TE Bvwg Beschluss 2020/10/12 W105 2195056-2

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Veröffentlicht am 12.10.2020
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Entscheidungsdatum

12.10.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W105 2195056-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 06.10.2020, Zl. 1098771007-200779779, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX geb., StA. Afghanistan, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF sowie § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, spätestens im Dezember 2015 nach Österreich ein und stellte am 11.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach niederschriftlicher Einvernahme des BF wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 16.01.2018, den Antrag sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und wurde dem Antragsteller die Unterkunftnahme in einem namentlich genannten Quartier verordnet, einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie wurde festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe sowie, dass der Antragsteller sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 24.03.2018 verloren habe. Gegen den Antragsteller wurde gemäß § 53 Abs. iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gem. § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, 27 Abs. 2a 2. Fall SMG, wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gem. § 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall SMG sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gem. § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Davon wurden sechs Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Strafgericht wertete als mildernd das Geständnis und die Unbescholtenheit, als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG, wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gem. § 27 Abs. 1 Z 1 8. oder 9. Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gem. § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten und zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à EUR 4,00, gesamt sohin EUR 720,00, verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht wurde abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Das Strafgericht wertete als mildernd das teilweise Geständnis, als erschwerend eine einschlägige Vorverurteilung, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen von Vergehen.

3. Am 07.05.2018 brachte der Beschwerdeführer – fristgerecht – Beschwerde in vollem Umfang gegen den genannten Bescheid des BFA ein. Er beantragte die Gewährung des Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Zurückverweisung, allenfalls die Rückkehrentscheidung aufzuheben und auf Dauer für unzulässig zu erklären, in eventu die Feststellung, dass die Abschiebung nicht zulässig sei, in eventu die Dauer des Einreiseverbotes herabzusetzen, sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Weiters wurde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Am 31.07.2018 erließ das Bundesverwaltungsgericht ein Teilerkenntnis (Zl. W180 2195056-1/7Z) im Umfang des Spruchpunktes über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides). Darin wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Dieses Erkenntnis blieb unangefochten.

4. Nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 30.07.2019, die Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.04.2018 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt sowie wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Antragsteller ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

5. Am 26.08.2020 stellte der Genannte den nunmehr gegenständlichen Asylantrag. Im Rahmen der am 26.08.2020 erfolgten Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF auf die Frage nach den Gründen für seine neuerliche Asylantragstellung und die Frage, was sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber seinem bereits entschiedenen Verfahren geändert habe wörtlich an: „Ich habe die letzten Monate illegal in Österreich gelebt. Ich möchte keine Angst mehr haben, dass mich die Polizei irgendwann erwischt und ich dann Schwierigkeiten bekomme. Ich habe auch Angst, dass ich zurück nach Afghanistan geschickt werde. Meine Fluchtgründe von damals sind gleich- geblieben. Ich habe meinen Glauben, den Islam abgelegt. Dies hat meine Familie erfahren und aufgrund dessen bekomme ich Schwierigkeiten mit meiner Familie. Des Weiteren war ich eine Zeit lang mit meiner Cousine zusammen und bin auch mit ihr gemeinsam bis Pakistan geflüchtet. Ihre Familie hat sie damals (2014) dann abgeholt und ich habe mit ihr Schluss gemacht. Ihre Brüder wollen mich deshalb nun töten.

Auf die weitere Frage, seit wann ihm die Änderungen der Situation bzw. seiner Fluchtgründe bekannt seien, gab der Antragsteller an: „Meinen Glauben habe ich seit 1 ½ Jahren abgelegt. Die anderen Gründe begleiten mich von Anfang an.“

6. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 16.09.2020 beantwortete der BF die Frage, ob es seit rechtskräftigem Abschluss seines Erstasylverfahrens mit 01.08.2019 irgendeine Änderung in seinem Familienleben gebe. Damit, er sei seit eineinhalb Jahren mit (namentlich genannt) zusammen. Sie seien ein Paar und würden eine Beziehung führen. Sie hätten einander schon vor 2 Jahren kennengelernt und seien sie als Paar im Jänner 2019 zusammengekommen.

Befragt nach Änderungen in seinem Privatleben, gab der Antragsteller zu Protokoll, dass sich im Privatleben eigentlich nichts geändert habe, jedoch sei er nach dem negativen Asylbescheid sehr verzweifelt gewesen und habe Angst bekommen, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Weiters habe er ernsthafte Probleme mit seiner eigenen Familie in Afghanistan bekommen, sie habe über Facebook davon erfahren, dass er zum Christentum konvertiert sei und sei sie sehr wütend und sauer auf ihn.

