Entscheidungsdatum
26.03.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L516 2129052-2/27E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Dr. Wolfgang ZANKL, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2017, XXXX , nach mündlicher Verhandlung am 11.12.2020, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 57, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9 sowie § 46 FPG als unbegründet abgewiesen
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 55 Abs 2 FPG vier (4) Wochen beträgt.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 04.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.
Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache am 11.12.2020 eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein Vertreter teilnahmen; die belangte Behörde erschien nicht.
1. Sachverhaltsfeststellungen:
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; EB=Erstbefragung; EV=Einvernahme; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; S=Seite; LG=Landesgericht; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; PUV=Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan
Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan, gehört der Volksgruppe der Punjabi und der Kaste Arain sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht fest. (NS EB 02.11.2012 S 1; NS EV 16.05.2014 S 1; NS EB 04.08.2016 S 1; NS EV 05.09.2017 S 3; Heimreisezertifikat (AS 349))
Der Beschwerdeführer stammt aus dem Ort XXXX , in der Provinz Punjab. Er besuchte in Pakistan zehn Jahre die Schule. Er arbeitete vor seiner Ausreise als Landwirt auf der familieneigenen Landwirtschaft sowie als Taxifahrer. Sein Vater und sein jüngerer Bruder sind verstorben. Seine Mutter und sein älterer Bruder leben nach wie vor im Heimatort des Beschwerdeführers. Auch seine drei Schwestern, von denen alle bereits verheiratet sind, leben nach wie vor in Pakistan. Seine Mutter muss aus gesundheitlichen Gründen Medikamente zu sich nehmen, sein Bruder hatte eine Operation und muss ebenfalls im Moment Medikamente zu sich nehmen. Dieser betreibt im Moment die familieneigene Landwirtschaft. Mit seiner Mutter hat der Beschwerdeführer mehrmals in der Woche telefonischen Kontakt, zu seinem Bruder und einer Schwester hin und wieder. (Bericht AS 273; NS 18.07.2013 S 2-4; NS EV 09.01.2014 S 2f; NS 16.05.2014 S 1f; NS EV 05.09.2017, S 4-6; VS 10.06.2020, S 6f)
Der Beschwerdeführer verließ Pakistan zuletzt im Dezember 2015 und reiste über den Iran und weitere Länder im März 2016 in Österreich ein. (NS EB 02.11.2012 S 3f; NS EB 11.03.2016 S 2)
1.2 Zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich
Der Beschwerdeführer reiste am 01.11.2012 das erste Mal in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom BFA mit – mangels Erhebung eines Rechtsmittels – rechtskräftig gewordenen Bescheid vom 21.03.2014 zur Gänze abgewiesen wurde; unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Pakistan für zulässig erklärt. (Bescheid BFA 21.03.2014 (AS 163 ff))
Am 03.09.2014 wurde der Beschwerdeführer von Österreich nach Pakistan abgeschoben und der Beschwerdeführer kehrte zurück zu seiner Familie. (AS 281)
Der Beschwerdeführer reiste im Februar 2016 neuerlich in Österreich und hält sich seither im Bundesgebiet auf.
