TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/16 96/21/0976

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Veröffentlicht am 16.04.1997
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Index

22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §47 Abs1;
ZPO §292 Abs2;
ZustG §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. September 1996, Zl. Fr 1519/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen erließ mit Bescheid vom 6. März 1996 gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot. Nach Inhalt des im Verwaltungsakt erliegenden Rückscheines wurde dieser Bescheid dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt. Auf dem Rückschein wurde vom Postzustellorgan die Spalte "Empfänger" angekreuzt, auf der Urkunde findet sich eine Unterschrift mit dem Namen des Beschwerdeführers. Ausgehend vom Zustelldatum 8. März 1996 errechnet sich das Ende der Berufungsfrist mit Ablauf des 22. März 1996.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die vom Beschwerdeführer am 10. April 1996 postalisch eingebrachte Berufung als verspätet gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen.

Die Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß sie dem Beschwerdeführer nach Einlangen seiner Berufung mit Schriftsatz vom 2. Mai 1996 die Verspätung zur Kenntnis gebracht habe, worauf dieser in seiner Stellungnahme vom 7. Mai 1996 darauf verwiesen habe, daß die Sendung der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen "offenbar" von seiner Mutter übernommen worden sei. Eine von der belangten Behörde beim zuständigen Postamt in N durchgeführte Erhebung habe ergeben, daß der RSb-Brief vom Beschwerdeführer persönlich übernommen worden sei. Der vom Beschwerdeführer eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei mittlerweile rechtskräftig abgewiesen worden. Demgemäß sei die Berufung als verspätet zurückzuweisen.

Die Beschwerde führt dagegen ins Treffen, daß der Bescheid nicht auf sein im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen eingehe, wonach er sich zum Zeitpunkt der Zustellung im Ausland befunden und "offensichtlich" seine Mutter den Bescheid erster Instanz übernommen habe. Gemäß dem im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsatz der materiellen Wahrheit sei die Behörde verpflichtet gewesen, weitergehende Ermittlungen anzustellen und sich nicht mit der Auskunft des Postamtes N zu begnügen. Es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, den Briefträger, seine Mutter und ihn selbst einzuvernehmen. Die ihm mitgeteilte Auffassung der belangten Behörde, daß die Unterschrift auf dem Rückschein der Sendung mit einer von ihm im Akt aufscheinenden Unterschrift ident sei, übersteige die Sachkompetenz der Behörde; zur Feststellung der Echtheit bzw. Übereinstimmung der Unterschrift hätte die Behörde allenfalls einen Schriftsachverständigen beiziehen müssen. Es werde daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der fristgerecht erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei einem ordnungsgemäß und mängelfrei ausgestellten Rückschein einer Postsendung handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die grundsätzlich vollen Beweis für die Richtigkeit des darin bezeugten Vorganges bekundet. Es bleibt zwar die Führung des Gegenbeweises grundsätzlich zulässig, ein solcher wurde aber vom Beschwerdeführer nicht erbracht. Die bloße Behauptung, ein Schriftstück der belangten Behörde nicht erhalten zu haben, genügt als Gegenbeweis zur Widerlegung der gesetzlichen Annahme der Richtigkeit und Vollständigkeit des Rückscheines ebensowenig wie bloß auf Vermutungen gegründete Zweifel an dessen Richtigkeit. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung auch entsprechend konkret zu begründen und Beweise dafür anzuführen (vgl. die in Hauer/Leukauf5, S. 348, zitierte Judikatur). Der Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde zunächst mit Schriftsatz vom 2. Mai 1996 ausdrücklich davon in Kenntnis gesetzt, daß nach dem Inhalt des vorliegenden Rückscheines eine Zustellung des Bescheides am 8. März 1996 erfolgt sei, worauf dieser lediglich behauptete, daß das Schriftstück "offenbar" von seiner Mutter übernommen worden sei und er sich zu diesem Zeitpunkt im Ausland befunden habe. Die belangte Behörde hat daraufhin Erhebungen beim zuständigen Postamt geführt, welches bekanntgab, daß "nach Rücksprache mit dem betreffenden Zusteller" die Sendung vom Beschwerdeführer - entsprechend dem Inhalt des Rückscheines - selbst übernommen worden sei. Dieses Erhebungsergebnis wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (abgefertigt am 31. Mai 1996) mit der Aufforderung bekanntgegeben, dazu Stellung zu nehmen. Zugleich wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß nach Auffassung der belangten Behörde die Unterschrift auf dem Rückschein mit der des Beschwerdeführers im Verwaltungsakt ident sei. Der Beschwerdeführer nahm dazu jedoch nicht Stellung.

Im Hinblick auf den seinem äußeren Anschein nach völlig mängelfreien Rückschein, das mit dem Inhalt dieser Zustellurkunde in Einklang stehende Erhebungsergebnis beim zuständigen Postamt sowie die zutreffend hervorgehobene Ähnlichkeit der Unterschrift auf dem Rückschein mit der des Beschwerdeführers im Verwaltungsakt, kann der belangten Behörde kein Verfahrensmangel angelastet werden, wenn sie nach Unterlassung einer Stellungnahme durch den Beschwerdeführer zu dem Vorhalt ihrer Erhebungsergebnisse davon ausging, daß es zur Klärung des Sachverhaltes keiner weiteren Ermittlungen bedürfe. Es wäre in einem solchen Fall vielmehr Aufgabe des Beschwerdeführers im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht gewesen, nach Bekanntgabe der Erhebungsergebnisse auf weitere Ermittlungen durch die belangte Behörde zu dringen. Ausgehend von den bereits angeführten Beweisergebnissen sowie unter Bedachtnahme darauf, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner Vorsprache bei der Behörde am 9. April 1996 nichts von einer Abwesenheit im Zustellzeitpunkt erwähnte und auch in der Folge lediglich vorbrachte, "offensichtlich" habe seine Mutter den angefochtenen Bescheid übernommen, mußte die belangte Behörde keine Zweifel an der Richtigkeit des Rückscheines hegen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996210976.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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