TE Vfgh Beschluss 1995/6/19 G223/94

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Veröffentlicht am 19.06.1995
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art89 Abs2
B-VG Art129a Abs3
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
VStG §51 Abs7

Leitsatz

Zurückweisung eines Gesetzesprüfungsantrags eines unabhängigen Verwaltungssenates mangels Präjudizialität der bekämpften Norm infolge Aufhebung des vor dem UVS angefochtenen Bescheides ex lege nach Ablauf der Frist zur Entscheidung über die eingebrachte Berufung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1. Beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist ein Verfahren über die Berufung des M B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 6. Oktober 1992, Z Wa96-33/05-1992, anhängig, womit wegen der Übertretung des §137 Abs3 litg iVm §32 Abs1 und Abs2 lita Wasserrechtsgesetz 1959, Kdm. WV BGBl. 215/1959 idF der WRG-Nov. 1990, BGBl. 252, eine Geldstrafe von 3.000 S (und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Die Berufung vom 13. Oktober 1992 langte am 16. Oktober 1992 bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden ein.

1.1.2. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof am 24. August 1994 eingelangten und zum AZ G223/94 protokollierten Antrag begehrt der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gemäß Art129 a Abs3 iVm Art89 Abs2 und Art140 Abs1 B-VG die Aufhebung

"der litg des §137 Abs3 des Wasserrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. Nr. 252/1990, als verfassungswidrig; in eventu ... der einleitenden Wendung 'Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs4 oder 5 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 100.000 S zu bestrafen, wer' sowie der litg des §137 Abs3 des Wasserrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. Nr. 252/1990, als verfassungswidrig."

1.2. Die zur Äußerung eingeladene Bundesregierung erstattete eine Stellungnahme, auf die der unabhängige Verwaltungssenat replizierte. Die übrigen verfahrensbeteiligten Parteien gaben keine Äußerungen ab.

2. Der Antrag ist unzulässig.

2.1.1. Gemäß Art140 Abs1 B-VG iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenats, wenn diese Behörde gegen die Anwendung solcher Normen aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken hegt. Der Verfassungsgerichtshof hat hiebei die ihm unterbreitete Auffassung zur Präjudizialitätsfrage nach ständiger Rechtsprechung auf ihre Denkmöglichkeit hin zu untersuchen (vgl. zB VfSlg. 13424/1993). Tritt dabei die Unrichtigkeit des Standpunkts des unabhängigen Verwaltungssenats offen zutage, ist der Antrag unzulässig.

2.1.2. Eben dies trifft auf den vorliegenden Antrag zu.

Gemäß §51 Abs1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, Kdm. WV BGBl. 52/1991, steht dem Beschuldigten (in einem Verwaltungsstrafverfahren) das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu. §51 Abs7 erster Satz VStG ordnet an, daß der beim unabhängigen Verwaltungssenat angefochtene Bescheid - vom hier nicht gegebenen Fall des zweiten Satzes des §51 Abs7 VStG abgesehen - als aufgehoben gilt und das Verfahren einzustellen ist, wenn eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb von fünfzehn Monaten ab Einbringung der Berufung erlassen wird.

Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, daß die Berufung am 16. Oktober 1992 bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eintraf (vgl. zum Lauf der Frist ab dem Tag des Einlangens der Berufung bei der Behörde und nicht ab dem Tag der Postaufgabe zB VwSlg. 11.790(A)/1985). Die Frist des §51 Abs7 erster Satz VStG war daher im Zeitpunkt der Stellung des Antrags des unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich beim Verfassungsgerichtshof (24. August 1994) bereits abgelaufen. Da der mit Berufung angefochtene Bescheid ex lege als aufgehoben gilt, ist es offenkundig, daß der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die beim Verfassungsgerichtshof bekämpfte Norm nicht mehr anzuwenden hat (vgl. auch §62 Abs4 VerfGG 1953).

2.2. Der Antrag des unabhängigen Verwaltungssenats war daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, daß der unabhängige Verwaltungssenat schon einmal in derselben Verwaltungsstrafsache einen (am 8. Juni 1993 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten) Gesetzesprüfungsantrag gestellt hatte, der mit Beschluß vom 15. Juni 1994, G98/93 u.a. Zlen., aus anderen Gründen als den nunmehr gegebenen zurückgewiesen werden mußte.

2.3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Unabhängiger Verwaltungssenat, Verwaltungsverfahren, Fristen (Verwaltungsverfahren)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G223.1994

Dokumentnummer

JFT_10049381_94G00223_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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