Er stellte am 29.02.2016 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 07.07.2016, L522 2129052-1/4E, rechtskräftig gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. (NS EB 01.03.2016 S 1; BVwG 07.07.2016, L522 2129052-1/4E)
Der Beschwerdeführer blieb anschließend in Österreich und stellte am 29.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. (NS EB 01.03.2016 S 1ff)
Der Beschwerdeführer bezieht seit Mai 2016 keine Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde. Der Beschwerdeführer bestreitet seine Existenz als Zeitungs- und Paketzusteller und erwirtschaftet damit durchschnittlich ungefähr 800 Euro netto im Monat (GVS; polizeiliche Meldung (OZ 15); Strafantrag Finanzpolizei (OZ 16); VS 11.12.2020 S 5f; Anzeige Verdacht Übertretung AuslBG (OZ 26)
Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Er hat keine Verwandten in Österreich und er führt hier auch keine Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer hat hier in Österreich Freunde. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A2 besucht, eine Deutschprüfung auf dem Sprachniveau A2 konnte er jedoch nicht positiv absolvieren. Er konnte die ihm in der mündlichen Verhandlung in deutscher Sprache gestellten Fragen sofort verstehen und darauf auf Deutsch, spontan und verständlich, wenn auch manchmal mit Satzstellungsfehlern, in freier Erzählung antworten. (VS 11.12.2020 S 5f)
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mit seit 24.05.2018 rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes wegen einer zuletzt am 31.03.2018 begangenen Tat gemäß § 153c Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen bei einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. (Strafregister der Republik Österreich)
Mit seit 27.05.2019 rechtskräftigem Urteil vom 27.05.2019 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 133 Abs 1 und Abs 2 1.Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten bei einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Vom Widerruf der bedingt Strafnachsicht zum Urteil vom 24.05.2018 wurde dabei abgesehen. (Strafregister der Republik Österreich) Jener Verurteilung lag – zusammengefasst – der Sachverhalt zugrunde, dass sich der Beschwerdeführer im Sommer 2018 einen geleasten PKW mit dem Vorsatz zueignete, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er das Fahrzeug für sich behielt, obwohl ihm bewusst war, dass er bei Nichtzahlung der Leasingraten zur Rückgabe verpflichtet war. (PUV LG XXXX 27.05.2019, OZ 14)
1.3 Zum Gesundheitszustand
Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Es besteht im Falle des Beschwerdeführers keine reale Gefahr, dass ihm in Pakistan eine schwere, rapide und irreversible Gesundheitsverschlechterung droht, die mit intensivem Leiden oder mit einer signifikanten Verkürzung der Lebenserwartung verbunden ist. (VS 11.12.2020, S 4)
1.4 Zur Begründung der Anträge auf internationalen Schutz
1.4.1 Den ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 01.11.2012 hatte der Beschwerdeführer zusammengefasst mit familiären Grundstücksstreitigkeiten mit einem Onkel und einem Cousin begründet, bei der ihm die Polizei nicht geholfen habe, weshalb er ausgereist sei. Das BFA erachtete jenes Vorbringen als unglaubhaft und ging zusätzlich vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus. (Bescheid BFA 21.03.2014 (AS 163 ff))
1.4.2 Den zweiten Antrag auf internationalen Schutz vom 29.02.2016 hatte der Beschwerdeführer zusammengefasst damit erneut mit den im ersten Verfahren vorgebrachten Grundstücksstreitigkeiten begründet. Das BFA erachtete dieses Vorbringen erneut nicht als glaubhaft und stellte fest, dass der Beschwerdeführer keine neuen Tatsachen glaubhaft machen konnte, die zu einer günstigeren Entscheidung führen hätten können. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen (BVwG 07.07.2016, L522 2129052-1/4E)
1.4.3 Zur Begründung des gegenständlich dritten Antrages auf internationalen Schutz vom 04.08.2016, brachte der Beschwerdeführer ¬– zusammengefasst ¬– vor, er sei homosexuell, was ihm schon immer bekannt sei, er habe sich jedoch geschämt, dass er Moslem und homosexuell sei. Er sei aus diesem Grund auch schon das erste Mal [2012] aus Pakistan geflohen, habe diesen jedoch nicht als Fluchtgrund angegeben; nachdem er nach Pakistan zurückgekehrt sei, habe er wieder Probleme bekommen, weswegen er nun hier sei. Seine homosexuelle Neigung sei in Pakistan nicht toleriert worden, seine ganze Familie sei gegen ihn gewesen und habe beschlossen, ihn umzubringen. Er habe diese Probleme mit seinen Cousins, den Söhnen seiner Tante väterlicherseits. Als sein Vater dies bekannt gegeben habe, hätten ihn sein Onkel und dessen Söhne umbringen wollen, da er Schande über die Familie gebracht habe. Auch wegen Grundstücksstreitigkeiten habe es Probleme mit diesen gegeben. Mit weiteren Personen habe es keine