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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BAO §235Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des J H in S, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 24. September 2020, Zl. RV/3100767/2015, betreffend u.a. Einkommensteuer 2001, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber war - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - von 1990 bis zu seiner Pensionierung bei einer deutschen Fluggesellschaft mit Einsatzflughafen München als Langstreckenpilot tätig und erzielte daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er lebte in den Streitjahren mit seiner Ehefrau und seinen zwei (damals) noch minderjährigen Kindern in Österreich, wo er auch seinen Lebensmittelpunkt hatte.
2 Wie bereits in den Vorjahren ersuchte der Revisionswerber bei der zuständigen Fachbereichsleiterin für internationales Steuerrecht seines Finanzamtes auch für das Jahr 2001 um Bestätigung des von ihm und seiner Ehegattin ausgefüllten Formulars der deutschen Finanzverwaltung betreffend „Antrag auf Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Arbeitnehmer“ nach § 1 Abs. 3 und § 1a des deutschen EStG. In diesem Formular hatten beide in der dafür vorgesehenen Rubrik angegeben, im Ansässigkeitsstaat (Österreich) im Jahr 2001 keine steuerpflichtigen Einkünfte bezogen zu haben. Die von der Fachbereichsleiterin im April 2002 erteilte Bestätigung erfolgte ausdrücklich zu der im Formular bereits vorgedruckten Formulierung, dass dem Finanzamt nichts bekannt sei, was zu den gemachten „Angaben über die persönlichen Verhältnisse und über die Einkommensverhältnisse in Widerspruch steht“.
3 Mit Hilfe dieser Bescheinigung stellte der Revisionswerber in Deutschland den Antrag, dort nach § 1 Abs. 3 iVm § 1a dEStG mangels Einkünften in Österreich als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden und die damit verbundenen steuerlichen Vorteile (wie zB. Zusammenveranlagung mit der Ehegattin, Kinderfreibeträge, die Geltendmachung von Sonderausgaben) in Anspruch nehmen zu können.
4 In der Folge forderte das Finanzamt den Revisionswerber auf, eine Einkommensteuererklärung für 2001 einzureichen.
5 In der vom Revisionswerber für das Jahr 2001 daraufhin eingereichten Einkommensteuererklärung wies dieser seine in Österreich zu versteuernden Einkünfte mit null aus und begründete dies damit, dass nach Art. 15 Abs. 5 DBA-Deutschland vom 24. August 2000 das Besteuerungsrecht dem Vertragsstaat zustehe, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befinde. Seine Arbeitgeberin sei eine GmbH in Deutschland, weshalb auch sein Arbeitslohn in Deutschland dem Lohnabzug unterworfen werde. Die Regelung sei daher vom Prinzip des Arbeitsortes getragen. Sollte das Finanzamt die Besteuerung auf die abstrakte Rechtsauskunft des Bundesministeriums für Finanzen vom 1. Dezember 1997, 04 1482/35-IV/4/97, EAS 1182, stützen, sei festzuhalten, dass diese nicht dem OECD-Musterabkommen entspreche.
6 Mit Einkommensteuerbescheid 2001 vom 28. April 2003 setzte das Finanzamt - ausgehend von der Annahme, dass der Revisionswerber nicht nur in Deutschland beruflich tätig geworden sei - den in Österreich zu versteuernden Anteil an den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (aufgrund von Vergleichswerten eines anderen im Bereich des Finanzamtes ansässigen und in Deutschland beschäftigten Piloten) im Schätzungswege fest. Gestützt auf Art. 9 Abs. 1 iVm Art. 15 Abs. 1 des bis Ende des Jahres 2002 in Geltung gestandenen österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, BGBl. Nr. 221/1955 (DBA-Deutschland 1954), vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass ein in Österreich ansässiger Pilot einer deutschen Fluggesellschaft, der auf internationalen Flügen eingesetzt werde, mit seinen Bezügen insoweit der österreichischen Einkommensbesteuerung unterliege, als die Bezüge auf eine außerhalb Deutschlands ausgeübte berufliche Tätigkeit entfielen. Nach Art. 9 des DBA-Deutschland 1954 erlange Deutschland nur insoweit das Besteuerungsrecht an den Bezügen, als diese auf einer dort ausgeübten Arbeit beruhten.
7 Dagegen erhob der Revisionswerber Berufung und beantragte im Jänner 2004 die Einleitung eines Verständigungsverfahrens mit Deutschland, das das Besteuerungsrecht im Streitjahr zur Gänze wahrgenommen habe.
