TE OGH 2021/4/21 1Ob62/21f

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Veröffentlicht am 21.04.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers B***** R*****, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH, Wien, gegen die Antragsgegnerin A***** AG, *****, wegen Entschädigung nach § 20 lit c Starkstromwegegesetz 1968, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. Februar 2021, GZ 12 R 2/21g-7, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 13. Jänner 2021, GZ 5 Nc 1/21s-4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]       Der Antragsteller ist Eigentümer einer aus mehreren Grundstücken bestehenden Liegenschaft.

[2]            Mit Bescheid vom 14. 5. 2020 räumte die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie der Antragsgegnerin auf Grundstücken des Antragstellers gemäß §§ 18 bis 20 Starkstromwegegesetz 1968 iVm dem „Eisenbahnenteignungsgesetz“ mehrere Dienstbarkeiten ein (Punkt I.) und sprach dem Antragsteller gemäß § 20 lit b Starkstromwegegesetz 1968 einen einmaligen pauschalen Entschädigungsbetrag von 78.811,46 EUR zu (Punkt II.). Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 28. 5. 2020 zugestellt. Er erhob dagegen Beschwerde beim zuständigen Landesverwaltungsgericht.

[3]       Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 8. 1. 2021 wurde der erstinstanzliche Bescheid (zu Punkt I.) in Teilen abgeändert, die Beschwerde im Übrigen als unbegründet abgewiesen und die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Diese Entscheidung wurde dem Antragsteller am 11. 1. 2021 zugestellt.

[4]       Am selben Tag brachte der Antragsteller beim Erstgericht den Antrag auf Festsetzung der Entschädigung für die zwangsweise Einräumung der Dienstbarkeiten nach dem Starkstromwegegesetz 1968 durch den Bescheid vom 14. 5. 2020 mit 139.567,75 EUR ein. Zur Zulässigkeit führte er aus, er habe seinen Antrag gemäß § 20 lit c Starkstromwegegesetz 1968 fristgerecht eingebracht, weil ihm der Bescheid am 28. 5. 2020 zugestellt worden sei.

[5]       Das Erstgericht wies – nachdem es von der Bundesministerin die Auskunft erhalten hatte, das Verfahren sei aufgrund einer Beschwerde beim zuständigen Landesverwaltungsgericht anhängig, das noch keine Entscheidung getroffen habe – den Antrag (ohne die Antragsgegnerin beizuziehen) zurück. Gemäß § 20 (lit c) Starkstromwegegesetz 1968 könne jede Partei binnen drei Monaten ab Erlassung des die Entschädigung bestimmenden Bescheids die Feststellung des Entschädigungsbetrags beim zuständigen Landesgericht begehren. Vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sei der Bescheid bereits mit seiner Erlassung in formelle Rechtskraft erwachsen, weil dagegen nur die Beschwerde an einen Gerichtshof des öffentlichen Rechts zulässig gewesen sei. Die Formulierung „ab Erlassung des die Entschädigung bestimmenden Bescheids“ in § 20 lit c Starkstromwegegesetz 1968 müsse in diesem Lichte ausgelegt werden. Nach der Judikatur zur (vergleichbaren) sukzessiven Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Festsetzung der Entschädigung infolge Enteignung durch die Verwaltungsbehörde (§ 117 Abs 4 WRG) vertrete der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 31/19v aufgrund teleologischer Erwägungen die Ansicht, auch eine ordentliche Revision gegen die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts schiebe den Fristenlauf zur Anrufung des Gerichts weiter hinaus. Der Zweck des hinausgeschobenen Beginns der Frist zur Anrufung des Gerichts, wenn die Entscheidung hinsichtlich des Zwangsrechts angefochten werde, bestehe darin, die mit dem Zwangsrecht belastete Partei davor zu schützen, bereits einen mit Kosten verbundenen Antrag auf Entscheidung der Entschädigungsfrage durch das Gericht stellen zu müssen, obwohl sich dieser – aufgrund der möglichen Abänderung der Entscheidung über das Zwangsrecht – im Nachhinein als unnötig erweisen könne. Der Partei, in deren Rechte eingriffen werde, solle im Sinne der Prozessökonomie zugestanden werden, die abschließende Beurteilung der Rechtmäßigkeit des entschädigungsbegründenden Eingriffs im dafür vorgesehenen Verfahren ohne Risiko eines möglicherweise frustrierten Verfahrensaufwands abzuwarten. Diese Gefahr bestehe nicht nur, wenn gegen einen Bescheid erster Instanz ein Rechtsmittel erhoben werde, sondern auch wenn eine ordentliche Revision ergriffen werde, weil auch hier die Berechtigung des Eingriffs als Grundlage für eine meritorische Entscheidung des Gerichts noch nicht feststehe. Diese Ansicht gelte auch im Fall einer außerordentlichen Revision.

