Norm
BDG 1979 §43 Abs1 und 2 iVm §91Schlagworte
MisshandlungText
Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 17.02.2021 nach der am 17.02.2021 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beamte ist schuldig,
1. er hat am N.N., um N.N., in N.N., im Zuge einer Amtshandlung mit einem alkoholisierten Obdachlosen diesen insofern misshandelt, als er sich einen Handschuh anzog, sich Pfefferspray in die Handfläche sprühte und mit der besprühten Hand dem N.N. über das gesamte Gesicht wischte,
2. er hat am N.N. eine wahrheitswidrige Dokumentation im Tagesbericht durchgeführt, indem er vermerkte, dass von N.N. bis N.N., Uhr ein „Schwerpunkt COVID-19 bei der N.N.“ mit mehreren Durchsuchungen, Identitätsfeststellungen und verwaltungsstrafrechtlichen Anzeigen erfolgte, ohne das vorliegende Geschehen anzuführen,
3. er hat am N.N. eine inhaltlich unrichtige nachträgliche Meldung über eine versehentliche Abgabe eines Sprühstoßes aus seinem dienstlichen Pfefferspray verfasst und seinem Vorgesetzten übermittelt, wobei ihm bewusst war, dass dieser die Meldung an das zuständige Referat N.N. weiterleiten werde
er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG i.V.m § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.
Über den Beamten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi. 3 BDG eine Geldstrafe im Ausmaß von € 12.000,- (in Worten zwölftausend) verhängt.
Die Suspendierung des Beamten wird gemäß § 112 Abs. 6 BDG mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
Seitens des Beamten wurde gemäß § 127 BDG eine Ratenzahlung im Ausmaß von 36 Monatsraten beantragt und seitens des Senates bewilligt.
Dem Beamten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
Begründung
Der Verdacht, schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom N.N. und der Disziplinarnachtragsanzeige der Dienstbehörde vom N.N. zu GZ N.N. sowie den Erhebungen der LPD N.N.
Sachverhalt zur ersten Disziplinaranzeige:
Laut Zeugenaussagen habe der Beamte am N.N. um N.N. in N.N., beim N.N., im Zuge einer Amtshandlung mit einem alkoholisierten Obdachlosen, diesen vorerst zurückgedrängt bzw. zurückgestoßen. Danach habe er sich die Handschuhe angezogen, sich Pfefferspray in die Handfläche gesprüht und mit der besprühten Hand dem N.N. über das gesamte Gesicht gewischt. N.N. habe sich aufgrund der Beeinträchtigung lange das Gesicht gerieben.
Die angeführten Zeugenaussagen werden auch von den weiteren, bei der Amtshandlung anwesenden Polizeibeamten (A.A., B.B.) bestätigt.
Eine Tagesberichtseintragung für die Zeit von N.N. bis N.N. Uhr erfolgte mit dem Vermerk „Schwerpunkt COVID-19 bei der N.N.“ mit mehreren Durchsuchungen, Identitätsfeststellungen und verwaltungsstrafrechtlichen Anzeigen.
Auszug der niederschriftlichen Befragungen der beiden unabhängigen Zeugen
Durch Fr. C.C. (Nat. i.A.) wurde in der niederschriftlichen Einvernahme angeführt, dass sie gemeinsam mit ihrem Kollegen D.D. einen Polizeieinsatz mit dem Obdachlosen, welcher wie jeden Tag alkoholisiert war, wahrgenommen habe. Dabei seien drei Beamte anwesend gewesen, wobei der Obdachlose von dem größten der Beamten mit rotem Vollbart geschubst worden sei. Durch den Schubser sei dieser in das dort befindliche Beet gefallen und liegen geblieben. Bevor der Polizist mit dem roten Vollbart wegging, habe er schwarze Stoffhandschuhe angehabt und als er wiederkam, habe er gelbe Latexhandschuhe getragen. Darauf habe sich der Beamte eine rot-schwarze Dose aus dem Gürtelbereich genommen und glaublich mit der rechten Hand in die andere Handfläche eine kleine Menge gesprüht. Mit dieser Hand habe er darauf dem Obdachlosen über das gesamte Gesicht gestrichen. Darauf hätten die Beamten die Örtlichkeit verlassen und den Obdachlosen am Boden sitzend zurückgelassen.