Probleme gegeben, er habe nur Angst vor der eigenen Familie, insbesondere vor seinem Cousin XXXX , welcher seinen Bruder umgebracht habe. Sein Bruder sei getötet worden, weil er ihn vor der Familie beschützen habe wollen. Er habe bereits bei vorherigen Einvernahmen erzählt, dass sein Bruder getötet worden sei, doch erst jetzt sage er die Wahrheit, weshalb der Bruder getötet worden sei. Vier oder fünf Mal sei er vor seiner ersten Ausreise von seinen Verwandten angegriffen worden und auch nach seiner Rückkehr nach Pakistan sei er fünf bis sechs Mal angegriffen worden. Er sei dann zu seinem Onkel mütterlicherseits nach XXXX gegangen, jedoch sei er dort von seinen Cousins ausfindig gemacht worden. Er sei zu dem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen, sein Onkel habe ihm jedoch erzählt, dass seine Cousins nach ihm gesucht hätten und er weggehen solle, da es bei ihm zu gefährlich sei. Daraufhin sei er nach XXXX gegangen, wo er in einer Fabrik gearbeitet und drei Monate lang gelebt habe. Er habe dann einen Anruf von seinem Cousin XXXX bekommen, welcher ihm gesagt habe, dass er wisse wo er wohne und arbeite und ihm gedroht habe, ihn aufzusuchen und zusammenzuschlagen. Der Beschwerdeführer sei dann nach Quetta gereist von wo aus er die Reise nach Österreich angetreten habe. In Pakistan habe er insgesamt vier Beziehungen mit Männern geführt. Hier in Österreich führe er keine feste Beziehung, er treffe aber Personen und besuche gewisse Szenelokale für Homosexuelle. (NS EB 04.08.2016 S 3; NS EV 05.09.2017 S 6-9; Beschwerde S 3; VS 11.12.2020 S 7f)
1.5 Zur Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens und Gefährdung bei einer Rückkehr nach Pakistan
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er homosexuell sei, ist nicht glaubhaft. Es ist auch sein Vorbringen, wonach er in Pakistan wegen homosexueller Handlungen von seinem Onkel und dessen Söhnen verfolgt worden sei, ist nicht glaubhaft. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.
1.6 Zur Lage in Pakistan
Politische Lage
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von GilgitBaltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).
Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).
Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).
Sicherheitslage allgemein
Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).
Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).
Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).
Sicherheitslage - Punjab und Islamabad
Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).
Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).
Polizei
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 21.8.2018).
Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise Ahmadis, Christen, Schiiten und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu bieten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Einzelne lokale Behörden demonstrierten die Fähigkeit und den Willen, unter großer eigener Gefährdung Minderheiten vor Diskriminierung und Mob-Gewalt zu schützen (USDOS 13.3.2019).
Grundversorgung und Wirtschaft
Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine – trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 – teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).
Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. auch den überproportional großen öffentlichen Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig ist. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört unter anderem bei Getreideanbau und Viehzucht zu den weltweit größten Produzenten (AA 5.3.2019; vgl. GIZ 2.2019a).
Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a).
Das Programm Tameer-e-Pakistan soll Personen bei der Arbeitssuche unterstützen (IOM 2018). Das Kamyab Jawan Programme, eine Kooperation des Jugendprogrammes des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Anstellungsmöglichkeiten verbessern (Dawn 11.2.2019).
Sozialbeihilfen
Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft an Hand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2018). Das Benazir Income Support Program und das Pakistan Bait-ul-Mal vergeben ebenfalls Unterstützungsleistungen (USSSA 3.2017).
Pakistan Bait-ul-Mal ist eine autonome Behörde, die Finanzierungsunterstützung an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige vergibt. Eine Fokussierung liegt auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).
Das Benazir Income Support Programme zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch ermächtigt werden (ILO 2017).
Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).
Medizinische Versorgung
In Islamabad und Karatschi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau und damit auch teuer (AA 13.3.2019). In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018).
In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019).