Auf die Frage, warum er nunmehr einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, führte der Antragsteller aus, beim ersten Asylverfahren habe er einige Fluchtgründe gesagt, aber seinen hauptsächlichen Fluchtgrund habe er nicht gesagt …… es sei um eine Liebesbeziehung zwischen ihm und seiner Cousine gegangen …… er wolle nunmehr diesen Grund ausführlich schildern.

Auf Vorhalt, dass er ja eben diesen weiteren Grund auch nicht im Rahmen der abgeführten Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht dargetan habe, gab der Antragsteller zu Protokoll, es sei ein Fehler gewesen und sei wieder ein afghanischer Dolmetsch beigezogen gewesen und habe er sich sehr unsicher gefühlt. Im Weiteren bezog sich der Antragsteller nunmehr auf familiäre Probleme sowie unter anderem darauf, dass er auch zum Christentum konvertiert sei. Er habe sich hier gut angepasst, unter anderem trinke er alkoholische Getränke und esse Schweinefleisch und je mehr er die österreichische Kultur und die Traditionen kennengelernt habe, desto sicherer sei er, dass er kein Moslem sein möchte. Er sei auf jeden Fall jetzt ein gläubiger Christ, besuche jeden Sonntag die Messe.

Auf weitere Frage, seit wann genau ihm die gegenwärtigen Antragsgründe bekannt seien, führte der Antragsteller wörtlich aus: „Seit gut 1 ½ Jahren, also, dass ich nicht mehr islamisch lebe ist schon seit einiger Zeit so….“

Weiterhin wurde der Antragsteller unter anderem dahingehend befragt, was das Wichtigste am Christentum sei und was dem Glauben zugrunde liege bzw. woran die Christen glauben würden und beantwortete dies wörtlich so: „Jesus Christus.“

Auf weitere Nachstoßfrage bzw. Aufforderung sich zu erklären, gab der Antragsteller wörtlich an: „Kirche, mehr weiß ich nicht, ich werde das alles erst lernen.“

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der BF nach Vorhalt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebungsschutz aufzuheben und er nun Gelegenheit habe, zu dieser geplanten Vorgangsweise Stellung zu nehmen, an, er könne nicht zurückkehren und werde gegen diese Entscheidung in Berufung gehen. Er werde versuchen, sobald wie möglich, mit den Kirchenbeitritt anzufangen und eventuell einen Glaubenskurs besuchen. Man wolle hier auch gerne heiraten; dies so schnell wie möglich.

Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 06.10.2020 führte der Antragsteller auf Aufforderung aus, dass er sich inzwischen bei einer Kirche angemeldet habe und jetzt dort Mitglied werde. Auf Frage, bei welcher Glaubensgemeinschaft er sich angemeldet habe, verwies der Antragsteller auf eine Kirche in XXXX und den Beginn eines Taufvorbereitungskurses und habe er bereits gegenüber einem (namhaft gemachten) Pfarrer telefonisch einen Termin vereinbart und bekomme er dann eine Bestätigung, dass er sich taufen lassen wolle.

7. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom 06.10.2020 wurde der faktische Abschiebungsschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und Feststellungen zur aktuellen Situation in Afghanistan unter Bezugnahme auf den aktuellen Stand der Covid-19 Krise in Afghanistan ausgeführt, dass der Antragsteller im Rahmen des Erstantrages angegeben habe, Afghanistan verlassen zu haben, weil er dort Probleme mit den Taliban gehabt hätte und zudem sei er von Freunden in Afghanistan bedroht worden. Im Zuge des nunmehrigen Folgeantrages habe er nicht glaubwürdige weitere asylrelevante Gründe vorgebracht bzw. habe sich kein neuer, erst nach Rechtskraft des letzten Verfahrens (01.08.2019) entstandener Sachverhalt ergeben. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz vom 26.08.2020 werde daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass im Fall des BF ein Folgeantrag vorliege, weil sein Vorverfahren mit 01.08.291 rechtskräftig entschieden sei. Im vorliegendem Fall bestehe eine aufrechte Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 3 Jahren befristeten Einreiseverbots. Da er nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen habe, sei die Rückkehrentscheidung noch aufrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen, nach Rechtskraft des letzten Verfahrens entstandenen Sachverhalt vorgebracht habe, oder sich auf seine schon behandelten Fluchtgründe bezogen habe bzw. das Vorbringen jeglicher Glaubwürdigkeit entbehre. Auch habe sich die allgemeine Lage im Herkunftsstaat nicht entscheidungswesentlich geändert. Ähnliches gelte auch für seine persönlichen Verhältnisse. Auch bezüglich dieser sei keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten.

8. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge den Verwaltungsakt mit einem als „Beschwerdevorlage“ bezeichneten Schreiben vom 06.10.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Mit Mitteilung vom 07.10.2020 gem. § 22 Abs. 2 BFA-VG bestätigte das BVwG dem BFA gegenüber das Einlangen der Verwaltungsakten am 07.10.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt und den Gerichtsakten des BF.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

2.1. Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde (Z 1), kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt (Z 2), im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben (Z 3), und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist (Z 4).

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufheben, wenn gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

2.2. Die Verfahren über den ersten Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde – wie im Verfahrensgang dargestellt – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig abgeschlossen. Beim gegenständlichen, eingebrachten Antrag des BF auf internationalen Schutz handelt es sich somit um einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

2.3. Mit Erkenntnis des BVwG vom 30.07.2019, Zl. W180 2195056-1/35E wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 27.02.2017 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis VI sowie VIII bis X des Bescheides vom 16.04.2018 wurde abgewiesen; dies mit der Maßgabe, das gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage sowie zu Spruchpunkt X, dass gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG über den Antragsteller ein für die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen werde. Dieses Erkenntnis erwuchs mit 01.08.2019 in Rechtskraft.

2.4. Der Antrag vom 26.08.2020 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist:

Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048; 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; 31.07.2014, 2013/08/0163; vgl. dazu ausführlich die – zu einer früheren Rechtslage des AsylG 2005 getätigten, aber auch auf die nunmehrige Rechtslage übertragbaren – Erwägungen in VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Im Folgeantragverfahren können – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra/2014/18/0089).

Der Antragsteller bezieht sich im zweiten Rechtsgang einerseits ausdrücklich auf dieselben Gründe, welche er bereits in seinem Erstverfahren angegeben hat und wurde dieser Sachverhaltskreis bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgehandelt.

Im Weiteren bezog sich der Antragsteller andererseits nunmehr zentral darauf, dass er sich vom islamischen Glauben abgewandt habe und zum Christentum konvertieren wolle. Ausdrücklich bezog er sich weiters hinsichtlich seiner nunmehr neu ins Treffen geführten Fluchtgründe betreffend eine Liebesbeziehung im Herkunftsstaat und sich die daraus ergebenden Befürchtungen seinerseits darauf, dass diese bereits bei der Einvernahme vor dem BFA im Jahr 2015 vorgelegen seien, er dies jedoch im ersten Rechtsgang aufgrund einer Mentalreservation nicht ausgesagt habe.

Auch ist keine wesentliche Änderung in seiner Beziehung in Österreich eingetreten und sagte der Antragsteller am 16.09.2020 hiezu aus, dass er seit „1 ½ Jahren mit XX zusammen sei, was überdies anfallsgemäß vor dem Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des ersten Rechtsganges liegt. An anderer Stelle sagte der Antragsteller nunmehr am 16.09.2020 auf Befragen, seit wann genau ihm die nunmehrigen Antragsgründe bekannt seien aus, dass sie ihm seit gut 1 ½ Jahren bekannt sei; also, dass er nicht mehr islamisch lebe, sei schon seit einiger Zeit so… .

Aufgrund der nunmehr getätigten Aussagen ist davon auszugehen, dass die seitens des Antragstellers nunmehr neu ins Treffen geführten Antragsgründe bereits ihren Ursprung sachverhaltsgemäß zeitlich gesehen vor rechtskräftigem Abschluss des ersten Rechtsganges haben.

Ergänzend ist diesbezüglich überdies auszuführen, dass die bisherigen Befragungsergebnisse zu einer geplanten Konversion „eher dünn“, daher wenig nachvollziehbar und wenig glaubwürdig zu betrachten sind, weshalb auch daraus nicht glaubhaft ein neu entstandenes Sachverhaltselement erkannt werden kann.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der BF zwar in seiner Erstbefragung anlässlich der nunmehrigen Folgenantragstellung auch eine Gefährdung seiner Person aufgrund einer Konversion ins Treffen geführt hat, er jedoch hiervon in keiner der beiden folgenden Einvernahmen vor dem BFA am 29.07.2020 wie auch am 28.08.2020 auch nur ein Wort erwähnt hat, sondern ausdrücklich betont hat, dass er keine neuen Fluchtgründe habe. Das Vorbringen betreffend eine etwaige erfolgte Konversion des BF war daher letztlich keiner Beurteilung zu unterziehen.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Aus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.07.2019 eingetreten ist.

2.5. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 MRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im vorliegenden Fall ist hervorgekommen, dass keine berufliche und soziale Verfestigung erkannt werden kann, kann auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

Umgekehrt ist hervorgekommen, dass der Antragsteller mehrfach als rechtskräftig verurteilter Straftäter in Österreich in Erscheinung getreten ist und er sich derzeit in Schubhaft befindet.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 06.10.2020 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.

3. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG ist das Verfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Glaubwürdigkeit strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W105.2195056.2.00

Im RIS seit

19.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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