TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/9 W136 2237483-1

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Veröffentlicht am 09.04.2021
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Entscheidungsdatum

09.04.2021

Norm

BDG 1979 §123
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch


W136 2237483-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RA Mag. Annamaria LECHTHALER, gegen den Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4, vom 01.09.2020, GZ BMI-46140/34-DK/4/19-EB, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1 Mit dem im Spruch genannten Beschluss leitete die belangte Behörde gemäß § 123 BDG 1979 mit Spruchpunkt I. ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden kurz BF) wegen des Verdachtes ein, er habe (wörtlich, Anonymisierung durch das Bundesverwaltungsgericht)

„1) entgegen der von GenMjr XXXX und Obst XXXX , B.A. am 19.03.2020 sowie der von Obst. XXXX am 24.04.2020 ergangenen Weisung, Kontakte zu Revlnsp XXXX zu unterlassen dieser

a)       am 26.03.2020 eine e-mail an die dienstliche e-mail-Adresse von Revlnsp XXXX , in welchem er dieser mitteilte, dass nun auch von seiner Seite die Beziehung beendet sei,

2)       a. am 27.04.2020 eine (persönliche) e-mail mit dem Ersuchen um ein Treffen und einer Aussprache geschrieben,

b. am 28.04.2020 um 12.19 Uhr neuerlich eine e-mail geschrieben, ob ein Treffen noch am gleichen Tag - und ohne Rechtsanwalt - möglich wäre,

c. am 10.05.2020 um 21.57 Uhr mit unterdrückter Nummer Revlnsp XXXX angerufen; wobei diese - unmittelbar nachdem sie den Disziplinarbeschuldigten erkannte - wieder auflegte,

d. am 29.07.2020 um 19.09 Uhr wiederum „anonym“ bei Revlnsp XXXX angerufen und drohte dieser, sollte sie ihm nicht zuhören, würde er unmittelbar danach zu ihr kommen,

e. am 29.07.2020 um 20:10 Uhr wiederum „anonym“ bei Revlnsp XXXX angerufen und verlangte von dieser mit aggressivem Ton, dass diese sich bei seiner Frau entschuldigen sollte,

f. am 29.07.2020 um 20:14, 20:21, 20:27 und 21.04 Uhr jeweils „anonym“ bei Revlnsp XXXX angerufen,

g. am 04.08.2020 um 07:14 Uhr neuerlich bei Revlnsp XXXX angerufen, wobei diese, nachdem er sich gemeldet habe, sofort aufgelegt habe;

h. am 04.08.2020 um 08:12 Uhr, „anonym“ wieder bei Revlnsp XXXX angerufen und von dieser eine Entschuldigung bei seiner Frau eingefordert, wobei ihm Revlnsp XXXX neuerlich mit Nachdruck mitgeteilt habe, dass er sie nicht mehr belästigen solle;

i.       am 04.08.2020 um 08:14 Uhr erneut bei Revlnsp XXXX angerufen und nochmals von dieser eine Entschuldigung bei seiner Frau verlangt, worauf Revlnsp XXXX diesem neuerlich mitteilte, dass sie im Dienst sei, er aufhören solle, sie immer anzurufen, andernfalls sie sonst das BPK verständigen würde; worauf der dieser erwiderte, sollte sie das tun, würde er dem BPK mitteilen, was für ein „Psycho“ sie sei und dass sie suizidgefährdet sei.“

