Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der B in G, vertreten durch die Rechtsanwälte H & I in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Mai 1996, Zl. 13-368/III Se 57/31-1996, betreffend amtswegige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 12 LDG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die 1956 geborene Beschwerdeführerin steht als Volksschullehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Steiermark.
Mit Schreiben des Landesschulrates für Steiermark vom 24. November 1995 wurde die Beschwerdeführerin in Kenntnis gesetzt, daß beabsichtigt sei, sie auf Grund ihrer insgesamt schon über ein Jahr dauernden Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18. Dezember 1995 "Einwendungen", nach denen die Dauer ihrer Dienstunfähigkeit offensichtlich falsch berechnet worden sei. Sie habe sich vom 12. September 1994 bis 7. Juli 1995 im "Krankenstand" befunden, wobei sie aber eigentlich nur bis 31. Mai 1995 "krankgeschrieben" gewesen sei. Ein Verkehrsunfall Mitte Mai, wegen dem sie eine "Schanzkrawatte" habe tragen müssen, habe ihre Rückkehr in den Schuldienst verhindert. Als sie zwei Wochen vor Schlußschluß "gesundgeschrieben" worden sei, habe es für sie keine Verwendung mehr gegeben, sodaß sie sich bis 7. Juli 1995 neuerlich "krankschreiben" habe lassen. Für das Schuljahr 1995/96 habe sie um eine Ermäßigung ihrer Lehrverpflichtung angesucht, die ihr aber nicht bewilligt worden sei. Vom 11. September bis 10. November 1995 habe sie aber ihre volle Lehrverpflichtung erfüllt.
Ungeachtet dieser Einwendungen wurde die Beschwerdeführerin mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 1. Februar 1996 gemäß § 12 Abs. 1 LDG mit Ablauf des 29. Februar 1996 in den Ruhestand versetzt. Zur Begründung wurde lediglich auf § 12 LDG in Verbindung mit § 115 b Abs. 1 LDG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 820/1995 hingewiesen, nach dem ein dienstunfähiger Lehrer, der infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens ein Jahr vom Dienst abwesend gewesen sei, in den Ruhestand zu versetzen sei. Eine "dazwischen liegende Dienstleistung" (gemeint wohl eine zwischen den verschiedenen Dienstabwesenheiten gelegene Dienstleistung) sei nur dann als Unterbrechung anzusehen, wenn sie mindestens die halbe Dauer der unmittelbar vorangegangenen Zeit der Abwesenheit vom Dienst erreiche. Konkrete Feststellungen über die Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin und über die Dauer ihrer dadurch bedingten Abwesenheit(en) vom Dienst wurden - trotz der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen im Vorverfahren - nicht getroffen.
In ihrer umfangreichen Berufung gegen diesen Bescheid, die sich auch auf verschiedene angebliche Benachteiligungen der Beschwerdeführerin durch Vorgesetzte und die nicht gewährte Lehrpflichtermäßigung bezieht, führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen neuerlich aus, sie habe schon in ihren Einwendungen gegen die Mitteilung der Absicht, sie in den Ruhestand zu versetzen, dargelegt, daß bei ihr keine über ein Jahr dauernde Dienstunfähigkeit vorgelegen sei. Insbesondere hätte berücksichtigt werden müssen, daß ihr "Krankenstand" auf Grund eines durch Fremdverschulden verursachten Verkehrsunfalles bedingt gewesen sei. Weiters habe sie ohnehin zwei Wochen vor Schulschluß ihren Dienst antreten wollen, aber mangels einer Verwendungsmöglichkeit sich dann neuerlich "krankschreiben" lassen müssen. Ihr Ansuchen um Lehrpflichtermäßigung aus gesundheitlichen Gründen für das Schuljahr 1995/96 sei abgewiesen worden. Ein Entgegenkommen ihres Schuldirektors hätte eine weitere Erkrankung ab 13. November 1995 vermeiden können. Das mangelnde Entgegenkommen des Schuldirektors ihr gegenüber beruhe auf einer persönlichen Abneigung. Für das Schuljahr 1995/96 habe sie um Zuweisung an eine Schule mit einer pädagogisch guten Führung ersucht, weil sie von einer namentlich genannten Direktorin nach ihrer Rückkehr aus dem "Krankenstand", der durch einen ärztlichen Kunstfehler verursacht worden sei, schikaniert und gedemütigt worden sei. Davon habe sie auch die Bezirksschulinspektoren in Kenntnis gesetzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde wie folgt entschieden:
"Ihrer Berufung vom 8. März 1996 gegen den Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 1. Februar 1996, GZ.: VII Se 301/69 - 1996, wird keine Folge gegeben und Ihre Versetzung in den Ruhestand mit 1. Juni 1996 verfügt.
