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Verwaltungsverfahren - AVGNorm
AVG §69 Abs1 implizitBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Härtel und die Hofräte Dr. Hinterauer, Dr. Knoll, Dr. Leibrecht und Dr. Schima als Richter, im Beisein der Schriftführerin Landesregierungsoberkommissär Dr. Cede, über die Beschwerde des 1) HW in W, 2) MW in W, 3) LW in N, Kenia, und 4) Dr. EM in N, USA, 5) Dr. Friedrich Willheim, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 18, 1 bis 3), vertreten durch Dr. Franz Eckert und Dr. Friedrich Eckert, Rechtsanwälte in Baden, Hauptplatz 15, 4) vertreten durch Dr. Friedrich Willheim, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 18, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. März 1973, Zl. 41.945-I/1/73, betreffend Erlöschen eines Wasserbenutzungsrechtes (mitbeteiligte Partei: Firma W, in O, vertreten durch Dr. Ernst Bollenberger, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Wiener Straße 12), nach der am 28. Juni 1974 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Friedrich Willheim sowie des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Rechtsanwalt Dr. Ernst Bollenberger, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 4.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird ab- bzw. zurückgewiesen.
Begründung
Der Landeshauptmann von Niederösterreich stellte mit Bescheid vom 6. Oktober 1971 gemäß § 29 WRG 1959 fest, daß das unter Postz nn im Wasserbuch der Bezirkshauptmannschaft Baden für die W Gutsverwaltung in O eingetragene Wasserrecht für eine Beregnungsanlage mit einer Fläche von 408,2506 ha gemäß § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 mit Wirksamkeit vom 31. Dezember 1959 erloschen ist. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus der Beschreibung der Anlage im Wasserbuch gehe eindeutig hervor, daß die von der Pumpe weiterführende Leitung aus einer festverlegten Stammleitung aus Stahl- bzw. gußeisernen oder Asbestzementrohren bestehe. Die Länge der Stammleitung betrage rund 3,6 km. Bei der am 16. Dezember 1955 vom Gebietsbauamt II Wiener Neustadt vorgenommenen Überprüfung der Anlage sei festgestellt worden, daß von der Beregnungsanlage die Ausleitungsvorrichtung aus dem Werkskanal, der Schachtbrunnen sowie die Pumpenanlage vorhanden seien. Derzeit fehlten noch die Rohre für die Anlage. Dieses Überprüfungsergebnis sei am 13. Februar 1956 dem Wasserberechtigten zur Kenntnis gebracht worden, worauf dieser zwecks Schadensbehebung um Fristerstreckung bis Ende 1956 ersucht habe. Am 23. Jänner 1957 habe der Wasserberechtigte neuerlich um eine Fristerstreckung ersucht. Die Anlage sei aber innerhalb der festgesetzten Frist nicht in den konsensmäßigen Zustand gebracht worden. Da die Leitungsrohre einen wesentlichen Teil der Anlage darstellten, weil ohne diese eine Beregnung in konsensmäßiger Form gar nicht möglich sei und diese innerhalb der beantragten Frist nicht eingebaut worden seien, sei der Wegfall dieses Teiles der Anlage dem gänzlichen Wegfall gleichzuhalten. Erst am 1. Oktober 1970 habe Zivilingenieur Dipl.-Ing. EM für die W Gutsverwaltung ein Sanierungsprojekt für die Beregnungsanlage vorgelegt. Schon aus der Textierung des Projektes gehe hervor, daß es sich um die Sanierung einer nicht funktionsfähigen Anlage handle. Dieses Sanierungsprojekt sei am 22. Juli 1971 einer vorläufigen Überprüfung im Sinne des § 104 WRG 1959 unterzogen worden. Bei dieser Überprüfungsverhandlung sei vom technischen Amtssachverständigen des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung festgestellt worden, daß gegenüber den in den bisherigen Aktenvorgängen festgehaltenen Tatbeständen keinerlei Änderungen festzustellen seien.
