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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. März 1997, Zl. SD 230/97, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. März 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei im August 1981 im Alter von 15 Jahren nach Abschluß der Schulausbildung nach Österreich gekommen und seit November 1981 zum Aufenthalt berechtigt.
Am 4. März 1991 sei er "vom Magistratischen Bezirksamt für den 15. Bezirk" wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes mit S 3.000,--, am 11. Juni 1991 von derselben Behörde neuerlich wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes durch Beschäftigung einer Ausländerin ohne Bewilligung mit S 10.000,-- rechtskräftig bestraft worden. Im Jahre 1992 seien mehrere Anzeigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung erfolgt, die jedoch zu keiner Verurteilung geführt hätten. Im Jänner 1994 sei bekannt geworden, daß sich der Beschwerdeführer seit etwa einem Jahr "in der Suchtgiftszene" bewege und mit "Suchtgifthandel (Heroin)" befasse. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei auch seinem Vater, bei dem seine Ehegattin und seine zwei Kinder gewohnt hätten, nicht bekannt gewesen.
Später sei der Beschwerdeführer verhaftet und vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 1. Dezember 1994 wegen Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten (unbedingt) rechtskräftig verurteilt worden.
Nach einer Amnestie habe sich der Beschwerdeführer in die Türkei begeben, von wo er erst im Oktober 1995 wieder nach Österreich zurückgkehrt sei. Am 7. November 1995 sei er nach einer Telefonüberwachung als einer der Haupttäter unter einer ganzen Reihe von Mitverdächtigen neuerlich wegen Suchtgifthandels festgenommen worden. Vom Landesgericht für Strafsachen Wien sei er am 14. Februar 1996 wegen Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 12 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren (unbedingt) rechtskräftig verurteilt worden.
Es könne kein Zweifel bestehen, daß im vorliegenden Fall nicht nur die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG in mehrfacher Hinsicht (2 Freiheitsstrafen, die weit über dem gesetzlichen Mindestmaß lägen und "gleiche schädliche Neigung") vorlägen und daß mit den den Verurteilungen zugrundeliegenden Tathandlungen eine eminente Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG gegeben sei, sondern daß auch ein Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinne des § 19 FrG zur Verteidigung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) "dringendst geboten" sei. Der Beschwerdeführer lebe, von einer vorübergehenden Abwesenheit in seiner Heimat abgesehen, schon lange im Bundesgebiet und hier lebten auch seine Eltern, ein Bruder, seine Ehegattin und drei Kinder. Ein Bruder verbüße derzeit eine Freiheitsstrafe, ein anderer Bruder lebe in der Türkei. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität wögen aber auch bei völliger Integration des Fremden die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ungleich schwerer als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie, wobei sich der Beschwerdeführer überdies immerhin während längerer Zeit um seine Familie nicht allzusehr gekümmert habe.
Dem Einwand in der Berufung, dem Beschwerdeführer sei gemäß § 23a des Suchtgiftgesetzes Strafaufschub gewährt worden und er hätte sich auch in Behandlung begeben, komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil dies nicht geeignet sei, die Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszuschließen oder nur als gering einzuschätzen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde läßt die Auffassung der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) gerechtfertigt sei, unbekämpft. Gegen diese Auffassung besteht aufgrund der unbestritten gebliebenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen kein Einwand. Das Beschwerdevorbringen, daß der Beschwerdeführer - "was die Anzeigen wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung betrifft" - wegen des Grundsatzes der Unschuldsvermutung als unschuldig zu gelten habe, ändert daran nichts, weil sich die besagte rechtliche Beurteilung nicht auf die Anzeigen, sondern auf die beiden in Punkt I.1. genannten Verurteilungen bzw. das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers bezieht.
2.1. Die Beschwerde bekämpft die von der belangten Behörde zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgegangene Interessenabwägung nach § 19 und § 20 Abs. 1 FrG.
Die belangte Behörde habe die Integration des Beschwerdeführers nicht entsprechend berücksichtigt. Er lebe seit 1981 in Österreich, der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sei hier gelegen. Er sei in Wien verheiratet und habe für insgesamt drei Kinder zu sorgen; seine ganze Familie lebe in Österreich; er sei hier berufstätig gewesen und habe "monatlich brutto über S 16.000,--" verdient. Vom Gericht sei dem Beschwerdeführer Strafaufschub gemäß § 23a des Suchtgiftgesetzes eingeräumt worden. Er habe sich nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft umgehend in "ambulante psychotherapeutische Behandlung" bei einem Verein begeben und im Verwaltungsverfahren die diesbezügliche Bestätigung vorgelegt. Seit seiner Haftentlassung am 14. Februar 1996 sei der Beschwerdeführer auch "in keiner Weise irgendwie auffällig geworden", die "Fremdenpolizei" habe auch keineswegs sofort gegen ihn "ein Verfahren" eingeleitet. Er habe sich nicht nur in die Behandlung eines Vereins begeben, sondern darüber hinaus auch Arbeit gefunden und sei vollkommen in das bürgerliche Leben zurückgekehrt.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die belangte Behörde hat im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung gemäß § 19 FrG auf den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und seine hier bestehenden Bindungen zu seiner Familie Bedacht genommen und das Aufenthaltsverbot - zutreffend - als relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers gewertet. Der Gerichtshof kann es aber nicht als rechtswidrig ersehen, wenn die belangte Behörde dennoch - unter Berücksichtigung dieser persönlichen Interessen des Beschwerdeführers - zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit (Art. 8 Abs. 2 MRK) im Sinn des § 19 FrG dringend geboten sei, macht doch nach seiner Rechtsprechung die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der genannten Ziele notwendig (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. Jänner 1997, Zl. 97/18/0013, und Zl. 97/18/0024, jeweils mwH).
An dieser Notwendigkeit vermögen weder die Einräumung eines "Strafaufschubes gemäß § 23a SGG" noch das Vorbringen, daß sich der Beschwerdeführer in eine entsprechende Behandlung begeben habe, etwas zu ändern, weil damit weder ein Wegfall noch eine (wesentliche) Minderung der vom Beschwerdeführer (der zweimal wegen Suchtgifthandels gerichtlich - einmal zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten unbedingt und einmal zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren unbedingt - verurteilt wurde) ausgehenden Gefahr der Begehung weiterer strafbarer Handlungen und für den Schutz der Gesundheit anderer bewirkt wird. Gleiches gilt für die Behauptung des Beschwerdeführers, daß er seit seiner Haftentlassung "in keiner Weise irgendwie auffällig geworden wäre".
Der angefochtene Bescheid kann auch im Lichte des § 20 Abs. 1 FrG nicht als rechtswidrig erkannt werden. Zum einen sind die im Hinblick auf die Dauer seines inländischen Aufenthaltes und seine familiären Bindungen gegebenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers dadurch an Gewicht gemindert, daß die für das Ausmaß seiner Integration wesentliche soziale Komponente durch die in Rede stehenden Verurteilungen deutlich beeinträchtigt wird. Zum anderen steht nach der ständigen hg. Rechtsprechung selbst eine ansonsten völlige soziale Integration des Fremden bei Suchtgiftdelikten im Hinblick auf deren große Sozialschädlichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 20 Abs. 1 FrG nicht entgegen (vgl. die schon zitierten Erkenntnisse vom 30. Jänner 1997, mwH).
3. Da nach dem Gesagten schon der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180152.X00Im RIS seit
20.11.2000