TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/22 W278 2232595-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2020
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Entscheidungsdatum

22.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch


W278 2232595-4/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung in Schubhaft von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (infolge: BF) reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 11.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 27.12.2016 wurde der BF in Untersuchungshaft eingeliefert.

Am 09.02.2017 verurteilte ein Bezirksgericht den BF wegen unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 30.11.2017 wurde der BF wegen der Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung, teilweise in Form des Versuches nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf die Verurteilung vom 09.02.2017 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) vom 25.06.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Gleichzeitig erließ das BFA gegen den BF eine Rückkehrentscheidung samt zehnjährigem Einreiseverbot.

Mit Urteil vom 08.08.2018 setzte ein Oberlandesgericht die mit Urteil vom 30.11.2017 verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren auf fünf Jahre herab.

Mit Erkenntnis vom 27.11.2018, GZ W238 XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht (infolge: BVwG) die gegen den Bescheid des BFA vom 25.06.2018 eingebrachte Beschwerde rechtskräftig ab.

Am 06.12.2018 wurde der BF von einem Bezirksgericht wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Mit Beschluss vom 10.06.2020 ordnete ein Oberlandesgericht die bedingte Entlassung des BF am 27.07.2020 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe an.

Am 29.06.2020 stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des BFA vom 15.07.2020, Zl. XXXX , wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des BF aus der Strafhaft eintreten würden.

Im Anschluss an die Durchführung einer Einvernahme am 22.07.2020 durch das BFA wurde dem BF der faktische Abschiebeschutz aberkannt.

Am 27.07.2020 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen.

Mit Beschluss vom 28.07.2020, GZ W241 XXXX , erklärte das BVwG die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 22.07.2020 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2020 und 28.08.2020 wies das BVwG die vom BF gegen den Schubhaftbescheid vom 15.07.2020 und die daraus erfolgte Anhaltung in Schubhaft eingebrachte Beschwerde mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 28.08.2020, GZ W150 XXXX , schriftlich ausgefertigt am 12.10.2020, W150 XXXX , als unbegründet ab.

Zuletzt stellte das BVwG mit Erkenntnis vom 26.11.2020, GZ W154 XXXX , fest, dass die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Anhaltung in Schubhaft vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

Am 29.11.2020 trat der BF zum wiederholten Mal in einen Hungerstreik, den er am 09.12.2020 freiwillig beendete.

In einer handschriftlichen Stellungnahme vom 09.12.2020 führte der BF zusammengefasst aus, dass er einen Fehler begangen habe, der sein erster und letzter gewesen sei und er daraus gelernt habe. Zudem sei er damals sehr betrunken gewesen. Er habe während der Haft eine Therapie gemacht und gearbeitet. Gleichzeitig legte der BF einen Meldezettel, ausgestellt am 04.11.2016, mit dem Vermerk „ich bin noch immer hier gemeldet“ sowie eine Bestätigung über eine klinisch-psychologische/psychotherapeutische Behandlung einer Justizanstalt vom 29.06.2020 vor.

Am 15.12.2020 langte der Verfahrensakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim BVwG ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das BFA im Wesentlichen aus, dass für den BF ein EU-Laissez Passer ausgestellt worden und seine Charterrückführung für 15.12.2020 geplant gewesen sei. Völlig überraschend sei die Behörde davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die afghanischen Behörden in Kabul Personen mit EU Laissez Passer nicht zulassen würden, sodass der BF vom Charter abgemeldet worden sei. Darüber hinaus verwies das BFA auf das Vorverhalten des BF, insbesondere seine strafrechtlichen Verurteilungen, die Asylfolgeantragstellung, Selbstverletzung und zahlreiche Hungerstreiks.

Mit Schreiben vom 16.12.2020 gewährte das BVwG dem BF zu den Ausführungen des BFA eine zweitätige Frist zur Stellungnahme.

