TE Bvwg Beschluss 2021/3/28 W214 2232583-1

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Veröffentlicht am 28.03.2021
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Entscheidungsdatum

28.03.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
DSG §1
VwGVG §8a
ZPO §63 Abs1
ZPO §66 Abs1

Spruch


W214 2232583-1/14E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SOUHRADA-KIRCHMAYER über den Antrag des XXXX auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 05.03.2020, Zl. 2020-0.104.318, beschlossen:

A)

Dem Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird nicht Folge gegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

1. In seiner an die Datenschutzbehörde (DSB, belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) gerichteten Beschwerde vom 12.02.2020 behauptete der Antragsteller (ehemaliger Beschwerdeführer vor der DSB) XXXX eine Verletzung im Recht auf Auskunft.

2. Mit Bescheid vom 05.03.2020, Zl. 2020-0.104.318 setzte die belangte Behörde das Verfahren bis zur Entscheidung über das beim Bezirksgericht XXXX zur Zl. XXXX anhängige Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass beim Bezirksgericht XXXX zur Zl. XXXX ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters für den Antragsteller anhängig, dieses aber noch nicht rechtskräftig beendet sei. Fraglich sei, ob der Antragsteller die erforderliche Prozessfähigkeit in Bezug auf den Verfahrensgegenstand besitze, sowie, ob die Beschwerde vom 12.02.2020 überhaupt wirksam eingebracht worden sei. Somit stelle die Frage der Prozessfähigkeit des Antragstellers eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar. Da diese Vorfrage schon den Gegenstand des Verfahrens zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters bilde, sei die belangte Behörde gemäß §§ 9, 38 AVG berechtigt, das Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren Zl. XXXX des Bezirksgerichtes XXXX auszusetzen.

3. Am 26.05.2020 (eingelangt bei der belangten Behörde am 28.05.2020) stellte der Antragsteller einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid.

4. Die belangte Behörde legte den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes legte der Antragsteller am 29.01.2021 (eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 01.02.2021) ein aktuelles Vermögensbekenntnis samt Belegen vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird den Feststellungen zugrunde gelegt.

Der Antragssteller bezieht Notstandshilfe in Höhe von täglich EUR 38,90 netto, verfügt über etwa EUR 30,00 an Bargeld sowie über ein Konto- und Sparguthaben von etwa EUR 72,00. Er hat EUR 239,19 pro Monat an Wohnkosten zu bezahlen und keine Unterhaltspflichten.

Zum Entscheidungszeitpunkt ist beim Bezirksgericht XXXX zur Zl. XXXX ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters für den Antragsteller anhängig.

Der Antragsteller kann seine Rechte im Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zielgerichtet wahrnehmen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus dem gegenständlichen Gerichtakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da es sich beim Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe um keine Beschwerde handelt, besteht Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkraftretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2. Zu den Prozessvoraussetzungen:

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde fristwahrend erhoben.

3.2.1. Zur Frage der Prozessfähigkeit des Antragstellers:

Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, durch eigenes Verhalten oder durch das eines gewillkürten Vertreters prozessuale Rechte und Pflichten zu begründen. Die prozessunfähige Person kann keine wirksamen Verfahrenshandlungen setzen. Ein Mangel der Prozessfähigkeit ist von der Behörde von Amts wegen wahrzunehmen. (vgl. § 9 AVG; zum Ganzen Kolonovits/Muzak/Stöger Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 130 mwH auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs)

Beim Bezirksgericht XXXX ist zur Zl. XXXX ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters für den Antragsteller anhängig. Dennoch lässt das Verhalten des Antragstellers im gegenständlichen Verfahren keine Anhaltspunkte für eine etwaige Prozessunfähigkeit erkennen. So gab es in der bisherigen Korrespondenz mit dem Antragsteller in Bezug auf die Nachlieferung fehlender Unterlagen bei seinem Antrag auf Verfahrenshilfe keine Anzeichen, dass er seine Rechte im Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht wahrnehmen könnte.

Es war daher – zumindest für den gegenständlichen Antrag auf Verfahrenshilfe – von der Prozessfähigkeit des Antragstellers auszugehen.

3.3. In der Sache

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit diese aufgrund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, oder des Art 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union, ABL Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389 geboten ist, die Partei außer Stande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtige Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Gemäß Abs. 2 leg cit. sind, soweit in diesem Paragraphen nicht anders bestimmt ist, die Voraussetzungen und die Wirkung der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zu beurteilen.

Gemäß § 63 Abs. 1 ZPO ist als notwendiger Unterhalt derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt.

