TE OGH 2021/4/29 9Ob21/21k

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Veröffentlicht am 29.04.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Hon.-Prof Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. P*****, vertreten durch Mag. Jörg Zarbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Marschall & Heinz Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Wien, wegen 13.460,71 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. November 2020, GZ 50 R 51/20m-14, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 20. April 2020, GZ 10 C 434/19y-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Die Beklagte ist eine Treuhandgesellschaft mit Sitz in Deutschland und Gründungskommanditistin einer deutschen GmbH & Co KG (künftig: Kommanditgesellschaft), deren Geschäftsgegenstand der Erwerb, das Halten und Verwalten von unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen an Immobilienprojektentwicklungsgesellschaften in Brasilien ist. Nach § 4 Z 3 des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft ist die Beklagte berechtigt, ihre Kommanditeinlage als Treuhänderin für Dritte (Anleger bzw Treugeber) um den Betrag von bis zu 34.997.000 EUR zu erhöhen. Dies erfolgt durch die gemeinsame Annahme von Beitrittserklärungen der Anleger durch die Beklagte und eine weitere Kommanditistin. Nach § 5 Z 1 des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft hält und verwaltet die Beklagte, soweit sie Kommanditeinlagen für Treugeber übernimmt, diese nach Maßgabe eines separat abzuschließenden Treuhand- und Verwaltungsvertrags.

[2]       Der Kläger ist ein privater Anleger mit Wohnsitz in Österreich. Er zeichnete am 12. 7. 2012 in Österreich die „Beitrittserklärung Österreich“ an der Kommanditge-sellschaft über die Beklagte als Treuhänderin mit einem Nominale von 10.000 EUR zuzüglich 5 % Agio und zahlte den Betrag auf das angegebene Konto der Beklagten bei einer deutschen Sparkasse ein. In der Folge wurde dem Kläger ein Beteiligungszertifikat übermittelt, in dem lediglich festgehalten wurde, dass er ab dem 8. 7. 2012 mit einer Einlage in Höhe von 10.000 EUR an der Kommanditgesellschaft beteiligt sei. Eine schriftliche Bestätigung über die wesentlichen Merkmale der Veranlagung, über die von ihm erlangte Rechtsstellung sowie das Publikationsorgan und das Veröffentlichungsdatum des Prospekts, erhielt der Kläger nicht.

[3]       Mit Schreiben vom 6. 9. 2018 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten wegen Nichtübermittlung einer Anlegerbestätigung gemäß § 14 Z 3 KMG aF den Rücktritt vom Vertrag.

[4]       Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von 13.460,71 EUR samt Zinsen Zug um Zug gegen die Übertragung der Treugeberstellung bzw der Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag.

[5]       Die Beklagte beantragte die Klageabweisung.

[6]            Das Erstgericht gab der Klage statt. Es kam zum Ergebnis, das Treuhandverhältnis sei durch den wirksamen Rücktritt des Klägers nach § 5 Abs 2 KMG aF (vor BGBl I 62/2019) mit Wirkung ex tunc aufgelöst und rückabzuwickeln.

[7]       Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 14 KMG aF und wegen der zahlreichen anhängigen Verfahren mit gleich gelagertem Sachverhalt zulässig sei. Rechtlich führte es aus, die Beklagte habe ihre Tätigkeit im Sinn des Art 6 Abs 1 lit b Rom I-VO auf Österreich ausgerichtet, weshalb österreichisches Recht anzuwenden sei. Die Ausnahme des Art 6 Abs 4 lit a Rom I-VO komme nicht zur Anwendung, weil die dem Verbraucher – dem Kläger – geschuldeten Dienstleistungen nicht im Sinn dieser Bestimmung ausschließlich in einem anderen Staat als jenem des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers erbracht werden mussten. Der Kläger habe keine Bestätigung gemäß § 14 Z 3 KMG aF erhalten, weil das Beteiligungszertifikat die wesentlichen Merkmale der Veranlagung nicht enthalte. Damit sei der Rücktritt gemäß § 5 Abs 2 KMG aF zu Recht erfolgt. Der Kläger habe die Rücktrittserklärung auch zutreffend an die Beklagte als seine Vertragspartnerin gerichtet. Von einer schikanösen Rechtsausübung durch den Kläger sei nicht auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

[8]       Die Revision der Beklagten ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig.

