TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/17 97/18/0132

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Veröffentlicht am 17.04.1997
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
19/05 Menschenrechte;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARB1/80 Art6 Abs1;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §20;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Jänner 1997, Zl. SD 1353/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im September 1991 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. März 1992 abgewiesen worden sei. Am selben Tag (24. März 1992) habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und einen Befreiungsschein beantragt; am 17. April 1992 habe der Beschwerdeführer einen Sichtvermerksantrag gestellt. Aufgrund der Ehe und des ihm erteilten Befreiungsscheines habe er in weiterer Folge einen Sichtvermerk bis zum 19. August 1993 sowie eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 20. August 1995 erhalten.

Mittlerweile sei die Ehe des Beschwerdeführers vom Bezirksgericht Donaustadt gemäß § 23 des Ehegesetzes für nichtig erklärt worden, weil die Ehe nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Aufenthalts- bzw. Beschäftigungsbewilligung zu verschaffen. Das diesbezügliche Urteil vom 12. Juli 1996 sei in Rechtskraft erwachsen. Aufgrund der Nichtigerklärung der Ehe sei auch der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1996 rechtskräftig abgewiesen worden. Angesichts des gegebenen Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG gegeben seien.

Auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne nämlich ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf diese Gesetzesstelle gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigten. Im vorliegenden Fall sei das im Grunde dieser Gesetzesstelle relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - daß diese vom Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei, bleibe in der Berufung unbestritten - zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsbewilligung) zu erblicken. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhaltendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin basierten. Selbst wenn man unbeschadet dessen dennoch einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehmen wollte, so wäre damit für ihn nichts gewonnen. Denn diesfalls würde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig sein. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen. Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten wäre - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG würde die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen sein. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers festgestellt werden könnten und auch das Ausmaß seiner Integration im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei, wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Sohin sei das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleiben die Feststellungen der belangten Behörde, daß die Ehe des Beschwerdeführers mit einer Österreicherin mit dem am 12. Juli 1996 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt gemäß § 23 des Ehegesetzes für nichtig erklärt worden sei, weil die Ehe nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Aufenthalts- bzw. Beschäftigungsbewilligung zu verschaffen, unbestritten. Auf der Grundlage dieser Feststellungen und unter Bedachtnahme auf die hg.

Rechtsprechung stößt die rechtliche Schlußfolgerung der belangten Behörde, es handle sich bei dieser Eheschließung auf Seiten des Beschwerdeführers um einen Rechtsmißbrauch, der als gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) anzusehen sei und solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige, auf keine Bedenken. Gleiches gilt für die von der belangten Behörde - unter Annahme eines im Sinn des § 19 FrG relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers durch diese Maßnahme - vertretene Auffassung, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes mit Rücksicht auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und demnach gemäß § 19 FrG zulässig sei. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0159, mwH).

Daß die Eheschließung im Jahr 1992 erfolgte, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, ist doch die seither verstrichene Zeitspanne im vorliegenden Zusammenhang noch nicht so lang, um die durch das rechtsmißbräuchliche Verhalten des Beschwerdeführers herbeigeführte Ordnungsgefährdung als nicht mehr gegeben ansehen zu können.

2. Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid weiters ein, daß in seinem Fall "die Voraussetzungen des EU-Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80" vorlägen, weshalb er über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Abkommen verfüge und daher "eine Eheschließung zur Erlangung meiner Aufenthaltsberechtigung gar nicht möglich gewesen wäre".

Dieser Einwand ist nicht zielführend. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/1215, unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausgeführt hat, ist unter "ordnungsgemäßer" Beschäftigung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 nur eine Beschäftigung zu verstehen, die im Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedsstaates steht. Da der Beschwerdeführer die ihm erteilten Aufenthaltsberechtigungen im Wege einer Scheinehe rechtsmißbräuchlich erlangt hat, kann nicht davon gesprochen werden, daß der darauf beruhende Aufenthalt im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften stehe. Daher ist Art. 6 Abs. 1 des genannten Beschlusses schon aus diesem Grund auf den Fall des Beschwerdeführers nicht anwendbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0418, mwH). Weiters ist anzumerken, daß zum Zeitpunkt der Eheschließung im Jahr 1992 der genannte Assoziationsratsbeschluß in Österreich noch nicht gegolten hat und daher - entgegen der Beschwerde - auch keine Rede davon sein kann, daß damals die Eheschließung des Beschwerdeführers zur Erlangung einer Beschäftigungs- bzw. einer Aufenthaltsberechtigung ohne Bedeutung gewesen sei.

3.1. Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid im Lichte der §§ 19 und 20 FrG für rechtswidrig. Bei Abwägung seiner privaten mit den öffentlichen Interessen hätte auf seinen mehrjährigen Aufenthalt und seine "durchgehende Beschäftigung" in Österreich Bedacht genommen werden müssen; er sei in Österreich gemeldet, sozial integriert und habe hier seinen Lebensmittelpunkt gefunden. Durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes verlöre der Beschwerdeführer seine wirtschaftliche Existenz und sein soziales Umfeld.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wie bereits festgehalten, ist vorliegend die Verhängung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG dringend geboten. Was die Beurteilung nach § 20 FrG betrifft, so sind die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers in ihrem Gewicht gemindert, weil - wie die belangte Behörde zutreffend festgehalten hat - die Berechtigung zum Aufenthalt und zur Beschäftigung des Beschwerdeführers auf die rechtsmißbräuchliche Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zurückzuführen sind und daher die sich aus Aufenthalt und Beschäftigung daraus (allenfalls) ergebende Integration des Beschwerdeführers nicht wesentlich zu seinen Gunsten veranschlagt werden kann. Da im übrigen die Feststellungen der belangten Behörde, daß weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich vorhanden sind, in der Beschwerde nicht bestritten wird, kann das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme, nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1997, Zl. 97/18/0105).

4. Der Verfahrensrüge, daß dem Beschwerdeführer "keine Möglichkeit zur Stellungnahme über den Stand des Ermittlungsverfahrens" eingeräumt worden sei und er deshalb die von ihm in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände nicht habe darlegen können, ist vor dem Hintergrund des Gesagten der Boden entzogen.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich auch ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180132.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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