RS Vfgh 2021/2/24 E4208/2020

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Veröffentlicht am 24.02.2021
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §9, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; keine Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten des EASO zu Personen, die lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) geht im Wesentlichen davon aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weggefallen seien, weil der Beschwerdeführer angesichts seiner hinzugewonnenen Lebens- und Berufserfahrung nicht mehr in eine mit unmenschlicher Behandlung im Sinne des Art3 EMRK gleichzusetzende Lage geraten würde und ihm nunmehr eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung stehe und stützt seine Entscheidung insoweit auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018. Dabei übersieht es, dass eine aktuelle und spezifische Information betreffend Fälle wie jenen des Beschwerdeführers, der in Pakistan geboren und aufgewachsen ist, vorliegt. Die "Country Guidance: Afghanistan - Guidance note and common analysis" des EASO auf dem Stand Juni 2018 und 2019 enthält eine spezifische Beurteilung für jene Gruppe von Rückkehrern, die entweder außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben.

Aus dem Bericht des EASO geht hervor, dass für die genannte Personengruppe eine innerstaatliche Fluchtalternative dann nicht in Betracht komme, wenn am Zielort der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kein Unterstützungsnetzwerk für die konkrete Person vorhanden sei, das sie bei der Befriedigung grundlegender existenzieller Bedürfnisse unterstützen könnte, und dass es einer Beurteilung im Einzelfall unter Heranziehung der folgenden Kriterien bedürfe: Unterstützungs-netzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person bzw Verbindungen zu Afghanis-tan sowie sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund, insbesondere Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans.

Indem das BVwG diese maßgebliche Information nicht berücksichtigt und auch die erforderliche Einzelfallprüfung nicht vornimmt, hat es seine Entscheidung auf veraltete Länderberichte gestützt und die Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt unterlassen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E4208.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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