TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/24 G307 2231523-4

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Entscheidungsdatum

24.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


G307 2231523-4/7E

Schriftliche Ausfertigung des am 13.11.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

Im NAMEN der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter im Verfahren zur Prüfung der Anhaltung in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG des XXXX , geb. am XXXX , StA.: Afghanistan, zu BFA-Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

Es wird gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der betroffene Fremde (im Folgenden: BF) reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX .2015 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes eingebracht.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 30.06.2017 wurde dieser Antrag vom XXXX .2015 in allen Spruchpunkten abgewiesen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde dem BF eine 14tägige Frist für freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt. Die gegen diese Entscheidung des BFA am 12.07.2017 erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 24.03.2020, GZ W201 2165490-1/17E als unbegründet abgewiesen und erwuchs diese am 26.03.2020 in Rechtskraft.

Die Frist zur freiwilligen Ausreise aus Österreich begann am 26.03.2020 und endete am 09.04.2020. Auf Grund nicht vorhandener Reisedokumente wurde am 28.04.2020 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ-Verfahren) gestartet.

Mit Bescheid des BFA vom 28.04.2020 wurde dem BF gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zur Ausreise durchgängig Unterkunft in der XXXX , in XXXX , zu nehmen.

Der am XXXX .2020 von Beamten der Polizeiinspektion XXXX unternommene Versuch, dem BF diesen Bescheid zuzustellen scheiterte, weil der BF laut Bericht dieser PI seit XXXX .2020 nicht mehr an der Adresse in XXXX wohnhaft gewesen sei und sich laut Aussagen eines dortigen XXXX -Mitarbeiters ins Ausland abgesetzt gehabt hätte. Die amtliche Abmeldung des BF wurde anschließend veranlasst und durchgeführt.

Am XXXX .2020 wurde der BF vom Bundesamt gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-VG zur Festnahme ausgeschrieben.

Am XXXX .2020 um 11:11 Uhr wurde der BF in XXXX von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen, anschließend gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-VG festgenommen und in das Polizeianhalezentrum (PAZ) XXXX verbracht.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom XXXX .2020, wurde gegenüber dem BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung ihrer Abschiebung angeordnet. Die dagegen von dem m Spruch angeführten Rechtsvertreter (RV) am 03.06.2020 an das BVwG erhobene Beschwerde wurde am 10.06.2020 mit mündlich verkündetem Erkenntnis des BVwG, GZ: G307 2231523- 1/9E, als unbegründet abgewiesen und die weitere Anhaltung der VP in Schubhaft als verhältnismäßig erkannt.

Am XXXX .2020 fand die Vorführung des BF vor die afghanische Botschaft in Wien statt. Dabei konnte der BF positiv identifiziert werden und sicherte die Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu, sobald ein fixer Abschiebetermin feststünde.

Eine geplante Charterabschiebung der VP am XXXX .2020 musste im Oktober 2020 auf Grund der Corona-Lage abgesagt und verschoben werden. Am XXXX .2020 um 07:44 Uhr langte von der zuständigen Abteilung des BFA in Wien die Information ein, dass die Charterabschiebung des BF für den XXXX .2020 gebucht und fixiert habe werden können.

Mit XXXX .2020 erfolgte gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG die erste, am XXXX .2020 die zweite und am XXXX .2020 die dritte und jüngste Schubhaftprüfung durch das BVwG, wobei alle bisherigen Anhaltungen als verhältnismäßig erkannt wurden.

Am 13.11.2020 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz, eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF, sein RV sowie eine Vertreterin des Bundesamtes teilnahmen und eine Dolmetscherin der Sprache Pashtu beigezogen wurde. Im Zuge dieser Verhandlung wurde die im Spruch angeführte Entscheidung mündlich verkündet.

Mit Schreiben vom 17.11.2020, beim erkennenden Gericht eingelangt am selben Tag, begehrte der BF über seinen RV eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist afghanischer Staatsbürger, ledig, kinderlos und frei von Obsorgepflichten. Er reiste im Jahr 2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich, stellte am XXXX .2015 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes, welcher mit Bescheid des BFA vom 30.06.2017 in allen Spruchpunkten abgewiesen und unter anderem seine Rückreise nach Afghanistan angeordnet wurde.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom BVwG rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Seit Rechtskraft dieses Erkenntnisses verfügt der BF auch über kein Aufenthaltsrecht mehr in Österreich. Trotz Ablaufs der Frist zur freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet eingeräumte Frist verblieb er weiterhin im Bundesgebiet.

1.2. Bis zum 06.05.2020 war der BF mit Hauptwohnsitz zwar an einer Flüchtlingsunterkunft in XXXX gemeldet, nahm dort aber nie Unterkunft. Nachdem ihm die abweisende Asylentscheidung des BVwG zugestellt worden war, verließ er die letzte behördlich bekannte Unterkunft und tauchte unter, indem er sich nirgendwo mehr mit Haupt- oder Nebenwohnsitz im Bundesgebiet nach den Bestimmungen des Meldegesetzes anmeldete.

