Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/03/0049Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des Dr. E in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen die in einer gemeinsamen Ausfertigung zusammengefaßten Bescheide des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (Kammer- und Einzelmitglied) vom 21. August 1996, Zlen. 3/3-2/1996, 14/13/1996, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der angefochtene Bescheid des Einzelmitgliedes wird hinsichtlich des Spruchpunktes 8) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses einschließlich der damit verbundenen Kostenentscheidungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde gegen den Bescheid des Einzelmitgliedes (Spruchpunkte 1 und 4) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der Kammer wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel erließ gegen den Beschwerdeführer das Straferkenntnis vom 6. Dezember 1995 mit folgendem Inhalt (Spruchteile gemäß § 44a Z. 1, 2 und 3 VStG):
"Sie verursachten am 14.05.1995, gegen 21.30 Uhr, in Fieberbrunn, Göbraweg 3, einen Verkehrsunfall mit Sachschaden und unterließen es in der Folge, 1. anzuhalten, 2. die zur Vermeidung von Schäden für Personen oder Sachen erforderlichen Maßnahmen zu treffen, 3. an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken indem Sie die Unfallstelle verlassen haben und
4. den Vorfall bei der nächsten Gendarmeriedienststelle zu melden.
In weiterer Folge verursachten Sie beim Haus Lehmgrube 10 einen zweiten Verkehrsunfall und unterließen es, 5. anzuhalten,
6. die zur Vermeidung von Schäden für Personen oder Sachen erforderlichen Maßnahmen zu treffen, 7. an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken indem Sie die Unfallstelle verlassen und Alkohol nachgetrunken haben und 8. den Vorfall bei der nächsten Gendarmeriedienststelle zu melden. Außerdem weigerten Sie sich 9. am 14.05.1995, um 22.30 Uhr, in 6391 Fieberbrunn, ihre Atemluft von einem besonders geschulten und hiezu von der Behörde ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt überprüfen zu lassen, obwohl vermutet werden konnte, daß Sie sich beim Verursachen der Verkehrsunfälle mit dem PKW, Audi, Kz.: KB-nnnn, im Ortsgebiet von Fieberbrunn in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben.
Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1060 i.V.m. § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 zu
1. und 5., § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 i.V.m. § 4 Abs. 1 lit. b StVO 1960 zu 2. und 6., § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 i. V.m. § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 zu 3. und 7., § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 i.V.m. § 4 Abs. 5 StVO 1960 zu 4. und 8. sowie § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu 9. begangen.
Gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 zu 1., 2., 3., 5., 6. und 7., § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 zu 4. und 8. sowie § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 zu 9. wird über Sie eine Geldstrafe von je S 1.000,-- zu 1., 2., 5. und 6., je S 5.000,-- zu 3. und 7., je S 3.000,-- zu 4. und 8. und S 14.000,-- zu 9. verhängt.
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von je einem Tag zu 1., 2., 5. und 6., je fünf Tagen zu 3. und 7., je drei Tagen zu 4. und 8. und vierzehn Tagen zu 9."
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung. Dieser wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Kammer hinsichtlich des Punktes 9) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von S 14.000,-- auf S 12.000,-- (Ersatzarrest 12 Tage) herabgesetzt wurde. Mit dem angefochtenen Bescheid des Einzelmitgliedes wurde der Berufung zu den Punkten 2), 3), 5),
6) und 7) (des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 (VStG) eingestellt. Im übrigen wurde die Berufung hinsichtlich der Punkte 1), 4) und 8) (des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) als unbegründet abgewiesen. Ferner wurde der Spruch des Straferkenntnisses "insofern korrigiert, als bei Punkt 4) und Punkt 8) nach den Worten "den Vorfall" die Worte "ohne unnötigen Aufschub" eingefügt werden und der Verkehrsunfall bei Lehmgrube 10 unmittelbar vor dem Verkehrsunfall Göbraweg 3 erfolgte".
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde insoweit, als der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis "nicht vollinhaltlich stattgegeben und das Strafverfahren eingestellt wurde".
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift erwogen:
1. Zur Beschwerde gegen den Bescheid des Einzelmitgliedes:
Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
Dem § 4 Abs. 5 StVO 1960 zufolge haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
In dem mit dem angefochtenen Bescheid übernommenen und durch eine Einfügung modifizierten Spruchpunkt 8) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird dem Beschwerdeführer als Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 angelastet, er habe beim Haus Lehmgrube 10 einen Verkehrsunfall verursacht und es unterlassen, den Vorfall ohne unnötigen Aufschub bei der nächsten Gendarmeriedienstelle zu melden. Diese Tatumschreibung ist insofern fehlerhaft, als das für die Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 wesentliche Tatbestandsmerkmal, daß bei dem Verkehrsunfall Sachschaden entstanden ist, im Spruch nicht angeführt ist. Damit wurde dem Gebot des § 44a Z. 1 VStG, im Spruch die als erwiesen angenommene Tat hinsichtlich aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale zu konkretisieren, nicht entsprochen, sodaß der angefochtene Bescheid in diesem Punkt inhaltlich rechtswidrig ist.
