TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/29 W209 2228943-1

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Veröffentlicht am 29.03.2021
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Entscheidungsdatum

29.03.2021

Norm

ASVG §113 Abs1 Z1
ASVG §113 Abs2
ASVG §4
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W209 2228943-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch Mag. Jürgen PAYER, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 03.12.2019, GZ: VA/ED-FP-0454/2019, betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in Höhe von € 1.000,00 wegen unterlassener Anmeldung zur Pflichtversicherung des Dienstnehmers XXXX , VSNR XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 29.01.2020 und am 24.03.2021 durchgeführter mündlicher Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 03.12.2019 schrieb die belangte Behörde (im Folgenden: ÖGK) der Beschwerdeführerin gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von € 1.000,00 vor, weil sie es unterlassen habe, den Dienstnehmer XXXX , VSNR XXXX , vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung zu melden. Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen einer am 03.09.2019 durchgeführten Kontrolle der Finanzpolizei festgestellt worden sei, dass für den oben angeführten Dienstnehmer die Anmeldung vor Arbeitsantritt nicht erstatten worden sei. Der vorgeschriebene Beitragszuschlag setze sich aus dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung in Höhe von € 400,00 und dem Teilbetrag für den Prüfeinsatz in Höhe von € 600,00 zusammen.

2. Dagegen erhob die Beschwerdeführer binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Beschwerdeführerin, die einen großen Teil ihrer Pension in der Türkei verbringe, für Renovierungsarbeiten an ihrem Haus einen vermeintlich sachkundigen und verlässlichen Baumeister beauftragt hätte, der sämtliche Schritte – auch im Zusammenhang mit dessen Dienstnehmern – übernehmen sollte. Es sei niemals ein Dienstverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Betretenen vorgelegen. Auch aus den niederschriftlichen Angaben des einvernommenen XXXX (Anm.: der ebenfalls betreten wurde) lasse sich nicht folgern, dass ein Dienstverhältnis begründet worden sei. Es habe sich lediglich um eine freundschaftliche Hilfsleistung zwischen den Betretenen gehandelt, die unter keinen Umständen der Beschwerdeführerin zuzurechnen sei. Da die Beschwerdeführerin unter diesen Umständen nicht darauf bauen und entsprechend disponieren habe können, dass der Betretene ihr an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung stehe, liege kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. Auch eine Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse sei nicht gegeben. Aus den Akten gehe hervor, dass der Betretene lediglich einmal – am 03.09.2019 – auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin anwesend gewesen sei und zwar aus dem einzigen Grund, weil er das Auto eines Freundes geführt habe, um damit einem anderen Freund, nämlich XXXX , zu befördern. Der Betretene sei niemals von der Beschwerdeführerin beauftragt worden. Sie habe ihn gar nicht gekannt. Zudem liege kein Betrieb vor. Es könne daher nicht ohne weiteres von Dienstverhältnissen im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ausgegangen werden. Darüber hinaus seien im vorliegenden Fall lediglich unbedeutende Folgen gegeben, handle es sich doch vorliegend allenfalls um die erstmalige verspätete Anmeldung. Insbesondere müsse berücksichtigt werden, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihres oftmaligen Aufenthalts in der Türkei auf die Übernahme sämtlicher notwendiger behördliche Schritte durch den Bauleiter vertraut habe und die Risiken dieses Vertrauensvorschusses – womöglich auch durch ihr bereits hohes Alter bedingt – nicht mehr in vollem Umfang einsetzen habe können. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin nicht sämtliche, auf Türkisch geführten Gespräche zwischen dem Bauleiter und ihrem Lebensgefährten verstanden.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 29.01.2020 wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass feststehe, dass der Betretene am 09.03.2019 im Rahmen einer Kontrolle der Finanzpolizei auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin beim Verbringen von alten Möbelstücken in einen Plastiksack arbeitend angetroffen worden sei, ohne von dieser vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet worden zu sein. Zudem sei auch XXXX beim Montieren des Rahmens einer Steckdose angetroffen worden, wobei er das benötigte Material zuvor gemeinsam mit der Beschwerdeführerin und deren Lebensgefährten, Herrn XXXX , in einem Baumarkt besorgt habe. Anschließend habe dieser den Betretenen auf die Baustelle geführt. XXXX sei bereits am 06.07.2019 auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin arbeitend angetroffen worden. Der Betretene sei am Tag der Betretung zum ersten Mal auf der Baustelle gewesen und bis dato nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden. Bis