Nachdem Fr. C.C. ein Pfefferspray vorgezeigt wurde, führt sie an, dass es sich bei der Dose um einen solchen Gegenstand handelte.
Von Hrn. D.D. (Nat. i.A.) wurde angeführt, dass er als Zivildiener im N.N. arbeite und gemeinsam mit seiner Kollegin C.C. einen Vorfall vor dem Tageszentrum mit einem derer Klienten und einem Polizisten beobachtet habe. Die drei anwesenden Polizisten hätten den Mann leicht nach hinten geschubst, worauf dieser rücklings auf das dortige Beet fiel. Dabei habe sich ein Polizist mit orange-rotem Bart kurz aus seinem Sichtfeld begeben. Bevor er sich aus dem Sichtfeld begab, habe er glaublich schwarze Handschuhe getragen. Als er kurze Zeit später zurückkam - maximal halbe Minute – hatte er weiße Latexhandschuhe an. Darauf habe er dem Mann unter die Nase gegriffen, worauf der Mann jedoch nicht reagierte. Danach habe er sehen können, wie der Polizist mit dem Bart mit seiner rechten Hand zu seinem Gürtel griff und seinen Pfefferspray nahm. Es sei eine rot-schwarze Dose gewesen, aus der er sich eine kleine Menge in den Handschuh seiner linken Handfläche gesprüht und dem Mann dann von oben nach unten über das gesamte Gesicht gestrichen habe.
Zu den beiden Niederschriften wurde von den Zeugen ein Aktenvermerk über den Vorfall beigebracht, in welchem der Sachverhalt in Kurzfassung dargestellt wird.
Angaben des Obdachlosen (Opfer)
Dieser wurde mittels Dolmetscher am N.N. niederschriftlich zu dem Vorfall befragt und führt er dazu an, dass er sich aufgrund seiner starken Alkoholisierung an keinen Pfefferspray bzw. Polizeieinsatz erinnern könne. Er wisse lediglich von seiner Verbringung in ein Spital und dass ihm seine Augen, als er im Krankenhaus aufgewacht sei, gebrannt hatten.
Gedächtnisprotokoll des PI Kdt. H.H.
Am N.N. sei er im Zuge der Dienstablöse vom Beamten informiert worden, dass ein gegen ihn (den Beamten) geäußerter Misshandlungsvorwurf vorliege. Laut Zeugen hätte sich der Beamte einen Handschuh angezogen und einen Sprühstoß aus dem Pfefferspray darauf gesprüht. Mit dem kontaminierten Handschuh sei er dann einer in der dortigen Grünfläche liegenden Person über das Gesicht gefahren.
Der Beamte habe - ihm gegenüber - den „Pfeffersprayeinsatz“ bestritten und angegeben, dass er sich seine Hände mit Desinfektionsmittel gereinigte habe und daraufhin bei der am Boden liegenden Person einen Schmerzreiz auslösen wollte.
Diesen Angaben des Beamten sei durch die beiden an der Amtshandlung beteiligten Kollegen (A.A. und B.B.) widersprochen worden. Beide Beamte gaben ihm gegenüber an, dass der Beamte mit einem mit Pfefferspray eingesprühten Handschuh dem Obdachlosen über das Gesicht gefahren sei.
Anlastung durch die Dienstbehörde:
Der Beamte steht im Verdacht, am N.N. eine inhaltlich unrichtige nachträgliche Meldung über eine versehentliche Abgabe eines Sprühstoßes aus seinem dienstlichen Pfeffersprays verfasst und seinem Vorgesetzten übermittelt zu haben, wobei ihm bewusst war, dass dieser die Meldung an das für das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren zuständige N.N. weiterleiten wird. Hierdurch hat der Beamte gerichtlich strafbare Handlungen begangen sowie gegen seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 u. 2 BDG 1979 und schuldhaft gegen die Bestimmungen des § 10 der Richtlinienverordnung „Dokumentation“, verstoßen.
Sachverhalt zur Nachtragsanzeige:
Am N.N. habe der Beamte eine verfasste Meldung mit dem Betreff „Unsachgemäße Benutzung des Pfeffersprays – Abgabe von Sprühstoß“ an den Stadtpolizeikommandanten übermittelt, welche wiederum an das zuständige N.N. weitergeleitet wurde.
