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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofräte Dr. Thoma und MMag. Maislinger als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gegen Spruchabschnitt A) I. des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. März 2021, W101 2185007-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (mitbeteiligte Partei: Mag. H S in W, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Unbestritten ist, dass die Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien für die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien der Mitbeteiligten mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 29. September 2017 für die in einem Zivilverfahren erhobene Revision an den Obersten Gerichtshof Pauschalgebühr nach TP 3 GGG in Höhe von € 1.498,20, einen Betrag von € 7,70 für „sonstige Vorschreibung Rückleitung“ und eine Einhebungsgebühr in Höhe von € 8,-- nach § 6a Abs. 1 GEG zur Zahlung vorschrieb, wogegen die rechtsfreundlich vertretene Mitbeteiligte fristgerecht Vorstellung erhob.
2 Mit Bescheid (Zahlungsauftrag) vom 22. Dezember 2017 sprach die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (die Revisionswerberin) aus, dass die Mitbeteiligte für eine Pauschalgebühr nach TP 2 GGG und für eine Pauschalgebühr nach TP 3 iVm § 19a GGG sowie die Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG zahlungspflichtig sei.
Wie der Begründung des Bescheides zu entnehmen ist, habe die Mitbeteiligte im gegenständlichen Zivilverfahren u.a. mit Schriftsatz vom 25. Juni 2013 Rekurs gegen die Versagung einer einstweiligen Verfügung und am 19. Juli 2017 Revision gegen das im zweiten Rechtsgang ergangene Berufungsurteil erhoben.
Der Bescheid enthält einen Hinweis darauf, dass der Zahlungsauftrag vom 29. September 2017 durch die rechtzeitig erhobene Vorstellung außer Kraft getreten und deshalb als hinfällig zu betrachten sei. Der nun vorgeschriebene Gesamtbetrag sei jedoch auf Grundlage dieses Bescheides einmal an das Bezirksgericht zu bezahlen.
3 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht dieser Beschwerde hinsichtlich der vorgeschriebenen Gerichtsgebühr nach TP 2 GGG gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 6 f GEG statt und behob den angefochtenen Bescheidteil ersatzlos, wies hingegen die Beschwerde hinsichtlich der vorgeschriebenen Gerichtsgebühr nach TP 3 GGG und gegen die Einhebungsgebühr als unbegründet ab.
Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit für die Entscheidung über die Amtsrevision von Bedeutung - im Kern aus, das für die Einbringung der Gerichtsgebühren anzuwendende Mandatsverfahren sei in §§ 6 ff GEG geregelt. Demnach habe die Vorschreibung der Gerichtsgebühren gemäß § 6a Abs. 1 GEG zunächst mittels Zahlungsauftrages (Mandatsbescheides) zu erfolgen. Im vorliegenden Fall habe die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Gebühr nach TP 2 GGG nicht im zugrundeliegenden Mandatsverfahren vorgeschrieben, weshalb die Vorschreibung im vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid vom 22. Dezember 2017 nicht rechtens sei und der Bescheid diesbezüglich ersatzlos zu beheben gewesen sei.
Im Übrigen billigte das Verwaltungsgericht die Bemessung der Pauschalgebühr nach TP 3 GGG für die im Zivilverfahren erhobene Revision.
Da dem angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen teilweise eine Rechtswidrigkeit anhafte, sei der dagegen erhobenen Beschwerde einerseits hinsichtlich der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren nach TP 2 GGG stattzugeben und der angefochtene Bescheid diesbezüglich ersatzlos zu beheben, andererseits die Beschwerde hinsichtlich der vorgeschriebenen Gerichtsgebühr nach TP 3 GGG sowie hinsichtlich der Einhebungsgebühr als unbegründet abzuweisen.
Abschließend begründete das Verwaltungsgericht das Absehen von einer mündlichen Verhandlung sowie seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision.