Begründend wurde zum Sachverhalt ausgeführt, dass der BF im Laufe des Jahres 2018 mit der ihm unterstellten Mitarbeiterin, Revlnsp XXXX eine außereheliche sexuelle Beziehung eingegangen sei. Nachdem die Ehefrau des BF einen Verdacht betreffend diese Beziehung erlangt hatte, habe sich diese am 20.11.2019 an den Dienststellenleiter gewandt, nachdem ein Streit am Vorabend zwischen ihr und dem BF eskaliert sei und eine polizeiliche Intervention notwendig wurde. Am 29.02.2020 habe die Ehefrau in einem neuerlichen Gespräch dem Dienststellenleiter mitgeteilt, dass ihr Gatte tatsächlich eine Beziehung zu Revlnsp XXXX habe, diese Beziehung nun eskaliere, weil die Kollegin Druck auf ihren Mann ausübe und sie (die Gattin) der Meinung sei, dass dies auch dienstliche Auswirkungen habe. Bei einem nachfolgenden Gespräch zwischen dem Dienststellenleiter, dem BF und Revlnsp XXXX habe der Dienststellenleiter feststellen müssen, dass er vom BF in der Vergangenheit allem Anschein nach wiederholt angelogen worden sei. Am 02.03.2020 habe Revlnsp XXXX ein Versetzungsgesuch eingebracht und wurde diese mit 01.04.2020 versetzt.

Am 16.03.2020 habe auf Ebene der Dienstführung (Pl-Kdt und 1. bis 3. Stv, sowie im Beisein der Gattin des BF) eine Aussprache stattgefunden, bei welchem sich der BF bei den Kollegen der Dienstführung für sein Verhalten entschuldigt habe. Der BF habe am 19.03.2020 von GenMjr. XXXX und Obst XXXX in einem persönlichen Gespräch die Weisung erhalten, Kontakte zu Revlnsp XXXX zu unterlassen und wurde dies in der Folge auch schriftlich vereinbart und von allen Beteiligten unterfertigt. Gegen diese Weisung habe der Disziplinarbeschuldigte in der Folge mehrfach, wie in den Anlastungen beschrieben, verstoßen.

Der BF verantworte sich zusammengefasst damit, dass er die Beziehung bereits beendet habe und vorrangig nur deshalb Kontakt zu Revlnsp XXXX aufgenommen habe, da seine Frau eine Entschuldigung von dieser wolle.

Zum Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 wurde ausgeführt, dass gesetzte Verhalten ist dem Grund nach geeignet sei, den Tatbestand des § 107a StGB zu erfüllen, weshalb der begründete Verdacht bestehe, dass Dienstpflichten nach § 43 Abs 1 BDG verletzt worden seien. Zum Verdacht einer Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 wurde ausgeführt, dass es darauf ankomme, ob das vorgeworfene Verhalten seinem objektiven Inhalt nach geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten in Frage zu stellen. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liege nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft. Insofern stelle § 43 Abs 2 BDG 1979 auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar. Der sogenannte Dienstbezug sei dann gegeben, wenn das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten bei objektiver Betrachtung geeignet sei, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt, sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen. Das Verhalten zwischen Kollegen werde ua durch die Grundsätze der gegenseitigen Achtung und Kameradschaftlichkeit bestimmt. Dem BF werde insbesondere vorgehalten, dass er trotz des eindringlichen Ersuchens der Revlnsp XXXX weitere Kontaktaufnahmen zu unterlassen, dennoch immer wieder den Kontakt zu dieser gesucht habe; selbst als diese die Nummer des BF blockiert habe, habe dieser versucht diese durch „anonyme“ Anrufe zu umgehen, und so auch erreichte, dass Revlnsp XXXX immer wieder abhob. Dem BF hätte klar sein müssen, sollte sich der Vorhalt so bestätigen, dass sein Verhalten, würde dies in der Öffentlichkeit in diesem Umfang bekannt, das Vertrauen der Öffentlichkeit schwer schädigen würde.

Zum Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 43a BDG 1979 wurde ausgeführt, dass das dem BF vorgehaltene Verhalten war, sollte es sich so bewahrheiten, geeignet sei, ein betriebsfeindliches Klima herzustellen. Dies insbesondere deshalb, da Revlnsp XXXX als Mitarbeiterin und dem BF weisungsunterworfen, letztendlich als einzigen Ausweg nur noch eine rasche „räumliche Trennung“ sah und um sofortige Versetzung zu einer anderen Dienststelle ersuchte.

