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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision der H L in S, vertreten durch die Eisenberger Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Schloßstraße 25, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 31. Juli 2018, Zl. LVwG 43.19-2741/2017-3, betreffend Änderung einer Bergbauanlage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark; mitbeteiligte Parteien: 1. H C und 2. R C, beide in S, 3. G F und 4. T F, beide in G, sowie 5. F P und 6. M P beide in S, alle vertreten durch Mag. Helmut Kröpfl, Rechtsanwalt in 8380 Jennersdorf, Eisenstädter Straße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Zur näheren Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 2017, Ra 2015/04/0023, verwiesen.
2 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark vom 31. Juli 2013 wurde der Revisionswerberin die mineralrohstoffrechtliche Genehmigung für Änderungen ihrer Bergbauanlage in der Gemeinde Weinburg am Saßbach unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
3 Die dagegen erhobene - seit 1. Jänner 2014 als Beschwerde zu behandelnde - Berufung der mitbeteiligten Parteien wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2014 ab.
4 Dieses wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem (bereits erwähnten) Erkenntnis vom 26.9.2017, Ra 2015/04/0023, wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
5 2.1. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis vom 31. Juli 2018 gab das Verwaltungsgericht den Beschwerden der mitbeteiligten Parteien Folge und hob den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf.
6 2.2. Das Verwaltungsgericht führte dazu begründend aus, dass die Steiermärkische Landesregierung die beantragte Vereinigung der Gemeinden St. Veit am Vogau, St. Nikolai ob Draßling und Weinburg am Saßbach zu einer Gemeinde mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2015 genehmigt habe. Die (neue) Gemeinde trage den Namen „St. Veit in der Südsteiermark“. Gemäß der Steiermärkischen Bezirkshauptmannschaftenverordnung, LGBl. Nr. 99/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 99/2014, umfasse der politische Bezirk Leibnitz mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2015 unter anderem auch die Gemeinde St. Veit in der Südsteiermark.
7 Die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage liege nunmehr in der Gemeinde St. Veit in der Südsteiermark im politischen Bezirk Leibnitz und sei für die Erteilung der beantragten Bewilligung nach dem MinroG in erster Instanz die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz zuständig. Das Verwaltungsgericht habe die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage zu beachten und daher die Änderung der örtlichen Zuständigkeit zu berücksichtigen. Die Unzuständigkeit einer Behörde sei in jeder Lage des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von Amts wegen aufzugreifen, nämlich auch dann, wenn diese in der Beschwerde nicht geltend gemacht werde. Habe eine unzuständige Behörde entschieden, müsse das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrnehmen und die Entscheidung beheben. Eine anstelle dessen erfolgte Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache würde diese mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belasten. Der bekämpfte Bescheid sei daher zu beheben gewesen. Der nach wie vor offene Genehmigungsantrag der Revisionswerberin werde von der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark unter Anschluss des Aktes gemäß § 6 AVG an die tatsächlich zur Entscheidung zuständige Behörde, die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz, weiterzuleiten sein.
8 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
9 Die Mitbeteiligten und die belangte Behörde erstatteten keine Revisionsbeantwortung.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 1. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von (näher bezeichneter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach die Frage, ob eine (erstinstanzliche) Behörde zur Erlassung ihres Bescheides zuständig gewesen sei, nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der (erstinstanzlichen) behördlichen Entscheidung beurteilt werden müsse.
11 2. Die Revision ist zulässig und aus folgenden Gründen auch berechtigt.
12 2.1. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark vom 31. Juli 2013 wurde der Revisionswerberin nach Ausweis der Verwaltungsakten am 5. August 2013 zugestellt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein (schriftlicher) Bescheid mit der Zustellung bzw. Ausfolgung seiner schriftlichen Ausfertigung an eine Partei als erlassen anzusehen (vgl. etwa VwGH 26.6.2013, 2011/05/0121).
Im vorliegenden Fall ist der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark daher als mit 5. August 2013 erlassen (und rechtlich existent) anzusehen.