8 In der Folge wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen vom Fachbereich für Internationales Steuerrecht für das Jahr 2001 ein Verständigungsverfahren mit dem Bundesamt für Finanzen in Bonn eingeleitet, das erst im Jahr 2009 abgeschlossen werden konnte und in dem Deutschland letztlich die von Österreich vertretene Ansicht hinsichtlich des Besteuerungsrechts Österreichs teilte, wobei im Rahmen der Konsultationsgespräche aufgrund der Angaben des Revisionswerbers und seiner Arbeitgeberin fallbezogen - aufgrund einer Schätzung des Ausmaßes der in Deutschland ausgeübten Tätigkeiten - eine Aufteilung der Besteuerung der Bezüge im Verhältnis von 60:40 auf Österreich und Deutschland vereinbart wurde.
9 Das Finanzamt unterzog daraufhin mit Berufungsvorentscheidung 60% der vom deutschen Finanzamt im deutschen Einkommensteuerbescheid für 2001 ausgewiesenen Bruttobezüge des Revisionswerbers aus seiner Tätigkeit als Pilot unter Anwendung des Progressionsvorbehalts der österreichischen Einkommensteuer.
10 Das deutsche Finanzamt gab auf Anfrage bekannt, das im Jahr 2009 erzielte Ergebnis des Verständigungsverfahrens sei in Deutschland für das Jahr 2001 in der Form umgesetzt worden, dass der Revisionswerber in dem am 29. Juni 2009 erlassenen deutschen Einkommensteuerbescheid für 2001 mit 40% der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht mehr der unbeschränkten, sondern der beschränkten Steuerpflicht unterzogen worden sei. Dies habe zur Folge gehabt, dass nach deutscher Rechtslage ein Ausgleich mit den von ihm erklärten Verlusten aus Gewerbebetrieb und Vermietung nicht mehr möglich gewesen sei.
11 Im Vorlageantrag vom 10. August 2015 führte der Revisionswerber u.a. aus, dem Finanzamt sei seit 1990 bekannt, dass er Berufspilot in Deutschland sei. Ungeachtet dessen habe es ihm jedes Jahr, so auch im Streitjahr 2001, bestätigt, dass weder er noch seine Ehegattin trotz ihrer Ansässigkeit in Österreich Einkünfte zu versteuern hätten. Er sei von der zuständigen Sachbearbeiterin des Finanzamtes auch nie darüber aufgeklärt worden, dass Teile seines Bezuges möglicherweise in Österreich der Einkommensteuer unterlägen. Er habe daher darauf vertrauen können, dass in Österreich keine Einkommensteuerpflicht gegeben sei. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Bestätigung habe er Dispositionen getroffen, die er bei Kenntnis der Unrichtigkeit der Bescheinigung nicht getroffen hätte, weshalb der Einkommensteuerbescheid 2001 wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben ersatzlos aufzuheben sei.
12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2001 nur teilweise Folge, indem es einzelne strittige Aufwendungen steuerlich anerkannte. Begründend führte es aus, der Revisionswerber sei im Inland unbeschränkt steuerpflichtig und ansässig. Bis Ende des Jahres 2002 sei das österreichisch-deutsche Doppelbesteuerungsabkommen vom 4. Oktober 1954, BGBl. Nr. 221/1955 idF BGBl. Nr. 361/1994, anzuwenden gewesen. Nach Art. 9 Abs. 1 iVm Art. 15 Abs. 1 dieses Abkommens habe Deutschland nur insoweit das Besteuerungsrecht an den Bezügen des Revisionswerbers aus nichtselbständiger Arbeit erlangt, als diese auf eine in Deutschland ausgeübte Arbeit entfallen seien. Soweit er auf internationalen Flügen eingesetzt gewesen sei, sei er mit seinen Bezügen als Pilot sohin insoweit der österreichischen Einkommensbesteuerung unterlegen (und sei korrespondierend in Deutschland von der Besteuerung freizustellen gewesen), als die Bezüge auf die außerhalb Deutschlands ausgeübte Tätigkeit entfallen seien. Erst nach dem neuen DBA Deutschland werde in OECD-konformer Weise das fliegende Personal von internationalen Luftfahrtgesellschaften im Staat der Geschäftsleitung des Luftfahrtunternehmens der Besteuerung unterzogen.