Zum Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs1 BDG 1979 wurde ausgeführt, dass die Weisung des Kontaktverbotes zu Revlnsp XXXX präzise und unmissverständlich gewesen sei. Verstöße gegen Weisungen stellten unzweifelhaft Dienstpflichtverletzungen gern. § 44 Abs 1 BDG dar. Warum diese nicht befolgt werden, spiele dabei grundsätzlich keine Rolle (vgl. VwGH 08.09.1993, 93/09/0253). Durch den BF sei die Weisung dadurch verletzt worden, dass dieser auf unterschiedliche Arten, in unterschiedlichen Angriffen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten getragen, von jeweils eigenen Willenserklärungen gegen diese - gewollt und wissentlich - verstoßen habe. Zur Frage, ob die Weisung auch ein „privates, außerdienstliches Kontaktverbot“ umfasse bzw umfassen dürfe und diesbezüglich nicht überschießend sei, sei festzustellen, dass Gegenteiliges dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Im Gegenteil, lässt sich doch aus § 44 Abs 2 BDG, der inhaltlich nur eine Wiederholung des Art 20 Abs 1 letzter Satz B-VG darstellt, ableiten, dass auch eine „gesetzwidrige Weisung“ (den krassen Fall der Strafrechtswidrigkeit ausgenommen) gesetzlich zu befolgen seien. Darüber hinaus war festzustellen, dass der BF keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Weisung geäußert habe und zudem auch schriftlich erklärt habe, sich an diese Weisung zu halten. Darüber hinaus habe die Weisung auch eines außerdienstlichen Kontaktverbotes ihre rechtliche Berechtigung gehabt, da dem BF eine Trennung von dienstlichen und privaten Interessen nicht mehr möglich war und Auswirkungen auf den Dienstbetrieb erkennbar waren. Zudem sei dem Gesetz nicht zu entnehmen, dass Weisungen nicht auch auf ein außerdienstliches Verhalten einwirken dürfen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig Beschwerde und führte zu den ihm angelasteten Sachverhalt zusammengefasst Folgendes aus:

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass das durch den BF gesetzte Verhalten dem Grunde nach geeignet sei, den Tatbestand des § 107a StGB zu erfüllen, wodurch der begründete Verdacht einer Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG bestehe, sei nicht richtig. Dem BF sei zwar unstrittig die Weisung erteilt worden, Kontakte zu Revlnsp XXXX zu unterlassen und habe der BF mit den im Einzelnen aufgezählten E-Mails und Telefonaten versucht, mit Revlnsp. XXXX in Kontakt zu treten, jedoch seien diese Kontaktaufnahmen beziehungsweise deren Versuche ausschließlich in der Freizeit des BF erfolgt. Die ergangene Weisung, wonach Kontakte zu Revlnsp XXXX zu unterlassen seien, könne sich jedoch nicht in den Privatbereich und in den Freizeitbereich des BF erstrecken. Der BF habe ein außereheliches Verhältnis mit Revlnsp. XXXX geführt und dieses sodann beendet, wobei anzuführen sei, dass Revlnsp. XXXX mehrfach versucht habe, den BF mittels telefonischer Nachrichten und Übermittlung von diversen Lichtbildern unter Druck zu setzen, dass dieser das Verhältnis fortzusetzen habe. So sei auf den beigelegten Lichtbildern Revlnsp XXXX zu erkennen, die sich die Dienstwaffe an die Schläfe halte, ein Messer in Richtung Herzgegend führe sowie am Hals sowie an die Pulsadern ansetzte. Darüber hinaus habe Revlnsp XXXX vorgegeben, dass sie sich direkt an die Ehegattin und an die Tochter des BF gewandt habe. Nachdem das außereheliche Verhältnis des BF dessen Ehefrau bekannt geworden sei, habe diese auf eine Bereinigung der privaten Situation gedrängt. Insbesondere seien der Ehegattin die beigefügten Lichtbilder und Textnachrichten bekannt gewesen, die sie stark verunsichert hätten. Ausgangspunkt für die gesamte gegenständliche Situation sei sohin das Verhältnis des BF und die damit einhergehende „Dynamik“, nämlich das Bestreben der Ehegattin des BF auf ein gemeinsames Gespräch gewesen. Im besterben des BF seine Ehe und damit seine Familie zu retten, habe dieser versucht, mit Revlnsp XXXX in Kontakt zu treten, um das von seiner Ehegattin geforderte gemeinsame Gespräch zu verwirklichen. Eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs 1 BDG sei in einer derartigen, rein privaten Vorgehensweise des BF nicht zu erblicken, zumal der BF keinen Überblick über die Dienstzeiten von Revlnsp XXXX gehabt habe, weswegen er nicht wissen konnte, ob sich diese zu den Zeiten der versuchten Kontaktaufnahmen im Dienst befinde.