Im übrigen erweist sich die Beschwerde gegen den Bescheid des Einzelmitgliedes als nicht begründet.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, daß die Einfügung der Wortgruppe "ohne unnötigen Aufschub" in den Spruch des Straferkenntnisses unlässig sei, weil "das vorgehaltene Delikt ... zwischen erster und zweiter Instanz ... zum einen nicht ident" sei, zum anderen sei Verfolgungsverjährung eingetreten.
Dem ist entgegenzuhalten, daß dem Beschwerdeführer bereits in der Anzeige vom 17. Mai 1995 zur Last gelegt wurde, als Lenker seines Pkws gegen 21.30 Uhr den Zaun des H (Göbraweg 3) beschädigt und nach dem Unfall die Fahrt wieder aufgenommen zu haben, ohne sich mit dem Geschädigten in Verbindung zu setzen bzw. die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen, wobei sich aus der Anzeige ergibt, daß der Beschwerdeführer von den Meldungslegern gegen 22.00 Uhr in seinem Haus angetroffen worden sei. Aus dieser Schilderung des Tatherganges ergibt sich der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe die Verständigung der nächsten Gendarmeriedienstelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden "ohne unnötigen Aufschub" unterlassen. Die Angaben in der Anzeige machte der Meldungsleger Revierungsinspektor K zum Gegenstand seiner Zeugenaussage vom 31. August 1995, was eine taugliche, innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG gesetzte Verfolgungshandlung darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0097). Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde nicht gehindert, gemäß § 66 Abs. 4 AVG die vom Beschwerdeführer bekämpfte Ergänzung des Spruches vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1993, Zl. 92/03/0033). Von einer unzulässigen Auswechslung der Tat kann keine Rede sein.
Die Beschwerdeausführungen, mit denen "die zweite Korrektur" des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bekämpft wird, sind im Hinblick auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in Ansehung des Spruchpunktes 8) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gegenstandslos.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers läßt die Tatumschreibung zu Punkt 1) des Straferkenntnisses, auch wenn darin nicht ausdrücklich angeführt wird, er habe es unterlassen, "sofort" anzuhalten, die Subsumtion unter den Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 zu. Dies deshalb, weil der Vorwurf, überhaupt nicht angehalten zu haben, das nach der genannten Bestimmung verpönte Unterlassen des sofortigen Anhaltens einschließt.
Wenn der Beschwerdeführer meint, er sei zu Unrecht dafür bestraft worden, entgegen der Vorschrift des § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 nicht angehalten zu haben, weil er - wie die belangte Behörde selbst habe einräumen müssen - jedenfalls angehalten habe, so übersieht er, daß die belangte Behörde festgestellt hat, daß er "nur unfallbedingt mit seinem Fahrzeug kurz zum Stillstand gekommen ist". Ein mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehender Lenker eines Kraftfahrzeuges kommt jedoch seiner Anhaltepflicht nicht schon dadurch nach, daß er das Fahrzeug kurzfristig an der Unfallstelle zum Stillstand bringt, im übrigen aber - ohne sich um die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zu kümmern - mit dem Fahrzeug die Unfallstelle wieder verläßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1988, Zl. 88/18/0336). Auf die genaue Dauer des bloß unfallbedingten Anhaltens kommt es dabei nicht an, sodaß die Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe darüber keine Feststellungen getroffen, ins Leere geht.
Mit dem Einwand, daß der beim Verkehrsunfall entstandene Sachschaden - im Spruch des Straferkenntnisses - nicht näher konkretisiert worden sei, ist der Beschwerdeführer gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Rechtsprechung zu verweisen, wonach es nicht erforderlich ist, im Spruch eines Straferkenntnisses wegen der Übertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 StVO 1960 anzuführen, welcher Person der Schaden erwuchs, an welcher Sache der Schaden eintrat und welcher Art und welchen Ausmaßes der Schaden war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1988, Zl. 88/03/0047).
