörige nach deren Rückkehr geführt habe (AA 17.2.2020).

Abgelehnte und in die DR Kongo zurückgeführte Asylbewerber sowie Kongolesen mit deutschen und anderen ausländischen Pässen werden bei Ankunft am internationalen Flughafen N’Djili/Kinshasa grundsätzlich von Beamten der Einwanderungsbehörde, „Direction Générale de Migration“(DGM), befragt. Ebenfalls werden ankommende Passagiere, die nur mit einem Passersatzpapier einreisen oder als zurückgeführte Personen angekündigt sind, in die Büros der DGM neben der Abflughalle im Flughafengebäude begleitet, wo ihre Personalien aufgenommen werden und ein Einreiseprotokoll erstellt wird. Geprüft wird dabei vornehmlich die Staatsangehörigkeit. Daneben werden die aufliegenden Fahndungslisten abgeglichen. Bei begründeten Zweifeln an der kongolesischen Staatsangehörigkeit oder der Echtheit des ausländischen Passes wird die Einreise verweigert (AA 17.2.2020).

Nach bisherigen Erfahrungen bleiben die betroffenen Personen unbehelligt und können nach der Überprüfung durch die DGM, den Zoll und die Gesundheitsbehörden sowie in besonderen Fällen auch durch den ANR („Agence Nationale de Renseignement“, ziviler Nachrichtendienst) zu ihren Familienangehörigen weiterreisen. Gegenteilige Berichte einiger Menschenrechtsorganisationen und die von ihnen genannten Referenzfälle wurden geprüft, konnten aber in keinem Fall bestätigt werden (AA 17.2.2020).

Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen besuchen in besonders gelagerten Fällen im Auftrag des Auswärtigen Amts zurückgekehrte Personen an ihren Wohnadressen. Staatliche Repressionen gegen diese Personen wurden dabei bislang in keinem Fall festgestellt. Diese Situation kann sich jedoch ändern, soweit Rückkehrer sich in der DR Kongo politisch betätigen wollen. Insbesondere, wenn sie oppositionellen Bewegungen angehören bzw. mit ihnen sympathisieren, können sie relativ schnell zum Beobachtungsobjekt für die Sicherheitsdienste werden (AA 17.2.2020).

OFII, die Organisation Française de l’Immigration et de l’Intégration, ist eine staatliche Einrichtung Frankreichs. Diese betreibt in vielen (vorwiegend frankophonen afrikanischen) Staaten Büros zur Reintegrationen von Rückkehrenden aus Frankreich. Ab September 2018 können französische Reintegrationsbüros auch für Rückkehrende aus Österreich mitgenutzt werden (BMI/OFII 8.2018)

Dokumente

Angesichts der weit verbreiteten Korruption der Justiz- und Verwaltungsbehörden kann eine Vielzahl an Dokumenten (Reisepass, Personalausweis, Heirats- und Geburtsurkunde, Ledigkeitsbescheinigung, Scheidungsurteil, Haftbefehl, offizielle Bestätigungsschreiben jeglicher Art) mit vom Besteller vorgegebenem Inhalt von der formal zuständigen Stelle käuflich erworben werden. Zudem werden viele Personenstandsfälle nicht ordnungsgemäß bei den Standesämtern registriert, selbst wenn die Registrierung erfolgt ist, sind ältere Personenstandsregister oft zerstört, da insbesondere während der Plünderungen Anfang der 90er Jahre die Register vieler Standesämter vernichtet wurden (AA 17.2.2020).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA, und dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum) der BF beruhen auf den diesbezüglichen Angaben der BF sowie auf den in den Verwaltungsakten aufliegenden Urkunden.

Im Zuge der Ausstellung der Geburtsurkunde für den BF3 hat das zuständige Standesamt nach Rücksprache mit der Landesregierung die vorgelegten kongolesischen Dokumente akzeptiert und auf Antrag die Namen von BF1 und BF2 entsprechend korrigiert und in der Geburtsurkunde des BF3 eingetragen. Aufgrund der vorliegenden Urkunden und der diesbezüglich glaubwürdigen und konsistenten Angaben der BF1 und BF2 während des Verfahrens vor der Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht, wo die BF mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit ihrer Identitäten auch durch ihre Unterschrift beglaubigt haben, waren die Identitätsangaben auch im gegenständlichen Verfahren abzuändern.

Aus der Geburtsurkunde des BF3 ergibt sich, dass dieser in Österreich geboren wurden und BF1 und BF2 die leiblichen Eltern sind (VHP Beilage 2).

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakte der belangten Behörde und Einvernahme der BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 19.01.2021 sowie der in der Beschwerdeverhandlung eingebrachten Stellungnahmen der BF.

