TE Lvwg Beschluss 2021/4/22 VGW-VGW-101/092/5663/2021

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Veröffentlicht am 22.04.2021
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Entscheidungsdatum

22.04.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
77 Kunst Kultur

Norm

AVG §57 Abs1
DSchG 1923 §26 Abs7

Text

Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch C. Rechtsanwalt GmbH, gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk) vom 11.3.2021, Zl. MBA ..., betreffend Sicherungsmaßnahme nach dem Denkmalschutzgesetz (DMSG), den

BESCHLUSS:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 10.3.2021 brachte das Bundesdenkmalamt dem belangten Magistrat zur Kenntnis, es sei seinerseits am 10.3.2021 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass bei einer (teilweise) unter Denkmalschutz stehenden Hausanlage „bereits Bagger aufgefahren und vermutlich schon Veränderungen im Gange seien“, und beantragte deshalb („vorerst“) die Veranlassung eines „sofortigen einstweiligen Baustopps“ sowie die „Anordnung einer Dokumentation bzw. Verzeichnung der abgebrochenen Teile der Hausanlage“ und die „zwangsweisen Verwahrung der abgebrochenen Teile der Hausanlage in geeigneter Form.“ Dieser Antrag langte beim belangten Magistrat am 11.3.2021 ein.

Mit Bescheid vom 11.3.2021 trug der belangte Magistrat gemäß § 31 Abs. 1 DMSG wegen „akuter Gefahr, dass das Denkmal durch die fortlaufenden Baumaßnahmen weiter zum Nachteil verändert wird und dadurch das Interesse der Denkmalpflege wesentlich geschädigt wird“, mit sofortiger Wirkung einen einstweiligen Baustopp auf und ordnete als Sicherungsmaßnahmen die „Dokumentation bzw. Verzeichnis der abgebrochenen Teile der Hausanlage“ und die „zwangsweise Verwahrung der abgebrochenen Teile der Hausanlage in geeigneter Form an.

Mit Schriftsatz vom 9.4.2021 zog der Beschwerdeführer diesen Bescheid durch seine Rechtsvertretung in Beschwerde, beantragte die Zuerkennung aufschiebender Wirkung und die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheids; er führte auch aus, dass dieser Bescheid an seinen Rechtsvertreter zugestellt worden sei, obwohl dieser in diesem Verfahren noch gar nicht ausgewiesen war.

Mit Note vom 13.4.2021 legte der belangte Magistrat dem erkennenden Verwaltungsgericht die Beschwerde samt dem dazu bezughabenden Verwaltungsakt vor, wo sie am 19.4.2021 einlangte.

II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Im gemäß § 31 Abs. 1 DMSG vor dem belangten Magistrat geführten, zu MBA ... geführten Administrativverfahren ist die C. Rechtsanwalt GmbH nicht als Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers ausgewiesen.

In der Zustellverfügung des bekämpften Bescheids ist die C. Rechtsanwalt GmbH als Empfänger bezeichnet.

Der bekämpfte Bescheid wurde am 16.3.2021 dem gemäß § 26 Abs. 7 DMSG Parteistellung genießen Bundesdenkmalamt zugestellt.

1.2. Zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheids bestand Gefahr im Verzug in Hinblick auf die Veränderung des Denkmals durch Baumaßnahmen, wodurch öffentliche Interessen der Denkmalpflege wesentlich geschädigt würden.

Der bekämpfte Bescheid wurde am Tag des Einlangens des verfahrenseinleitenden Antrags des Bundesdenkmalamts ohne Ermittlungsverfahren und damit auch ohne Gewährung von Parteiengehör erlassen; er enthält keinen Hinweis auf § 57 Abs. 1 AVG.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen gründen im vom belangten Magistrat dem erkennenden Verwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Ein Bescheid ist (zumindest) jener Person gegenüber zu erlassen und damit zuzustellen, auf die er sich bezieht. Diese Person ist dann in der Zustellverfügung als Empfänger zu bezeichnen.

Nach § 7 ZustellG gilt in Fällen, in denen im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Diese Heilung kommt jedoch nur in Betracht, wenn das Dokument dem von der Behörde angegebenen Empfänger tatsächlich zukommt. War Empfänger des Bescheids ein zum Zeitpunkt der Zustellung noch nicht ausgewiesener Rechtsvertreter, kommt § 7 ZustellG nicht zur Anwendung (VwGH 18.6.1990, 90/10/0035; 30.9.1986, 86/04/0070). Auch eine Heilung nach § 9 Abs. 3 ZustellG, der lex specialis zu § 7 ZustellG ist, kommt nicht in Betracht, weil von dieser Bestimmung allein der umgekehrte Sachverhalt erfasst ist, nämlich, dass bei ausgewiesenem Vertretungsverhältnis eines Rechtsanwalts der Bescheid nicht an diesen, sondern an dessen Mandanten zugestellt wird.

Beim gegenständlichen Sicherungsverfahren kann auch nicht von derselben Angelegenheit oder Rechtssache (im Verhältnis zum Unterschutzstellungsverfahren oder Baubewilligungsverfahren) gesprochen werden, zumal nach der Judikatur des VwGH von einem engen Begriff der „selben Angelegenheit“ auszugehen ist (VwGH 30.1.2010, 99/05/0197).