Gegen diesen Bescheid wurde von der Verlassenschaft nach OW, vertreten durch HW und Mitbesitzer, berufen und geltend gemacht, die Annahme, daß die Stammleitung nicht vorhanden sei, beruhe auf unrichtigen Tatsachenfeststellungen, da diese Leitung vorhanden und von verschiedenen Pächtern auch benützt worden sei. Der Bericht des Gebietsbauamtes II Wiener Neustadt aus dem Jahre 1955, der von einem Fehlen der Beregnungsrohre spreche, könne sich nicht auf die Stamm- und Verteilungsrohre bezogen haben, sondern nur auf die an diese Leitung anzuschließenden fliegenden Leitungen, die auch tatsächlich seinerzeit durch die U verkauft worden seien. Diese fehlenden Leitungen könnten aber nicht als wesentliche Anlagenteile gelten, sondern seien als ständige Verschleißteile anzusehen, die jederzeit ausgewechselt werden könnten.
In Stattgebung der Berufung wurde hierauf der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Oktober 1971 mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Februar 1972 gemäß § 66 AVG 1950 aufgehoben. Die Aufhebung wurde mit der Feststellung des Gebietsbauamtes II Wiener Neustadt vom 16. Dezember 1955 und damit begründet, daß diese Feststellung nach den Ergebnissen des ergänzenden Ermittlungsverfahrens nur so verstanden werden könne, daß unter den Rohren für die Anlage lediglich die fliegenden Anschlußleitungen gemeint gewesen seien, nicht aber die im Boden vergrabene und heute noch funktionsfähige Stammleitung. Das Fehlen von an die Stammleitung jederzeit leicht an- oder abzuschließenden und für die rasche Verlegung eigens konstruierten Beregnungsrohren könne aber nicht als Wegfall eines wesentlichen Anlagenteiles angesehen werden. Das gegenständliche Wasserbenutzungsrecht sei daher aus den in dem mit Berufung bekämpften Bescheid angeführten Gründen nicht erloschen. überdies habe die Wasserberechtigte bereits am 13. Februar 1956 um Erstreckung der Frist zur Behebung von Schäden an der Beregnungsanlage - hier also offenbar Wiederanschaffung der fliegenden Leitungen - angesucht und dieses Ansuchen am 23. Jänner 1957 wiederholt. Da gemäß § 28 Abs. 1 WRG 1959 der Ablauf der im § 27 Abs. 1 lit. g des bezeichneten Gesetzes angeführten Frist durch die mitgeteilte Absicht, eine zerstörte Wasserbenutzungsanlage wiederherzustellen, gehemmt werde, hätte auch deshalb das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes nicht eintreten können.
Mit Eingabe vom 16. Juni 1972 beantragte die Firma W, die mitbeteiligte Partei des gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens -, zu deren Wasserkraftanlage der genannte Werkskanal gehört, die Wiederaufnahme des Verfahrens und führte aus, das Wasserbenutzungsrecht sei schon längst vor der im Jahre 1955 vom Gebietsbauamt II Wiener Neustadt vorgenommenen Überprüfung der Anlage durch das Fehlen wesentlicher Anlagenteile und die dadurch bedingte mehr als dreijährige Unterbrechung der Nutzung erloschen. Als Beweismittel hiefür wurden die Aussagen der vormaligen Pächter des Gutes, nämlich SM in M und Dkfm. JK sowie ergänzend die Aussage des schon im vorhergegangenen Verfahren miteinbezogenen KH geltend gemacht und die Zeugeneinvernahmen dieser Personen beantragt. Weiters wurde ein vom Rechtsanwalt der Antragstellerin mit dem Mitinhaber der Firma W, Ing. HM aufgenommener Aktenvermerk zur Glaubhaftmachung des Umstandes, daß diese Zeugen erst nach rechtskräftigem Abschluß des vorhergegangenen Verfahrens und frühestens am 3. Juni 1972 bekanntgeworden seien, vorgelegt. Auf Grund dieses Antrages wurde mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. Oktober 1972 die Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Februar 1972 abgeschlossenen Erlöschungsverfahrens verfügt und bestimmt, daß das Verfahren vom Landeshauptmann von Niederösterreich als Wasserrechtsbehörde I. Instanz durchzuführen sei. Nach der beigegebenen Begründung seien im Ermittlungsverfahren die namhaft gemachten Zeugen über