13 Gemäß § 171 Abs. 1 MinroG ist jene Bezirksverwaltungsbehörde örtlich zuständig, auf deren Verwaltungsbezirk sich die betreffenden Grundstücke (Grundstücksteile) flächenmäßig zum überwiegenden Teil erstrecken.
14 Die von der gegenständlichen Bergbauanlage betroffenen Grundstücke lagen bei Erlassung des gegenständlichen Bescheides (am 5. August 2013) in der Gemeinde Weinburg am Saßbach, die zu diesem Zeitpunkt wiederum dem politischen Bezirk Südoststeiermark angehörte (vgl. § 2 der Steiermärkischen Bezirkshauptmannschaftenverordnung, LGBl. Nr. 99/2012 in Verbindung mit § 2 der Bezirksgerichte-Verordnung Steiermark 2012, BGBl. II Nr. 243/2012).
15 Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2015 genehmigte die Steiermärkische Landesregierung - wie vom Verwaltungsgericht auch ausgeführt - die beantragte Vereinigung der Marktgemeinde St. Veit am Vogau und der Gemeinde St. Nikolai ob Draßling, beide politischer Bezirk Leibnitz, und der Gemeinde Weinburg am Saßbach, politischer Bezirk Südoststeiermark, zur Gemeinde „Sankt Veit in der Südsteiermark“ (vgl. die Kundmachung der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. November 2013, LGBl. Nr. 72/2014).
16 Gemäß der - ebenfalls am 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen - Änderung der Steiermärkischen Bezirkshauptmannschaftenverordnung durch die Novelle LGBl. Nr. 99/2014 gehört die Gemeinde St. Veit in der Südsteiermark dem politischen Bezirk Leibnitz an.
17 Die mit 1. Jänner 2015 damit eingetretene Änderung der örtlichen Zuständigkeit vermag nichts daran zu ändern, dass die Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark zur Erlassung des Bescheides vom 31. Juli 2013 zuständig war:
18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Behörden ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 1 AVG von Amts wegen wahrzunehmen. Dies bedeutet grundsätzlich, dass Änderungen der Zuständigkeitsvorschriften während des Verwaltungsverfahrens bis zur Erlassung des Bescheides, also bis zur Beendigung des jeweiligen behördlichen Handelns, stets zu beachten sind. Sowohl für die Behörden erster Instanz als auch für die Berufungsbehörden gilt, dass maßgebend für die Zuständigkeit zur Erlassung des jeweiligen Bescheides die im Zeitpunkt der Erlassung geltende Rechtslage ist. Im Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Laufe des Verfahrens, das heißt vor Erlassung des Bescheides, welche eine Änderung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde bewirkt, ist das Verfahren von der nach der neuen Situation zuständigen Behörde weiter zu führen, weil dem Verwaltungsverfahren eine „perpetuatio fori“ fremd ist (VwGH 28.8.2012, 2012/21/0092, und VwGH 26.6.2001, 2000/04/0202, beide mwN, sowie aus jüngerer Zeit und zur Rechtslage ab Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit VwGH 26.6.2014, Ra 2014/03/0004).
Ausgehend davon hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur aber auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass - ungeachtet einer im Rechtsmittelverfahren erfolgten Änderung der (erstinstanzlichen) behördlichen Zuständigkeit - die Frage, ob eine (erstinstanzliche) Behörde zur Erlassung ihres Bescheides zuständig war, nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der (erstinstanzlichen) behördlichen Entscheidung zu beurteilen ist, sofern der Gesetzgeber kein „rückwirkendes Inkrafttreten“ der geänderten Zuständigkeitsbestimmung normiert hat (vgl. nochmals VwGH Ra 2014/03/0004).
19 Das Verwaltungsgericht hätte daher die Zuständigkeit der belangten Behörde nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 31. Juli 2013 - somit vor Inkrafttreten der mit der Novelle LGBl. Nr. 99/2014 zur Steiermärkischen Bezirkshauptmannschaftenverordnung erfolgten Änderung der örtlichen Zuständigkeit - beurteilen müssen und folglich diesen Bescheid nicht wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufheben dürfen.
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 5. März 2021
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebender Zeitpunkt Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018040173.L00Im RIS seit
01.06.2021Zuletzt aktualisiert am
01.06.2021