5 Gegen den die vorgeschriebene Gerichtsgebühr nach TP 2 GGG ersatzlos behebenden Teil des Erkenntnisses vom 4. März 2021 richtet sich die außerordentliche Amtsrevision mit dem Antrag, den angefochtenen Spruchpunkt dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2017 als unbegründet abgewiesen werde, in eventu, den angefochtenen Spruchpunkt des Erkenntnisses vom 4. März 2021 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
6 Die Revisionswerberin erachtet ihre Amtsrevision entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes für zulässig, weil bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorschreibungsverfahren nach dem GEG in der hier anzuwendenden Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes - Justiz, BGBl. I Nr. 190/2013 - VAJu, vorliege, nämlich zur Frage, ob dem vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit anhafte, wenn in diesen „(Voll-)Bescheid“ Gebühren und Kosten mitaufgenommen würden, die nicht im Mandatsbescheid vorgeschrieben worden seien. Die Frage, welcher Bescheid im Zusammenhang mit den Änderungen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 und dem VAJu als Bescheid der Unterinstanz anzusehen sei, der „die Sache des Verfahrens“ determiniere, stelle eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Die vorhandene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - etwa das Erkenntnis vom 27. November 2020, Ra 2020/16/0151 - stütze sich bislang auf die gesetzlichen Grundlagen vor der Anwendbarkeit der Änderungen in der Zuständigkeit nach dem VAJu in der hier anzuwendenden Fassung, wenn ausgesprochen werde, dass weder das Verwaltungsgericht noch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde in ihren Entscheidungen vom Spruch des angefochtenen Vorstellungsbescheides bzw. des Mandatsbescheides abweichen dürften. Der Rechtsfrage komme mangels vorhandener Rechtsprechung auch über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zu. Eine sinngemäße Anwendung der bisherigen Rechtsprechung stehe nach Ansicht der Revisionswerberin nicht im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des GEG in der derzeit geltenden und auf den gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung. Die vorhandene Rechtsprechung könne infolge geänderter Behördenzuständigkeit und geändertem Instanzenzug nicht mehr als sinngemäß oder als einheitlich anzuwenden angesehen werden.
7 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
8 Die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision durch den Verwaltungsgerichtshof hat nur im Rahmen des gesonderten Vorbringens der vom Revisionswerber für die Zulässigkeit der Revision dargebotenen Begründung zu erfolgen. Dem wird etwa durch den Hinweis auf nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung ebenso wenig Genüge getan wie mit einem bloßen Hinweis auf ein näher zitiertes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes. Ebenso wenig genügen dem besagten Erfordernis der Darlegung der Gründe die Ausführungen zur Rechtswidrigkeit oder ein Hinweis auf diese Ausführungen oder ein Verweis auf sonstige Ausführungen der Revision (etwa VwGH 4.10.2016, Ra 2016/16/0088, mwN).
9 Die vorliegende Amtsrevision sieht das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darin, dass sich vorhandene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - etwa das Erkenntnis vom 27. November 2020, Ra 2020/16/0151 - auf die Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten des VAJu „in der hier anzuwendenden Fassung“ beziehe.
10 Das von der Amtsrevision zitierte Erkenntnis vom 27. November 2020, Ra 2020/16/0151, das ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. September 2020 über einen Zahlungsauftrag der Revisionswerberin vom 3. Juli 2019 zum Gegenstand hatte - und auf das im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wirdführte u.a. aus:
„Gemäß § 6b Abs. 1 GEG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes vorgesehen ist, für das Verfahren zur Einbringung die Bestimmungen des GOG mit Ausnahme des § 91, und subsidiär des AVG anzuwenden.
Wer sich durch den Inhalt eines Mandatsbescheides, der von einem Kostenbeamten (§ 6 Abs. 2) namens der Behörde erlassen wurde, beschwert erachtet, kann gemäß § 7 Abs. 1 GEG binnen zwei Wochen Vorstellung bei der Behörde (§ 6 Abs. 1) erheben.
Prozessgegenstand des Vorstellungsverfahrens ist der Mandatsbescheid, der durch den Vorstellungsbescheid ersetzt wird (vgl. die in Hengstschläger-Leeb, AVG 2. Teilband, unter Rz 48 zu § 57 AVG wiedergegebene Rechtsprechung). Trotz Fehlens einer dem § 66 Abs. 4 AVG entsprechenden ausdrücklichen Bestimmung für das Vorstellungsverfahren ist auch die Behörde, die über eine Vorstellung nach § 57 Abs. 2 AVG zu entscheiden hat, berechtigt und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen verpflichtet, das Mandat in jeder Richtung, daher in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nach der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nach § 56 AVG bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen (VwGH 20.12.1983, 83/11/0030 = Slg. 11.272/A), allerdings nur im Rahmen dessen, was ‚Sache‘ des Mandatsbescheides gewesen ist.