„Würde man nunmehr § 20 lit c Starkstromwegegesetz 1968 so auslegen, dass der Fristenlauf bereits mit dem Akt der Bescheiderlassung beginne, so würde die Frist einerseits unabhängig von der Bescheidzustellung zu laufen beginnen. Andererseits würde dies auch dazu führen, dass uU ein gerichtliches Verfahren zur Festsetzung der Entschädigung durchgeführt wird, obwohl der Bescheid, mit dem die Zwangsrechte (nicht rechtskräftig) eingeräumt und ein Entschädigungsbetrag zugesprochen wurde, im verwaltungsrechtlichen Instanzenzug aufgehoben oder abgeändert wird. Das würde bedeuten, dass das gerichtliche Verfahren vor dem Verwaltungsverfahren beendet sein könnte, was zu unzulässigen Kompetenzüberschreitungen zwischen Justiz und Verwaltung und vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnissen führen würde.“

[6]       Im vorliegenden Fall stehe nicht fest, ob der Antragsgegnerin die beantragte Einräumung von Dienstbarkeiten auch tatsächlich zugesprochen werde und sie daher überhaupt berechtigt sei, die Grundstücke des Antragstellers in Anspruch zu nehmen. Da § 20 lit c Starkstromwegegesetz 1968 so auszulegen sei, dass die Frist zur Anrufung des Gerichts im Sinne einer sukzessiven Kompetenz erst ab „rechtskräftiger Enteignung“ ausgelöst werde, erweise sich der Antrag des Antragstellers vom 11. 1. 2021 als unzulässig und sei daher zurückzuweisen.

[7]       Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Rechtlich führte es aus, in der Entscheidung zu AZ 4 R 46/20t habe das Rekursgericht die vom Obersten Gerichtshof zu 1 Ob 31/19v offen gelassene Frage, ob auch eine außerordentliche Revision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Frist des § 117 Abs 4 WRG aufschiebe, dahin beurteilt, dass die darin angestellten teleologischen Erwägungen auch auf diesen Fall übertragbar seien. Auch in diesem Fall wäre letztlich eine Abänderung der eingeräumten Zwangsrechte möglich und die Berechtigung des Eingriffs stehe noch nicht endgültig fest. Eine außerordentliche Revision schiebe daher die Frist nach § 20 lit c Starkstromwegegesetz 1968 auf. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts sei dem Antragsteller am 11. 1. 2021 zugestellt worden. Die sechswöchige Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision sei zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (13. 1. 2021) noch nicht abgelaufen gewesen.

[8]       Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof die Frist für die Anrufung des (Landes-)Gerichts zur Festsetzung der Höhe der Entschädigung hinausschiebe, noch nicht vorliege.

[9]       Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers, in dem er die Abänderung im Sinn einer Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen anstrebt.