Zur aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2)
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Europäischem Zentrum für die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben das höchste Risiko für eine schwere Erkrankung durch SARS-CoV-2 Menschen im Alter von über 60 Jahren sowie Menschen mit Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
(Beweisquelle: www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/; www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html; www.oesterreich.gv.at/)
2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und den Lebensverhältnissen in Pakistan (oben 1.1)
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Seine Identität steht fest, da diese im Zuge seiner im Jahr 2014 erfolgten Abschiebung von der pakistanischen Botschaft verifiziert wurde.
Seine Ausführungen zu seiner Schulbildung, seiner Berufstätigkeit, sowie zu seinen Familienangehörigen in Pakistan vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung waren kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei und decken sich auch im Wesentlichen mit seinen diesbezüglichen Schilderungen vor dem BFA, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte.
Die Feststellungen zu seiner letzten Ausreise aus Pakistan, seiner Reiseroute und seiner Einreise nach Österreich beruhen auf seinen Angaben im Verfahren, welche insofern stringent waren und keine Anhaltspunkte für die Annahme boten, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich falsche Angaben gemacht hätte.
2.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich (1.2)
Seine Angaben zu seinem Aufenthalt in Österreich, zu seiner aktuellen Lebenssituation, seinen ersten beiden Anträgen auf internationalen Schutz, seiner Abschiebung nach Pakistan, seiner erneuten Einreise nach Österreich, dem Nichtbezug von Leistungen aus der Grundversorgung, seiner Tätigkeit als Zeitungs- und Paketzusteller sowie zu seinen sozialen Kontakten ergeben sich aus den kohärenten, schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des Beschwerdeführers, den Verwaltungsakten des BFA und den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus den behördlichen Datenregistern (IZR, ZMR, GVS, Anzeigen der Finanzpolizei, Strafregister), den in den Verfahrensakt einliegenden Urteilsausfertigungen und dem Strafantrag sowie den seither geführten Verfahren und der Mitteilung der LPD Niederösterreich zu der Abschiebung des Beschwerdeführers. Die mündlichen Deutschkenntnisse ergeben sich nach der Befragung in der mündlichen Verhandlung; er konnte die ihm in deutscher Sprache gestellten Fragen sofort verstehen und darauf auf Deutsch, spontan und verständlich, wenn auch manchmal mit Satzstellungsfehlern, in freier Erzählung antworten.
2.3 Zum Gesundheitszustand
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer gab dabei an, dass in Österreich im Jahr 2017 eine Nasenoperation durchgeführt worden sei, da ein Knochen zu groß gewesen und er deshalb Atemschwierigkeiten gehabt habe. Aktuell nehme er wegen Atemproblemen ein Nasenspray namens „Nasivin Classic sanft“ ein. Weitere Medikamente nehme er nicht; er habe jedoch auch Kopfschmerzen, dies hänge damit zusammen. Der Arzt habe ihm gesagt, er müsse „nach Corona“ wieder zu einer Testung erscheinen. (VS 11.12.2020, S 4)
Medizinische Nachweise über seine gesundheitliche Beeinträchtigung hat der Beschwerdeführer nicht erbracht, die erfolgte Nasenoperation wurde von ihm jedoch glaubhaft dargelegt. Das Produkt „Nasivin Classic sanft“ mit dem Wirkstoff Oxymetazolinhydrochlorid ist laut Herstellerbeschreibung ein Mittel, das schnelle Abhilfe bei verstopfter Nase schafft. (https://www.nasivin.com/de_AT/Startseite/Produkte/Classic-sanft-Spray.html) Daraus sowie aus seinen Angaben, wonach er aktuell in keiner Behandlung ist und erst „nach Corona“ wieder einen Test machen muss, ergibt sich, dass keine schwerwiegende und akut lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegen kann.
2.4 Zum Vorbringen und mangelnden Gefährdung im Falle der Rückkehr (oben 1.4 – 1.5)
2.4.1 Die Feststellungen zum gegenständlichen Folgeantrag beruhen auf den protokollierten Aussagen des Beschwerdeführers im Zuge der Einvernahmen vor dem BFA sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung und auf seinen schriftlichen Eingaben.
