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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des VersehensSpruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit Beschluß vom 20. Juni 1994, B953/94-5, wies der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gegen einen der Beschwerdeführerin ihren Angaben zufolge am 1. April 1994 zugestellten Bescheid des Landesarbeitsamtes Steiermark vom 11. März 1994 wegen Versäumung einer gesetzlichen Frist zurück.
Wie sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ergeben hatte, war der angefochtene Bescheid dem bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin bereits am 25. März 1994 zugestellt worden. Die Erhebung der Beschwerde mit am 9. Mai 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz war somit verspätet, weil nach dem Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist am 6. Mai 1994 erfolgt.
Dieser Beschluß wurde dem Rechtsvertreter der Einschreiterin am 4. August 1994 zugestellt.
1.2. Mit Schriftsatz vom 11. August 1994, zur Post gegeben am 12. August 1994, beantragt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. Zur Begründung dieses (rechtzeitig eingebrachten) Antrages wird vorgebracht, daß den Beschwerdevertretern die Unterlagen für die - mittlerweile zurückgewiesene - Beschwerde zusammen mit den Unterlagen zur Ausarbeitung zweier anderer, beim Verfassungsgerichtshof zu B954/94 und B955/94 anhängig gewesenen Beschwerden von seiten der Arbeiterkammer übermittelt worden seien. Da ein Datum für die Einbringungsfrist nicht angegeben worden sei, habe eine Mitarbeiterin der Rechtsvertreter bei der Arbeiterkammer nachgefragt und von einem Vertreter derselben - einem Herrn F., wie in einer eidesstättigen Erklärung versichert wird - die Auskunft erhalten, daß alle drei Bescheide am 1. April 1994 zugestellt worden seien. Aufgrund dieser unrichtigen Auskunft, die nicht habe überprüft werden können, da keine anderen Unterlagen zur Verfügung gestanden seien, habe man sämtliche Beschwerden am 9. Mai 1994 eingebracht. Die Versäumung der Beschwerdefrist sei somit durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis erfolgt.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist nicht begründet:
2.1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr. 135/1983, sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 10880/1986, 11537/1987, 12631/1991).
2.2. Beim Verschulden der Vertreter der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall handelt es sich nicht bloß um einen minderen Grad des Versehens im oben dargestellten Sinn. Wie sich aus der vorgelegten eidesstättigen Erklärung ergibt, hat die Mitarbeiterin der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die Auskunft betreffend das Zustelldatum des verfahrensgegenständlichen Bescheides nicht vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, einem Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte, erhalten, sondern von einem anderen Mitarbeiter der Kammer für Arbeiter und Angestellte. Bei der für die Wahrung der gesetzlichen Frist für die Beschwerdeerhebung wichtigen Frage der Ermittlung des korrekten Zustelldatums des Bescheides hat sich der Beschwerdevertreter demnach mit der Auskunft eines Dritten begnügt, anstatt den bevollmächtigten Vertreter im Verwaltungsverfahren selbst zu fragen. Unter diesen Umständen ist der Fehler, der unterlaufen ist, nicht als solcher, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht, zu werten und deshalb auch nicht als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit abzuweisen.
3. Dieser Beschluß konnte gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B953.1994Dokumentnummer
JFT_10049381_94B00953_2_00