[10]     Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[11]           1. Der Antragsteller argumentiert im Wesentlichen, aus der Entscheidung zu 1 Ob 31/19v sei abzuleiten, dass die endgültige meritorische Entscheidung nur dann nicht feststehe, wenn eine „Bescheidbeschwerde“ anhängig sei oder eine ordentliche Revision ergriffen werde. Hier liege die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts bereits vor, das die ordentliche Revision nicht zugelassen habe. Der außerordentlichen Revision komme nicht automatisch aufschiebende Wirkung zu. Mit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts sei eine rechtskräftige Entscheidung ergangen, die die Antragsgegnerin berechtige, bereits den Antrag auf Einverleibung der Zwangsdienstbarkeit zu stellen.

[12]     2. Die maßgebliche Bestimmung des § 20 Starkstromwegegesetz 1968 (BGBl 1968/70 idF Art XXXII § 15 AußStrG-BegleitG, BGBl I 2003/112; kurz: StarkstromwegeG) lautet auszugsweise:

„Auf das Enteignungsverfahren und die behördliche Ermittlung der Entschädigung sind die Bestimmungen des Eisenbahnenenteignungsgesetzes 1954, BGBl Nr 71, sinngemäß mit nachstehenden Abweichungen anzuwenden:

a) Über den Inhalt, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung sowie über die Entschädigung entscheidet die Behörde.

b) Die Höhe der Entschädigung ist auf Grund der Schätzung wenigstens eines beeideten Sachverständigen im Enteignungsbescheid oder in einem gesonderten Bescheid zu bestimmen; im letzteren Fall ist ohne weitere Erhebungen im Enteignungsbescheid ein vorläufiger Sicherstellungsbetrag festzulegen.

c) Jede der beiden Parteien kann binnen drei Monaten ab Erlassung des die Entschädigung bestimmenden Bescheides (lit b) die Feststellung des Entschädigungsbetrages bei jenem Landesgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Der Bescheid der Behörde tritt hinsichtlich des Ausspruchs über die Entschädigung mit Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Der Antrag an das Gericht auf Feststellung der Entschädigung kann nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden.

d) Ein erlassener Enteignungsbescheid ist erst vollstreckbar, sobald der im Enteignungsbescheid oder in einem gesonderten Bescheid bestimmte Entschädigungsbetrag oder der im Enteignungsbescheid festgelegte vorläufige Sicherstellungsbetrag (lit b) gerichtlich hinterlegt oder an den Enteigneten ausbezahlt ist.

...“

[13]     Mit § 20 lit c StarkstromwegeG normiert der Gesetzgeber – vergleichbar dem eisenbahnrechtlichen Enteignungsverfahren – eine sukzessive Kompetenz (VwGH 2008/05/0214; vgl 4 Ob 174/17t). Sieht eine gesetzliche Regelung ein vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren zwingend vor und wird das Gericht schon vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens angerufen, ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0122665).

[14]           3. Zum Fristenlauf für die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 18 Abs 1 dritter Satz EisbEG und auch dem (auf dieses Gesetz verweisenden) § 117 WRG judizierte der Oberste Gerichtshof zunächst, dass die dort vorgesehene gesetzliche Frist grundsätzlich mit der Zustellung jener Sachentscheidung über die Enteignung beginnt, die mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden kann (1 Ob 95/07p; 1 Ob 178/14d; RS0122231).

[15]           Nach der vor Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich herrschenden Rechtsprechung galt als maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Antragsfrist (grundsätzlich) die Zustellung der Entscheidung der Verwaltungsbehörde zweiter Instanz unabhängig davon, ob eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde (8 Ob 20/21f mwN; vgl RS0053750).

