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L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 7. Oktober 2020, Zl. VGW-141/038/7590/2020-2, betreffend Kostenersatz für geleistete Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. Ö K und 2. S K, beide in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
I.
1 1. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (des Revisionswerbers) vom 7. Mai 2020 wurden die Mitbeteiligten gemäß § 24a Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG verpflichtet, die für den Zeitraum vom 1. November 2019 bis 29. Februar 2020 (für ihren Sohn) aufgewendeten Kosten für Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von € 672,-- zu ersetzen, weil ihrem Sohn ab dem 1. November 2019 ein Unterhaltsvorschuss in der Höhe von € 168,-- monatlich gewährt worden sei.
2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. Oktober 2020 gab das Verwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten statt und hob den Bescheid vom 7. Mai 2020 ersatzlos auf. Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde nicht zugelassen.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, § 24a WMG in der Fassung des LGBl. Nr. 2/2018 bestimme im Zusammenhalt mit den Erläuterungen angesichts der taxativen Aufzählung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 - AlVG und des Kinderbetreuungsgeldgesetzes - KBGG eindeutig, dass ein Kostenersatzanspruch des in einem bestimmten Zeitraum in Vorleistung getretenen Trägers der Mindestsicherung nur für solche Versicherungsleistungen nach dem ASVG und dem AlVG oder Leistungen nach dem KBGG bestehe, welche von dem an und für sich zuständigen Leistungsträger für diesen Zeitraum nachträglich (rückwirkend) zuerkannt bzw. ausbezahlt worden seien.
4 Ein nachträglich (rückwirkend) nach dem Unterhaltsvorschussgesetz 1985 - UVG zuerkannter bzw. ausbezahlter Unterhalt (Unterhaltsvorschuss) sei mangels taxativer Aufzählung des UVG in § 24a WMG demnach nicht unter die Kostenersatzpflicht nach dieser Bestimmung zu subsumieren.
5 3. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.
6 Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
7 1. Die vorliegende außerordentliche Revision, die die Heranziehung einer im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in Kraft befindlichen Gesetzesnorm durch das Verwaltungsgericht rügt, erweist sich als zulässig und als begründet.
8 2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Zusammenhang mit der Frage einer Kostenersatzpflicht nach § 24a WMG bereits ausgesprochen, dass hierbei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich ist, zumal es nicht um den Abspruch geht, was zu einem bestimmten Zeitpunkt (etwa jenem der Erlassung des verwaltungsbehördlichen Bescheides) oder in einem bestimmten Zeitraum rechtens war, sondern um die aktuelle Begründung einer Zahlungsverpflichtung der Bezieher von Mindestsicherungsleistungen (vgl. VwGH 27.3.2019, Ra 2018/10/0129, mwN).
9 3. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses (nach dem mit dem Akteninhalt übereinstimmenden Revisionsvorbringen am 14. Oktober 2020) war bereits § 24a WMG, LGBl. Nr. 38/2010 in der Fassung des LGBl. Nr. 49/2018, zu beachten. Diese Bestimmung, die nach Art. XIII der Novelle LGBl. Nr. 49/2018 an dem auf ihre Kundmachung folgenden Tag, sohin am 29. September 2018 in Kraft trat (und damit § 24a in der Fassung des LGBl. Nr. 2/2018 ersetzte), lautet:
10 „Kostenersatz bei rückwirkender Zuerkennung von Ansprüchen
§ 24a. Unterstützt das Land Wien als Träger der Mindestsicherung eine Bedarfsgemeinschaft für eine Zeit, in der eine oder mehrere Personen einen Anspruch auf Versicherungsleistungen nach dem ASVG oder dem AlVG oder auf Leistungen nach dem KBGG oder dem UVG oder einen Anspruch auf Unterhalt oder auf Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 haben, so sind alle anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die durch die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz in dieser Zeit entstanden sind. Der Kostenersatzanspruch besteht in voller Höhe der entstandenen Kosten, ohne Berücksichtigung eines Vermögensfreibetrages und unabhängig davon, ob Einkommen oder Vermögen vorhanden ist oder weiterhin eine Notlage besteht. Die Bestimmung des § 24 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.“
11 Die Kostenersatzpflicht nach § 24a WMG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 49/2018 erfasst daher im Unterschied zu der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Vorgängerbestimmung (§ 24a in der bis zum 28. September 2018 in Kraft gestandenen Fassung des LGBl. Nr. 2/2018) auch - die hier in Frage stehenden - Leistungen nach dem UVG.
12 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt und eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) geltende Fassung einer gesetzlichen Bestimmung herangezogen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
13 4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 7. Mai 2021
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100185.L00Im RIS seit
31.05.2021Zuletzt aktualisiert am
28.07.2021