die für die Wiederaufnahme maßgebenden Umstände einvernommen worden. Die das Wiederaufnahmevorbringen durchwegs bestätigenden Zeugenaussagen seien HW und den Mitbesitzern mitgeteilt worden. Diese hätten gegen das Verfahrensergebnis Stellung genommen. Im vorliegenden Falle könne aus der Natur der Sache wohl kein Nachweis für den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der behaupteten Wiederaufnahmegründe erbracht werden. Die Wiederaufnahmewerberin habe aber glaubhaft gemacht, daß sie vom Vorliegen neuer Beweismittel - nämlich von der Existenz und Erreichbarkeit der dann der Behörde angegebenen Zeugen - erst vor zwei Wochen vor Einbringung dieses Antrages Kenntnis erhalten habe. Diese Angaben seien von den Zeugen anläßlich ihrer Einvernahme auch durchwegs bestätigt worden. Die Zeugen hätten übereinstimmend ausgeführt, daß die Beregnungsanlage des Gutes O während der Zeit, in der sie Pächter (H und M) bzw. Geschäftsführer der U (Dkfm. K) dieses Betriebes gewesen seien, nicht betrieben worden sei, weil sie infolge Fehlens bzw. Störung wesentlicher Anlagenteile nicht funktionsfähig gewesen sei. Der Zeitraum dieser Tätigkeiten erstrecke sich von Mai 1947 (Dkfm. K) bis Februar 1959 (H). Dies bedeute, daß jedenfalls der Zeitraum vor der Überprüfung durch das Gebietsbauamt II Wiener Neustadt im Dezember 1955 zurückreichend bis 1. Juli 1947 von den Zeugenaussagen erfaßt sei. Da nach Aussage des Dkfm. K die Beregnung spätestens nach der Ernte 1949 eingestellt und die Anlage noch vor der Verpachtung des Gutes im Jahre 1950, soweit transportabel, demontiert worden sei, seien für den Zeitraum von 1950 bis Ende 1955 neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen, bei deren Vorliegen voraussichtlich der Hauptinhalt des Spruches des Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Februar 1972 anders gelautet hätte. Der Zeuge H habe wörtlich erklärt, daß er die Pumpe mehrmals besichtigt und dabei festgestellt habe, daß sie zerschlagen und unbrauchbar gewesen sei. Es erscheine daher unverständlich, aus der Äußerung, daß auch der Maschinist B die Unbrauchbarkeit der Anlage bestätigt habe, zu erschließen, daß H die Anlage nie überprüft habe. Dkfm. K habe angegeben, daß die Anlage absichtlich zerstört worden sei und daß in der Folge alle Maschinenteile, die zum Transport nicht zu schwer gewesen seien, und sämtliche Hydranten gefehlt hätten. Die fliegenden Beregnungsleitungen habe der Zeuge gar nicht erwähnt, sondern nur angegeben, daß die unterirdischen Leitungen nicht benützbar gewesen seien. Die Meinung, daß sich die Aussage von Dkfm. K nur auf das Fehlen von fliegenden Beregnungsleitungen bezogen haben könne, gehe somit fehl. Wohl sei es richtig, daß der Zeuge M keine konkreten Angaben darüber machen habe können, welche Teile der Anlage zerstört gewesen seien oder fehlten, sondern lediglich auf die ihm angegebene Funktionsuntüchtigkeit der Anlage und den Ankauf der Beregnungsleitungen und Regner durch ihn verweisen hätte können. Es erscheine aber zu weitgehend, aus dem Umstand, daß M lediglich die Beregnungsrohre und Regner gekauft habe, zu schließen, daß alle anderen Anlagenteile im intakten Zustand vorhanden gewesen seien. Zu dem mehrmals vorgebrachten Einwand, die Funktionstüchtigkeit der unterirdischen Leitungen könne jederzeit durch deren Freilegung auf Kosten der Wiederaufnahmewerberin nachgewiesen werden, sei festgehalten, daß einem derartigen Augenschein im Hinblick auf die seit dem für das gegenständliche Verfahren maßgebenden Zeitraum verstrichene Zeit nur ein geringer Beweiswert zukommen konnte. Keinesfalls könnte aber daraus ein Schluß auf die geltend gemachten Schäden und das Fehlen der anderen Anlagenteile gezogen werden. Es ergebe sich somit, daß die Einwendungen der Antragsgegner nicht geeignet gewesen seien, die Tauglichkeit der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe und die hiezu aufgenommenen Beweise zu widerlegen.