dato sei noch kein Meldeverstoß der Beschwerdeführerin rechtskräftig festgestellt worden. Der Einwand der Beschwerdeführerin, der Betretene habe XXXX nur auf die Baustelle gebracht und sei nur zufällig anwesend gewesen, sei als reine Schutzbehauptung zu werten, weil er von den Organen der Finanzpolizei arbeitend betreten worden sei und die Schilderung der Beschwerdeführerin somit im Widerspruch zu den dienstlichen Wahrnehmungen der Finanzpolizisten stehe. Auch die Verantwortung der Beschwerdeführerin, sie habe einen vermeintlich sachkundigen Baumeister beauftragt, der sämtliche behördliche Schritte, auch in Zusammenhang mit dessen Dienstnehmern, übernehmen hätte sollen, stehe in Widerspruch zum Verfahrensakt. Bei dem vermeintlichen Baumeister handle es sich allem Anschein nach um den betretenen XXXX . Dieser verfüge über keine Gewerbeberechtigung und keine unternehmerische Struktur und habe im Zeitraum von 07.07.2019 bis 23.09.2019 Notstandshilfe bezogen. Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, könne bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers – in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte – das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden. Beim Verbringen von alten Möbelstücken in einen Müllsack handle es sich um einfache manuelle Tätigkeiten im Sinne der Rechtsprechung, weshalb die Kasse berechtigt gewesen sei, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen. Beide Betretenen seien die am 03.09.2019 einzigen anwesenden Personen gewesen. Die konkrete Ausgestaltung der Arbeiten sei mit dem Lebensgefährten der Beschwerdeführerin ausgemacht gewesen. Die Betretenen hätten bei den Tätigkeiten zusammengewirkt. Die Liegenschaft der Beschwerdeführerin sei als Betrieb im Sinne des § 34 Abs. 1 ArbVG (und damit auch im Sinne des ASVG) zu qualifizieren und als „organisatorische Einheit“ anzusehen, weil die Arbeiter nach Rücksprache mit dem Lebensgefährten der Bauherrin gemeinsam an diesem Ort und unter Verwendung von auf die Baustelle gebrachtem Werkzeug und Arbeitsmaterial das Haus der Beschwerdeführerin sanieren hätten sollen. Die auf der Baustelle verrichteten Arbeitsergebnisse seien auch fortgesetzt im Sinne des § 34 Abs. 1 ArbVG erzielt worden, weil die Arbeiten aufgrund der Umstände des Falles absehbar außergewöhnlich lange dauern hätten sollen. Es liege auch eine entgeltliche Tätigkeit vor. Außer der bloßen Behauptung der Beschwerdeführerin, der Betretene habe kein Geld erhalten, fänden sich keinerlei Anhaltpunkte, dass die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit – wenigstens konkludent – vereinbart gewesen sei. Auch eine sachliche Rechtfertigung einer solchen Unentgeltlichkeit sei nicht ersichtlich, weil zwischen der Beschwerdeführerin und dem Betretenen kein Naheverhältnis bestehe. Der Betretene sei in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt und daher als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG tätig gewesen. Nicht entscheidend für die Dienstgebereigenschaft einer aus der Betriebsführung unmittelbar berechtigten und verpflichteten Person sei es, ob sie den Betrieb selbst oder durch dritte Personen (Organe, Bevollmächtigte, Beauftragte, Familienangehörige, Dienstnehmer usw.) führt, wenn ihr nur (auch) im Falle der Betriebsführung durch dritte Personen (weiterhin) zumindest die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung zustehe (vgl. u.a. das Erkenntnis des VwGH vom 25. Jänner 1994, Zl. 92/08/0264). Die Beschwerdeführerin sei als Dienstgeberin anzusehen, auch wenn sie die Organisation der Arbeiten an ihren Lebensgefährten delegiert habe, weil die Baustelle auf ihre Rechnung und Gefahr geführt worden sei. Sie habe nämlich das Arbeitsmaterial und die Arbeiter bezahlt. Außerdem hätte sie als Liegenschaftseigentümerin die Gefahr unsachgemäßer Arbeitsausführung zu tragen und nach Vollendung der Sanierung den Vorteil der Wertsteigerung ihres Wohnhauses zu tragen gehabt. Das Fehlen der subjektiven Vorwerfbarkeit des Meldeverstoßes schließe die Verhängung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG nicht aus, denn dieser sei nicht als Verwaltungsstrafe, sondern als eine (neben der Bestrafung nach den §§ 111, 112 ASVG ermöglichte) wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes in der Verwaltung sachlich gerechtfertigte weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/08/0076, vgl. zur Qualifikation des Beitragszuschlages als Pauschalersatz für den Verwaltungsaufwand überdies VfGH 07.03.2017, G 407/2016-17, G 24/2017-4). Im gegenständlichen Fall liege ein erstmaliger Meldeverstoß der Beschwerdeführerin vor, von dem zwei Personen betroffen seien. Die Folgen des Meldeverstoßes seien jedoch nicht als unbedeutend einzustufen, da eine Anmeldung der Betretenen zur Sozialversicherung für den Betretungstag bis heute nicht erfolgt sei. Demnach sei die Verhängung des vorliegenden Beitragszuschlages sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht erfolgt. Zur Folgekontrolle am 03.09.2019 werde ein separates Verfahren geführt.