In dieser Meldung habe der Beamte angeführt, dass er während einer Schwerpunktstreife mehreren flüchtenden Personen nachgelaufen sei und dabei seinen dienstlich zugewiesenen Pfefferspray aus eigensicherungstaktischen Gründen in seine rechte Hand genommen habe. Als er über den Radfahrstreifen auf die Fahrbahn gesprungen sei, sei er mit der Ferse über den Randstein gestolpert und in weiterer Folge ins Taumeln / Wanken gekommen. Dabei sei er mit dem rechten Daumen von der Deckplatte des Pfeffersprays auf die Druckfläche abgerutscht und habe dadurch einen kurzen Sprühstoß auf die Fahrbahn abgegeben. Aufgrund der minimalen Menge des Sprühstoßes habe er einer sofortigen Meldung keine weitere Bedeutung beigemessen.
Verantwortung:
In einer via rechtsfreundlichen Vertretung verfassten Stellungnahme des Beamten wird angeführt, dass er sich mit seinem persönlich angeschafften Desinfektionsmittel seine bereits benützten Latexhandschuhen desinfiziert und dem Obdachlosen in seine Wange gekniffen habe, um einen Schmerzreiz zu setzen.
Später wurden im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme die Ausführungen der Stellungnahme durch den Beamten korrigiert, wobei er anführte, dass es seinerseits zu einem Aussetzer gekommen war. Er habe seinen dienstlich zugewiesenen Pfefferspray genommen und einen kurzen Sprühstoß auf den Zeige- und Mittelfinger abgegeben. Mit dem benetzten Einweghandschuh sei er dem Obdachlosen von der Stirn bis zum Kinn hinuntergefahren. Er könne keine nachvollziehbare Erklärung für seine Tat abgeben. Er sei zu dem Zeitpunkt einer besonderen psychischen Belastung ausgesetzt gewesen, da er wegen der Coronakrise massive finanzielle Einbußen erlitten habe. Zudem sei ihm von seiner Ex-Frau aufgrund der Coronakrise der Kontakt zu seinen drei Kindern verwehrt worden.
Gerichtsverfahren:
Zu dem angeführten Vorfall wurden von der zuständigen Behörde Erhebungen gepflogen und mittels Abschlussbericht der StA N.N. übermittelt.
Das Verfahren gegen den angeführten EB wegen § 83 Abs. 1 und § 293 Abs. 2 StGB wurde vom Landesgericht für Strafsachen N.N. gem. §§ 199, 200 Abs. 5 StPO, nach Bezahlung eines Geldbetrages in der Höhe von €1.500.-, eingestellt.
Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 43 Abs. 1 u. 2 BDG 1979 ist ein Beamter verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Maßnahmen:
Der Beamte wurde am N.N. gemäß § 112 Abs. 1 BDG vorläufig vom Dienst suspendiert.
Seitens der Disziplinarkommission erfolgte mit N.N. eine Suspendierung gem. § 112 Abs. 3 BDG.
Anlastungen durch die Dienstbehörde:
Der Beamte steht im dringenden Verdacht, gerichtlich strafbare Handlungen begangen und gegen seine Dienstpflichten gemäß §§ 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 und die Dienstordnung der LPD N.N., „Verhalten der Polizeibediensteten“ verstoßen zu haben.
Mit den Bescheiden vom N.N. und N.N. wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und die mündliche Verhandlung für 17.02.2021 anberaumt und durchgeführt.
Der Senat hat dazu erwogen:
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beamte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft begangen hat.
Der Vorwurf lautet dahingehend, dass der Beamte den Obdachlosen mittels Pfefferspray misshandelte, einen unrichtigen Tagesbericht verfasste und auch noch einen falschen Bericht hinsichtlich des Pfeffersprays legte.
Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, sowie aus den Ausführungen des Beamten.
Gem. § 95 Abs. 2 BDG ist die Bundesdisziplinarbehörde nur an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichts zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. In allen anderen Fällen – so auch bei der Diversion - hat der Senat den Sachverhalt eigenständig zu beurteilen und dieser Umstand ändert nichts am schuldhaften Verhalten des Beamten im Sinne des BDG.
Der Umstand, dass der Beamte strafrechtlich nicht verurteilt wurde, tut der objektiven Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung keinen Abbruch.