[9]       1. Der hier zu beurteilende Fall betrifft dieselbe Beklagte und den gleichartig ausgestalteten Beitrittsvorgang hinsichtlich der selben Kommanditgesellschaft wie in den Entscheidungen 6 Ob 220/20a vom 25. 11. 2020 und 6 Ob 195/20z vom 18. 2. 2021 (vgl auch 9 Ob 49/20a; 9 Ob 58/20z; 4 Ob 164/20a; 4 Ob 209/20v; 6 Ob 20/21s). Daher kann auf die zu 6 Ob 220/20a getätigten Ausführungen verwiesen werden.

[10]     Den Revisionsausführungen ist zusammenfassend daher nur noch zu erwidern:

[11]     1. Gegenstand des Rücktritts des Klägers ist auch im vorliegenden Fall nicht ein allfälliges Rechtsverhältnis mit der Emittentin, sondern der Treuhandvertrag mit der Beklagten. Demgemäß fordert der Kläger nicht von der Emittentin die Kapitaleinlage zurück, sondern macht gegenüber seiner Vertragspartnerin, der Beklagten, die Kondiktion der an diese – als Treugut – geleisteten Einzahlung geltend. Der Anspruch unterliegt daher nicht dem Ausnahmetatbestand des Art 1 Abs 2 lit f Rom I-VO und damit nicht dem Gesellschaftsstatut (vgl EuGH C-272/18,  VKI/TVP, ECLI:EU:C:2019:827).

[12]     2.1 Nach § 14 KMG aF (vor der Novelle BGBl I 2019/62) liegen Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien vor, wenn Veranlagungen von Emittenten ausgegeben werden, die mit dem investierten Kapital direkt oder indirekt nach Zweck oder tatsächlicher Übung überwiegend Erträge aus der Überlassung oder Übertragung von Immobilien an Dritte erwirtschaften.

[13]     2.2 Diese Sonderbestimmung ist nur dann anwendbar, wenn der Emittent mehr als 50 % seiner Erträge aus der Überlassung (Vermietung, Verpachtung) und der Übertragung (Veräußerung) von Immobilien erzielt (Zivny, KMG2 § 14 Rz 4).

[14]     2.3 Nach den Feststellungen ist Gegenstand der Kommanditgesellschaft der Erwerb, das Halten und das Verwalten von unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen an Immobilienprojektentwicklungsgesellschaften in Brasilien (Objektgesellschaften), deren Gesellschaftszweck der Erwerb, die Entwicklung und/oder gegebenenfalls Veräußerungen von Immobilien ist. Hat das Erstgericht zum Zweck der Kommanditgesellschaft ohnedies Feststellungen getroffen, kann der in der Rechtsrüge geltend gemachte Vorwurf des Vorliegens eines Feststellungsmangels nicht erfolgreich erhoben werden (RS0043320 [T16]).

[15]     3.1 Gemäß § 5 Abs 2 KMG aF können Verbraucher vom Vertrag zurücktreten, wenn ihnen der Erwerb einer Veranlagung in Immobilien nicht gemäß § 14 Z 3 KMG aF bestätigt wurde.

[16]     3.2 Entgegen den Revisionsausführungen ist die Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 5 Abs 2 KMG aF der Beklagten gegenüber nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sie die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft nicht an den Kläger veräußert, sondern mit diesem bloß eine Treuhandabrede in Ansehung der von ihr selbst gehaltenen Kommanditbeteiligung getroffen hat. Für das Rücktrittsrecht des § 5 Abs 2 KMG aF gilt vielmehr – wie auch hinsichtlich des Rücktrittsrechts nach § 5 Abs 1 KMG aF –, dass Rücktrittsgegner des Verbrauchers sein jeweiliger Vertragspartner ist (RS0125648 [T1, T2]).