Zum Verdacht einer Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 wurde ausgeführt, dass nicht nachvollziehbar sei, wieso das Verhalten des BF unter einer derartigen Konstellation (betrogene Ehefrau, Beendigung außereheliches Verhältnis, Wunsch der Ehegattin auf Aussprache) derart gewertet würde, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit schwer geschädigt würde. Eine Verletzung der normierten Bestimmung nach § 43 Abs 2 BDG könne jedenfalls im Verhalten des Beschwerdeführers nicht erblickt werden. Tatsächlich ergäbe die zu § 43 Abs. 2 BDG ergangenen Rechtsprechung des VwGH, dass lediglich äußerst schwerwiegende und strafrechtlich relevante Verhaltensweisen als Dienstpflichtverletzung gewertet würden. Eine Verhaltensweise, die sich ausschließlich im privaten (Intim) Bereich des betreffenden Beamten bewege, sei nicht geeignet eine Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG zu verwirklichen. Das Verhalten des BF stelle letztlich einen verzweifelten Versuch dar, seine durch sein eigenes Verhalten schwer erschütterte Ehe zu retten.

Zum Verdacht einer Pflichtverletzung nach § 43a BDG 1979 wurde ausgeführt, dass das dem BF nunmehr vorgeworfene Verhalten ab dem 26.3.2020 (1. E-Mail an Revlnsp. XXXX ) keineswegs Grund für das Versetzungsgesuch der Revlnsp. XXXX gewesen sei. Vielmehr habe der Dienststellenkommandant, der die Situation für untragbar hielt, den BF sowie Revlnsp. XXXX am 1.3.2020 zu einem Mitarbeitergespräch gebeten, bei dem er gegenüber beiden Beteiligten sein Missfallen über deren Verhalten deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Am Morgen des 2.3.2020 habe Revlnsp. XXXX dem Kommandanten ihr Versetzungsgesuch übergeben und sei die Versetzung am 1.4.2020 erfolgt. Entgegen der Ausführungen der belangten Behörde entsprang der Wunsch der Revlnsp. XXXX nach einer Versetzung dem Bekanntwerden ihres sexuellen Verhältnisses mit dem BF. Das Verhalten des BF, nämlich auf Druck seiner Ehegattin zu versuchen Revlnsp. XXXX von der Sinnhaftigkeit eines gemeinsamen Gesprächs zu überzeugen, als Dienstpflichtverletzung gem. § 43a BDG 1979 gewertet werden.

Zum Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 44 BDG wurde auf das wesentliche zusammengefasst ausgeführt, dass Weisungen sich auf das Verhalten in oder außer Dienst beziehen könnten, jedoch dürfe in subjektive, insbesondere in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte nicht eingegriffen werden und ist sei auf ihre Verhältnismäßigkeit zu achten (VwGH 6.6.2001, 98/090347). Diese Schranke anerkenne der VwGH, wenn er eine Schranke zur Erlassung von Weisungen in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte des Beamten sehe. Der BF habe ausschließlich in seiner Freizeit versucht, mit Revlnsp XXXX Kontakt aufzunehmen. Die Weisung, Kontaktaufnahmen zu unterlassen, könne sich entgegen der Ansicht der belangten Behörde jedoch nur auf den dienstlichen Bereich erstrecken, Insbesondere wäre eine derartige Weisung für den Privatbereich ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK, wonach jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens hat.