4. Auf Grund des von der Beschwerdeführerin rechtzeitig erstatteten Vorlageantrages legte die ÖGK die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens 26.02.2020 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Am 24.03.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführerin, ihr Rechtsvertreter und eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Im Rahmen der Verhandlung wurden die Betretenen sowie der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin als Zeugen einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Im Zuge einer am 03.09.2019 gegen 15:20 Uhr von Organen der Finanzpolizei durchgeführten Kontrolle wurden XXXX , VSNR XXXX , (im Folgenden: GB) und XXXX , VSNR XXXX , (im Folgenden: ET) auf der Liegenschaft XXXX angetroffen, die im Eigentum der Beschwerdeführerin steht. ET befand sich im Inneren des auf der Liegenschaft befindlichen Wohnhauses und montierte den Rahmen einer Steckdose. GB war im Garten und gab alte Möbelstücke in einen Plastiksack.

GB ist ein Freund des ET und holte diesen auf dessen Ersuchen (unentgeltlich) von der Baustelle ab. Auf der Baustelle verrichtete er keine entgeltliche Tätigkeit. Er lud lediglich einen alten Stuhl sowie einen Mistsack, den er zuvor befüllte, auf Ersuchen des ET in den Wagen, während er darauf wartete, bis ET mit der Arbeit fertig war.

Feststellungen zur Tätigkeit des ET konnten unterbleiben, weil die Betretung des ET nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist. Hierzu wird auf die Ausführungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ: W209 2228896-1/18E, betreffend die Betretung des ET am 06.07.2019 verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Betretung stimmen mit den dienstlichen Wahrnehmungen der Organe der Finanzpolizei überein, die ihm Strafantrag der Finanzpolizei vom 10.09.2019 dokumentiert sind und von allen Beteiligten sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurden.

