TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/17 97/18/0173

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Veröffentlicht am 17.04.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992;
AVG §38;
FrG 1993 §17 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde der A in N, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. Februar 1997, Zl. St 34/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 10. Februar 1997 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Nach Wiedergabe des von der Erstbehörde festgestellten Sachverhaltes, des Berufungsvorbringens sowie der Bestimmungen des § 17 Abs. 1, des § 15 Abs. 1, des § 19 FrG und des § 1 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr.299/1996 über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina führte die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung im wesentlichen folgendes aus: Ein (vorübergehendes) Aufenthaltsrecht nach der genannten Verordnung komme der Beschwerdeführerin nicht zu, weil sie zumindest in Kroatien anderweitig Schutz gefunden habe. Ihre Angaben, wonach sie in Kroatien nur durchgereist wäre, würden insofern als unglaubwürdig betrachtet, als sie in ihrer ersten Stellungnahme (die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes am glaubwürdigsten sei) selbst und freiwillig ausgeführt habe, daß sie Ende Feber 1994 nach Kroatien hätte flüchten können, dort die Erledigung ihres am 7. März 1994 bei der österreichischen Botschaft in Zagreb gestellten Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewartet hätte und am 16. Oktober 1994 über Spielfeld mit einem deutschen Gastarbeiterbus nach Österreich gekommen wäre. Diese klaren und eindeutigen Aussagen über den vom Feber bis Oktober 1994 währenden Aufenthalt in Kroatien habe die Beschwerdeführerin in der Folge lediglich bestritten, jedoch nicht "widerlegt". Man werde davon ausgehen können, daß die ursprünglichen Angaben, die ein Fremder mache, der Wahrheit am nächsten kämen und nicht jene, die erst sehr spät (nach anwaltlicher Vertretung bzw. nach Kontakt mit Flüchtlingsberatern) im Verlauf des Verfahrens gemacht würden. In diesen ersten Angaben (Stellungnahme vom 4. Mai 1995) sei aber weder die Rede davon, daß die Beschwerdeführerin Kroatien lediglich durchfahren hätte, noch daß sie Kroatien (wegen des später behaupteten großen Flüchtlingsandranges) zwangsweise hätte verlassen müssen, weshalb die belangte Behörde davon ausgehe, daß sie freiwillig und ohne das Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz abzuwarten, Kroatien verlassen habe. Dies habe zur Folge, daß die Beschwerdeführerin entsprechend der vorgenannten Verordnung bereits anderweitig (in Kroatien) Schutz gefunden habe, weshalb ihr ein Aufenthaltsrecht nach § 12 AufG nicht zukomme. Da der am 16. Oktober 1994 zu touristischen Zwecken sichtvermerksfrei eingereisten Beschwerdeführerin nach dem 16. Jänner 1995 weder ein Sichtvermerk noch eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei, halte sie sich seit diesem Zeitpunkt unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Im Hinblick darauf, daß sich auch der Gatte der Beschwerdeführerin in Österreich aufhalte, werde durch die Ausweisung in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin i.S. des § 19 FrG eingegriffen. Auf der anderen Seite komme den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Durch den seit ca. zwei Jahren illegalen Aufenthalt der Beschwerdeführerin werde dieses maßgebliche öffentliche Interesse in hohem Maß gefährdet, weshalb die Ausweisung dringend geboten sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 1 Abs. 1 der im Zeitpunkt der Einreise der Beschwerdeführerin in Kraft gestandenen Verordnung BGBl. Nr. 368/1994 hatten Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderwertig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Gemäß § 1 Abs. 2 der in Rede stehenden Verordnung bestand dieses Aufenthaltsrecht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheit die Einreise gestattet wurde. Dieses Aufenthaltsrecht bestand in der Folge für den gleichen Personenkreis aufgrund jeweils des § 1 Abs. 1 und 2 der Verordnungen BGBl. Nr. 1038/1994, BGBl. Nr. 389/1995 und BGBl. Nr. 299/1996.

2.1. Die Beschwerde vertritt die Auffassung, daß diese Verordnungen auf die Beschwerdeführerin Anwendung fänden. Da der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1995 betreffend die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 95/19/1747, aufgehoben habe, "die Frage des Aufenthaltsrechtes für das gegenständliche Verfahren eine Vorfrage ist, ist die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Ausweisung noch nicht spruchreif und daher dieser Bescheid zu beheben".

