TE Vwgh Beschluss 2021/5/11 Ra 2021/14/0057

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art2
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des AB, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2020, I417 2203182-1/30E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 28. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2        Mit Bescheid vom 5. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. Oktober 2020 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 9. Dezember 2020, E 4185/2020-5, ablehnte. Mit Beschluss vom 4. Jänner 2021, E 4185/2020-7, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die vorliegende Revision eingebracht.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In seinem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision wendet sich der Revisionswerber zunächst gegen die Versagung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und macht in diesem Zusammenhang Verfahrensmängel geltend. Er bringt dazu vor, dass aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervorgehe, welche Region als Herkunftsort oder als innerstaatliche Fluchtalternative vom Bundesverwaltungsgericht herangezogen worden sei, sodass es auch an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der Situation, die den Revisionswerber als sunnitischen Araber in dieser Region erwarte, mangle. Auch im Hinblick auf die festgestellte Diabeteserkrankung des Revisionswerbers und seiner medizinischen Versorgung hänge es maßgeblich davon ab, aus welcher Region er stamme und es hätten einschlägige Feststellungen dazu getroffen werden müssen.

9        Werden Verfahrensmängel - wie hier Feststellungs-, Begründungs- und Ermittlungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 28.12.2020, Ra 2020/14/0528, mwN).

10       Eine diesen Anforderungen entsprechende Relevanzdarlegung lässt die Revision vermissen.

11       Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Beurteilung zu Grunde, dass es sich beim Revisionswerber um einen - trotz Diabetes - arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung und vielfältiger Berufserfahrung handle, der über ein familiäres Netzwerk im Irak verfüge. Es berücksichtigte aktuelle Länderberichte und traf Feststellungen zur Sicherheitslage im Irak. Die Revision, die diesen Feststellungen nicht entgegentritt, zitiert zwar aus den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Länderfeststellungen und aus namentlich genannten Berichten zur Lage der Sunniten im Irak, führt jedoch nicht aus, welche weiteren oder sonstigen entscheidungswesentlichen Feststellungen fallbezogen in Bezug auf die persönliche Situation des Revisionswerbers und seine individuellen Umstände zu treffen gewesen wären und weshalb diese zu einer abweichenden Entscheidung hätten führen können.

12       Der Revisionswerber vermag somit nicht aufzuzeigen, dass von der Rechtsprechung geforderte exzeptionelle Umstände, welche die Annahme einer realen Gefahr einer drohenden Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat rechtfertigen würden, vorlägen (vgl. VwGH 28.12.2020, Ra 2020/14/0554, mwN).

13       Soweit die Revision das Ergebnis der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK für unzutreffend erachtet, ist festzuhalten, dass diese nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 2.2.2021, Ra 2020/14/0488, mwN).

14       Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der im Einzelfall vorgenommenen Gewichtung der festgestellten Umstände - darunter auch die in der Revision ins Treffen geführten Integrationsbemühungen des Revisionswerbers sowie seiner Beziehung - die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte.

15       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 11. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140057.L01

Im RIS seit

04.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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