TE Vwgh Beschluss 2021/4/30 Ra 2021/19/0098

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Veröffentlicht am 30.04.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art2
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des S A S, alias S A F, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 2020, I401 2168399-1/21E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 27. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Begründend führte das BVwG - soweit hier maßgeblich - aus, der Revisionswerber sei gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern nach Österreich gekommen, um internationalen Schutz zu beantragen. Da er zum Zeitpunkt der Antragstellung jedoch bereits volljährig gewesen sei, seien die Bestimmungen des Familienverfahrens nicht anzuwenden. Eigene Fluchtgründe habe der Revisionswerber nicht vorgebracht. Er leide unter einer Schuppenflechte (Psoriasis), die durch eine Salbe behandelbar sei, sei im Übrigen jedoch gesund und daher arbeitsfähig. Der Revisionswerber, der über Schulbildung und Arbeitserfahrung in seinem Herkunftsstaat verfüge, könne somit im Irak einer Beschäftigung nachgehen. Darüber hinaus seien in seinem Herkunftsstaat auch weiterhin Familienangehörige aufhältig, von denen er erforderlichenfalls Unterstützung erwarten könne. Seine Versorgung im Irak sei daher - unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage im Land - nicht gefährdet. Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat drohe dem Revisionswerber somit weder eine asylrelevante Verfolgung noch bestehe eine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK.

4        Mit Beschluss vom 18. Jänner 2021, E 103-104/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 5. Februar 2021, E 103-104/2021-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, den Eltern und den minderjährigen Geschwistern des Revisionswerbers sei in Hinblick darauf, dass ihre Versorgung im Irak nicht gesichert sei, subsidiärer Schutz zuerkannt worden. Das BVwG übersehe, dass auch der Revisionswerber vulnerabel sei. Dies ergebe sich aus seinem Gesundheitszustand, der durch die vorgelegten medizinischen Unterlagen dokumentiert sei. Dem Revisionswerber drohe somit im Irak eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK, sodass ihm subsidiärer Schutz zuzuerkennen gewesen wäre.

9        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 10.3.2021, Ra 2021/19/0060, mwN).

10       Der Revisionswerber wurde nach den von ihm im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, auf die die Revision verweist, in der Vergangenheit insbesondere der Behandlung einer Thrombose (Lysetherapie) unterzogen. In der mündlichen Verhandlung gab er dazu befragt an, insoweit nicht mehr beeinträchtigt zu sein. Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes verwies der Revisionswerber auf seine Schuppenflechte, stellte aber seine Fähigkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, nicht in Abrede. Gegründet auf diese Angaben des Revisionswerbers, denen die im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht entgegenstanden, stellte das BVwG fest, dass der Revisionswerber an einer Schuppenflechte (Psoriasis) leide, die mit einer Salbe behandelbar sei, im Übrigen zum Entscheidungszeitpunkt aber nicht maßgeblich gesundheitlich beeinträchtigt und somit arbeitsfähig sei. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung des BVwG vermag die Revision nicht darzustellen (vgl. zur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung etwa VwGH 10.3.2021, Ra 2021/19/0052). Davon ausgehend zeigt die Revision nicht auf, dass dem BVwG hinsichtlich der Annahme, es bestehe keine reale Gefahr, dass dem Revisionswerber im dargestellten Sinn im Irak die Lebensgrundlage entzogen wäre, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

11       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. April 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190098.L00

Im RIS seit

31.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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