Die gesetzliche Grundlage für diese Entscheidung ist § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Z. 2 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 302, in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995 und § 115 b Abs. 1 LDG, in der Fassung BGBl. Nr. 820/1995."
Zur Begründung wird nach Darstellung des Verfahrensablaufes und der Rechtslage im wesentlichen weiter ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei nach Mitteilung der Behörde erster Instanz vom 28. April 1995 seit 12. September 1994 dauernd dienstunfähig gewesen. Auf Grund ihrer Angaben in der Berufung sei ihr "Krankenstand" auf ein Fremdverschulden zufolge eines Verkehrsunfalles zurückzuführen gewesen. Dazu sei festzustellen, daß § 12 Abs. 1 LDG keinerlei Unterscheidung über die Verursachung der Dienstunfähigkeit vorsehe, sondern ausschließlich an die Dienstunfähigkeit anknüpfe, sodaß lediglich über diese zu befinden sei. Daß die Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin länger als ein Jahr angedauert habe, sei auch von ihr nicht bestritten worden. Sie sei in den letzten zwei Wochen des Schuljahres 1994/95 zwar grundsätzlich gesund gewesen, hätte aber mangels einer Dienstverwendung für sie - was aus schulorganisatorischer Sicht verständlich sei - dann doch "Krankenstand" in Anspruch genommen. Darüber hinaus hätten sich auf Grund der vorliegenden Krankmeldungen nachfolgende Krankenstände in den letzten fünf Jahren feststellen lassen:
"4. April - 17. Juni 1991, 9. September 1991 - 10. Juli (bzw. 14. September) 1992 (gesamtes Schuljahr),
1. - 9. Februar 1993, 12. - 18. November 1993, 11. März - 25. Mai 1994 und schließlich vom 13. November 1995 - 13. Februar 1996."
Unter Berücksichtigung der erwähnten Sach- und Rechtslage - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - sei der Bescheid der Behörde erster Instanz zu bestätigen gewesen und die Beschwerdeführerin ab Beginn des nächsten Monates in den dauernden Ruhestand zu versetzen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 115 b Abs. 1 LDG 1984 in der Fassung des Art. VII Z. 5 der Novelle BGBl. Nr. 820/1995 sind vor Ablauf des 31. Dezember 1995 eingeleitete Ruhestandsversetzungsverfahren nach § 12 Abs. 1 Z. 2 LDG nach den bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen.
Wie der Sachverhaltsdarstellung zu entnehmen ist, wurde die Beschwerdeführerin von der Absicht ihrer Dienstbehörde, sie in den Ruhestand zu versetzen, bereits vor Ablauf des 31. Dezember 1995 in Kenntnis gesetzt; die Beschwerdeführerin hat auch noch vor Ablauf des 31. Dezember 1995 dagegen Einwendungen vorgebracht. Der Verwaltungsgerichtshof teilt davon ausgehend nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, es habe sich bei der Mitteilung der "Dienstbehörde" lediglich um eine "nebulose, unverbindliche Apostrophierung einer bloßen Absicht" gehandelt. Da keine bestimmte Form für die amtswegige Einleitung eines Ruhestandsversetzungsverfahrens vorgesehen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken dagegen, die Bekanntgabe der beabsichtigten Ruhestandsversetzung und die damit verbundene Aufforderung zur Stellungnahme als Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens zu werten. Demnach ist das Ruhestandsversetzungsverfahren im Beschwerdefall - wie die Behörde zutreffend erkannt hat - gemäß § 115 b LDG nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. Nr. 820/1995 zu Ende zu führen.
Nach § 12 Abs. 1 LDG 1984, BGBl. Nr. 302, ist der Landeslehrer von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er
1.
dauernd dienstunfähig oder
2.
infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens ein Jahr vom Dienst abwesend gewesen und dienstunfähig ist oder
3.
aus gesundheitlichen Gründen eine Ermäßigung der Lehrverpflichtung auf die Hälfte ihres Ausmaßes durch mindestens zwei Jahre erhalten hat.