Mangels Nennung des Beschwerdeführers in der Zustellverfügung als Empfänger ist daher der bekämpfte Bescheid gegenüber dem Beschwerdeführer noch nicht erlassen worden.

3.1.2. Der bekämpfte Bescheid ist jedoch durch seine Zustellung an das Bundesdenkmalamt als Partei des Sicherungsverfahrens rechtlich existent geworden. Ist in einem Mehrparteienverfahren aber der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt worden, kann die Beschwerde von der übergangenen Partei (Beschwerdeführer) bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem er von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat (vgl. § 7 Abs. 3 VwGVG). Die Beschwerde ist daher nicht mangels Anfechtungsgegenstands unzulässig.

3.2.1. § 57 Abs. 1 AVG ermöglicht der Behörde, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einem Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Dabei dient nach § 37 AVG das Ermittlungsverfahren dazu, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Gegenständlich lag Gefahr im Verzug vor; die Erlassung des Baustopps und der anderen im bekämpften Bescheid angeordneten Sicherungsmaßnahmen war unaufschiebbar, denn es galt, der Gefahr der unwiederbringlichen Beschädigung eines Denkmals effektiv zu begegnen; dieses Erfordernis kommt nicht nur ausdrücklich in der Bescheidbegründung zum Ausdruck, sondern auch darin, dass der belangte Magistrat noch am Tag des Einlangens des verfahrenseinleitenden Antrags des Bundesdenkmalamts den Sicherungsbescheid erließ.

Der belangte Magistrat opferte somit die selbständige Ermittlung des wesentlichen Sachverhalts und die Einräumung von Parteiengehör der Notwendigkeit einer raschen Sicherungsanordnung.

Der belangte Magistrat hat zwar den bekämpften Bescheid nicht als Mandatsbescheid bezeichnet, doch ergibt sich bei einer Gesamtbetrachtung des Bescheids, dass der belangte Magistrat nicht auf selbstständige Ermittlungen und die Einräumung des Parteien schlicht vergessen hat oder gar sehenden Auges sein Verfahren mit Mängeln belasten wollte, sondern eben – weil es sich um unaufschiebbare Maßnahmen bei Gefahr im Verzug handelt – von der in § 57 Abs. 1 AVG eingeräumten Berechtigung Gebrauch machte, den Bescheid – und zwar Rechtens – ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Auch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung nimmt einem nach § 57 Abs. 1 AVG erlassenen Bescheid nicht den Charakter als Mandatsbescheid (VwGH 14.12.2004, 2002/05/0244).

3.2.2. Im Fall von Mandatsbescheiden nach § 57 Abs. 1 AVG ist eine unmittelbare Beschwerdeerhebung an das Verwaltungsgericht nicht zulässig, es muss vielmehr zunächst das remonstrative Rechtsmittel der Vorstellung erhoben werden (VwGH 23.10.2015, Ra 2015/02/0029). Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer daher gegen den Mandatsbescheid zunächst Vorstellung an den belangten Magistrat erheben müssen.

3.2.3. Eine Umdeutung der Beschwerde als Vorstellung, die vom Verwaltungsgericht Wien gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 AVG durch verfahrensleitenden Beschluss iSd § 31 Abs. 2 VwGVG an den belangten Magistrat rückzuübermitteln gewesen wäre, kommt im gegenständlichen Fall nicht in Betracht, weil sich aus dem Begehren der Beschwerde eindeutig ergibt, dass der Beschwerdeführer eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts begehrt (VwGH 17.10.2006, 2006/11/0071).

Es liegt somit kein unrichtig bezeichnetes, sondern ein unrichtiges Rechtsmittel vor, weshalb die Beschwerde spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen war.

3.3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich der Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

3.4. Die beantragte mündliche Verhandlung konnte in casu auf dem Boden des § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. Auch Art. 6 Abs. 1 EMRK steht einem Einfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, weil keine Fragen der Glaubwürdigkeit zu beurteilen waren, die Tatsachen unbestritten sind und das Gericht auf der Grundlage der Aktenlage entscheiden konnte, wobei im konkreten Fall lediglich rechtliche Fragen zu entscheiden sind (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 8.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä, Rn 32).

3.5. Die (ordentliche) Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind an Hand des eindeutigen Wortlauts der heranzuziehenden Bestimmungen zu beantworten bzw. sind sie vom VwGH bereits beantwortet wurden (vgl. die im Beschluss zitierte Judikatur des VwGH). Es liegen auch deshalb keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor, weil es letztlich um die Auslegung des objektiv im Bescheid zum Ausdruck kommenden Behördenwillens geht, was von seiner Bedeutung über den konkreten Einzelfall nicht hinausgeht.

Schlagworte

Denkmal; Denkmalschutz; Sicherungsmaßnahme; Gefahr in Verzug; Mandatsbescheid; Rechtsmittelbelehrung; Vorstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.VGW.101.092.5663.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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