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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofrätinnen Mag. Schindler und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg-Pirka, Haushamer Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2020, I413 2224207-1/24E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 19. April 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13. Juni 2017 wurde der Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 - ohne in die Sache einzutreten - als unzulässig zurückgewiesen, die Zuständigkeit Italiens gemäß der Dublin III-VO festgestellt, die Außerlandesbringung des Revisionswerbers angeordnet und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Italien festgestellt.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2017 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Ablauf der Überstellungsfrist stellte der Revisionswerber im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle am 15. August 2019 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, er sei von seinem muslimischen Vater bedroht worden und habe sich der Biafra-Bewegung angeschlossen.
5 Mit Bescheid vom 9. September 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die belangte Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 In seiner Begründung führte das BVwG - zusammengefasst und soweit für den Revisionsfall relevant - aus, dass das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sich als vage, widersprüchlich und nachträglich gesteigert erwiesen habe. Es sei dem Revisionswerber damit nicht gelungen, eine konkrete Gefahr für seine Person oder eine Verfolgung glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Nichtgewährung von subsidiärem Schutz führte das BVwG aus, dass keine asylrelevante Verfolgung vorliege und es bestehe kein Anhaltspunkt, dass der volljährige, gesunde und arbeitsfähige Revisionswerber bei einer Rückkehr einem realen Risiko einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Er gehöre auch keiner Risikogruppe im Sinn der Covid-19-Risikogruppenverordnung an. Seine privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet würden gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung in den Hintergrund treten.
8 Mit Beschluss vom 10. März 2021, E 617/2021-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die vorliegende Revision wendet sich formal gegen das gesamte Erkenntnis, beschränkt sich im Rahmen der Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst aber darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beurteilung des subsidiären Schutzes von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Es stelle sich dabei die Frage, ob bei einer durchgeführten Verhaftung des Revisionswerbers wegen einer Demonstration für die Biafra-Bewegung sowie aufgrund der in den Länderfeststellungen dokumentierten Spannungen bzw. Inhaftierungen von Mitgliedern dieser Bewegung ein „real risk“ im Sinne des Art. 3 EMRK vorliege. Zudem fehle Rechtsprechung zur Frage, ob eine Reisewarnung aufgrund des hohen Entführungsrisikos in manchen Landesteilen des Herkunftsstaates der Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative entgegenstehe.
13 Soweit sich die Revision gegen die Nichtgewährung von subsidiärem Schutz wendet und auf die schlechte Sicherheitslage im Herkunftsstaat hinweist, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es sich hierbei letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall handelt, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu treffen ist (vgl. VwGH 17.3.2021, Ra 2021/14/0052, mwN).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass für die Gewährung von subsidiärem Schutz die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. wiederum VwGH 17.3.2021, Ra 2021/14/0052, mwN).
15 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit den einschlägigen Länderinformationen auseinandergesetzt und konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers als auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen getroffen. Dem setzt die Revision nichts Stichhaltiges entgegen.
16 Wenn die Revision das Vorliegen von exzeptionellen Umständen erkennbar in Zusammenhang mit einer behaupteten politischen Aktivität des Revisionswerbers für die Biafra-Bewegung zu begründen sucht, so übersieht sie,dass das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandersetzte - zu dem Ergebnis gelangte, der Revisionswerber habe mangels persönlicher Glaubwürdigkeit und infolge eines vagen, widersprüchlichen und gesteigerten Vorbringens eine konkret und gezielt gegen ihn gerichtete Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe im Entscheidungszeitpunkt nicht glaubhaft machen können. Die Revision tritt dieser Beweiswürdigung nicht entgegen. Entfernt sich das Vorbringen der Zulässigkeitsbegründung jedoch - so wie im vorliegenden Fall - vom festgestellten Sachverhalt, wird schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt (vgl. VwGH 22.10.2020, Ra 2020/14/0456; 17.3.2021, Ra 2021/14/0052, jeweils mwN).
17 Wenn sich die Revision ferner gegen die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, wendet, ist auch dazu darauf zu verweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht primär und tragend schon eine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers aus beweiswürdigenden Erwägungen, denen die Revision nicht entgegentritt, verneinte. Auf die lediglich in einer Alternativbegründung („bei hypothetischer Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens“) angestellten Überlegungen, dass er auch in anderen Landesteilen leben könnte, weil er nicht gefunden werden würde, kommt es damit nicht an (vgl. etwa VwGH 11.8.2020, Ra 2020/14/0278).
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 4. Mai 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140144.L00Im RIS seit
31.05.2021Zuletzt aktualisiert am
14.06.2021