2.4.2 Die Feststellungen dazu, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und seiner Rückkehrbefürchtung nicht glaubhaft ist sowie zu einer mangelnden Gefährdung seiner Person im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan (oben 1.5) waren aus den folgenden Gründen zu treffen:
Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er bereits in Pakistan homosexuell gewesen sei und als sein Vater dies bekannt gegeben habe, sei es zu Auseinandersetzungen gekommen (VS 11.12.2020 S 8). Dem widerspricht jedoch zunächst das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers zum Tod seines Vaters: in der Einvernahme vor dem BFA zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz hatte er angegeben, dass sein Vater „1996 oder 1997“ gestorben sei, der Beschwerdeführer damals sehr jung gewesen sei (NS EV 18.07.2013 S 8 (AS 89)); und in einer späteren Einvernahme vor dem BFA am 16.05.2014 gab er an, dass sein Vater bereits im Jahr 1985, also sogar einige Jahre vor der Geburt des Beschwerdeführers, verstorben sei. (NS 16.05.2014, AS 365) Das Vorbringen, dass der Vater des Beschwerdeführers seine Homosexualität bekannt gegeben habe, kann demnach nicht den Tatsachen entsprechen und ist daher in weiterer Folge nicht ersichtlich, wie der Onkel und die Cousins des Beschwerdeführers überhaupt von dessen sexueller Orientierung erfahren haben sollen, zumal es nach Angaben des Beschwerdeführers während seinen Beziehungen mit anderen Männern niemals zu Problemen gekommen sei und niemand davon gewusst habe (NS 05.09.2017 S 8).
Der Beschwerdeführer hat erst bei seinem gegenständlich dritten Antrag auf internationalen Schutz vorgebracht, homosexuell zu sein und aufgrund dessen bereits seit seiner ersten Antragstellung in seiner Heimat verfolgt und bedroht zu sein. In der mündlichen Verhandlung auf den Zeitpunkt dieses Vorbringens angesprochen, rechtfertigte er dieses Verhalten damit, dass er sich früher geschämt habe und sich gedacht habe, was seine „Freunde in XXXX “ darüber denken würden. (VS 11.12.2020 S 8). Dazu ist festzuhalten, dass es nachvollziehbare Gründe dafür geben kann, eine bestehende Homosexualität nicht bereits bei einem ersten Antrag auf internationalen Schutz als Fluchtgrund vorzubringen und darüber sprechen zu wollen. Der Beschwerdeführer hat jedoch bereits einmal die Erfahrung gemacht, dass seine von ihm ursprünglich als Fluchtgrund angegebenen Grundstücksstreitigkeiten nicht als glaubhaft erachtet wurden und er wieder in das Land abgeschoben wurde, aus dem er schon beim ersten Mal aufgrund seiner Homosexualität geflohen sein will. Der Beschwerdeführer hat dann noch einmal das Glück gehabt, unter Aufbringung zusätzliche finanziellen Kosten und Strapazen einer Flucht ein weiteres Mal aus seinem Heimatland auszureisen und neuerlich nach Österreich kommen zu können. Vor diesem Hintergrund der Erfahrung, wieder in das Land abgeschoben worden zu sein, in dem er laut seinen nunmehrigen Angaben eine ernsthafte Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität befürchtet, ist es unverständlich und nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht spätestens bei seinem zweiten Antrag auf internationalen Schutz unmittelbar nach seiner neuerlich geglückten Einreise in Österreich die Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität als Fluchtgrund genannt hat, wenn dies den Tatsachen entsprechen würde, sondern er stattdessen den zweiten Antrag neuerlich und ausschließlich mit den Grundstücksstreitigkeiten begründete, die er bereits im ersten Verfahren erfolglos vorgebracht hat.
Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung am 11.12.2020 darum ersucht, alles und auch Unwichtiges zu erzählen, wie er sich seiner Homosexualität bewusst geworden sei und auch über seine Entwicklung. Der Beschwerdeführer antwortete darauf mit einem einzigen Satz: „In Pakistan habe ich Männer attraktiv gefunden, war immer unterwegs und habe gegessen.“ Dazu in der Verhandlung aufgefordert, weiter zu erzählen, gab er dann an, dass er dann nach Österreich gekommen sei, immer wieder in eine Bar gegangen sei, wo sich „alle Schwulen“ treffen und es gebe auch einen Park in XXXX , wo sich diese treffen würden, abends und in der Nacht. Mehr gab er dazu nicht an. (VS 11.12.2020 S 7) Der Beschwerdeführer war somit weder in der Lage, in freier Erzählung den Weg zu seiner eigenen sexuellen Identität nachvollziehbar zu beschreiben, noch konnte er auf Nachfrage wiedergeben, wann er seine homosexuelle Neigung bemerkt habe bzw seine Entwicklung konkreter schildern. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer überhaupt keine Ausführungen zu seiner persönlichen Entwicklung machen konnte, spricht gegen sein Vorbringen, homosexuell zu sein. (VS 11.12.2020 S 7f)
Der Beschwerdeführer gab schließlich auch an, in Pakistan habe er vier Beziehungen mit Männern geführt, wobei die längste Beziehung vier Jahre gedauert habe. Abgesehen von den Namen der angeblichen Partner und sehr knappen Angaben, wie er diese kennengelernt habe, konnte der Beschwerdeführer auch dazu keine konkreten Angaben zu den vorgebrachten Beziehungen wiedergeben (NS 05.09.2017 S 8f). Auch dies spricht gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers, wäre doch zu erwarten gewesen, dass er zumindest über die vierjährige Beziehung konkretere Ausführungen hätte treffen können.
Aus den soeben dargestellten Gründen gelangt daher das Bundesverwaltungsgericht in einer Gesamtbetrachtung aller Argumente insgesamt zu der Überzeugung, dass die vom Beschwerdeführer zur Begründung seines gegenständlich dritten Antrages behauptete Homosexualität sowie eine daraus resultierende vergangene und aktuelle Verfolgungsgefährdung in Bezug auf seine Person in Pakistan nicht glaubhaft ist.
2.4.3 Zur allgemeinen Lage in Pakistan ist auszuführen, dass fallbezogen der Beschwerdeführer aus keiner der regionalen Problemzonen, sondern aus dem Punjab stammt. Auf Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen (oben 1.6) kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in Pakistan und insbesondere in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich dort aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist. Ebenso kann auf Grundlage dieser Feststellungen die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse als zumutbar angenommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt an, dass das Leben in Pakistan teilweise von Korruption geprägt ist und eine wirtschaftlich und sozial durchaus schwierige Situation besteht, in der sich die Beschaffung der Mittel zum Lebensunterhalt auch als schwieriger darstellen könnte als in Österreich, zumal auch die Arbeitsplatzchancen als nicht befriedigend bezeichnet werden können. Es geht jedoch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervor, dass die Lage für alle Personen ohne Hinzutreten von besonderen Umständen dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre. Es ist somit auch aus diesem Umstand keine unmittelbare persönliche Existenzbedrohung des Beschwerdeführers in Pakistan ersichtlich, zumal er auch noch relativ jung und arbeitsfähig ist.
Vor dem Hintergrund der hier insgesamt getroffenen Ausführungen hat der Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft dargelegt und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt wäre.
2.5 Zur Lage in Pakistan (oben 1.6)
Die Feststellungen zur Lage in Pakistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Mai 2019. Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Pakistan Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Die herangezogenen Quellen sind aktuell und Großteils aus dem Jahr 2019. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer ist diesen Länderinformationen nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Spruchpunkt I
Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)
3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).
3.2 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.3 Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen. (VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009)
3.4 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.
Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.
3.5 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.
Zum Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005)
3.6 Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen zur Lage in Pakistan als gesichert angenommen werden (siehe oben 1.6). Es liegen keine aktuellen Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat vor. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig. Es ist nicht erkennbar, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte oder ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, zumal auch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervorgeht, dass die Lage für alle Personen (ohne Hinzutreten von besonderen Umständen) dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus: Der Beschwerdeführer gehört zu keiner Risikogruppe (siehe oben 1.6); es besteht daher für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan kein "real risk" einer Verletzung von Art 3 EMRK im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH.
Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse).
