TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/4 G314 2182811-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2020
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Entscheidungsdatum

04.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §29 Abs5

Spruch


G314 2182811-1/7E

GEKÜRZTE AUSFERTIGUNG DES AM 19.10.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des irakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Laszlo SZABO, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 12.2017, Zl.: XXXX , betreffend internationalen Schutz, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) droht.

Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlands befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Lands zu bedienen (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113). Unter "Verfolgung" ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350).

Hier hat der Beschwerdeführer – auch mangels Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung und seiner widersprüchlichen und wenig konkreten Angaben zuvor – keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht.

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn sein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (Abschaffung der Todesstrafe) bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG zu verbinden.

Vor diesem Hintergrund ist dem Beschwerdeführer kein subsidiärer Schutz zu gewähren, zumal er volljährig und gesund ist, über eine mehrjährige Schulbildung und aufgrund seiner dort lebenden Angehörigen über ein soziales Netz im Irak verfügt. Eine Rückkehr in seine Herkunftsregion XXXX ist ihm zumutbar.

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wird, ist gemäß § 58 Abs 1 AsylG von Amts wegen die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG zu prüfen. Gemäß § 58 Abs 3 AsylG ist darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" ist gemäß § 57 Abs 1 AsylG Drittstaatsangehörigen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, zu erteilen, wenn entweder der Aufenthalt gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, sofern sie keine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit sind und nicht wegen eines Verbrechens verurteilt wurden, oder zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von damit im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen. Letztlich ist ein solcher Aufenthaltstitel auch Opfern von Gewalt zu erteilen, wenn eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO ("Schutz vor Gewalt in Wohnungen") oder nach § 382e EO ("Allgemeiner Schutz vor Gewalt") erlassen wurde oder hätte erlassen werden können, wenn dies zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür aktenkundig, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt wären.

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung über die Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem achten Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird und auch kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG vorliegt. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 2 AsylG ist hier ebenso wenig erfolgt wie eine Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 3a AsylG.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist nur dann von Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger und Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art 8 EMRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (siehe zuletzt VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120).

Dem persönlichen Interesse des BF an einer Fortsetzung seines Privatlebens in Österreich - seine Kernfamilie lebt nach wie vor im Irak, sodass im Bundesgebiet kein Familienleben besteht - steht das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt - insbesondere aufgrund der starken Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat und des Fehlens außergewöhnlicher Integrationsbemühungen - das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten Interessen des BF. Durch die Rückkehrentscheidung wird Art 8 EMRK im Ergebnis nicht verletzt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen oder wurden in der Beschwerde behauptet, die eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen. Die Rückkehrentscheidung ist daher nicht zu beanstanden. Die amtswegige Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG kommt somit nicht in Betracht.

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Wird in einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung eine amtswegige Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG getroffen, so ist diese Feststellung, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat bezieht, (wegen der inhaltlichen Übereinstimmung des Prüfungsmaßstabs) nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz. In dieser Konstellation kommt ihr demnach nur die Funktion zu, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Gemäß § 55 Abs 1 FPG ist gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheids, sofern nicht besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist gemäß § 55 Abs 3 FPG einmalig mit einem längeren Zeitraum festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen; zugleich muss er einen Termin für seine Ausreise bekanntgeben.

Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.

Das nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündete Erkenntnis wird gemäß § 29 Abs 5 VwGVG in gekürzter Form ausgefertigt, weil innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 29 Abs 2a VwGVG kein Antrag auf eine schriftliche Ausfertigung gemäß § 29 Abs 4 VwGVG gestellt wurde.

Schlagworte

gekürzte Ausfertigung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz non refoulement öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2182811.1.00

Im RIS seit

18.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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