13 Die geltend gemachten Verluste aus einem „geschlossenen Flugzeugfonds“ seien aufgrund § 2 Abs. 2a Teilstrich 2 EStG 1988 steuerlich nicht anzuerkennen, weil diese aus der Beteiligung an einem Unternehmen stammten, dessen Unternehmensschwerpunkt in der gewerblichen Vermietung von Wirtschaftsgütern gelegen sei (Verlustbeteiligungsmodell). Ebensowenig könnten die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung für zwei im Jahr 1993 angeschaffte Ein-Zimmer-Appartements in Deutschland wegen Liebhaberei anerkannt werden. Im Hinblick auf den vom Revisionswerber geltend gemachten Grundsatz von Treu und Glauben sei darauf hinzuweisen, dass dieser nicht das Vertrauen der Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit ganz allgemein schütze, sondern die Abgabenbehörde grundsätzlich verpflichtet sei, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Der Umstand, dass das Finanzamt die Einkünfte des Revisionswerbers aus nichtselbständiger Arbeit in den Jahren vor 2001 nicht (anteilig) besteuert und ihm die gegenständliche Bescheinigung ausgestellt habe, habe das Finanzamt daher nicht daran gehindert, im Streitjahr eine Besteuerung vorzunehmen, nachdem es seine bisherige Vorgangsweise als rechtswidrig erkannt habe. Für das Jahr 2001 habe durch das im Jahr 2004 eingeleitete und im Jahr 2009 abgeschlossene Verständigungsverfahren mit Deutschland eine Doppelbesteuerung jedenfalls beseitigt werden können.
14 Zudem sei im bisherigen Verfahren bereits darauf hingewiesen worden, dass die gegenständliche Bescheinigung des Finanzamtes für das Jahr 2001 nicht ursächlich für die vom Revisionswerber in Deutschland vorgenommenen Dispositionen sei. Wie sich auch aus den nunmehrigen Erhebungen ergeben habe, handle es sich bei diesen Dispositionen um eine bereits im Jahr 2000 auf 10 Jahre eingegangene Beteiligung an einer Personengesellschaft und um den Ankauf von zwei neuen Eigentumswohnungen von je 37 m² im Jahr 1993. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für 2001 sei sohin nicht gegeben, zumal die aus der Beteiligung aus der Personengesellschaft (Leasing Fonds) und aus der Vermietung der Wohnungen erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. Vermietung und Verpachtung nach dem DBA-Deutschland jedenfalls Deutschland zugewiesen seien, unabhängig davon, ob Österreich das Besteuerungsrecht an den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wahrgenommen habe oder nicht. Der Umstand, dass der Revisionswerber in der Vergangenheit in Deutschland eine Beteiligung eingegangen sei und zwei Wohnungen zu Vermietungszwecken angeschafft habe, was sich für ihn in Deutschland für einen bestimmten Zeitraum oder bestimmte Jahre steuerlich günstig ausgewirkt habe, könne nicht dazu führen, dass Österreich auf einen Steueranspruch verzichte, um dem Revisionswerber die steuerlichen Vorteile aus seiner Beteiligung und Vermietung in Deutschland zu erhalten.
15 Der weitere Einwand des Revisionswerbers, diese Verluste seien im Rahmen eines Schadenersatzanspruches in Österreich anzusetzen, entbehre jeder rechtlichen Grundlage. Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch nicht vorlägen, sei dem Steuerrecht ein Verlustausgleich mit anderen Einkünften „als Schadenersatz“ fremd.
16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Als Revisionspunkt macht der Revisionswerber geltend, er erachte sich durch das angefochtene Erkenntnis „in seinem subjektiven Recht darauf, aufgrund der von der belangten Behörde (unrichtig) ausgestellten Bestätigung, wonach er keine steuerpflichtigen Einkünfte in Österreich bezogen habe, nicht zur Zahlung von Einkommensteuer für das Jahr 2001 verpflichtet zu werden,“ verletzt.
17 Zur Zulässigkeit der Revision führte der Revisionswerber aus, das Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Grundsatz von Treu und Glauben ab bzw. es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob der Grundsatz von Treu und Glauben in Fällen wie dem vorliegenden auch in Bezug auf die Beseitigung von allen für den Steuerpflichtigen negativen Folgen einer unrichtigen Bestätigung seitens des Finanzamts anzuwenden sei. Im Revisionsfall habe die Erlassung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2001 dazu geführt, dass er nur noch als beschränkt steuerpflichtig in Deutschland gegolten und deshalb steuerliche Begünstigungen verloren habe. Es sei also nicht nur zu einer Doppelbesteuerung gekommen, sondern vielmehr sei es die direkte Folge der Doppelbesteuerung gewesen, dass er die steuerlichen Vergünstigungen, zu deren Erreichung er Dispositionen in Deutschland getroffen habe, weder in Deutschland noch in Österreich habe geltend machen können und so im Ergebnis wesentlich mehr an Steuern habe zahlen müssen, als bei nicht erfolgter Doppelbesteuerung. Dies wäre nicht erfolgt, wenn entsprechend der ausgestellten Bestätigung, dass er keine Einkünfte in Österreich erziele, kein Einkommensteuerbescheid für 2001 erlassen worden wäre. Der Revisionswerber hätte diesfalls weiterhin als unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland gegolten und die steuerlichen Vergünstigungen aus Gewerbetrieb und Vermietung geltend machen können. Das angefochtene Erkenntnis entspreche auch nicht § 236 Abs. 1 BAO, wonach fällige Abgabenschuldigkeiten durch Abschreibung nachgesehen werden könnten, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Soweit überblickbar, habe der Verwaltungsgerichtshof noch keine Gelegenheit gehabt, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob auch solche Nachteile, die infolge Verletzung von Treu und Glauben durch den Verlust steuerlicher Vergünstigungen im Ausland entstünden, wieder gut zu machen seien.