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063), liegt somit nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat, insbesondere in dessen Herkunftsregion, möglicherweise schlechter sein wird, als in Österreich; aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art 3 EMRK nicht tangiert ist.
3.7 Da Herkunftsstaat des Beschwerdeführers befindet sich auch nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes – derartiges kann trotz der in manchen Landesteilen regional und temporär angespannten Sicherheitslage vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht angenommen werden. Es kann daher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (vgl VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).
3.8 Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann ferner auch nicht davon gesprochen werden, dass praktisch jedem, der nach Pakistan abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen, sodass die Abschiebung im Lichte des Art 3 EMRK unzulässig erschiene (vgl VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0196). Etwaige persönliche Gefährdungsmerkmale sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen.
3.9 Zusammenfassend finden sich somit keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 AsylG 2005 ausgesetzt wäre. Es kann daher dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werden.
3.10 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.
Zu einem Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 57 AsylG)
3.11 Fallbezogen liegen nach dem festgestellten Sachverhalt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 57 AsylG für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nicht vor. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist weder seit einem Jahr geduldet noch ist eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen zu erteilen; schließlich hat der Beschwerdeführer auch nicht glaubhaft gemacht, Opfer von Gewalt geworden zu sein sowie, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
3.12 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wegen Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem § 57 AsylG wird daher insoweit abgewiesen.
Zur Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan (§ 52 FPG; § 9 BFA-VG)
3.13 Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).
Zum gegenständlichen Verfahren
3.14 Zugunsten des Beschwerdeführers spricht, dass er sich bereits seit Ende Februar 2016 und damit durchgehend seit rund fünf Jahren und einem Monat in Österreich aufhält, wobei er sämtlichen Ladungen gefolgt ist und ihm die Verfahrensdauer nicht anzulasten ist. Er bezieht auch keine Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde, er zeigt sich arbeitsfähig und arbeitswillig und kann sich auf Deutsch verständlich unterhalten, auch wenn er keine zertifizierte Prüfung positiv abgelegt hat.
Gegen einen weiteren Verbleib des Beschwerdeführers sprechen jedoch folgende Umstände. Es handelt sich gegenständlich bereits um den insgesamt dritten Antrag auf internationalen Schutz. Nachdem er nach Abschluss des ersten Verfahrens im Jahr 2014 nach Pakistan abgeschoben wurde, reiste er im Jahr 2016 neuerlich unrechtmäßig in Österreich ein. Nachdem auch sein anschließend gestellter zweiter Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig negativ entschieden worden war, verblieb er in Österreich und stellte den nunmehr gegenständlichen dritten Antrag. Während die Tätigkeit als Zusteller von Zeitungen und sonstigen Druckwerken zumindest seit 01.07.2019 unter die bestehende Ausnahmeregelung von § 5 Abs 1 Z 17 ASVG fällt und eine Pflichtversicherung erst im Umfang des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG besteht, erweist sich jedenfalls die Tätigkeit als Paketzusteller im Falle des Beschwerdeführers ohne Gewerbeberechtigung oder Beschäftigungsbewilligung als unrechtmäßige Erwerbstätigkeit. Es bestehen im vorliegenden Fall auch keine hinreichend starke Nahebeziehung zu in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Personen und keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich. Er verfügt über keinen aufrechten Aufenthaltstitel; sein bisheriger Aufenthalt stützte sich ausschließlich auf das Asylrecht. Er hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Pakistan verbracht und wurde dort auch sozialisiert. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass selbst bei einem etwa acht Jahre dauernden inländischen Aufenthalt ein Fremder dadurch nicht gehindert ist, sich wieder eine existenzielle Grundlage im Herkunftsland aufzubauen (VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162).
Demgegenüber stehen zudem die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs 2 EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR und des Verwaltungsgerichtshofes erweisen sich die individuellen Interessen des Beschwerdeführers iSd Art 8 Abs 1 EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.
3.15 Es kann daher im gegenständlich zu beurteilenden Fall des Beschwerdeführers die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer für unzulässig erklärt und keine Aufenthaltsberechtigung erteilt werden.