Der Landeshauptmann von Niederösterreich stellte im fortgesetzten Verfahren nach Durchführung einer „Büroverhandlung“ am 2. Februar 1973 mit Bescheid vom 20. Februar 1973 neuerlich fest, daß das unter Postz. nn im Wasserbuch der Bezirkshauptmannschaft Baden zugunsten von OW und Mitbesitzer eingetragene Wasserbenutzungsrecht gemäß § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 mit Wirksamkeit vom 31. Dezember 1955 erloschen sei, da die Voraussetzungen dieser Bestimmung dafür vorgelegen gewesen seien und weil die vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft einvernommenen Zeugen übereinstimmend angegeben hätten, es sei die Beregnungsanlage während der Zeit, in der sie Pächter (H und M) bzw. Geschäftsführer der U (Dkfm. K ) dieses Betriebes gewesen seien, nicht betrieben worden, weil sie infolge Fehlens bzw. Zerstörung wesentlicher Anlagenteile nicht funktionsfähig gewesen sei. Bei der am 2. Februar 1973 durchgeführten Verhandlung hätten die Beschwerdeführer die im Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. Oktober 1972 festgestellten Tatsachen nicht wirksam widerlegen können.
Der Berufung der Verlassenschaft nach OW, vertreten durch HW und Mitbesitzer, gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. März 1973 gemäß § 66 AVG 1950 nicht Folge gegeben, hinsichtlich des Erlöschenszeitpunktes der Bescheidspruch aber dahin abgeändert, daß dieser Zeitpunkt „31. 12. 1953“ zu lauten hat. In der Begründung wurde von der belangten Behörde ausgeführt, Gegenstand des mit Bescheid vom 20. Oktober 1972 bewilligten Wiederaufnahmeantrages der Firma W sei gewesen, daß das Wasserbenutzungsrecht schon lange vor Einbringung der Anträge im Sinne des § 28 Abs. 1 WRG 1959 und vor der Feststellung des Gebietsbauamtes II Wiener Neustadt aus 1955 erloschen sei. Hiezu sei vorgebracht worden, daß nicht nur die Beregnungsrohre gefehlt hätten, sondern daß die gesamte Anlage schon seit dem Jahre 1950 zerstört, demontiert und jedenfalls unbrauchbar gewesen und seit diesem Zeitpunkt weit länger als drei Jahre nicht mehr benützt worden sei. Diese Behauptungen seien im Ermittlungsverfahren von den namhaft gemachten Zeugen H, M und K durchwegs bestätigt worden. Während des gesamten Verfahrens über den Wiederaufnahmeantrag habe die Antragsgegnerin wiederholt Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt und davon auch Gebrauch gemacht. In keiner Stellungnahme sei aber ein Hinweis darauf enthalten, daß sie den Wiederaufnahmeantrag als zu spät eingebracht angesehen hätte. Im nunmehrigen Verfahren leitete die Berufungswerberin aus dem Umstande, daß der seinerzeitige Vertreter der Firma W, Rechtsanwalt Dr. M, in früherer Tätigkeit bei der Finanzprokuratur mit der Rückstellungsangelegenheit des Gutes O befaßt gewesen sei und daraus, daß dieser den Rückstellungsakt als Beweismittel in einer Grundbesitzstreitigkeit angegeben habe, eine genaue Kenntnis des Rückstellungsaktes durch die genannte Firma