TE Vwgh Beschluss 2021/5/7 Ra 2021/19/0075

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Veröffentlicht am 07.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs1
BFA-VG 2014 §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des U D in G, vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Messestraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Jänner 2021, I411 2137218-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigers, stellte am 10. Juli 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, homosexuell zu sein, weshalb ihm bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung drohen würde.

2        Mit Bescheid vom 22. September 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Niger zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

Begründend führte das BVwG aus, das Vorbringen zur Homosexualität des Revisionswerbers sei nicht glaubhaft. Dem Revisionswerber drohe im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte.

4        Mit Beschluss vom 10. März 2021, E 625/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5        In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG hätte die Homosexualität des Revisionswerbers, die dieser glaubhaft gemacht habe, zumindest während seines Lebens im Herkunftsstaat annehmen müssen. Es möge zwar zutreffen, dass der Revisionswerber jetzt nicht mehr homosexuell sei. Im Zeitpunkt der Flucht sei er dies (jedenfalls) gewesen, weshalb ihm im Herkunftsstaat unmenschliche Haftbedingungen drohen würden.

8        Der Verwaltungsgerichtshof ist (als Rechtsinstanz) zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 19.3.2021, Ra 2021/19/0072, mwN).

9        Das BVwG setzte sich in seiner Beweiswürdigung, in die es vor allem auch den gewonnenen persönlichen Eindruck des Revisionswerbers miteinfließen ließ, mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinander und erachtete dieses als nicht glaubhaft. Die Angaben des Revisionswerbers seien durchwegs vage, unsubstantiiert und allgemein gehalten gewesen und hätten sich in oberflächlichen und detailarmen Schilderungen erschöpft. Die Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers habe insbesondere erschüttert, dass er gegenüber der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, mittlerweile nicht mehr homosexuell zu sein, weil ihm sein Vater zu einer Umorientierung geraten habe. Zudem habe der Revisionswerber angegeben, keinen Verfolgungshandlungen durch Polizei und Behörden ausgesetzt gewesen zu sein.

10       Die Revision vermag mit ihrem allgemeinen Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass diese Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leide.

11       Die Revision rügt zudem, dass die im Rahmen der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK angesichts des siebenjährigen Aufenthalts des Revisionswerbers sowie seiner beruflichen und sozialen Verfestigung in Österreich zu seinen Gunsten hätte ausfallen müssen. Das BVwG habe das Parteienvorbringen, die Zeugenaussagen und die vorgelegten Urkunden betreffend die Integrationsfortschritte des Revisionswerbers völlig außer Acht gelassen.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar (vgl. VwGH 5.2.2021, Ra 2020/19/0322, mwN).

13       Das BVwG berücksichtigte sämtliche für die Interessenabwägung maßgeblichen Umstände und ging im Ergebnis von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich aus.

Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht darzutun, dass diese Interessenabwägung unvertretbar erfolgt wäre. Ob die einzelfallbezogene Abwägung, die zu einem zumindest vertretbaren Ergebnis gelangt ist, in jeder Hinsicht zutrifft, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2019/19/0524).

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190075.L00

Im RIS seit

04.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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