Mit dem Vorbringen, "im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde erster Instanz, umso mehr im Zeitpunkt der Fassung des Berufungserkenntnisses war dem angeblich Geschädigten meine Identität bekannt, sodaß eine Meldung an die Gendarmerie nicht mehr erforderlich war", verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Da die Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bereits vollendet war, ist es unerheblich, ob dem Geschädigten zu diesem Zeitpunkt die Identität des Beschwerdeführers bekannt war oder nicht.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, von ihm beantragte Beweise, nämlich die Einholung eines Kfz-technischen Sachverständigengutachtens, die Durchführung eines Lokalaugenscheines sowie die Vernehmung des "sachverständigen" Zeugen L, aufzunehmen. Bei Aufnahme dieser Beweise wäre die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß tatsächlich die behaupteten Beschädigungen an den Zäunen mit der Bauweise seines Pkws und den von der Gendarmerie festgehaltenen Schäden an diesen nicht vereinbar seien. Zudem hätte sich die Unglaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen H ergeben, der beteuert habe, er - der Beschwerdeführer - hätte sein Fahrzeug mehrmals angehalten und auf- und abgeblendet.
Diese Verfahrensrüge ist nicht berechtigt. Zunächst ist festzuhalten, daß - da der Bescheid betreffend die Bestrafung wegen der Unterlassung der Meldung des Verkehrsunfalles "beim Haus Lehmgrube 10" ohnedies wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben ist - vom Verwaltungsgerichtshof nur zu prüfen ist, ob die Behörde bei Aufnahme der angeführten Beweise hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verletzungen der Anhalte- und Meldepflicht im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall beim Zaun des Hauses Göbraweg 3 zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Zureichende Gründe für eine solche Annahme vermag der Beschwerdeführer jedoch nicht aufzuzeigen. Die belangte Behörde stützte ihre Feststellungen in Ansehung der Verursachung einer Beschädigung am Zaun des H durch den Beschwerdeführer auf die Aussage der Zeugin M, die angegeben hat, sie habe das Geräusch einer Kollision gehört und aus dem Fenster "einen dunklen Audi mit dem rechten vorderen Eck im Garten des Nachbarn H stehen" gesehen. In der Folge habe sie wahrgenommen, wie der Lenker versucht habe, zurückzufahren. Dann sei sie auf die Straße gelaufen und habe an dem an ihr vorbeifahrenden Fahrzeug das Kennzeichen KB-nnnn ablesen können. Die als Zeugen vernommenen Meldungsleger sagten aus, daß sie an der Unfallstelle Glassplitter gefunden hätten, die zu den von ihnen auf Lichtbildern festgehaltenen Beschädigungen am Fahrzeug des Beschwerdeführers gepaßt hätten. Vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurde ferner die Feststellung der belangten Behörde, daß er sich bereit erklärt habe, für den am Zaun des H entstandenen Schaden aufzukommen. Angesichts dieser Beweislage hätte es konkreter Ausführungen bedurft, inwieweit ein kfz-technisches Sachverständigengutachten und ein Ortsaugenschein zu Beweisergebnissen hätten führen können, die geeignet gewesen wären, begründete Bedenken gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde zu erwecken. Die bloße Behauptung, daß die Beschädigungen am Zaun mit der Bauweise des Pkws und den von den Meldungslegern festgehaltenen Schäden an diesem nicht vereinbar seien, reicht hiefür nicht aus. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß der von den Meldungslegern sichergestellte Glassplitter nicht mehr vorhanden ist. Die vom Beschwerdeführer beantragte Vernehmung des Zeugen Liebhart vermag schon deshalb nichts zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes beizutragen, weil keineswegs zwingend davon ausgegangen werden kann, daß sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der vom Zeugen durchgeführten Reparatur (30. Mai 1995) im selben Zustand wie unmittelbar nach dem Verkehrsunfall befunden hat. Warum - wie der Beschwerdeführer ausführt - das von der belangten Behörde angenommene neuerliche Touchieren des Zaunes (mit der Rückseite des Pkws) beim Wegfahren "unmöglich" sei, weil dies voraussetzen würde, daß der Beschwerdeführer "praktisch im Garten des Zeugen H gestanden wäre", was mit der Beschädigung am Zaun nicht vereinbar sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuvollziehen. In diesem Zusammenhang sei auf die bereits in der Anzeige vom 17. Mai 1995 enthaltene - durchaus plausible - Rekonstruktion des Unfallsherganges verwiesen. Daß die Zeugen M und H nur ein Kollisionsgeräusch hörten, schließt nicht zwingend aus, daß es zu einem zweiten Anstoß des Fahrzeuges an den Zaun gekommen ist.
Der angefochtene Bescheid des Einzelmitgliedes war somit in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff (insbesondere auch § 50 und § 52 Abs. 1) VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Dabei war dem Beschwerdeführer die auf die Beschwerde gegen den Bescheid des Einzelmitgliedes entfallende Hälfte des gesamten geltend gemachten Stempelgebührenersatzes zuzusprechen.