[16]           4. Nach Einführung der meritorischen Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofs mit (nunmehr) § 42 Abs 4 VwGG idF
des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013 (BGBl I 2013/33) und nach Schaffung eines dem System der ZPO nachgebildeten Revisionsverfahrens gegen Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte stellte der Fachsenat des Obersten Gerichtshofs zu 1 Ob 63/17x zur – mit § 20 lit c StarkstromwegeG vergleichbaren – Bestimmung des § 117 Abs 4 WRG bereits klar, dass die Frist zur Anrufung des Gerichts nach dieser Bestimmung nicht vor dem „endgültigen Feststehen“ der wasserrechtlichen Bewilligung oder des Zwangsrechts zu laufen beginnt. Die Zustellung des sowohl über die Entschädigung als auch über den diese auslösenden Rechtseingriff absprechenden erstinstanzlichen Bescheids kann die in § 117 Abs 4 WRG vorgesehene Frist für die Anrufung des Gerichts daher noch nicht auslösen.

[17]           5. Diese Auffassung wurde in der bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 1 Ob 31/19v (= SZ 2019/44) auch für den Fall vertreten, dass zwar ein nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs formell rechtskräftiges Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vorliegt, dagegen aber ein weiterer Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof zugelassen und dieser auch beschritten wurde. Auch in einem solchen Fall bestehe kein Zweifel daran, dass über den die Entschädigungspflicht auslösenden Rechtseingriff (das eingeräumte Zwangsrecht) noch nicht endgültig entschieden wurde. Den Grund dafür sah der erkennende Senat in teleologischen Erwägungen. Der Zweck des hinausgeschobenen Beginns der Frist zur Anrufung des Gerichts bei gemeinsamer Entscheidung über ein Zwangsrecht und die sich daraus ergebende Entschädigung besteht demnach darin, im Fall, dass diese Entscheidung von der durch das Zwangsrecht belasteten Partei angefochten wird, diese davor zu schützen, bereits einen mit Kosten verbundenen Antrag auf Entscheidung der Entschädigungsfrage durch das Gericht stellen zu müssen, obwohl sich dieser – aufgrund möglicher Abänderung der Entscheidung über das Zwangsrecht – im Nachhinein als unnötig erweisen könnte. Ob auch eine außerordentliche Revision im Sinn des § 28 Abs 3 VwGG gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs die Frist des § 117 Abs 4 WRG (weiter) aufschieben würde, war nicht zu beurteilen.

[18]           6. Zur Frage der Auswirkungen einer gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts erhobenen außerordentlichen Revision nahm der Oberste Gerichtshof kürzlich zu 8 Ob 20/21f Stellung. Gegenstand war die Einräumung einer Dienstbarkeit der Duldung der permanenten Rodung, der Errichtung, des Betriebs und der Wartung einer Seilbahn. Gemäß § 17 Abs 2 EisbEG wurde dafür eine Entschädigung festgesetzt. Der Liegenschaftseigentümer hatte das Gericht zur Entschädigungsfrage bereits angerufen, obwohl das Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof über die von ihm erhobene außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts noch anhängig war. Der 8. Senat wendete die Grundsätze der Entscheidung 1 Ob 31/19v sinngemäß an. Es obliege allein dem Verwaltungsgerichtshof, ohne Bindung an den Zulassungsausspruch des Verwaltungsgerichts zu beurteilen, ob die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG abhänge. Eine endgültige Entscheidung über den die Entschädigung begründenden Rechtseingriff liege auch in diesem Fall daher erst dann vor, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit des außerordentlichen Rechtsmittels geprüft und darüber entschieden habe. Die Frist zur Anrufung des Außerstreitgerichts nach § 18 Abs 1 EisbEG beginne erst mit der Zustellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über eine nicht absolut unzulässige, rechtzeitig erhobene außerordentliche Revision.

[19]           7. An diese Erwägungen ist auch für den vorliegenden Fall anzuknüpfen. Der Wortlaut des § 20 lit c StarkstromwegeG spricht zwar von einer dreimonatigen Frist „ab Erlassung des die Entschädigung bestimmenden Bescheids“. Nach den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung (ErläutRV 625 BlgNR 11. GP 12) soll über die Entschädigung zunächst die mit der Materie in der Regel besser vertraute Behörde entscheiden und die Befassung des Gerichts nur über ausdrücklichen Auftrag erfolgen. In der Literatur wurde bereits (vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 2012/51) zu dieser Bestimmung die Ansicht vertreten, dass das gerichtliche Verfahren „stets erst nach rechtskräftigem Abschluss des Enteignungsverfahrens eingeleitet werden“ kann (Neubauer/Onz/Mendel, StWG [2010] § 20 Rz 55).