18 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
19 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
22 Die vorliegende Revision möchte eine Nichtbesteuerung der revisionsgegenständlichen Bezüge in Österreich aus einer Verletzung von Treu und Glauben ableiten. Dass Österreich für diese Bezüge, soweit sie auf außerhalb Deutschlands ausgeübte berufliche Tätigkeiten entfallen, im Streitjahr nach dem damals geltenden DBA Österreich-Deutschland 1954 mangels einer darin enthaltenen Spezialregelung für internationales Bordpersonal das Besteuerungsrecht zukam, bestreitet sie hingegen nicht. Ebensowenig wendet sie sich gegen die rechtliche Qualifikation der steuerlich nicht anerkannten Aufwendungen durch das BFG.
23 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, kann der Grundsatz von Treu und Glauben jedoch nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. für viele VwGH 3.9.2019, Ra 2019/15/0081, sowie 22.3.2010, 2007/15/0256, mwN). Ein derartiger Vollzugsspielraum besteht im Revisionsfall nicht. Dem BFG kam daher keine Befugnis zu, von der gesetzlich entstandenen Abgabenschuld abzugehen.
24 Die Revision verkennt mit ihrem Vorbringen, dass Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Abgabenschuld einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns - entsprechend dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenverwaltung - ausschließlich durch das Gesetz (bzw Verordnungen) geregelt sind (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/15/0030).
25 Diese sehen nicht vor, dass die Abgabenschuld ungeachtet der Verwirklichung des Abgabentatbestandes nicht entstünde oder zum Wegfall gelangte. Auch die vom Revisionswerber dazu angestellten Schadensausgleichsüberlegungen sind nicht Gegenstand eines Abgabenfestsetzungsverfahren. Es liegt auch kein Fall des § 206 BAO vor.
26 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Bescheinigung, aus der der Revisionswerber eine Verletzung von Treu und Glauben ableiten möchte, ein Vordruck der deutschen Finanzverwaltung war, auf dem das österreichische Finanzamt lediglich bestätigte, dass der Bescheinigungswerber einerseits seinen Wohnsitz in Österreich habe und andererseits dem Finanzamt im Bescheinigungszeitpunkt keine zu den Angaben des Revisionswerbers in Widerspruch stehenden Umstände bekannt seien.
27 Damit wird augenscheinlich, dass die primäre Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben beim Bescheinigungswerber selbst lag, zumal der Bescheinigung keine umfassende Abgabenprüfung vorausging und der Bescheinigungswerber im Bescheinigungszeitpunkt auch keinerlei Abgabenerklärungen in Österreich eingereicht hatte. Das Finanzamt bestätigte nur, dass ihm (aus damaliger Sicht) nichts bekannt sei, was zu den vom Revisionswerber (und seiner Ehefrau) gemachten Angaben über die persönlichen Verhältnisse und über die Einkommensverhältnisse (gemeint wohl: die Verhältnisse im Tatsachenbereich) in Widerspruch stehe. Eine rechtliche Qualifikation von Einkünften aus einer außerhalb Deutschlands erbrachten Tätigkeit oder hinsichtlich einer doppelbesteuerungsrechtlichen Frage kann aus der gegenständlichen Bescheinigung des Finanzamts nicht abgeleitet werden.
28 Unverständlich ist das Revisionsvorbringen betreffend § 236 Abs. 1 BAO. Sache des bekämpften Bescheides des Finanzamtes und damit des Beschwerdeverfahrens war die Abgabenvorschreibung, nicht die Nachsicht nach § 236 BAO.
29 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. Mai 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021150001.L00Im RIS seit
03.06.2021Zuletzt aktualisiert am
14.07.2021