[17]     4. Soweit die Beklagte in Abrede stellt, dass sie gegenüber dem Kläger im eigenen Namen tätig wurde und vorbringt, sie sei als Stellvertreterin der Fondsgesellschaft eingeschritten, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, sodass die Revision in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

[18]     5. Auch das weitere in der Revision angeführte Argument, ein Rücktritt des Klägers wäre nur gegenüber der Fondsgesellschaft möglich gewesen, nicht aber gegenüber der Beklagten als bloßer Kommanditistin, lässt unberücksichtigt, dass Gegenstand des hier ausgeübten Rücktrittsrechts nicht die Kommanditbeteiligung, sondern die Treuhandvereinbarung ist (6 Ob 220/20a mwN).

[19]           6. Die Rechtsansicht der Revisionswerberin, nach § 5 Abs 2 KMG aF berechtige nur das vollständige Fehlen der Anlegerbestätigung gemäß § 14 Z 3 KMG zum Rücktritt des Verbrauchers, nicht aber die bloße Fehlerhaftigkeit der Anlegerbestätigung, trifft nicht zu. Zu der dafür von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Literaturmeinung von Kalss/Oppitz/Zoller (Kapitalmarktrecht² [2015] § 7 Rz 43) betreffend das Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 1 KMG aF hat der erkennende Senat bereits zu 6 Ob 220/20a klargestellt, dass nach zutreffender Ansicht auch eine in wesentlichen Punkten fehlerhafte Prospektveröffentlichung – und nicht nur die Nichtveröffentlichung eines Prospekts – ein Rücktrittsrecht des Anlegers erzeugt, wobei für die (bloß) wesentlich fehlerhafte Bestätigung nach § 14 Z 3 KMG aF nichts anderes gilt.

[20]           7.1 Das Rücktrittsrecht des § 5 KMG aF wurde weitgehend dem § 3 KSchG nachgebildet. Somit wirkt auch der Rücktritt nach § 5 KMG aF ex tunc (3 Ob 144/14v; Zivny, KMG² § 5 Rz 21).

[21]           7.2 Dass die Vorinstanzen die Lehre über die fehlerhafte Gesellschaft, wonach ein Verbraucher im Fall eines Rücktritts oder Widerrufs eines Beitritts zu einer Personengesellschaft nur einen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben hat, das sich nach dem Wert seines Anteils im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft berechnet, nicht angewendet haben, ist nicht zu beanstanden, zumal der Kläger – wie oben ausgeführt – nur vom Treuhandverhältnis mit der Beklagten zurücktrat. Dadurch kommt es weder zu einer Verringerung der Gesellschafteranzahl noch zu einer Verringerung des Gesellschaftsvermögens, da die Beklagte weiterhin ihre Stellung als Gesellschafterin der Fondsgesellschaft behält (6 Ob 220/20a).

[22]     8. Schließlich ist auch der von der Revisionswerberin gegen ihre Rückzahlungspflicht ins Treffen geführte Umstand, nicht sie selbst, sondern die Fondsgesellschaft sei Empfängerin der vom Kläger geleisteten Kommanditeinlage gewesen, weil die Überweisung auf ein Treuhandkonto erfolgt sei, über das nicht die Revisionswerberin, sondern die Fondsgesellschaft verfügungsberechtigt gewesen sei, nicht geeignet, eine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzuzeigen. Da der Kläger mit der Beitrittserklärung eine Zahlungsverpflichtung in Höhe des überwiesenen Betrags unmittelbar gegenüber der Beklagten übernommen hat und die Zahlung in Erfüllung dieser Vertragspflicht tätigte, steht ihm aufgrund des erfolgten Rücktritts von der Treuhandvereinbarung der Anspruch auf Rückzahlung des rechtsgrundlos geleisteten Einzahlungsbetrags auch gegenüber der Beklagten zu (6 Ob 220/20a).

[23]     9. Die Beklagte zeigt in ihrer Revision somit keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSv § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

[24]     Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E131727

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00021.21K.0429.000

Im RIS seit

04.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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