TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/16 95/03/0011

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Veröffentlicht am 16.04.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. August 1994, Zl. 11-10 M 7-94/5, betreffend Genehmigung eines Fahrradanhängers und Ausnahmebewilligung nach der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 2. Februar 1994 an die belangte Behörde die Anträge 1. auf Bewilligung der Beförderung von Personen mit Fahrradanhängern nach § 67 Abs. 3 StVO 1960 sowie

2. auf Ausnahmebewilligung zur Benützung von Radwegen durch Fahrräder mit einem mehrspurigen Anhänger nach § 45 Abs. 2 in Verbindung mit § 68 Abs. 1 StVO 1960 für einen näher beschriebenen Fahrradanhänger der Marke Burley d"Lite (Luxus). Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. August 1994 wies die Steiermärkische Landesregierung beide Anträge des Beschwerdeführers ab. In der Begründung führt die belangte Behörde aus, daß aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers ein Gutachten eines technischen Amtssachverständigen eingeholt worden sei, von dessen Inhalt der Beschwerdeführer nachweislich Kenntnis erlangt habe. Auch wenn der Beschwerdeführer das Gutachten nicht akzeptiere, sehe sich die belangte Behörde nicht veranlaßt, vom Gutachten abzugehen. Aus diesem ergebe sich, daß die zu befördernden Kinder sich bei normaler Sitzposition etwa in der Höhe der Stoßstangen von Kraftwagen befänden. Dies werde unter Berücksichtigung der heute gegebenen Verkehrsdichte als technisch äußerst bedenklich angesehen. Nach Ansicht des Sachverständigen seien Kinder in diesem Fahrradanhänger einer äußerst hohen Verletzungsgefahr im Falle eines Verkehrsunfalles (insbesondere eines Auffahrunfalles) ausgesetzt. Die Kinder befänden sich außerdem auf der Höhe der Auspuffmündungen von Personenkraftwagen und seien deren konzentrierten Abgasen direkt ausgesetzt. Weiters sei auch die Benutzung von Radwegen von Fahrrädern mit Anhängern technisch äußerst bedenklich, da sich aufgrund der Breite des Anhängers von 813 mm eine wesentliche Verringerung der Restbreite des Radweges ergäbe. Es könne seitens des technischen Sachverständigen nicht ausgeschlossen werden, daß hiedurch andere Benützer von Radwegen in ihrer Fahrsicherheit beeinträchtigt würden. Da die erkennende Behörde - wie sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides abschließend ausführt - an dieses Gutachten gebunden sei und nicht dagegen entscheiden könne, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Mit Beschluß vom 28. November 1994, B 2069/94-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht auf Erteilung von Bewilligungen gemäß § 67 Abs. 3 StVO 1960 sowie gemäß § 45 Abs. 2 in Verbindung mit § 68 Abs. 1 StVO 1960 verletzt und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 3 StVO 1960 ist u.a. zur Beförderung von Personen mit Fahrradanhängern eine Bewilligung der Behörde erforderlich, die dann zu erteilen ist, wenn unter Bedachtnahme auf die Beschaffenheit des Fahrrades und des Fahrradanhängers die Verkehrssicherheit nicht gefährdet ist. Die Bewilligung kann unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit Bedingungen enthalten.

§ 68 Abs. 1 StVO 1960 in der anzuwendenden Fassung vor der 19. StVO-Novelle sieht vor, daß auf Straßen mit Radfahrstreifen, Radwegen oder Geh- und Radwegen mit einspurigen Fahrrädern ohne Anhänger diese Fahrbahneinrichtungen zu benützen sind. Mit mehrspurigen Fahrrädern und mit Fahrrädern mit Anhänger ist die Fahrbahn zu benützen.

Von diesen Geboten kann die Behörde gemäß § 45 Abs. 2 StVO 1960 auf Antrag Ausnahmen bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie z.B. auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert, oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht zu erwarten ist.

Der Beschwerdeführer wendet mit Recht ein, daß die belangte Behörde gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 und § 60 AVG verstoßen habe.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat die Begründung des Bescheides, um den genannten Anforderungen zu entsprechen, daher all jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist dem Bescheidadressaten eine Verfolgung seiner Rechte und auch dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung des Bescheides auf seine Rechtsrichtigkeit möglich. Eine dem Gesetz entsprechende Bescheidbegründung muß (auch) zu widersprechenden Beweisergebnissen im einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was die Behörde veranlaßt hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. Mai 1990, Zl. 89/03/0100, und vom 19. Mai 1994, Zl. 90/07/0121, u.a.).

Die belangte Behörde begnügte sich in der Begründung ihres Bescheides mit der Wiedergabe des Gutachtens des technischen Amtssachverständigen und dem Hinweis, daß die Behörde an dieses Gutachten "gebunden sei und nicht dagegen entscheiden könne". Auf die Einwendungen des Beschwerdeführers (zweimalige Sicherung der zu befördernden Kinder durch Gurte, geringe Anhängerbreite, relativ geringere Verletzungsgefahr als bei Kindersitzen auf dem Gepäckträger) in seiner Stellungnahme zu dem amtlichen Gutachten, das ihm seitens der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden ist, ging die belangte Behörde nur mit der Erklärung ein, daß sie sich nicht veranlaßt sehe, von diesem amtlichen Gutachten abzugehen.

Um ihrer Begründungspflicht nach § 60 AVG zu entsprechen, hätte die belangte Behörde bezüglich des Antrages auf Beförderung von Personen auf Fahrradanhängern die Beschaffenheit von Fahrrad und Fahrradanhänger im Hinblick auf die Gefährdung der Verkehrssicherheit in konkretisierter Form feststellen und hiebei auf das rechtserhebliche Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers im Antrag sowie in der Stellungnahme zum Gutachten in konkreter Form eingehen müssen. Die Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, in der die Genehmigung beider Anträge unter bestimmten genannten Bedingungen befürwortet wird, blieb im angefochtenen Bescheid vollkommen unerwähnt. Aufgrund der unterschiedlichen Beweisergebnisse hätte die belangte Behörde schlüssig darlegen müssen, warum sie nur dem Gutachten des technischen Amtssachverständigen gefolgt ist.

Da die belangte Behörde dies unterließ, ist ihr Bescheid mit einem wesentlichen Begründungsmangel behaftet, sodaß die Überprüfung des Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes durch den Verwaltungsgerichtshof gehindert wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand enthalten ist und Stempelgebührenersatz nur für den ergänzenden Schriftsatz im erforderlichen Umfang (hier 2-fach), nicht jedoch für bereits dem Verfassungsgerichtshof vorgelegte Beilagen nach Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG gebührt.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995030011.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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