Strittig war, ob GB seitens der Beschwerdeführerin und deren Lebensgefährten mit den Arbeiten beauftragt wurde und von diesen dafür Geld erhielt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu den Umständen der Betretung befragt, gab ET glaubhaft an, dass GB ihn nur von der Baustelle abgeholt hat, weil er über keinen Führerschein verfüge, und GB bei der Betretung durch die Finanzpolizei nur auf ihn gewartet habe.

GB bestätigte die Angaben des ET und legte eine Kopie der Zugfahrkarte sowie einer McDonald‘s Rechnung vor, aus der hervorgeht, dass er unmittelbar vor der Kontrolle noch in der Nähe des Bahnhofs zu Mittag gegessen hatte.

Dem Vorbringen der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung, wonach die Angaben des ET unglaubwürdig seien, weil sie im Widerspruch zu seinen Angaben im Strafantrag der Finanzpolizei stünden, ist entgegenzuhalten, dass ET auch in der Niederschrift vom 03.09.2019 übereinstimmend mit seinen späteren Angaben angab, dass GB ihm nur einen Freundschaftsdienst geleistet habe.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 414 Abs. 2 ASVG sieht in den in § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG aufgezählten Angelegenheiten die Entscheidung durch einen Senat unter Laienrichterbeteiligung vor, wenn dies von einer Partei beantragt wird; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.

Im vorliegenden Fall stellt die Frage der Versicherungspflicht eine Vorfrage dar und liegt somit eine Angelegenheit vor, die auf Antrag eine Senatszuständigkeit unter Beteiligung fachkundiger Laienrichter begründet. Mangels Antrages liegt jedoch Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

Nach § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 ASVG sind geringfügig beschäftigte Dienstnehmer von der Vollversicherung nach § 4 ASVG ausgenommen. Gemäß § 7 Z 3 lit. a ASVG unterliegen sie der Teilversicherung in der Unfallversicherung.

Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält (§ 49 ASVG).

Für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a ASVG).

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Nach § 35 Abs. 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne des ASVG unter anderem derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können unter anderem Dienstgebern Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder

2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder

3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder

4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.

Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a [Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben] aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf € 400 je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf € 600.

Gemäß § 113 Abs. 3 ASVG kann bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf € 300 herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist zunächst als Vorfrage zu klären, ob eine gemäß § 33 Abs. 1 ASVG meldepflichtige Beschäftigung des Betretenen vorlag und die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin verpflichtet gewesen wäre, diesen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, so kann die Behörde bzw. das Gericht von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn ausgehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen. Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte (vgl. VwGH 23.10.2017, Ra 2015/08/0135; 19.12.2012, 2012/08/0165).

Die Betretenen wurden im Zuge einer Kontrolle durch die Finanzpolizei bei Sanierungsarbeiten bzw. beim Schuttwegräumen auf der Baustelle der Beschwerdeführerin angetroffen. Dabei handelt es sich zweifellos um eine Tätigkeit unter solchen Umständen, die im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung die Annahme eines entgeltlichen Dienstverhältnisses rechtfertigen, sofern nicht atypische Umstände gegen eine solche Deutung sprechen.

Den Feststellungen folgend holte GB jedoch nur ET auf dessen Ersuchen (unentgeltlich) von der Baustelle ab. Er verrichtete auch auf der Baustelle keine entgeltliche Tätigkeit, sondern lud lediglich einen alten Stuhl sowie einen Mistsack, den er zuvor befüllte, auf Ersuchen des ET in den Wagen, während er darauf wartete, bis ET mit der Arbeit fertig war.

Damit mangelt es schon an der erforderlichen Entgeltlichkeit der Tätigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG, wodurch ein Dienstverhältnis des GB zur Beschwerdeführerin von vornherein auszuschließen ist.

Mangels Vorliegens eines meldepflichtigen Dienstverhältnisses war der Beschwerde somit gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattzugeben und die Beschwerdevorentscheidung, die den Ausgangsbescheid ersetzt hat, ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Beitragszuschlag Gefälligkeitsdienst Unentgeltlichkeit Versicherungspflicht Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W209.2228943.1.00

Im RIS seit

01.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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