Beantragt wurde die Abänderung des bekämpften Bescheides, wonach kein Disziplinarverfahren eingeleitet werde, in eventu die Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt wurde von der belangten Behörde dem BVwG am 04.12.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt) und Beweiswürdigung:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF, geb. am XXXX steht als Exekutivbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und versieht als dienstführender Beamter, in der Funktion des 3.Stv des Pl-Kdt auf der PI XXXX Dienst.

1.2. Zu den im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzung:

Der den angelasteten Dienstpflichtverletzungen zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus der Aktenlage und wird, was den objektiven Sachverhalt betrifft, vom BF nicht bestritten. Der BF macht allerdings geltend, dass die als Pflichtverletzung angelasteten, oben unter Punkt I.1. dargestellten (versuchten) Kontaktaufnahmen zur genannten Revierinspektorin keine Dienstpflichtverletzungen darstellen. Näheres dazu unter Punkt II.2.

Ungeachtet dieses Einwandes besteht der begründete Verdacht, der schuldhaften Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch den BF. Der Sachverhalt für das Verfahrensstadium des Einleitungsbeschlusses ausreichend geklärt. Es steht auch unverwechselbar fest, welche konkreten Vorgänge den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden.

Wenn der BF die angelasteten Sachverhalte in objektiver Hinsicht zugesteht, jedoch Rechtfertigung- bzw. Entschuldigungsgründe für sein Verhalten anführt, ist damit der Verdacht einer Pflichtverletzung keineswegs ausgeräumt, sondern wird die diesbezügliche Verantwortung der BF im weiteren Disziplinarverfahren zu prüfen und bewerten sein.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Im gegenständlichen Fall wurde vom BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ungeachtet dessen wurde vom Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Gegenstand gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides notwendige Sachverhalt problemlos den Akten zu entnehmen war und einer weiteren Klärung in einer Verhandlung nicht bedurfte. Insbesondere war im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen, ob der BF tatsächlich Dienstpflichtverletzungen begangen hat, sondern ob hinreichende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorliegen. Art 6 Abs. 1 EMRK steht im derzeitigen Verfahrensstadium dem Entfall einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen, da nur die Frage der Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu klären war und zivile Rechte im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK mit der gegenständlichen Entscheidung nicht verändert oder gestaltet werden (VwGH vom 16.09.2010 Zl. 2007/09/0141). Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) kommt im gegenständlichen Fall mangels Vorliegens eines unionsrechtlichen Sachverhaltes nicht zur Anwendung (VwGH vom 09.09.2014, Zl. Ra 2014/09/0017).

Zu Spruchpunkt A):

Für den Beschwerdefall ist folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, in der bis zum Inkrafttreten der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019 maßgeblichen Fassung anzuwenden:

§ 123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.

(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben.“

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Rechtslage des BDG 1979 und des LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (Hinweis E 9.9.1997, 95/09/0243, sowie E 16.9.1998, 96/09/0320), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verfahren auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen (VwGH vom 18.12.2012, Zl. 2011/09/0124).

Die Begründung des Einleitungsbeschlusses ist auf die Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Darlegung der für die getroffene Entscheidung im jeweiligen Gegenstand maßgeblichen Gründe beschränkt; beim Einleitungsbeschluss geht es um die Frage, ob in Bezug auf einen konkret umschriebenen Sachverhalt ein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung gegeben ist, oder ob allenfalls (offenkundige) Gründe für die sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (VwGH vom 01.07.1998, Zl. 97/09/0095 mit Hinweis auf E 25.6.1992, 91/09/0190).

Nur offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 stehen der Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen (VwGH vom 25.06.1992, Zl. 92/09/0056).