Bezüglich der vorgelegten Dokumente wird auch auf die oben zitierten Länderinformationen verwiesen (vgl. oben S 16f). Daher ist insbesondere die Echtheit des Ausweises des Roten Kreuzes, den BF1 vorgelegt hat, zu bezweifeln.

Die Feststellungen zur Schulbildung und Berufserfahrung der BF1 und BF2 sowie zu den familiären Verhältnissen in der Demokratischen Republik Kongo beruhen auf ihren eigenen Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Familien- und Privatleben der BF in Österreich sowie deren Integrationsbemühungen beruhen auf den diesbezüglichen Aussagen der BF1 und BF2 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellung betreffend die strafrechtliche Unbescholtenheit der volljährigen BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich in der mündlichen Verhandlung davon überzeugen, dass das Vorbringen der BF1 und BF2 zu den Fluchtgründen nicht glaubwürdig sind und keine aktuelle asylrelevante Verfolgung der BF festgestellt werden konnte.

Wie die Behörde zu Recht festgestellt hat, machte BF1 unplausible sowie widersprüchliche Angaben. Im Behördenverfahren gab BF1 zusammengefasst an, dass es im Jahr 2007 zu einem Konflikt zwischen den religiösen Gruppen, der Bundu Dia Kongo und der Polizei gekommen sei. Es hätte mehrere Demonstrationen gegeben und dabei sei geschossen worden und es hätte Tote gegeben. BF1 hätte beschlossen, als Helfer des Roten Kreuzes den Menschen zu helfen. Er habe dabei die Leichen fotografiert und somit den Einsatz dokumentiert. Drei Tage später wäre die kongolesische Menschenrechtsorganisation nach XXXX gekommen und hätte diesen Vorfall untersucht und dabei Beweise gesammelt. Auf Hinweis eines Kollegen habe der BF1 die Fotos, die er gemacht habe, der Organisation übergeben. In weiterer Folge hätten die Probleme angefangen. So sei der Kollege entführt und getötet worden. Dann seien drei Männer zum BF1 nach Hause gekommen und hätten ihn gesucht. Daher sei der BF1 nach Angola gereist. Dort habe er sich mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 2010, wo er in den Kongo zurückgekehrt sei, ohne Familie, aufgehalten. Im Jahr 2019 sei er dann erneut zurückgekehrt und habe sich noch 8 Monate lang im Heimatstaat aufgehalten. Die Ausreise der BF1 und BF2 sei im November 2019, auf legalem Wege, in Richtung Europa, erfolgt. BF2 gab keine eigenen Fluchtgründe an, sie habe sich jedoch auch verstecken müssen und habe daher seit 2008 in einem Dorf bei einem Cousin des BF1 gelebt (vgl. Akte der BF2 AS 183f).

Doch im Verlauf des Verfahrens sind wesentliche Widersprüche hervorgetreten, die BF1 nicht befriedigend aufklären konnte. Einmal gab er in der Erstbefragung an, dass er im Zeitraum 2010 bis 2019 ständig von Angola in die DR Kongo gependelt sei. Später sagte er, sich in diesem Zeitraum ständig, ohne Unterbrechung, in Angola aufgehalten zu haben. Weiters führte BF1 in der Erstbefragung aus, dass er insgesamt drei Mal von Personen gesucht worden sei und beim dritten Mal sei er und ein Freund auf der Straße angehalten und anschließend in einen Wald gebracht, verhört und gefoltert worden. Nach drei Tagen sei es dem BF1 möglich gewesen, zu fliehen. Im Laufe des weiteren Verfahrens wurde dieser Vorfall nicht mehr erwähnt.

Auch wenn die Erstbefragung „insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die „näheren" Fluchtgründe zu beziehen hat, ist ein Beweisverwertungsverbot damit jedoch nicht normiert. Das BFA und das Bundesverwaltungsgericht können somit im Rahmen ihrer Beweiswürdigung durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der BF1 immer wieder seine Familie im Kongo besucht hat, zumal es sich beim Aufenthaltsort in Angola, um eine Enklave in der Nähe der unmittelbaren Heimat der BF handelt (ca. 300 km vom Aufenthaltsort der BF2 entfernt). BF1 gab in der mündlichen Verhandlung selbst an, dass die Reise zur BF2 problemlos mit einem Bus erfolgt sei und ca. 8 Stunden gedauert habe (vgl. VHP S16). Außerdem hat BF1 im weiteren Verfahren selbst zugegeben, dass es nie persönliche Bedrohungen bzw. Vorfälle gegenüber seiner Person gegeben habe (vgl. VHP S16).

Ein weiterer Widerspruch ergibt sich aus den beiden Einvernahmen vor dem BFA bezüglich des Aufenthaltes im Heimatstaat kurz vor der Ausreise nach Europa. In der Einvernahme am 28.02.2020 sagte BF1 aus, dass er sich nach seiner Rückkehr aus Angola 8 Monate lang am Wo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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