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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 20. September 1996, Zl. UVS-3/3180/10-1996, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. September 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 28. Feber 1995 um 18.55 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw in Anif auf der B 159 an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Die Behörde ging hiebei im wesentlichen davon aus, daß der Beschwerdeführer im Unfallszeitpunkt sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, der ihn fahrunfähig im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 gemacht habe.
Mit Strafurteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 9. Oktober 1996 wurde der Beschwerdeführer auf Grund des gegenständlichen Vorfalles vom 28. Feber 1995 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 81 Z. 2 StGB schuldig erkannt und es wurde über ihn nach dem § 88 Abs. 3 StGB eine Geldstrafe (und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Das Strafgericht erster Instanz ging von der Feststellung aus, daß der Beschwerdeführer im Unfallszeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von mindestens 0,74 %o aufgewiesen und sich zusätzlich in der "Anflutungsphase", somit in einem die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Zustand befunden habe. Gegen dieses Urteil hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben, über die am 9. April 1997 vor dem Landesgericht Salzburg die mündliche Berufungsverhandlung stattfand.
Mit seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G 9/96-12 und andere Zahlen, sprach der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, daß die Wortfolge "in Abs. 2, 2a, 2b, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, als verfassungswidrig aufgehoben wird. Die als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmungen seien auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden, die am 5. Dezember 1996 bei einem unabhängigen Verwaltungssenat oder beim Verwaltungsgerichtshof anhängig waren.
In seiner Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 20. September 1996 beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift nach Aktenvorlage die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Die vorliegende Beschwerde langte am 12. November 1996 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren war somit zum 5. Dezember 1996 bereits anhängig. Der vorliegende Beschwerdefall ist daher einem Anlaßfall des vom Verfassungsgerichtshof durchgeführten Gesetzesprüfungsverfahrens gleichzuhalten.
Aus Art. 140 Abs. 7 B-VG ergibt sich, daß ein vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden ist. Es ist daher so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Das den Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Verhalten, nämlich das Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, war - wie zuvor dargestellt - bereits Gegenstand des gegen den Beschwerdeführer geführten gerichtlichen Strafverfahrens. § 99 Abs. 6 lit.c StVO 1960 in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung (die Kundmachung des vorgenannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes erfolgte am 28. Jänner 1997, BGBl. Nr. 16/1997) hat folgenden Wortlaut:
"Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn eine Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht."
Die Frage, ob die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht, stellt sich als Vorfrage dar, die mangels Vorliegens einer bindenden gerichtlichen Verurteilung von der Behörde selbständig zu prüfen ist. Dies wurde hier unterlassen. In diesem Zusammenhang ist auf die Verpflichtung der Behörde hinzuweisen, das Strafverfahren auszusetzen, falls es zweifelhaft ist, ob die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, bis über diese Frage vom Gericht rechtskräftig entschieden ist (§ 30 Abs. 2 VStG). Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996030347.X00Im RIS seit
12.06.2001