Weist der Mandatsbescheid etwa einen Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurück, so hat die Vorstellungsbehörde ausschließlich darüber zu entscheiden, ob eine Sachentscheidung zu Recht verweigert wurde; die Entscheidung in der Sache selbst steht der Vorstellungsbehörde nicht zu, wie sich aus der Rechtsmittelfunktion der Vorstellung ergibt (VwGH 14.9.1994, 94/12/0081).“
11 Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 2020 bezog sich auf ein Vorschreibungsverfahren im Anwendungsbereich des VAJu, womit die zitierten Ausführungen auf den Revisionsfall übertragbar sind.
12 Soweit die Amtsrevision - allerdings erst an anderer Stelle, nämlich im Zuge der Ausführung der Revisionsgründe - auf § 7 Abs. 2 in der Fassung der Gerichtsgebühren-Novelle 2015, BGBl. I Nr. 156/2015 - GGN 2015, verweist, steht auch dies dem bisher Gesagten nicht entgegen. Wie die ErläutRV zur Neufassung des § 7 Abs. 2 GEG, 901 BlgNR XXV. GP 13 f, erklären, sollte „Problemen“ aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2014, Ro 2014/16/0075, sowie aus dort zitierter Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes entgegengewirkt werden, indem § 7 Abs. 2 GEG anordnen solle, dass über eine rechtzeitig erhobene Vorstellung der Mandatsbescheid stets außer Kraft trete. Die Formulierung lehne sich an § 249 Abs. 1 ZPO an. Verspätete oder unzulässige Vorstellungen (etwa solche, die von einer Person erhoben würden, an die sich der Zahlungsauftrag gar nicht richte) sollten hingegen kein Außerkrafttreten bewirken; solche Vorstellungen habe die Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Ansonsten habe die Behörde auch dann, wenn mit dem angefochtenen Mandatsbescheid Beträge nach § 1 vorgeschrieben würden, auszusprechen ob und inwieweit eine Zahlungspflicht bestehe. Sie könne daher entweder einen neuerlichen Zahlungsauftrag erlassen, wenn die in der Vorstellung vorgebrachten Einwendungen nicht stichhältig seien, oder aussprechen, dass keine Zahlungspflicht bestehe, wenn die Einwendungen zuträfen. Der letzte Satz im § 7 Abs. 2 GEG solle klarstellen, dass die Entscheidung, die aufgrund der Vorstellung ergehe, nicht neuerlich vom Kostenbeamten gefasst werden dürfe, gegen die dann wiederum (nur) eine Vorstellung erhoben werden könnte. Vielmehr habe die Behörde nach § 6 Abs. 1 GEG einen „Vollbescheid“ zu erlassen, der dann vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden könne.
13 Die Referenz der zitierten ErläutRV auf § 249 Abs. 1 ZPO bestätigt überdies die Ausführungen im zitierten Erkenntnis vom 27. November 2020 über die durch die „Sache“ des Mandatsbescheides vorgegebene Sache des Vorstellungsverfahrens, weil auch das Außerkrafttreten des Zahlungsbefehles durch rechtzeitige Erhebung des Einspruches am Streitgegenstand, der im Zivilverfahren durch Klagegrund und Klagebegehren (dort: in der Mahnklage) bestimmt wird, nichts ändert.
14 Soweit § 7 Abs. 2 idF GGN 2015 u.a. bestimmt, dass die Vorstellungsbehörde nicht an die Anträge der Partei gebunden ist, sondern auch über eine „weitergehende“ Zahlungspflicht absprechen kann, liegt auch darin keine Ermächtigung, von der durch die Sache des Mandatsbescheides vorgegebenen Sache des Vorstellungsverfahrens abzugehen oder diese zu überschreiten. Die Behörde kann daher innerhalb der Sache des Vorstellungsverfahrens auch entgegen dem Antrag einer Partei eine „weitergehende“, d.h. betraglich höhere Zahlungspflicht aussprechen, nicht jedoch für gebührenbegründende Sachverhalte, die nicht Gegenstand des Mandatsbescheides waren, weitere Zahlungspflichten auferlegen.
15 Damit gelingt es der Amtsrevision nicht, ein Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darzulegen, weshalb die Amtsrevision wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen ist.
Wien, am 5. Mai 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021160025.L00Im RIS seit
31.05.2021Zuletzt aktualisiert am
28.06.2021