[20]           Die zu Punkt 5. und 6. dargelegten teleologischen Erwägungen sprechen unter Bedachtnahme auf die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit und das Zulassungssystem dafür, den unverändert gebliebenen Ausdruck „Erlassung des die Entschädigung bestimmenden Bescheids“ in § 20 lit c StarkstromwegeG als unbeabsichtigt überschießend weit gefasst anzusehen. Die Möglichkeit, die Enteignung beim Verwaltungsgericht und letztlich auch beim Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen, hat eine verdeckte Lücke entstehen lassen, der methodisch mittels teleologischer Reduktion (vgl RS0008979) zu begegnen ist. Diese soll die „ratio legis“ gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut durchsetzen, weil eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen und dem Zweck des Gesetzes nicht getroffen wird (RS0008979 [T3]). Der Ausdruck „Erlassung des die Entschädigung bestimmenden Bescheids“ ist demnach dahin zu reduzieren, dass die Entscheidung nur unter der Voraussetzung als „erlassen“ anzusehen ist und die dreimonatige Frist auslöst, wenn eine Enteignung (vgl §§ 18 f StarkstromwegeG) – die die Grundlage des Entschädigungsbetrags bildet – endgültig feststeht. Endgültig entschieden muss demnach über den Inhalt, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung (vgl § 20 lit a StarkstromwegeG) sein; diese Fragen waren hier Gegenstand des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts. Vor Ablauf der Frist von sechs Wochen zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 B-VG (§ 82 Abs 1 VfGG) oder zur Erhebung einer (auch außerordentlichen) Revision an den Verwaltungsgerichtshof (§ 26 Abs 1 VwGG) steht aber nicht endgültig fest, ob überhaupt und in welchem Umfang es zu einer die Entschädigung auslösenden Enteignung kommt. Demgegenüber hat das Formalargument des Revisionsrekurswerbers, mangels aufschiebender Wirkung könne die Antragsgegnerin ihre Rechte aus dem Erkenntnis über die Enteignung bereits durchsetzen, in den Hintergrund zu treten.

[21]           8. Zusammenfassung:

[22]     Die Frist nach § 20 lit c StarkstromwegeG von drei Monaten wird nicht bereits mit der (erstinstanzlichen) Erlassung des die Entschädigung bestimmenden Bescheids ausgelöst, sondern beginnt erst mit ungenütztem Ablauf der Frist für eine (auch außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder für eine Beschwerde nach Art 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts, das den Rechtseingriff (Enteignung) zum Gegenstand hat, der die Entschädigung auslöst, oder mit der Wirksamkeit der jeweiligen höchstgerichtlichen Entscheidung, sofern damit das Enteignungsverfahren beendet wird.

[23]           9. Zwar wäre die Heilung der Unzulässigkeit des Rechtswegs möglich, wenn die fehlenden Voraussetzungen (hier der Ablauf der sechswöchigen Revisions-/Beschwerdefrist) bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz oder bis zur Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes eingetreten sind (8 Ob 20/21v mwN; RS0085867 [T15]). Das ist hier aber nicht der Fall, sodass es nicht darauf ankommt, ob der Antragsteller (er klärt das im Rechtsmittel nicht auf) eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben hat oder nicht.

[24]     10. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 44 EisbEG iVm § 20 StarkstromwegeG. Dem Antragsteller steht für sein erfolgloses Rechtsmittel kein Kostenersatz zu (RS0058155).

Textnummer

E131696

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00062.21F.0421.000

Im RIS seit

02.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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