Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GBefG 1952 §5 Abs1 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des O in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 24. Juli 1995, Zl. VwSen-500035/5/Gf/Km, betreffend Nachsicht vom Befähigungsnachweis
i. A. Güterbeförderungsgewerbe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises zur Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes (Güternahverkehr) keine Folge gegeben.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach den vom Beschwerdeführer vorgelegten (und näher bezeichneten) Unterlagen sei offensichtlich - und auch vom Beschwerdeführer unbestritten -, daß der im Hinblick auf § 14 Abs. 2 bis 9 Berufszugangs-Verordnung Güterkraftverkehr, BGBl. Nr. 221/1994, bzw. auf die in Anlage 1 zu dieser Verordnung enthaltenen (und näher bezeichneten) Prüfungsgegenstände - die er "teilweise nicht einmal annähernd anzusprechen, geschweige denn abzudecken" vermöge - die volle Befähigung für das konzessionierte Güterbeförderungsgewerbe im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 nicht besitze und ihm sohin jedenfalls eine Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nach dieser Bestimmung nicht erteilt werden könne. Weiters sei auch nicht hervorgekommen, daß im gegenständlichen Fall besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis sprechen würden. Insbesondere gehe solches weder aus der Stellungnahme der Gemeinde W vom 11. November (richtig: Oktober) 1994 noch aus den Stellungnahmen der Wirtschaftskammer Oberösterreich vom 12. September 1994 bzw. vom 30. November 1994 hervor. Sohin scheide auch eine Nachsichtserteilung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. b GewO 1994 von vornherein aus. Schließlich könne auch nicht gefunden werden, daß dem Beschwerdeführer die Erbringung des Befähigungsnachweises durch in dessen Person gelegene wichtige Gründe nicht zuzumuten und deshalb eine Nachsicht zu erteilen sei. Eine - im übrigen bloß behauptete, nicht aber tatsächlich nachgewiesene - berufsbedingte zeitliche (Über-)Inanspruchnahme des Nachsichtswerbers könne schon prinzipiell keinen derartigen wichtigen Grund im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a GewO 1994 darstellen. Damit lägen aber die Voraussetzungen für eine Nachsichtserteiltung nach dieser Bestimmung nicht vor, weshalb sich eine Prüfung der Frage, ob im übrigen eine "hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers" im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 gegeben sei, erübrige.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 3 des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 63/1952 in der Fassung BGBl. Nr. 222/1994, gilt, soweit das Güterbeförderungsgesetz nicht besondere Bestimmungen trifft, für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen die Gewerbeordnung 1973 mit der Maßgabe, daß das Güterbeförderungsgewerbe als bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbes gilt.
Nach § 5 Abs. 1 erster Satz Güterbeförderungsgesetz darf die Konzession nur erteilt werden, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbes 1. die Zuverlässigkeit, 2. die finanzielle Leistungsfähigkeit und 3. die fachliche Eignung (Befähigungsnachweis) vorliegen.
§ 28 Abs. 1 GewO 1994 (identisch mit der Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992) hat folgenden Wortlaut:
"(1) Sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn
1.
nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen oder
2.
eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und
a)
dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist,
oder
b)
wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen."
Nach dem Abs. 3 des § 28 GewO 1994 kann die Nachsicht gemäß Abs. 1 auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.
Ausgehend von dieser Gesetzeslage ist Voraussetzung für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 das Vorliegen der vollen Befähigung. In diesem Sinne umfaßt die Nachsicht nicht die Befähigung (die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen), sondern allein den - normativ - geforderten Nachweis dieser Befähigung. Hiebei bilden die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften den Maßstab dafür, ob die Nachsichtsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 vorliegt. Die für eine Nachsichtserteilung erforderliche volle Befähigung liegt nur im Fall der Beherrschung des gesamten Stoffes, umfassend die für die selbständige Ausübung des Gewerbes notwendigen Kenntnisse auf allen in dem betreffenden Befähigungsnachweis angeführten Sachgebieten, vor (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 94/04/0025, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß dem Beschwerdeführer die beantragte Nachsicht in Ansehung des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 nur zu erteilen gewesen wäre, wenn nach seinem Bildungsgang und seiner bisherigen Tätigkeit davon ausgegangen hätte werden können, seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen umfaßten den gesamten in der Berufszugangs-Verordnung Güterkraftverkehr, BGBl. Nr. 221/1994, umschriebenen Prüfungsstoff. Wenn die belangte Behörde diesbezüglich zu einem negativen Schluß kam, weil der Beschwerdeführer die (näher angeführten) Prüfungsgegenstände "teilweise nicht einmal annähernd anzusprechen, geschweige denn abzudecken vermag", so ist ihr keine rechtsirrige Gesetzesanwendung anzulasten. Die diesbezüglichen Feststellungen der Behörde werden vom Beschwerdeführer konkret auch nicht in Zweifel gezogen. Derart vermag die bloß allgemeine Beschwerderüge, "letztlich hätte aber auch im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 auf Grund des Bildungsganges und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers bei richtiger rechtlicher Beurteilung angenommen werden müssen, daß der Beschwerdeführer die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt", eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Damit kann aber auch auf sich beruhen, ob das zusätzliche Erfordernis der mindestens vierjährigen fachlichen Tätigkeit vorliegt (was in der Beschwerde unter Berufung auf § 5 Abs. 3a Güterbeförderungsgesetz in der Fassung BGBl. Nr. 126/1993 geltend gemacht wird) oder nicht.
