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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §39a Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des N D in W, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 4. Dezember 2017, VGW-151/023/10642/2017-14, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers, eines serbischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 14. Juni 2017, mit dem - unter amtswegiger Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über den Erstantrag des Revisionswerbers vom 1. Juni 2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ (Familienangehöriger) gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nach § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG - der Erstantrag gemäß den §§ 11 Abs. 1 Z 4, 30 Abs. 1 NAG sowie der Verlängerungsantrag vom 27. Juni 2016 gemäß den §§ 24, 25 Abs. 3 NAG abgewiesen worden waren, keine Folge.
Das Verwaltungsgericht begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es sich bei der zwischen dem Revisionswerber und der über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ verfügenden serbischen Staatsangehörigen M R am 30. Mai 2015 geschlossenen Ehe um eine sogenannte „Aufenthaltsehe“ handle. Die Ehe sei nämlich nur deshalb geschlossen worden, um dem Revisionswerber einen unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet und den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, ein gemeinsames Familienleben sei zwischen den Ehepartnern nie geführt worden. Der Revisionswerber habe den erstmals bis zum 18. August 2016 erteilten Aufenthaltstitel unter Berufung auf seine mit M R geschlossene Ehe erschlichen, sodass die Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme erfüllt seien. Im wiederaufgenommenen Verfahren sei der Erstantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels sowie auch der Verlängerungsantrag vom 27. Juni 2016 im Hinblick auf die Aufenthaltsehe als unbegründet abzuweisen (gewesen).
2.2. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der - unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - (ausschließlich) Verfahrensmängel behauptet werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.
4.1. Der Revisionswerber macht geltend, Beamte der Landespolizeidirektion Wien hätten bei ihrer Intervention in der (behaupteten) Ehewohnung im November 2016 die der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtige M R befragt. Die Beamten hätten dabei verabsäumt, einen beeideten Dolmetscher beizuziehen. Sie hätten unzulässig den Sohn der M R als Übersetzer herangezogen und M R auch nicht um deren Einverständnis zu dem Vorgehen gefragt. Im Hinblick darauf hätten die Ergebnisse der polizeilichen Intervention nicht verwertet werden dürfen.
4.2. Soweit der Revisionswerber die Befragung der M R ohne Beiziehung eines beeideten Dolmetschers rügt, übersieht er, dass nach § 39a Abs. 1 AVG ein Dolmetscher nur „erforderlichenfalls“ - wenn also eine ausreichende Verständigung mit einer zu befragenden Person nicht gewährleistet ist - beizuziehen ist (vgl. VwGH 23.11.2017, Ra 2016/11/0160). Eine solche Erforderlichkeit ist (unter anderem) dann nicht gegeben, wenn die Amtshandlung mit Hilfe eines von der betreffenden Person von sich aus mitgebrachten geeigneten Dolmetschers durchgeführt werden kann (vgl. etwa VwGH 19.2.2003, 99/08/0146; siehe ferner die ErläutRV 160 BlgNR 15. GP 10, zu BGBl. Nr. 199/1982).
Vorliegend ist unstrittig, dass bei der polizeilichen Intervention im November 2016 eine Verständigung zwischen den Beamten und M R zunächst nicht möglich war und vorerst auch kein Dolmetscher zur Verfügung stand. Wie aus dem polizeilichen Bericht hervorgeht, ergriff jedoch in der Folge M R die Initiative, indem sie in das Kinderzimmer ging, ihren dort offenbar schlafenden sprachkundigen Sohn aufweckte und mit diesem in das Wohnzimmer zurückkehrte, um sich mit dessen Hilfe als Dolmetscher gegenüber den Polizeibeamten verständlich machen zu können. Demnach holte M R von sich aus den Sohn als (Privat)Dolmetscher hinzu und wurde dieser nicht von den Polizeibeamten als (nichtamtlicher) Dolmetscher bestellt. In der Befragung der M R ohne Beiziehung eines beeideten Dolmetschers kann schon deshalb kein Verfahrensmangel erblickt werden.
5.1. Der Revisionswerber moniert, M R wäre im Zuge der polizeilichen Intervention auch darauf hinzuweisen gewesen, dass sie gegebenenfalls als Beschuldigte befragt werde und nicht verpflichtet sei, die Fragen zu beantworten, bzw. dass ihre Angaben strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten.
5.2. Dem ist zu entgegnen, dass das im § 49 AVG geregelte Recht, die (förmliche) Zeugenaussage zu verweigern, ausschließlich ein Recht des Zeugen und kein Recht ist, das zu Gunsten eines anderen besteht (vgl. VwGH 6.9.2012, 2012/09/0042). Das Recht dient ausschließlich dem Schutz des Zeugen selbst; die Verwertung einer ohne Belehrung über ein Entschlagungsrecht getätigten Zeugenaussage begegnet keinen Bedenken (vgl. VwGH 29.3.2012, 2012/23/0023; 15.5.2008, 2007/09/0306).
Vorliegend könnte sich daher - abgesehen davon, dass eine förmliche Zeugenvernehmung im Zuge der polizeilichen Intervention im November 2016 gar nicht stattgefunden hat (vgl. etwa VwGH 1.3.2012, 2011/12/0107) - nur M R selbst, nicht jedoch der Revisionswerber auf eine (allfällige) unterlassene Belehrung über ein Entschlagungsrecht berufen.
5.3. Im Übrigen legt der Revisionswerber die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht dar, zeigt er doch in keiner Weise auf, inwiefern das Unterbleiben des Mangels zu einer für ihn günstigeren Sachverhaltsgrundlage bzw. Entscheidung hätte führen können.
6.1. Der Revisionswerber rügt ferner, das Verwaltungsgericht hätte die an der Intervention am 14. November 2016 mitwirkenden Polizeibeamten zeugenschaftlich vernehmen müssen, zumal M R in der mündlichen Verhandlung bestritten habe, die im Verfahren zugrunde gelegten, den Revisionswerber belastenden Aussagen getätigt zu haben.
6.2. Was den Vorwurf der unterbliebenen zeugenschaftlichen Vernehmung der Polizeibeamten anbelangt, so hat der Revisionswerber im Verfahren einen derartigen Beweisantrag nicht gestellt. Eine Pflicht des Verwaltungsgerichts, die Beamten von Amts wegen zu vernehmen, ist fallbezogen nicht zu sehen, hat doch auch der Sohn der M R in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass die Feststellungen betreffend den polizeilichen Bericht über die Aussagen seiner Mutter „richtig“ seien und er „sie so übersetzt“ habe.
6.3. Davon abgesehen zeigt der Revisionswerber auch insoweit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf, wird doch nicht näher dargelegt, zu welchen weiteren bzw. anderen - zu einem für ihn günstigeren Ergebnis führenden - Feststellungen das Verwaltungsgericht infolge der weiteren Beweisaufnahmen hätte gelangen können.
7. Insgesamt wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am 8. November 2018
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220048.L00Im RIS seit
31.05.2021Zuletzt aktualisiert am
01.06.2021