3.16 Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre.
3.17 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides, mit der die Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan bekämpft wurde, wird daher insoweit ebenso abgewiesen.
Spruchpunkt II
Zur Ausreisefrist (§ 55 FPG)
3.18 Mit einer Rückkehrentscheidung ist gemäß § 55 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt, die in der Regel 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides beträgt. Besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, hat er selbst nicht behauptet.
3.19 Am 17.04.2020 wurde jedoch im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung der Europäische Kommission mit von ihr unter Mitwirkung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) und der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) als Orientierungshilfe für die Mitgliedstaaten ausgearbeiteten Hinweisen zur Umsetzung der einschlägigen EU-Bestimmungen im Bereich der Asyl- und Rückführungsverfahren und zur Neuansiedlung veröffentlicht (Mitteilung der Europäischen Kommission, COVID-19: Hinweise zur Umsetzung der einschlägigen EU-Bestimmungen im Bereich der Asyl- und Rückführungsverfahren und zur Neuansiedlung (2020/C 126/02); Amtsblatt der EU, C 123/12).
Die Kommission weist darin unter anderem darauf hin, das aufgrund der erheblichen Beschränkungen bei gewerblichen Flügen und der restriktiven Maßnahmen, die von Drittländern in Bezug auf die Einreise aus Europa eingeführt wurden, Drittstaatsangehörige, gegen die eine zur Rückkehr verpflichtende Entscheidung mit einer Frist für die freiwillige Ausreise ergangen ist, einer solchen Entscheidung möglicherweise trotz bester Anstrengungen und Absichten nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommen können. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, von der in Artikel 7 Absatz 2 der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Frist für die freiwillige Ausreise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls, der Dauer und der Art der restriktiven Maßnahmen sowie der Verfügbarkeit von Beförderungsmitteln in dem Bestimmungsdrittstaat um einen angemessenen Zeitraum verlängern.
3.20 In Österreich wurden die Ausgangsbeschränkung, die von der österreichischen Bundesregierung im Umgang mit dem Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2) im Frühjahr 2020 angeordnet worden waren, inzwischen wieder aufgehoben. Gegenwärtig sind jedoch wieder Verschärfungen der Maßnahmen angeordnet. Es zeigt sich jedenfalls, dass nach wie vor nicht sofort mit Wegfall dieser Beschränkung sämtliche Hindernisse beseitigt wurden, die einer freiwilligen Ausreise entgegenstehen, und insbesondere die zuständigen Behörden, Beratungseinrichtungen, Vertretungsbehörden, und gewerblichen Flugbetreiber etc erst allmählich wieder ihren Betrieb und Personenverkehr ausweiten; dies weiterhin unter organisatorischen und logistischen Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen (zB im Parteienverkehr), sodass Verzögerung bei der Bearbeitung die Folge sein werden.
Bei Berücksichtigung dieser Umstände wird ein Zeitraum von vier Wochen es dem Beschwerdeführer jedenfalls ermöglichen, sich an das BFA und die für eine Rückkehrhilfe eingerichteten Beratungsstellen zu wenden und eine Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und seine ernsthafte Bereitschaft, freiwillig zurückkehren zu wollen, zum Ausdruck zu bringen. Sollte sich im Zuge dessen herausstellen, dass für die freiwillige Ausreise ein längerer Zeitraum als die hier festgesetzten vier Wochen erforderlich ist, besteht für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, gemäß § 55 Abs 3 FPG an das BFA einen Antrag auf Verlängerung der Ausreisefrist zu stellen (vgl VwGH16.05.2013, 2012/21/0072).
3.21 Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides wird daher gemäß § 28 Abs 2 VwGVG insoweit stattgegeben, als gemäß § 55 Abs 2 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 4 (vier) Wochen festgesetzt wird.
Zu B)
Revision
3.22 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.
3.23 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Folgeantrag Frist Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz non refoulement öffentliche Interessen Pandemie Resozialisierung Rückkehrentscheidung strafrechtliche VerurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L516.2129052.2.00Im RIS seit
01.06.2021Zuletzt aktualisiert am
01.06.2021