Der Landeslehrer ist nach Abs. 3 der genannten Bestimmung dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.
Die einjährige Dauer der Abwesenheit vom Dienst im Sinne des Abs. 1 Z. 2 wird nach Abs. 4 der genannten Bestimmung durch Ferien, Urlaub sowie ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst nicht unterbrochen. Eine dazwischen liegende Dienstleistung ist nur dann als Unterbrechung anzusehen, wenn sie mindestens die halbe Dauer der unmittelbar vorhergegangenen Zeit der Abwesenheit vom Dienst erreicht. In diesem Fall ist das Jahr erst vom Ende dieser Dienstleistung an zu rechnen. Bei einer dazwischen liegenden Dienstleistung von kürzerer Dauer sind bei Berechnung der einjährigen Dauer der Abwesenheit vom Dienst die einzelnen Zeiten der Abwesenheit zusammenzurechnen.
Voraussetzung für die Ruhestandsversetzung nach § 12 Abs. 1 Z. 2 LDG ist demnach neben der einjährigen Abwesenheit vom Dienst die Dienstunfähigkeit. Für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit reicht eine ärztliche Bestätigung des Inhaltes, der Landeslehrer sei ein Jahr wegen Krankheit oder Unfalls zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben nicht in der Lage gewesen, nicht aus. Der ärztliche Sachverständige muß vielmehr feststellen, zu welchen dienstlichen Verrichtungen der Landeslehrer noch in der Lage ist. Die Behörde müßte in der Folge prüfen, ob sie dem Landeslehrer keinen anderen, mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz zuweisen kann, und untersuchen, ob der Landeslehrer nicht an anderer Stelle einsatzfähig ist. Erst nach Verneinung dieser Frage wäre die Versetzung in den Ruhestand zu verfügen (vgl. in diesem Sinne die EB zur RV, 274 der BlgNR, XVI. GP, S. 36).
Diesen Anforderungen wird das durchgeführte Verwaltungsverfahren und der angefochtene Bescheid in keiner Weise gerecht. Weder dem angefochtenen noch dem erstinstanzlichen Bescheid ist zu entnehmen, welche Dienstabwesenheit(en) der Beschwerdeführerin von welcher Dauer für ihre Ruhestandsversetzung tatsächlich maßgebend war(en). Im Hinblick auf die nachstehenden Ausführungen zur Überprüfung der Dienstunfähigkeit kann die Frage, ob der hinsichtlich der Feststellung der Dauer der Dienstabwesenheit aufgezeigte Verfahrensmangel entscheidungsrelevant ist oder nicht, dahingestellt bleiben.
Hinsichtlich der Frage der Dienstunfähigkeit bzw. einer allfälligen sonstigen Einsatzfähigkeit der Beschwerdeführerin ist weder der Begründung des angefochtenen noch der des erstinstanzlichen Bescheides eine entsprechende Aussage zu entnehmen. Auch in den vorgelegten Akten befinden sich keine im Zusammenhang mit der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin diesbezüglich eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten. Die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift dazu vertretene Auffassung, es genüge der Hinweis auf die in der Bescheidbegründung genannten "Krankenstände" und die "amtsbekannten ärztlichen Gutachten" sowie der persönliche Eindruck der Beschwerdeführerin, ist unzutreffend. Dies zeigt vielmehr, daß die belangte Behörde neben den aufgezeigten schwerwiegenden Verfahrensmängeln hinsichtlich der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, die eine nachprüfende Kontrolle nicht ermöglichen, auch von einer unrichtigen Rechtsauffassung, nämlich, daß der Frage der Überprüfung der Dienstunfähigkeit bei einer Ruhestandsversetzung nach § 12 Abs. 1 Z. 2 LDG gar keine Bedeutung zukommt, ausgegangen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, die neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht zuerkannt werden kann
(vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1985, Zl. 83/01/0314), und Stempelgebühren für nicht erforderliche Schriftsätze, insbesondere für die dritte Beschwerdeausfertigung.
Schlagworte
Anforderung an ein GutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996120213.X00Im RIS seit
20.11.2000