ab. Rechtsanwalt Dr. M sei aber im Verfahren betreffend das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes nicht für die bezeichnete Firma tätig geworden. Es könne aus der Kenntnis eines Parteienvertreters nicht geschlossen werden, daß die Partei selbst diesen Gerichtsakt vollinhaltlich kenne und daß sie die für sie in einem anderen Verfahren maßgeblichen Zeugen, wenn sie von deren Existenz auf anderem Wege erfährt, nicht als neu hervorgekommene Beweismittel für einen Wiederaufnahmeantrag geltend machen könnte. In allen Stellungnahmen der Berufungswerberin sei kein Vorbringen enthalten, das eine verspätete Geltendmachung des Wiederaufnahmeantrages beinhaltet hätte. Diese Behauptung erscheine daher im nunmehrigen Verfahren verspätet und somit unzulässig. Ebenso sei auch das Vorbringen, daß dem Zeugen H die Namen der Vorpächter hätten erinnerlich sein müssen, zu werten. Im übrigen hätte die Wiederaufnahmewerberin keinen Zwang auf den Zeugen H ausüben können, ihr die Vorpächter, auch wenn sie ihm bekanntgewesen seien, anzugeben. Die Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Angaben der Wiederaufnahmewerberin, die im übrigen auch von allen Zeugen bestätigt worden seien, sei somit durch diese Berufungsausführungen nicht erschüttert. Soweit versucht werde, sämtliche nach den Zeugenaussagen fehlenden oder zerstörten Anlagenteile als „verschleißbare Bestandteile“ darzustellen, bei deren Fehlen oder Zerstörung wegen ihrer Wiederbeschaffbarkeit oder Reparaturmöglichkeit das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes gemäß § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 nicht eintreten könne, so sei auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auf das Erkenntnis vom 9. März 1961, Zl. 2543/59, zu verweisen. Da eine Beregnungsanlage ohne funktionierenden Motor und Pumpe bzw. ohne entsprechende Auslaß- und Verschlußvorrichtungen wie Hydranten und Schieber nicht betrieben werden könne, müßten diese von den Zeugen als fehlend oder zerstört angegebenen Anlagenteile als wesentlich angesehen werden.
Zu dem in diesem Zusammenhang vorgebrachten Begehren auf Durchführung eines Lokalaugenscheines und auf zeugenschaftliche Vernehmung des HW sei festzuhalten, daß die Situation bei der gegenständlichen Beregnungsanlage aus mehreren im Verfahren durchgeführten örtlichen Verhandlungen dem Landeshauptmann von Niederösterreich bekannt sei. Außerdem sei aus einem in der Gegenwart durchgeführten Lokalaugenschein für die Beurteilung von bereits 20 Jahre zurückliegenden Verhältnissen kaum etwas zu gewinnen, Der beantragten zeugenschaftlichen Vernehmung, die im vorliegenden Falle nur als Beteiligtenvernehmung nach § 51 AVG 1950 gewertet werden könnte, komme keine Bedeutung zu, da H als Vertreter der Verlassenschaft nach OW am gesamten Verfahren beteiligt gewesen sei und daher ohnedies Gelegenheit gehabt habe, die der Sachverhaltsermittlung dienenden Beobachtungen der Behörde zur Kenntnis zu bringen.