Seitens des LG N.N. wurde im Zuge des Diversionsverfahrens festgestellt, dass lediglich geringe Schuld und unbedeutende Folgen vorliegen. An diese Feststellungen ist der Senat, wie bereits angeführt, nicht gebunden.
Der Spruchpunkt 1 wird jedoch dahingehend modifiziert, als dass das Zurückdrängen bzw. Stoßen des Obdachlosen durch A.A. erfolgte, weshalb dieser Teil aus dem Spruch genommen wird.
Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG (zu Punkt 1 und 3):
Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 18.04.2002 zu 2000/09/0176; 15.12.1999 zu 98/09/0212). Insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt.
Dieser sogenannte Dienstbezug wird dann vorliegen, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben nicht in sachlicher Weise, d.h. rechtmäßig, korrekt, unparteiisch und uneigennützig, erfüllen. Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Ob das vorliegende Verhalten an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist unerheblich und spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle.
Dennoch bleibt in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt, dass das vorliegende Verhalten an die Öffentlichkeit gelangte, da es von zwei zivilen Zeugen der Tagesbetreuungsstätte wahrgenommen werden konnte, die auch eine entsprechende Meldung an die Leitung des Heimes und die zuständige Polizeidienststelle vornahmen.
Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der Disziplinaroberkommission (bis 31.12 2013) werden gerade an Polizeibeamte qualifizierte Anforderungen gestellt, da diese im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben zum Schutz vor Verletzungen des Strafrechts berufen sind. Von ihnen wird daher, sowohl was die Einhaltung von Rechtsnormen betrifft, aber auch hinsichtlich ihrer gesamten Dienstleistung ein besonders vorschriftengetreues Verhalten erwartet. Wenn nun ein Polizeibeamter seine dienstlichen Pflichten vernachlässigt, weil er eine ihm körperlich klar unterlegene Person durch unbegründete Gewaltausübung misshandelt, so ist dies geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen. Das Einschreiten des Beamten ist geeignet den Eindruck zu erwecken, dass die Polizei mit den rechtlich geschützten Werten unzureichend verbunden ist und bereits bei niederschwelligen Einsätzen mit Gewaltbereitschaft vorgeht. Ein derartiges Verhalten von Polizeibeamten kann für das Vertrauen des Bürgers in die Polizei negative Folgen haben. Die Öffentlichkeit erwartet sich zu Recht, dass die Polizei, die mit einer Vielzahl von wichtigsten staatlichen Vollzugsaufgaben betraut ist, ihre dienstlichen Aufgaben gewissenhaft und professionell, im Interesse des Bürgers, sowie nur dem Gesetze verpflichtet erfüllt und sich nicht zu körperlichen Übergriffen hinreißen lässt. Von besonders geschulten Polizeibeamten, die noch dazu auf eine langjährige dienstliche Erfahrung im exekutiven Außendienst zurückblicken, muss erwartet werden, dass sie in der Lage sind, in kritischen Situationen deeskalierend zu wirken.
Es kann nicht toleriert werden, dass ein Polizeibeamter – ohne selbst unmittelbar gefährdet zu sein, bei einer leicht zu bewältigenden Routineamtshandlung grundlos zum dienstlichen Pfefferspray greift und damit gegen einen betrunkenen und noch dazu körperlich unterlegenen Mann vorgeht. Das unprofessionelle, gewaltbereite Verhalten des Beamten ist nach Meinung des erkennenden Senates geeignet einen Ansehensverlust, nicht nur des betroffenen Beamten selbst, sondern des gesamten Wachkörpers zu verursachen, weil das Bild einer unverhältnismäßig agierenden Polizei vermittelt wird.
Es handelt sich vorliegendenfalls um einen Übergriff im klassischen Sinn, bei dem es an Professionalität fehlt. Besonders verwerflich für den Senat ist die Tatsache, dass der Beamte als stellvertretender PI-Kmdt. und aufgrund seines Ranges Vorgesetzten- und Vorbildfunktion ausübt und mit seinem unüberlegten Verhalten zwei junge Kollegen nicht nur in einen Gewissenskonflikt gebracht, sondern diese auch der behördlichen Verfolgung ausgesetzt hat, wobei der Strafrahmen des von ihnen zu verantwortenden Delikts des Amtsmissbrauchs wesentlich höher ist.
Unter § 43 Abs. 2 ist auch der vorsätzlich falsche Bericht betreffend Zwangsmaßnahme Pfefferspray zu subsumieren.