Der notwendige Unterhalt liegt dabei über dem Existenzminimum (notdürftiger Unterhalt) und unter dem standesgemäßen Unterhalt. Bei der Ermittlung des notwendigen Unterhalts ist immer auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, so etwa den Gesundheitszustand und die Erwerbsfähigkeit der Partei, Bedacht zu nehmen. Der maßgebliche der Partei verbleibende Geldbetrag muss dieser eine ihre Bedürfnisse berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestatten (M. Bydlinski in Fasching/Konecny3 II/1 § 63 ZPO Rz 2 (Stand 1.9.2014, rdb.at)).

Bei der Beurteilung, ob die Kosten der Prozessführung den notwendigen Unterhalt beeinträchtigen würden, sind neben dem Einkommen der Partei auch ihr sonstiges Vermögen sowie bestehende Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, was sich schon aus § 66 Abs 1 ZPO ergibt, der den notwendigen Inhalt des mit dem Antrag vorzulegenden Vermögensbekenntnisses regelt. Es ist eine Schätzung der auf Seiten der antragstellenden Partei voraussichtlich anfallenden Kosten vorzunehmen, wobei unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt absehbaren Umstände des Einzelfalls (zB Auflaufen von Sachverständigengebühren oder Anwaltskosten) ein durchschnittlich zu erwartender Verfahrensablauf anzunehmen ist. (M. Bydlinski in Fasching/Konecny3 II/1 § 63 ZPO Rz 3 (Stand 1.9.2014, rdb.at))

Ob ein Verfahrenshelfer unentgeltlich beizugeben ist, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG).

3.3.1 Umgelegt auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt sich daraus Folgendes:

Im gegenständlichen Fall brachte der Antragsteller am 26.05.2020 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang für die Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 05.03.2020, Zl. 2020-0.104.318, mit welchem die belangte Behörde das Verfahren bis zur Entscheidung über das beim Bezirksgericht XXXX zur Zl. XXXX anhängige Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters aussetzte.

Der Verfahrensgegenstand reduziert sich auf die Rechtsfrage, ob die in einem Verwaltungsverfahren als Vorfrage zu klärende Prozessfähigkeit des Antragstellers eine Hauptfrage im Sinne des § 38 AVG in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters darstellt. Das Verfahren weist sohin keine besondere Komplexität auf, die Klärung dieser Rechtsfrage ist grundsätzlich Sache des Gerichts. Der Antragsteller wird im Verfahren weder umfangreiches und/oder schwieriges Vorbringen zu erstatten noch an Sachverhaltsermittlungen mitzuwirken haben. Es ist auch davon auszugehen, dass von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden kann, da lediglich eine Rechtsfrage zu klären sein wird. Vor dem Hintergrund der Manuduktionspflicht, der auch für nicht rechtskundige Bürger grundsätzlich zu bewältigenden Einhaltung der Formvorschriften und des Amtswegigkeitsprinzips, sowie der durch § 8a Abs. 1 VwGVG angeordneten ausdrücklichen Beschränkung der Gewährung der Verfahrenshilfe auf Fälle, in denen dies nach Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC geboten ist, kommt der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer im Verfahren der Verwaltungsgerichte Ausnahmecharakter zu. Sie kann jedoch im Einzelfall erforderlich sein (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032). Das Verfahren weist jedoch – wie ausgeführt - keine besondere Komplexität auf, welche die Vertretung des Antragstellers durch einen Rechtsanwalt im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erforderlich machen würde. Es ist weiters davon auszugehen, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichtes, Gebühren von Zeugen, Sachverständigen, Dolmetschern, Übersetzern und Beisitzern sowie Barauslagen von Rechtsvertretern, für welche der Antragsteller ersatzpflichtig wäre, nicht anfallen werden.

Zu klären bleibt lediglich, ob der Beschwerdeführer durch die Bewilligung der Verfahrenshilfe von den Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren zu befreien ist. Die Höhe der für das geführte Verfahren zu zahlenden Pauschalgebühr beträgt gemäß § 2 Abs. 1 1. Fall BuLVwG-EGebV € 30,00. Darüberhinausgehenden Aufwendungen bestehen nicht. Mit einem monatlichen Einkommen von etwa € 1.167,00 netto kann der Antragsteller aber auch unter Berücksichtigung seiner Wohnungskosten von € 239,19 und allfälliger Zusatzkosten durch Heizung oder Strom eine Pauschalgebühr in Höhe von € 30,00 tragen, ohne dass sein notwendiger Unterhalt gefährdet wäre.

Dem Antrag auf Verfahrenshilfe war daher nicht Folge zu geben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden (vgl. etwa VwGH 25.09.2015, Ra 2015/16/0085, mwN). Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Schlagworte

notwendiger Unterhalt Pauschalgebühren Prozessfähigkeit Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W214.2232583.1.00

Im RIS seit

04.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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