Die Berufungswerberin habe auch gerügt, daß der Landeshauptmann von Niederösterreich nach Verfügung der Wiederaufnahme kein Verfahren durchgeführt habe. Diese Behörde habe am 24. Jänner 1973 (sollte richtig wohl heißen: vom 2. Februar 1973) eine Büroverhandlung unter Beiziehung sämtlicher Verfahrensparteien durchgeführt. Mit Ausnahme des beantragten Lokalaugenscheines und der zeugenschaftlichen Vernehmung habe auch die Berufungswerberin keine Vorschläge gemacht, in welcher anderen Art die Angelegenheit hätte weiter behandelt werden sollen. Daß den angeführten Anträgen nicht Folge zu geben gewesen sei, sei schon ausgeführt worden. Zusammenfassend ergebe sich, daß die Berufungswerberin der durch übereinstimmende Zeugenaussagen erwiesenen Funktionsuntüchtigkeit der gegenständlichen Beregnungsanlage in den Jahren 1950 bis 1955 keine wirksamen Gegenargumente entgegensetzen hätte können. Daß diese Anlage nach der Ernte 1949 jedenfalls länger als drei Jahre außer Betrieb gewesen sei, sei nicht einmal von der Berufungswerberin selbst verneint worden. Da somit gemäß § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 dieses Wasserbenutzungsrecht spätestens mit 31. Dezember 1953 ex lege erloschen sei, habe der Landeshauptmann von Niederösterreich zu Recht das Erlöschen festgestellt. Beim gegebenen Sachverhalt sei dieser Bescheid jedoch spruchgemäß zu berichtigen gewesen.
Gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. März 1973 erhoben die Beschwerdeführer vorerst beim VfGH Beschwerde wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Der Verfassungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 29. September 1973 die Beschwerde ab, trat sie jedoch zur Entscheidung darüber, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurden, an den Verwaltungsgerichtshof ab. Zur Begründung führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus, daß die Bestimmungen über die Rückstellung entzogenen Vermögens keinesfalls bewirkten, daß nach § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 erloschene Wasserrechte wieder auflebten. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid weder das Gesetz denkunmöglich angewendet, wenn sie festgestellt habe, daß die Anlage im fraglichen Zeitraum betriebsunfähig gewesen sei, noch habe sie durch die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber den Beschwerdeführern Willkür geübt.
In der beim Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 27. März 1973 wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:
Gemäß § 27 Abs. 1 WRG 1959 erlöschen Wasserbenutzungsrechte durch den Wegfall oder die Zerstörung der zur Wasserbenutzung notwendigen Vorrichtungen, wenn die Unterbrechung der Wasserbenutzung über drei Jahre gedauert hat, wobei der Wegfall oder die Zerstörung wesentlicher Teile der Anlage dem gänzlichen Wegfall oder der gänzlichen Zerstörung gleichzuhalten ist. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Wasserrechtsbehörde die im Abs. 1 lit. g bestimmte Frist bei Vorliegen außerordentlicher oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten bis zu fünf Jahren verlängern.
Den Fall des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes hat die zur Bewilligung zuständige Wasserrechtsbehörde laut § 29 Abs. 1 WRG 1959 festzustellen und hiebei auszusprechen, ob und inwieweit der bisher Berechtigte aus öffentlichen Rücksichten, im Interesse anderer Wasserberechtigter oder in dem der Anrainer binnen einer von der Behörde festzusetzenden angemessenen Frist seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wiederherzustellen oder in welcher Art er die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen hat.
Der Antrag des Wasserberechtigten auf Verlängerung der vorgesehenen Frist kann nur dann einer aufrechten Erledigung zugänglich sein, wenn die im Gesetz bestimmte Fallfrist noch nicht abgelaufen war. War letzteres nämlich der Fall, dann war das Recht bereits erloschen. Es kann daher bei einem Verlängerungsansuchen nur darauf ankommen, ob in diesem Zeitpunkt das Wasserrecht noch aufrecht besteht.