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

Aufgrund des dargestellten Sachverhaltes, wonach der BF zu jener Kollegin, mit der er über längeren Zeitraum eine außereheliche und daher geheime Beziehung unterhielt, auch nach Ende dieser Beziehung sowie Versetzung der Kollegin an eine andere Polizeiinspektion, über einen Zeitraum von mehreren Monaten wiederholt Kontakt aufnahm oder dies versuchte, obwohl ihn sein Vorgesetzter anwies, dies zu unterlassen, kann keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belangte Behörde ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat, zumal der BF selbst zugesteht, die Weisung erhalten zu haben und dennoch weisungswidrig gehandelt zu haben.

Zum Vorbringen, wonach die Zuständigkeit für die Erteilung einer Weisung jedenfalls ihre Schranken in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechten findet, im konkreten Fall die Weisung das durch Art 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt hätte sowie dass es sich insgesamt um „private“ Geschehnisse ohne Dienstbeug handle, weshalb auch keine Dienstpflichtverletzung vorliege, ist Folgendes zu bemerken:

Diesem Vorbringen ist insoweit zu folgen, als private Beziehungen eines Beamten, mögen sie auch außerehelich sein, grundsätzlich nicht Gegenstand dienstlicher Weisungen oder disziplinarrechtlich relevant sind. Dies verhält sich allerdings dann anders, wenn die Beziehung zu einer weisungsunterworfenen Mitarbeitern unterhalten wird und es in weiterer Folge – wie im vorliegenden Fall – zu unerwünschten oder unangebrachten Auswirkungen auf den Dienst kommt, auch wenn sich der BF nicht das Verhalten seiner Ehefrau anrechnen lassen muss. Im konkreten Fall wird aber dem BF angelastet, zu seiner Ex-Freundin, die ebenfalls Exekutivbeamten ist und sich von der „gemeinsamen“ PI wegversetzen ließ, wiederholt, ohne dass diese das wünschte, Kontakt in bedrängender Art aufgenommen zu haben. Ein derartiges Verhalten ist ohne Zweifel geeignet, den Verdacht einer Pflichtverletzung zu begründen.

Dem Vorbringen, wonach aufgrund der in der Beschwerde dargestellten Einwendungen des BF das Disziplinarverfahren einzustellen wäre, kann nicht gefolgt werden, sondern wird die Verantwortung des BF im Disziplinarverfahren zu prüfen sein. Zum Beschwerdevorbringen, wonach der angelastete Sachverhalt nicht unter die von der belangten Behörde genannten Bestimmungen der §§ 43 Abs. 1 und 2, § 43a und 44 Abs. 1 BDG 1979 zu subsumieren sei, ist darauf zu verweisen, dass die endgültige rechtliche Subsumption dem das Disziplinarverfahren beendenden Erkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde – die an die rechtliche Würdigung im Einleitungsbeschluss nicht gebunden ist – vorbehalten bleibt (vgl. VwGH 27.10.1999, 97/09/0246, zum Verhandlungsbeschluss vor der Dienstrechts-Novelle 2011) (VwGH 21.04.2015, Ra 2014/09/0042; VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0007).

Die in der Beschwerdeschrift getätigten Ausführungen sind daher nicht geeignet, den Verdacht der schuldhaften Begehung konkret umschriebener Dienstpflichtverletzungen auszuräumen. Der von der belangten Behörde verfügte Einleitungsbeschluss betreffend Vorliegen von Dienstpflichtverletzungen im Verdachtsbereich ist daher zu Recht erfolgt, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die maßgebliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Fassung eines Einleitungsbeschlusses nach § 123 Abs. 2 BDG 1979 wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mehrfach behandelt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von dieser nicht ab. Auf die unter Spruchpunkt A zitierte Judikatur wird verwiesen.

Schlagworte

außerdienstliches Verhalten Beamter Dienstpflichtverletzung Disziplinarverfahren Einleitung Disziplinarverfahren Einleitungsbeschluss Privatleben Verdachtslage Weisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2237483.1.00

Im RIS seit

04.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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