1.3. Mit Bescheid des BFA vom XXXX .2020 wurde ihm gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zur Ausreise durchgängig in der XXXX in XXXX zu nehmen. Da der BF bereits untergetaucht war, konnte ihm dieser Bescheid nicht zugestellt werden. In der Folge wurde die amtliche Abmeldung des BF an der erwähnten Anschrift in die Wege geleitet.

1.4. Nachdem der BF am XXXX .2020 von Seiten des BFA zur Festnahme ausgeschrieben worden war, wurde er am XXXX .2020 um 11:11 Uhr wurde anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung in XXXX betreten, einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen, festgenommen und ins PAZ XXXX verbracht.

1.5. Bis zu seinem Aufgriff durch die Fremdenpolizei hielt sich der BF bei XXXX auf, den der BF als seinen Freund bezeichnete und der ihn auch finanziell unterstützte. Im Zeitpunkt des Aufgriffs verfügte der BF weder über ein nennenswertes Barvermögen, noch über Immobilienbesitz in Österreich. Der BF ist absolut rückkehrunwillig und hat dezidiert angegeben, Österreich nicht verlassen zu wollen. Er verfügt im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen oder sonstige enge gesellschaftliche, berufliche oder enge freundschaftliche Beziehungen zu im Bundesgebiet wohnhaften Personen.

1.6. Seit dem XXXX .2020 befindet sich der BF durchgehend in Schubhaft.

1.7. Am XXXX .2020 wurde der BF der afghanischen Delegation vorgeführt, woraufhin er als Bürger dieses Staates identifiziert wurde.

1.8. Die nunmehrige Charterabschiebung des BF ist für den XXXX .2020 fixiert und ist er BF für diesen Flug bereits gebucht.

Der BF leidet an keinen schweren Krankheiten und ist haftfähig. Gründe, die seine Haftfähigkeit in Zweifel zögen, sind nicht hervorgekommen.

Die auf dem Luftweg vorzunehmenden Rückführungen in den Herkunftsstaat des BF werden von Schweden organisiert, weshalb Österreich keinen unmittelbaren Einfluss auf den Ablauf des dahingehenden Prozederes hat. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der für den XXXX .2020 in Aussicht genommene Flug in die Heimat des BF nicht stattfindet. Eine HRZ-Zusage seitens Afghanistans besteht.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.1. Die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit sowie der Nichtbesitz der österreichischen Staatsbürgerschaft beruhen auf den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen seitens des BF nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen hinsichtlich seiner Einreise und seines Aufenthaltes im Bundesgebiet, zum fehlenden Besitz von Identitätsurkunden sowie zu den ihn betreffenden asyl- und fremdenrechtlichen Entscheidungen samt deren Ausgang sind dem Inhalt einer Abfrage des Zentralen Fremdenregisters (ZFR), einer Ausfertigung der oben zitierten Erkenntnisse des BVwG und auf den Feststellungen des Bescheides der belangten Behörde zu entnehmen.

Die Feststellung, dass der BF bislang nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist ist und auch keine ernsthafte Bereitschaft zeigt, dieses zu verlassen sowie die fehlenden sozialen Bindungen folgen dem Inhalt des Mandatsbescheides wie jenem der niederschriftlich dokumentierten Angaben des BF vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung.

Das Fehlen privater, familiärer und beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet sowie über kein Einkommen und kein Vermögen verfügt, gründen auf den in den zitierten Niederschriften der Fremdenpolizei, des BFA und des Bundesverwaltungsgerichtes gemachten Angaben des BF. Sein Untertauchen und die damit in Zusammenhang stehenden Beweggründe folgen ebenfalls dem Inhalt der niederschriftlich dokumentierten Angaben des BF. Ergänzend sei bemerkt, dass der hinsichtlich des Freundes, bei dem sich der BF nach seinem Untertauchen aufgehalten hat, in der mündlichen Verhandlung weder dessen vollständigen Namen, noch sein Geburtsdatum oder seine Anschrift nennen konnte.

Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie, attestierte dem BF zwar Schlafstörungen und Grübelneigung, dies kann jedoch mit keiner schwerwiegenden Krankheit gleichgesetzt werden.

Die organisatorische Abwicklung des in Aussicht stehenden Rückfluges durch Schweden ist den unangetastet gebliebenen Angaben der Behördenvertreterin in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen. Ebenso bestätigte diese in der Verhandlung die HRZ-Zusage.

Die Flugbuchung ist der in der mündlichen Verhandlung seitens der Behördenvertreterin vorgelegten Flugbestätigung zu entnehmen. Dass der für XXXX .2020 angesetzte Flug nach Afghanistan den Angaben des Zimmerkollegen des BF ( XXXX ) zufolge nicht stattfinden werde, weil die Botschaft alle Flüge gestrichen habe, wurde weder in noch nach der mündlichen Verhandlung näher dargelegt und somit nicht bescheinigt.