Da die Bewilligung der Wiederaufnahme vor dem Verwaltungsgerichtshof nur mit Beschwerde gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren in der Sache selbst ergangenen Bescheid der letzten Rechtsstufe angefochten werden kann (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Mai 1973, Zl. 1895/72 u.a.), bringen die Beschwerdeführer in der gegenständlichen Beschwerde hiezu vor, die Wiederaufnahme des Verfahrens sei zu Unrecht verfügt worden, da die angeblich neu hervorgekommenen Beweismittel der Wiederaufnahmswerberin hinlänglich bekanntgewesen seien und im bisherigen Verfahren ohne weiteres hätten geltend gemacht werden können. Dazu hat die belangte Behörde bereits in ihrem Bescheid vom 20. Oktober 1972 unbedenklich festgestellt, daß die im Ermittlungsverfahren über den Wiederaufnahmeantrag vernommenen Zeugen das Vorbringen der Firma W das Wasserbenutzungsrecht sei schon längst vor der im Jahre 1955 vom Gebietsbauamt II Wiener Neustadt vorgenommenen Überprüfung der Anlage durch das Fehlen wesentlicher Anlagenteile und die dadurch bedingte mehr als dreijährige Unterbrechung der Nutzung erloschen, durchwegs bestätigt hätten. Die im Verfahren geführten Zeugen seien dem Mitinhaber der genannten Firma, Ing. HM, erst nach rechtskräftigem Abschluß des vorhergegangenen Verfahrens und frühestens am 3. Juni 1972 bekannt geworden. Wie die belangte Behörde in diesem Bescheid auch unbedenklich festgestellt hat, haben diese neu hervorgekommenen Zeugen übereinstimmend ausgeführt, daß die Beregnungsanlage des Gutes O während der Zeit, in der sie Pächter (H und M) bzw. Geschäftsführer der U (Dkfm. K) dieses Betriebes waren, nicht betrieben wurde, weil sie infolge Fehlens bzw. Zerstörung wesentlicher Anlagenteile nicht funktionsfähig war. Der Zeitraum dieser Tätigkeiten - so hat die belangte Behörde weiter ausgeführt - erstreckte sich vom Mai 1947 (Dkfm. K) bis Februar 1959 (H) was bedeutet, daß jedenfalls der Zeitraum vor der Überprüfung durch das Gebietsbauamt II Wiener Neustadt im Dezember 1955 zurückreichend bis 1. Juli 1947 von den Zeugenaussagen erfaßt ist.
Nach Aussage des Dkfm. K ist die Beregnung spätestens nach der Ernte 1949 eingestellt und die Anlage noch vor der Verpachtung des Gutes im Jahre 1950 zerstört und, soweit transportabel, demontiert worden.
Die Anschauung der belangten Behörde im Bescheid vom 20. Oktober 1972, wonach für den Zeitraum vom 1. Jänner 1950 bis Ende 1955 neue Beweismittel hervorgekommen waren, welche allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, erweist sich daher als richtig.
Aus dem von den Beschwerdeführern angeführten Umstand, daß der seinerzeitige Vertreter der mehrfach genannten Firma, Rechtsanwalt Dr. M, in früherer Tätigkeit bei der Finanzprokuratur mit der Rückstellungsangelegenheit des Gutes O befaßt war, kann weiter eine genaue Kenntnis des gesamten Rückstellungsaktes durch diese Firma, wie die belangte Behörde in der Begründung ihres nunmehr angefochtenen Bescheides vom 27. März 1973 richtig ausführt, und damit ein Verschulden an der verspäteten Geltendmachung dieser Beweise im gegenständlichen Verfahren nicht abgeleitet werden. Die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 an sich konnten deshalb von der belangten Behörde angenommen werden.