2. Zur Beschwerde gegen den Kammerbescheid:
Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe, wie der dem Berufungsverfahren beigezogene medizinische Sachverständige ausgeführt habe, im Hinblick auf eine (am 10. Mai 1995 vorgenommene) Augenoperation (Staroperation mit Linseneinpflanzung am rechten Auge) den Alkomattest "mit Fug und Recht wegen Gesundheitsgefährdung" verweigern dürfen. Es habe für ihn keine Verpflichtung bestanden, die gesundheitlichen Verweigerungsgründe offen zu legen. Vielmehr wäre es Aufgabe der amtshandelnden Gendarmeriebeamten gewesen, auf ein anderes Beweismittel für ein allfälliges Bestehen einer Alkoholbeeinträchtigung zu dringen (Vorführung vor den Arzt, Aufforderung zur Blutabnahme), eine derartige Aufforderung sei aber unterblieben. Die aus medizinischen Gründen bestehende Unfähigkeit, die Atemluftprobe abzulegen, stelle einen Mangel am Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO 1960 dar. Das Verlangen, die Atemluftprobe abzulegen, setzte voraus, daß er hiezu im Tatzeitpunkt in der Lage gewesen wäre. Da dies nicht zutreffe, könne ihm die Verweigerung nicht als rechtswidrig angelastet werden.
Dem ist folgendes entgegenzuhalten:
Nach dem Gutachten des medizischen Amtssachverständigen wäre dem Beschwerdeführer die Bedienung des Alkomaten zwar nicht unmöglich gewesen, doch wäre für den Fall, daß er den Alkomattest durchgeführt hätte, das Risiko einer Schädigung im Bereich des operierten Auges wohl gegeben gewesen. Bei dieser Sachlage kann von einer aus medizischen Gründen bestehenden Unfähigkeit, sich einer Atemluftuntersuchung zu unterziehen, nicht gesprochen werden. Schon aus diesem Grund kann die in dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 5. November 1987, Zl. 87/18/0087, ausgesprochene Rechtsansicht, die aus medizinischen Gründen bestehende Unfähigkeit, die Atemluftprobe abzulegen, stelle einen Mangel am Tatbestand dar, hier nicht zum Tragen kommen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers stellt vielmehr der Sache nach auf die Geltendmachung von Notstand im Sinne des § 6 VStG ab. Bei pflichtgemäßem Handeln - Bedienen des Alkomaten - wäre der Beschwerdeführer einer unmittelbar drohenden Gesundheitsgefährdung ausgesetzt gewesen. Zum Wesen des Notstandes gehört es aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 19. Februar 1987, Zl. 86/02/0177), daß die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist. Diese Voraussetzung trifft jedoch im Beschwerdefall nicht zu. Dem Beschwerdeführer wäre es nämlich frei gestanden, auf seinen Leidenszustand hinzuweisen, womit die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt worden wären, das Vorliegen des Tatbestandes nach § 5 Abs. 5 Z. 2 StVO 1960 zu prüfen und den Beschwerdeführer bejahendenfalls zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zu bringen. Auf diese dem Beschwerdeführer durchaus zumutbare Weise hätte die ihm bei Durchführung der Atemluftuntersuchung drohende Gesundheitsgefährdung abgewendet werden können. Der Beschwerdeführer kann sich daher nicht auf strafbefreienden Notstand berufen.
Ferner bringt der Beschwerdeführer vor, er hätte nicht gemäß § 5 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bestraft werden dürfen, weil sich der Verdacht, er hätte ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt, im Verwaltungsstrafverfahren nicht erhärtet habe. Daß diese auf die Ausführungen von Messiner in Straßenverkehrsordnung in der Fassung der 19. StVO-Novelle, 9. Auflage, Seite 159 f, gestützte Rechtsansicht nicht zutrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 95/02/0567, dargelegt, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird. Der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, die belangte Behörde hätte ergänzend feststellen müssen, daß er Alkohol erst nach Beendigung der Fahrt konsumiert und sich zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges in keinem alkoholisierten Zustand befunden habe, geht daher an der Sache vorbei.
Die Beschwerde gegen den Bescheid der Kammer erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff (insbesondere auch § 52 Abs. 1) VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da die Erstattung der Gegenschrift und die Aktenvorlage durch das Einzelmitglied und die Kammer gemeinsam erfolgten, war nur die auf den Kammerbescheid entfallende Hälfte des geltend gemachten Schriftsatz- und Vorlageaufwandes zuzusprechen.
Schlagworte
Alkotest VerweigerungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996030334.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
20.11.2009