Es ist auch verfehlt, wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, auf Grund der bisherigen beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers hätte die Nachsicht zumindest mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden müssen. Der Beschwerdeführer bezieht sich diesbezüglich auf sein Vorbringen in der Berufung, wonach die Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises zu erteilen wäre, "in eventu unter der Auflage der diesbezüglichen Verwendung lediglich von Fahrzeugen bis zu 3,5 t Nutzlast". Vom Beschwerdeführer wird dabei verkannt, daß die Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt ist, woraus auch die Unzulässigkeit einer amtswegigen Beschränkung einer Nachsichtserteilung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes im Sinne des § 28 Abs. 3 GewO 1994 folgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1982, Zl. 81/04/0251).
Das Vorliegen der Nachsichtsvoraussetzungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 hat die belangte Behörde schon deshalb verneint, weil die Tatbestandsvoraussetzungen der lit. a und b nicht vorlägen. Daß sie zu einer solchen Vorgangsweise nicht berechtigt gewesen wäre, ist nicht zu erkennen. § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 normiert nämlich kumulativ als Tatbestandserfordernis die hinreichende tatsächliche Befähigung, das Nichtvorliegen eines Ausschlußgrundes (§ 13) und das Vorliegen eines der alternativ umschriebenen Ausnahmegründe. Fehlt demnach auch nur eines der positiv erforderlichen Tatbestandselemente oder ist in Ansehung des Nachsichtswerbers ein Ausschlußgrund zu bejahen, dann führt bereits dies zur Abweisung des Nachsichtsansuchens, ohne daß die Beurteilung der anderen Tatbestandsmerkmale an diesem Ergebnis etwas ändern könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1995, Zl. 94/04/0077). Damit mangelte es den Beschwerdeausführungen hinsichtlich der "hinreichenden tatsächlichen Befähigung" an der rechtlichen Relevanz.
Der Beschwerdeführer rügt in Ansehung des Tatbestandselements der besonderen örtlichen Verhältnisse, daß die belangte Behörde auf die Stellungnahme des Marktgemeindeamtes W vom 11. Oktober 1994 sowie auf das diesbezügliche "Beschwerdevorbringen" nicht eingegangen sei. Es mag nun zutreffen, daß im angefochtenen Bescheid die Stellungnahme des Marktgemeindeamtes W lediglich erwähnt und nicht näher ausgeführt wird, warum aus dieser Stellungnahme nicht auf das Vorliegen der Nachsichtsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. b GewO 1994 geschlossen werden könne. Das vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen ist allerdings nicht geeignet, die im § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG geforderte Relevanz des behaupteten Verfahrensverstoßes darzutun. Auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens ist nicht zu ersehen, inwieweit die angesprochene Stellungnahme der Marktgemeinde W das Vorliegen von besonderen örtlichen Verhältnissen indizieren würde. Unter den besonderen örtlichen Verhältnissen im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. b GewO 1994 sind nämlich vor allem sonst nicht anzutreffende Bedarfsverhältnisse zu verstehen, also alle objektiv erfaßbaren Tatsachen, die in bezug auf die Gewerbeausübung in einem bestimmten örtlichen Bereich oder auch nur am gewählten Standort für die Erteilung der Nachsicht sprechen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1988, Zl. 87/04/0225, und die dort zitierte Vorjudikatur). Wenn hiebei von "sonst nicht anzutreffenden Bedarfsverhältnissen" die Rede ist, so ist damit nicht - schlechthin - die Frage des örtlichen Bedarfs angesprochen. Es muß sich vielmehr um eine außergewöhnliche Bedarfssituation handeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 95/04/0146).
Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er das Vorliegen des Ausnahmegrundes des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a GewO 1994 geltend macht. Es ist dabei nämlich zu beachten, daß eine über das Übliche nicht hinausgehende berufliche Belastung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. September 1988, Zl. 88/18/0002, und vom 24. Juni 1983, Zl. 82/04/0100) einen Ausnahmegrund nach § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a GewO 1994 nicht darstellt.
Vor diesem Hintergrund vermag auch die geltend gemachte Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe entgegen § 67d AVG keine mündliche Verhandlung durchgeführt, nicht durchzudringen.
Daß ein rechtswidriges Unterbleiben der öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung in jedem Fall die Aufhebung des Berufungsbescheides nach sich ziehen müßte, ist dem Gesetz fremd. Der Beschwerde kann aber nicht entnommen werden, daß der in der Unterlassung liegende Verfahrensmangel als wesentlich zu qualifizieren wäre. Das zur Dartuung der Wesentlichkeit des Verfahrensmangels gegebene Beschwerdevorbringen (soweit es von rechtlicher Relevanz ist), daß nämlich der Beschwerdeführer auf Grund seiner beruflichen Situation und der Anzahl der Fahrzeuge in seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit derart angespannt sei, daß er im Falle eines Ausfalles in diesem Bereich Rechtsnachteile durch finanzielle Einbußen und durch Beeinträchtigung der Konkurrenzsituation erleiden würde, stellt auf eine (zusätzliche) berufliche Belastung ab, wie sie auch in sonstigen Fällen bei der Ablegung einer Konzessionsprüfung bei einer (laufenden) selbständigen Ausübung eines Gewerbes auftritt. Eine über das Übliche hinausgehende berufliche Belastung, worauf es nach dem oben Gesagten ankommt, wird damit nicht aufgezeigt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995030234.X00Im RIS seit
06.03.2001Zuletzt aktualisiert am
09.02.2012