Im Bescheid vom 22. Februar 1972 ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft davon ausgegangen, daß die behördlichen Ermittlungen, insbesondere der am 16. Dezember 1955 vom Amtssachverständigen vorgenommene Lokalaugenschein, ergeben habe, daß die Ausleitungsvorrichtungen aus dem Werkskanal, der Schachtbrunnen sowie die Pumpanlage vorhanden seien und daß lediglich die Rohre für die Anlage fehlten, nach deren Wiederbeschaffung die Anlage voll verwendungsfähig sei. Das ergänzende Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß diese Feststellungen nur so verstanden werden könnten, daß mit den Rohren für die Anlage lediglich die fliegenden Anschlußleitungen gemeint gewesen seien, nicht aber die im Boden Vergrabene und noch funktionsfähige Stammleitung. Gestützt auf diese durch den Amtssachverständigen festgestellte technische Gegebenheit ist nun der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in dem vorgenannten Bescheid zu dem rechtlichen Schluß gekommen, daß das Fehlen von an die Stammleitung jederzeit leicht an- oder abzuschließenden und für die rasche Verlegung eigens konstruierten Beregnungsrohre nicht als Wegfall eines wesentlichen Anlagenteiles im Sinne der angeführten Gesetzesstelle (§ 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959) angesehen werden könne, das Wasserbenutzungsrecht daher aus den im Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Oktober 1971 angeführten Gründen nicht erloschen sei. Diesen Bescheid vom 22. Februar 1972 hat die mitbeteiligte Partei nicht mit einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft. Sie hat vielmehr den Weg der Wiederaufnahme des mit diesem Bescheid abgeschlossenen Verfahrens nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 beschritten und dabei behauptet, daß ihr neue Tatsachen bekannt geworden seien, die die Unrichtigkeit der vom Amtssachverständigen am 16. Dezember 1955 getroffenen Feststellungen über den technischen Zustand und die Gebrauchsfähigkeit der Beregnungsanlage darzulegen vermögen. Damit ist aber für die Behörde, nachdem sie diesem Wiederaufnahmsantrag stattgegeben hatte, vorgegeben gewesen, in welcher Richtung sie das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren durchzuführen hatte. Sie hätte nur dann zu einem anderen Ergebnis als im Bescheid vom 22. Februar 1972 kommen können, wenn dieses Ermittlungsverfahren den Beweis dafür erbracht hätte, daß der technische Befund des Amtssachverständigen vom 16. Dezember 1955 nicht den Tatsachen entsprach oder zumindest nicht in dem Maße entsprach, daß Voraussetzung für den dann von der Behörde daraus gezogenen rechtlichen Schluß über die noch weiterbestehende Verwendungsmöglichkeit der Beregnungsanlage und damit über das Weiterbestehen der Wasserberechtigung der Beschwerdeführer war. Demgegenüber hat sich die belangte Behörde im wiederaufgenommenen Verfahren im Grunde genommen damit begnügt, daß sie nunmehr von den Aussagen der von ihr vernommenen Zeugen HM und K die dahin gingen, daß die gesamte Anlage bereits seit dem Jahre 1950 zerstört, demontiert bzw. unbrauchbar gewesen sei, ausging, dies allein ihrer rechtlichen Beurteilung zugrundelegte und darauf gestützt zu dem Schluß kam, daß das Wasserbenutzungsrecht der Beschwerdeführer bereits am 31. Dezember 1953 erloschen sei. Die belangte Behörde hat damit, ohne nähere Begründung, insbesondere ohne Auseinandersetzung mit dem Ergebnis des Gutachtens des Amtssachverständigen vom 16. Dezember 1955 - worin bereits ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt -, die Sachverhaltsgrundlage ihrer rechtlichen Beurteilung ausgewechselt und sich damit rechtswidrig darüber hinweggesetzt, daß sie bereits einmal, nämlich im Bescheid vom 22. Februar 1972, entschieden hatte, daß die fragliche Beregnungsanlage im Jahre 1955 noch in einem solchen Umfang intakt gewesen sei, daß kein Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes im Sinne des § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 angenommen werden könne. Tatsächlich hat sie damit, ihre rechtliche Beurteilung des in Wahrheit unveränderten Sachverhaltes geändert. Dafür bietet jedoch § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 keine rechtliche Grundlage (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Mai 1949, Slg. N..F. Nr. 814/A). Aus diesem Grund erweist sich aber der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und er war deshalb in Stattgebung der Beschwerde gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Der Zuspruch der Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. b und d, 53, Abs. 1 VwGG 1965 sowie auf Art. I Z. 1 und 2 der Verordnung BGBl. Nr. 427/1972, die Abweisung des Kostenmehrbegehrens auf § 53 Abs. 1 in Verbindung mit § 58 VwGG 1965, die Zurückweisung hinsichtlich des Ersatzes der erst in der Verhandlung geltend gemachten Stempelgebühren auf § 59 Abs. 2 lit. d VwGG 1965.
Wien, am 13. September 1974
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Tod des BeschwerdeführersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1974:1973001735.X00Im RIS seit
02.06.2021Zuletzt aktualisiert am
02.06.2021