2.2. Entgegen der Beschwerdemeinung handelt es sich bei der Frage, ob der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der hier angefochtenen Entscheidung ein Aufenthaltsrecht zukam, um keine Vorfrage (i.S. des § 38 AVG), ist doch über sie weder von den Gerichten noch von anderen Verwaltungsbehörden noch von derselben Behörde (der Fremdenpolizeibehörde) in einem anderen Verfahren als Hauptfrage zu entscheiden. Vielmehr obliegt die Entscheidung der Verwaltungssache "Ausweisung" allein der zur Vollziehung des Fremdengesetzes zuständigen Behörde in einem Verfahren wie dem der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegenden, wobei sie im Hinblick auf den Normgehalt des § 17 Abs. 1 FrG gehalten ist zu beurteilen, ob das Tatbestandsmerkmal "nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten" verwirklicht ist. Der Umstand, daß der Verwaltungsgerichtshof den für die Beschwerdeführerin negativen Bescheid nach dem Aufenthaltsgesetz mit dem Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 95/19/1747, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (weil sich die dort belangte Behörde mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin, auf sie träfen die Voraussetzungen für ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach den besagten Verordnungen zu, nicht auseinandergesetzt hatte) aufhob, mit der Folge, daß der Bundesminister für Inneres neuerlich darüber zu befinden hat, ob ein Ausschließungsgrund für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an die Beschwerdeführerin vorliegt, hinderte die hier belangte Behörde nicht, im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Entscheidung der Angelegenheit "Ausweisung" der Beschwerdeführerin zu prüfen, ob das dafür nach § 17 Abs. 1 FrG maßgebliche Tatbestandsmoment des unrechtmäßigen Aufenthaltes erfüllt ist. Von daher erweist sich der Beschwerdeeinwand, die Ausweisung sei "noch nicht spruchreif", als verfehlt. Eine andere Frage ist, ob die belangte Behörde ihre Beurteilung, die Beschwerdeführerin halte sich (seit etwa zwei Jahren) unrechtmäßig in Österreich auf, in einem mängelfreien Verfahren getroffen hat und aus diesem Blickwinkel die Sache entscheidungsreif war.

3.1. Die Beschwerde bringt dazu vor, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, ob der von der Beschwerdeführerin "gewählte Vorgang" der Einreise nach Österreich "gesetzwidrig war". Die Ausführungen im bekämpften Bescheid zur Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin seien "nur allgemein", die Beweiswürdigung sei insoweit mangelhaft. Im Hinblick auf die dem Verfahren betreffend die Versagung der Aufenthaltsbewilligung anhaftenden Mängel, "die von der belangten Behörde auch gegenständlich nicht behoben wurden, bedarf auch das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Ermittlungsverfahren noch einer Ergänzung".

3.2. Die belangte Behörde hat ihre Ansicht, die Beschwerdeführerin halte sich seit ca. zwei Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, damit begründet, daß dieser zum einen kein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß den oben II.1. zitierten Verordnungen zukomme, und ihr zum anderen nach dem 16. Jänner 1995 (dem Datum, an dem ihr dreimonatiger sichtvermerksfreier Aufenthalt geendet hatte) weder ein Sichtvermerk noch eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei.

Daß letzteres zutrifft, bleibt in der Beschwerde unbestritten. Was hingegen die Beschwerdebehauptung anlangt, der Beschwerdeführerin werde ein Aufenthaltsrecht nach den besagten Verordnungen zuteil, so vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen, daß - wie die Beschwerde meint - die belangte Behörde ihre gegenteilige Auffassung nicht hinreichend und nachvollziehbar begründet hätte. Die der Ansicht, die Beschwerdeführerin habe vor ihrer Einreise nach Österreich am 16. Oktober 1994 anderweitig, und zwar in Kroatien, Schutz gefunden, zugrunde liegende Beweiswürdigung beruht in Ansehung der zentralen Frage der Glaubwürdigkeit bzw. Unglaubwürdigkeit der diesbezüglichen Aussagen der Beschwerdeführerin auf mit der Lebenserfahrung nicht in Widerspruch stehenden Überlegungen und hat ein sehr hohes Maß an Wahrscheinlichkeit für sich, weshalb sie im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zustehenden Kontrollbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) auf keine Bedenken stößt.

Da somit auch die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht vorliegen, durfte die belangte Behörde das Tatbestandsmerkmal des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes als verwirklicht ansehen und hatte - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG - im Grunde des § 17 Abs. 1 FrG die Ausweisung der Beschwerdeführerin auszusprechen.

4. In bezug auf die zur Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 19 leg. cit. angestellten Erwägungen im angefochtenen Bescheid enthält sich die Beschwerde jeglicher Ausführungen. Der Gerichtshof findet keinen Anlaß, die von der Annahme eines relevanten Eingriffes in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ausgehende Auffassung der belangten Behörde, die Ausweisung sei aufgrund des überwiegenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten und demnach im Grunde des § 19 FrG zulässig, zu beanstanden. Die angefochtene Entscheidung folgt in diesem Punkt der ständigen hg. Rechtsprechung.

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180173.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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