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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des R C in F, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in 5700 Zell/See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 15. Februar 2021, Zl. 405-12/56/1/25-2021, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach SPG und StPO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Salzburg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Abgabe von drei Schüssen, Anhalten des Revisionswerbers mithilfe eines Dienstfahrzeuges) durch Organe der Landespolizeidirektion Salzburg gemäß §§ 28 Abs. 1 und 6 VwGVG iVm § 33 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und § 1 Abs. 3 und § 2 StPO sowie § 2 und § 4 Waffengebrauchsgesetz 1969 (WaffGG) als unbegründet abgewiesen (I.), der Revisionswerber zu näher bezeichnetem Aufwandersatz verpflichtet (II.) und die Revision für nicht zulässig erklärt (III.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die einschreitenden Beamten seien aufgrund eines Rechtshilfeersuchens von Deutschland auf Anordnung der Staatsanwaltschaft im Rahmen von Observationsmaßnahmen im Zusammenhang mit möglichem Suchtmittelhandel über die Grenze zwischen Österreich und Deutschland im Einsatz gewesen und hätten auf Grundlage der vorliegenden Informationen auf vertretbare Weise annehmen können, dass der Revisionswerber im Begriff sei, Suchtgift zu verkaufen oder solches zu erwerben, auf jeden Fall einen Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz (SMG), insbesondere § 28a SMG zu begehen. Dieses Wissen habe die Beamten gemäß § 21 Abs. 2 SPG ermächtigt, den Revisionswerber zu verfolgen und zur Anhaltung zwecks Identitätsfeststellung und zur Durchsuchung nach Suchtmitteln anzuhalten. Auch sei ein begründeter Anfangsverdacht gemäß § 1 Abs. 3 StPO vorgelegen, der Revisionswerber begehe einen Verstoß gegen § 28a SMG, weshalb die Beamten auch aufgrund § 2 StPO zur Anhaltung des Revisionswerbers berechtigt gewesen seien. Die Abgabe dreier „Schreckschüsse“ sei nach § 4 WaffGG zulässig gewesen. Auch die Verwendung des Dienstfahrzeuges zur Anhaltung des Revisionswerbers sei durch § 97 Abs. 5 StVO gedeckt. Die gesetzten Maßnahmen seien gemäß § 29 SPG (mit näherer Begründung und Eingehen auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls) verhältnismäßig gewesen, zumal im Verfahren nicht bewiesen habe werden können, dass der Revisionswerber bewusst niedergefahren worden sei. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK komme nicht in Betracht.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision wendet sich mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen zunächst gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Einzelfall.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 6.4.2020, Ra 2019/01/0169, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung wird in der Revision nicht dargetan.
9 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Anwendung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt „in Form des Niederfahrens des auf einem Fahrrad befindlichen Revisionswerbers mit einem zivilen Dienstfahrzeug, ohne sich als Polizei auszuweisen“ dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspreche, entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt und kann schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darlegen (vgl. etwa VwGH 22.3.2021, Ra 2021/01/0074, mwN).
10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
11 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 7. Mai 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010128.L00Im RIS seit
31.05.2021Zuletzt aktualisiert am
14.07.2021