2.2. Auf Grund des bisherigen Gesamtverhaltens tritt das erkennende Gericht im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde bei, dass sich der BF bislang als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat. Er hat durch sein Verhalten sowie durch die wiederholte Missachtung behördlicher Anordnungen (Untertauchen), gezeigt, dass er nicht bereit ist, seinen Lebenswandel dem österreichischen Recht entsprechend zu gestalten, somit seinen Unwillen, sich an österreichische Rechtsnormen zu halten und damit einhergehend die fehlende Bereitschaft zur Integration in Österreich, unter Beweis gestellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Zuständigkeit:

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:

㤠22a. (...)

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(...).“

3.2. Die gegenständlich relevanten Rechtsvorschriften lauten:

3.2.1. 㤠76. (...).

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1.       (…),

2.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

1.       (...).

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.     ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

2.       (…);

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.          der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), lautet:

3.       „§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

4.       (2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1.       (...);

2.       sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) (...).

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1.       die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.       (...),

3.       (...), oder

4.       die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

5.       kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

6.       (…).

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

3.2.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH vom 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH vom 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647 und vom 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH vom 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH vom 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; vom 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301 und vom 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis VwGH vom 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542 und vom 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH vom 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114 und vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. VwGH vom 22.05.2007, Zl. 2006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085 und vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512 und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Mit Bescheid des BFA vom XXXX .2020 wurde zwecks Sicherung der Abschiebung über den BF die Schubhaft angeordnet.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder, wie im gegenständlichen Fall, der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Gegenständlich liegt auch eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, nämlich eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG vor.

Der BF verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Finanzierung seines Unterhaltes und über keinen aufrechten Wohnsitz. Es wurden keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt und bestehen im Bundesgebiet keine familiären Beziehungen. Damit ist auch § 76 Abs. 3 Z 9 FPG erfüllt.

Selbst wenn dem BF ein Auslandsaufenthalt nicht vorwerfbar ist, so hat er sich der behördlichen Verfügungsgewalt entzogen, indem er dieser seinen aktuellen Wohnort nach Aufgabe des letzten ordentlichen Wohnsitzes nicht mitgeteilt hat.

Für die Verhängung der Schubhaft ist es nicht unabdingbare Voraussetzung, dass der BF ein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt hat, um von einer Fluchtgefahr auszugehen. Die Anwendung eines gelinderen Mittels scheidet aus, weil vor dem Hintergrund des Untertauchens des BF eben nicht davon ausgegangen werden kann, er sei zuverlässig genug, sich in periodischen Abständen in einer Polizeiinspektion zu melden oder in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten Unterkunft zu nehmen. Verstärkt wird die Gefahr einer fehlenden Greifbarkeit im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft durch seine bereits mehrmals getätigte, wie auch in der mündlichen Verhandlung bestätigte Aussage, nicht aus eigenem Antrieb nach Afghanistan zurückkehren zu wollen. Die Wahrscheinlichkeit der Abschiebung wird durch die Flugbuchung für den XXXX .2020 und das bisherige Fehlen von Anhaltspunkten für ein Flugstorno nunmehr verstärkt und kann daher keineswegs – wie von der RV vor dem BVwG vorgebracht – gesagt werden, die Rückführung des BF in seine Heimat sei unsicher oder unwahrscheinlich, zumal bereits eine HRZ-Zusage vorliegt.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX .2020 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Aus den dargelegten Erwägungen war gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt A.), die Schubhaft kann daher fortgesetzt werden.

Unter Berücksichtigung dieser nach wie vor vorliegenden Umstände und der sich konkretisierenden Außerlandesbringung kann von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden.

Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, der mangelnden Vertrauenswürdigkeit sowie seiner fehlenden sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet.

3.4. Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft ist, dass nach wie vor die Aussicht besteht, dass für den BF ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann (vgl VwGH vom 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).

Wie bereits soeben erwähnt, besteht bereits eine HRZ-Zusage.

3.5. Ein gelinderes Mittel iSv § 77 FPG kam für den BF nicht in Betracht, da er aufgrund seines Verhaltens unter Beweis gestellt hat, dass er nicht bereit bzw. willens ist, sich an einer bestimmten Adresse für die belangte Behörde bereitzuhalten.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen. Der Zweck der Schubhaft kann auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden, zumal der BF mittellos ist und keine Unterkunftsmöglichkeit besteht. Daran hat sich seit der letzten Schubhaftüberprüfungsverhandlung nichts geändert.

Die in § 80 Abs. 4 Z 1 und Z 2 FPG vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von 18 Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt bei weitem nicht überschritten.

Die andauernde Schubhaft kann daher - auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung - fortgesetzt werden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2231523.4.00

Im RIS seit

18.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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