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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Dr. H F, Rechtsanwalt in W, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 2021, Zl. W108 2237018-1/2E, betreffend Stundung von Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Oberlandesgerichts Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, mit dem sein zweiter Antrag auf Stundung von Gerichtsgebühren gemäß § 9 Abs. 1 GEG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war, als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der unter der Überschrift „4. Revisionspunkte“ ausgeführt wird:
„Der Revisionswerber erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis in seinen gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten
- auf Unterlassung der Vorschreibung von Pauschalgebühren (Eingriffe in das Eigentumsrecht) ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen,
- auf Unterlassung strafgesetzwidriger Eingriffe in sein Vermögen (insbesondere entgegen der Bestimmung des § 165 Abs. 2 StGB),
- des Grundrechts auf Eigentum gemäß Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK,
- des Rechts auf Einhaltung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Verfahrensvorschriften zum Zwecke des Grundrechtsschutzes nach Art. 144 Abs. 3 iVm Abs. 2 B-VG sowie
- des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 83 Abs. 2 B-VG
verletzt, wobei das angefochtene Erkenntnis sowohl an inhaltlicher Rechtswidrigkeit (§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG), als auch an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG) leidet.
Das obgenannte Erkenntnis des BVwG wird daher zur Gänze angefochten, insbesondere aus den Gründen der Rechtswidrigkeit infolge Mangelhaftigkeit des Verfahrens (mangelnde amtswegige Aufklärung der vorgebrachten strafrechtswidrigen Sachverhalte - schon mangels Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - und somit Unterlassung der erforderlichen Beweisaufnahme sowie Tatsachenfeststellung und daher aktenwidrige Sachverhaltsannahme seitens des BVwG) sowie der inhaltlichen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache, insbesondere durch die nach Auffassung des Revisionswerbers den Bestimmungen des VerbotsG widersprechende Annahme, dass die scheinbare Rechtskraft qualifiziert rechtsverletzender Gerichtsentscheidungen strafgesetzwidriges Handeln von Behörden legitimieren könnte.“
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängt die Revision nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ab, wenn sich diese innerhalb des Revisionspunkts, des vom Revisionswerber selbst definierten Prozessthemas, stellt (vgl. etwa VwGH 24.4.2020, Ra 2020/16/0034; VwGH 10.9.2019, Ra 2019/16/0072, mwN).
5 Nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. nochmals VwGH 24.4.2020, Ra 2020/16/0034; sowie VwGH 10.9.2019, Ra 2019/16/0138, mwN; VwGH 28.1.2016, Ro 2015/16/0040, mwN).
6 Der Revisionswerber erachtet sich zunächst im Recht „auf Unterlassung der Vorschreibung von Pauschalgebühren“ verletzt. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde im Instanzenzug jedoch nicht über eine Vorschreibung von Pauschalgebühren abgesprochen, sondern im Instanzenzug ein Antrag des Revisionswerbers auf Stundung von Gerichtsgebühren zurückgewiesen. Durch das angefochtene Erkenntnis wurde der Revisionswerber somit nicht im Recht auf „Unterlassung der Vorschreibung von Pauschalgebühren“ verletzt (vgl. etwa VwGH 10.9.2019, Ra 2019/16/0138).
7 Gleiches gilt für die vom Revisionswerber behauptete Verletzung im Recht „auf Unterlassung strafgesetzwidriger Eingriffe in sein Vermögen (insbesondere entgegen der Bestimmung des § 165 Abs. 2 StGB)“, weil das angefochtene Erkenntnis von seinem normativen Gehalt her lediglich eine Stundung (Verlängerung der Zahlungsfrist) versagt, jedoch keinen Vermögenseingriff anordnet.
8 Soweit der Revisionswerber eine Verletzung des (verfassungsgesetzlich geschützten) Rechts auf Eigentum anspricht, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 133 Abs. 5 B-VG Rechtssachen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sind, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören.
9 Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art. 144 Abs. 1 und 4 B-VG über Beschwerden gegen Erkenntnisse und Beschlüsse eines Verwaltungsgerichtes, soweit der Beschwerdeführer durch das Erkenntnis oder den Beschluss in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
10 Über die Verletzung des vom Revisionswerber bezeichneten verfassungsgesetzlich (Art. 5 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867, und Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958) gewährleisteten Rechts auf Eigentum hätte der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden (vgl. VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0081; VwGH 28.1.2016, Ro 2015/16/0040, jeweils mwN).
11 Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht zuständig, über eine Revision wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte zu erkennen (vgl. etwa VwGH 29.1.2020, Ra 2019/05/0331; VwGH 25.9.2019, Ra 2019/05/0230, mwN).
12 Zur Prüfung der behaupteten Verletzung des „Rechts auf Einhaltung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Verfahrensvorschriften zum Zwecke des Grundrechtsschutzes nach Art. 144 Abs. 3 iVm Abs. 2 B-VG“ sowie des „Grundrechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 83 Abs. 2 B-VG“ ist der Verwaltungsgerichtshof daher nicht berufen (vgl. zu letzterem VwGH 29.6.1988, 88/09/0084).
13 Auch der Nennung von Aufhebungstatbeständen nach § 42 Abs. 2 VwGG kommt keine Bedeutung zur Umschreibung des Revisionspunkts im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG zu (vgl. VwGH 10.9.2019, Ra 2019/16/0072).
14 Vom Revisionspunkt zu unterscheiden und mit ihm nicht zu verwechseln sind weiters die Revisionsgründe des § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG (vgl. VwGH 1.3.2018, Ra 2015/16/0053 und 0074, mwN). Wenn der Revisionswerber abschließend eine Reihe von Verfahrensmängeln rügt sowie näheres Vorbringen zur (behaupteten) inhaltlichen Rechtswidrigkeit erstattet, zeigt er somit nicht auf, in welchem konkreten, aus einer Rechtsnorm ableitbaren subjektiven Recht er sich verletzt erachtet.
15 Die Revision hängt daher nicht von der Beantwortung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme.
16 Die Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Im Übrigen ist zu bemerken:
18 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Beschluss vom 24. April 2020, Ra 2020/16/0034, angemerkt hat, wird allein mit der Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof kein Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof in Gang gesetzt (vgl. VwGH 25.1.2017, Ra 2017/10/0006).
19 Eine „Weiterbehandlung“ einer vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof scheidet schon deshalb aus, weil der Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 B-VG seit 1. Jänner 2014 zur Entscheidung über Revisionen gegen Erkenntnisse oder Beschlüsse der Verwaltungsgerichte zuständig ist und es daher auch bei Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof dem Revisionswerber obliegt, die Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen, welches diese dann dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen hat (vgl. VwGH 24.2.2016, Ra 2015/09/0145 und Ra 2016/09/0016).
20 Eine solche nach Abtretung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Revision ist allerdings wegen Verbrauchs des Revisionsrechts zurückzuweisen, wenn der Revisionswerber bereits vorher eine Revision gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eingebracht hat (vgl. VwGH 15.9.2015, Ra 2015/18/0207, mwN).
Wien, am 5. Mai 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021160026.L00Im RIS seit
31.05.2021Zuletzt aktualisiert am
28.06.2021