RS Vfgh 2021/2/24 E2461/2020

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Veröffentlicht am 24.02.2021
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen des Iraks; keine Heranziehung von Länderberichten zur Existenzsicherung sowie zur Lage von Sunniten

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) legt der Beurteilung der Frage der ausreichenden Existenzsicherung keine Länderberichte zur aktuellen Lage im Irak zu Grunde und formuliert im angefochtenen Erkenntnis nur pauschale und spekulative Aussagen betreffend die zukünftige Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Herkunftsland. Es berücksichtigt dabei weder die allgemein angespannte Sicherheits- und Versorgunglage im Irak noch allfällige Schwierigkeiten, die auf den Beschwerdeführer - auch im Hinblick auf die aktuelle COVID-19-Pandemie - im Falle der Rückkehr zukommen könnten.

Zudem enthält das angefochtene Erkenntnis vor allem im Hinblick auf eine mögliche Rückkehr in den Herkunftsstaat keine konkreten Feststellungen zur Lage der Sunniten im Irak. Das BVwG verneint eine systematische Verfolgung von Sunniten durch Schiiten pauschal, ohne dabei auf entsprechende Länderberichte abzustellen. Einer solchen Auseinandersetzung kommt im vorliegenden Fall jedoch besondere Bedeutung zu. Das BVwG hat es demnach unterlassen, die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung zu bringen.

Der VfGH hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es ein Unterlassen der Ermittlungstätigkeit darstellt, wenn Länderberichte zu einer bestimmten Frage keine Angaben enthalten und keine zusätzlichen Ermittlungen angestellt werden. Zudem ist nach der Rsp des VfGH eine Entscheidung des BVwG aufzuheben, wenn es zu einem Ergebnis kommt, welches nicht aus einschlägigen (Passagen in) Länderberichten ableitbar ist und sich auch nicht aus anderen Ermittlungsergebnissen ableiten lässt. Dadurch, dass es das BVwG unterlassen hat, sich mit der aktuellen Lage im Irak auseinanderzusetzen und folglich keine Ermittlungsergebnisse in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Verbindung gebracht hat, hat es Willkür geübt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E2461.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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