Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan LL.M. als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** R***** als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stephan Riel ua Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. L***** R*****, vertreten durch HSP Rechtsanwälte GmbH, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2021, GZ 38 R 121/20f-28, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen haben die auf § 30 Abs 2 Z 7 MRG gestützte Aufkündigung für rechtswirksam erkannt und den Beklagten zur Räumung der als Geschäftsräume gemieteten Bestandsräumlichkeiten (ärztliche Ordination samt Garage) verurteilt, weil seit ca drei Jahren eine regelmäßige geschäftliche Tätigkeit im Sinne des Vertragszwecks nicht mehr vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die außerordentliche Revision des Beklagten spricht keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung an:
[3] 1.1 Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG setzt nach ständiger Rechtsprechung das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form voraus (RIS-Justiz RS0070431). Der Mieter hat die gemieteten Geschäftsräume grundsätzlich zu dem ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Vertragszweck zu verwenden. Verwendet er sie zu einem anderen Zweck, dann ist die Gleichwertigkeit zu prüfen (RS0070410 [T4]).
[4] 1.2 Sowohl die Prüfung des bedungenen Vertragszwecks (RS0042776 [T21]: Umfang des Gebrauchsrechts]) als auch der tatsächlichen Verwendung eines Bestandobjekts hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0070410 [T5]: Prüfung der geschäftlichen Tätigkeit). Eine Entscheidung kann daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen, wenn dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (5 Ob 98/18z).
[5] 2. Eine solche vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde das aufgekündigte (zum Betrieb als ärztliche Ordination bzw zu Bürozwecken samt Garage vermietete) Mietobjekt vom mittlerweile 73jährigen Beklagten seit Jahren nur mehr für zwei Stunden pro Woche für die Behandlung von Patienten benützt. Der Beklagte reduzierte damit seine frühere (dem Mietvertrag entsprechende) Tätigkeit in der Ordination um 80 %. Er behandelt im Monat maximal vier bis acht Patienten, zum Teil nur zwei. Angestellte sind in der Ordination nicht tätig, es gibt dort auch keine Unterlagen.
[6] 3. Auf Basis dieses festgestellten Sachverhalts ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Verwendung des Mietobjekts in einem so geringen Ausmaß könne nicht mehr als geschäftliche Tätigkeit im Sinne des Vertrags angesehen werden, jedenfalls vertretbar.
[7] 4.1 Unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 98/18z kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründet werden. In dieser zurückweisenden Entscheidung hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass die Nutzung eines Büros nur dann iSd § 30 Abs 2 Z 7 MRG eine regelmäßige Verwendung zu geschäftlichen Zwecken ist, wenn sie während eines beachtlichen Zeitraums pro Jahr bzw während mehrerer Tage pro Woche erfolgt. Der Beklagte rügt, dass ein Büro mit einer Ordination hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Verwendung nicht zu vergleichen sei. Er blendet dabei aus, dass das Berufungsgericht ohnedies von einer nur beschränkten Vergleichbarkeit ausgegangen ist. Weder das Berufungsgericht noch das Erstgericht haben vertreten, dass eine geschäftliche Tätigkeit bei einer Ordination die tägliche Nutzung voraussetze. Die Vorinstanzen sahen den Kündigungsgrund aber deshalb als gegeben an, weil der Beklagte seine bisherige geschäftliche Tätigkeit um 80 % auf insgesamt bloß zwei Stunden pro Woche reduziert hat.
[8] 4.2 Dem tritt das Rechtsmittel argumentativ nur mit dem Hinweis entgegen, dass die Ordination dessen ungeachtet nach wie vor „regelmäßig verwendet wird“. Dabei lässt der Beklagte außer Betracht, dass es bei der Beurteilung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 7 MRG nicht nur auf die Regelmäßigkeit, sondern auch auf die Intensität der geschäftlichen Tätigkeit ankommt (RS0070431; jüngst 3 Ob 147/20v). Wenn die Vorinstanzen daher nicht bloß auf den Umstand abstellten, dass das Bestandobjekt vom Beklagten überhaupt noch für seine Tätigkeit als Arzt verwendet wird, sondern (auch) das konkrete Ausmaß der Verwendung berücksichtigten, entspricht das der Rechtsprechung. Eine im Mietgegenstand nur noch (sehr) selten ausgeübte geschäftliche Tätigkeit der nach dem Vertrag bedungenen Art wird demnach nicht als gleichwertig angesehen (zB 7 Ob 608/85 [nur mehr äußert seltene Verwendung des als Verkaufslokal gemieteten Objekts zu Kontakt mit Kunden]; 3 Ob 534/94 [starker Rückgang einer Verkaufstätigkeit]; RS0070381).
Textnummer
E131706European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00062.21B.0420.000Im RIS seit
02.06.2021Zuletzt aktualisiert am
18.01.2022