Wenn der Beamte ausführt, es habe nur einige Wochen zuvor diesen Vorfall– nämlich die unbeabsichtigte Abgabe eines Sprühstoßes im Zuge einer Verfolgung - tatsächlich gegeben, so vertritt der Senat die Ansicht, dass es sich hierbei um eine reine Schutzbehauptung handelt. Zu erwähnen bleibt noch, dass es nicht nachvollziehbar und unglaubwürdig ist, dass der Beamte vergessen hat, diesen Vorfall zeitnah zu dokumentieren.
Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 1 BDG zu Punkt 2)
Gemäß § 43 Abs. 1 BDG hat der Beamte seine dienstlichen Aufgaben treu, gewissenhaft, engagiert mit dem ihm zur Verfügung gestellten Mitteln aus eigenem zu erfüllen. Er muss also während der Ausübung seines Dienstes zunächst die Gesetze beachten (Beachtung der geltenden Rechtsordnung; VwGH 4.9.1990, 88/09/0013) und die ihm übertragenen Aufgaben ordentlich erledigen (treu und gewissenhaft), sowie alles unterlassen, was die Interessen des Dienstgebers schädigen könnte. All diese Pflichten sind unabhängig voneinander zu beurteilen, was bedeutet, dass der Beamte eine von diesen Pflichten verletzen kann, ohne unbedingt gleichzeitig gegen die anderen zu verstoßen.
Aus der Treuepflicht ergibt sich weiter, dass der Bedienstete dem Dienstgeber (Vorgesetzten) gegenüber ehrlich und wahrhaftig sein muss und dass er andere Interessen als die des Dienstes – insbesondere seine eigenen – den dienstlichen Interessen unterzuordnen hat. Er hat also insbesondere über seine dienstlichen Tätigkeiten wahrheitsgemäß zu berichten und entsprechende Meldungen so zu erstatten, dass diese die tatsächlich erledigten Aufgaben richtig abbilden. Aktenvermerke, dienstliche Berichte und Meldungen sind Protokolle, die bei Amtshandlungen, bei der Ausübung von Zwangsmaßnahmen oder bei Beschwerden gegen Beamte wichtige Beweismittel in gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren, darstellen können. Hinsichtlich der wahrheitswidrigen Dokumentation im Tagesbericht wäre es seine Aufgabe als Vorgesetzter gewesen, den TB nochmals zu kontrollieren und wahrheitsgemäß zu ergänzen.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Beamten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).
Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden des Beamten in der konkreten Situation und dieses verlangt aus spezialpräventiven Gründen eine Sanktion. Der Senat ist der Meinung, dass die gewählte Strafhöhe den Unrechtsgehalt der Tat ausreichend sühnt und auch generalpräventiven Erwägungen gerecht wird.
Derartige Übergriffe und außer Kontrolle geratenes Verhalten können im Hinblick auf den besonderen Dienstbezug niemals als Bagatelldelikte angesehen werden, weil der Beamte gerade jene Werte verletzte, die er im Rahmen seiner polizeilichen Aufgaben täglich zu schützen hat.
Am schweren Gewicht der dem Beamten vorgeworfenen Pflichtverletzung vermag auch ein sonstiges einwandfreies dienstliches und außerdienstliches Verhalten nichts zu ändern (VwGH 30.01.2006, 2004/09/0212).
Im konkreten Fall waren jedoch das reumütige Geständnis, die disziplinäre Unbescholtenheit, die Vielzahl an Belobigungen, die Rettungsmedaille und das silberne Verdienstzeichen mildernd zu werten.
Erschwerend wirkten mehrere Diesntpflichtverletzungen, die schwerste Dienstpflichtverletzung ist Punkt 1), zudem kommt auch die Vorbildwirkung als Vorgesetzter und die Verantwortung gegenüber den beiden jungen Kollegen.
Aufgrund der massiven finanziellen Belastung des Beamten wurde dem Beamten das oben angeführte Ratenansuchen gewährt.
Aufhebung der Suspendierung gem. § 112 Abs. 6 BDG:
Da im Zuge der Verkündung des Disziplinarerkenntnisses seitens beider Parteien ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wurde, tritt die Beendigung der Suspendierung ex lege mit Abgabe des Rechtsmittelverzichts ein.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
20.05.2021