Mit Schriftsatz vom 17.12.2020 brachte der BF vor, dass seine Abschiebung zunächst an den pandemiebedingten Reisebeschränkungen und am 15.12.2020 gescheitert sei, weil der Behörde mitgeteilt worden sei, dass ein EU Laissez Passer nicht ausreiche. Die unterbliebene Abschiebung sei daher nicht dem Verhalten des BF zuzurechnen und könne auch nicht innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer von sechs Monaten durchgeführt werden. Die Behörde habe die Abschiebevorkehrungen nicht mit der notwendigen Sorgfalt durchgeführt. Aufgrund der vorangegangenen monatelangen Verhandlungen wäre nämlich zu erwarten gewesen, dass sämtliche Modalitäten der Abschiebung mit den afghanischen Behörden rechtzeitig geklärt würden. Selbst wenn die Behörde daran kein Verschulden treffe, bedeute dies, dass die afghanischen Behörden selbst einen großen Unsicherheitsfaktor darstellen würden und sei nicht gesichert, dass sie einen EU Laissez Passer bei der nächsten Abschiebung akzeptieren würden. Angesichts dessen sowie des Umstandes, dass Charter-Abschiebungen nur alle ein bis zwei Monaten geplant würden, könne die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht gerechtfertigt sein. Da die Behörde angekündigt habe, dass eine genaue Abklärung in den nächsten Tagen erfolge und der maßgebliche Sachverhalt daher noch nicht geklärt sei, werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme eines zeugenschaftlichen Vertreters der Behörde beantragt.

Über Anfrage des Gerichts teilte das BFA am 18.12.2020 mit, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung des EU Laissez Passer am 02.12.2020 nicht bekannt gewesen sei, dass die afghanischen Behörden für den am 15.12.2020 geplanten Charter keine Rückführungen von Personen mit EU Laissez Passer zulassen würden. Am 12.12.2020 habe das BFA von Kollegen aus Schweden erfahren, dass Kabul nur rückzuführende Personen mit Heimreisezertifikat bzw. gültigem Reisepass akzeptiere. Die Information sei lediglich Schweden als „Organising Member State“ zugetragen worden. Am selben Tag sei darüber informiert worden, dass Schweden aufgrund eines kleineren Fluggeräts lediglich zehn Plätze zur Verfügung stellen könne, wobei auch dies eine Forderung der afghanischen Behörden gewesen sei, die nur an Schweden ergangen sei. Die afghanische Botschaft habe nach Rücksprache keinen Grund für diese bisher einmalige Hürde genannt, jedoch in einem weiteren Gespräch am 18.12.2020 zugesichert, dass die Nutzung von EU Laissez Passer für Rückführungen afghanischer Staatsangehöriger aus Österreich künftig möglich sei. Aus diesem Grund sowie der Tatsache, dass der vergangene Charter am 15.12.2020 trotz der Hindernisse erfolgreich verlaufen sei, sei davon auszugehen, dass der nächste Charter stattfinden werde.

Mit Schreiben vom 18.12.2020 gewährte das BVwG dem BF zu diesen Ausführungen des BFA eine Frist zur Stellungnahme bis 21.12.2020, 10:00 Uhr.

Am selben Tag brachte der BF vor, dass der vom BFA dargestellte Sachverhalt nicht in Zweifel gezogen werde, die bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich Abschiebungen nach Afghanistan aber nicht beseitigt werden könnten, zumal die afghanischen Behörden die geänderte Vorgehensweise erst so kurzfristig bekannt gegeben hätten, dadurch die Abschiebung eines Großteils der betroffenen Personen verunmöglich worden sei und dabei nicht einmal alle teilnehmenden Mitgliedstaaten informiert worden seien. Zusätzlicher Unsicherheitsfaktor sei die Corona-Pandemie, da die Durchführbarkeit von Flügen von der aktuellen Pandemiesituation abhänge und in Österreich ein dritter Lockdown debattiert werde.

2. Feststellungen:

Der BF stellte am 11.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das BFA mit Bescheid vom 25.06.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abwies und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung samt zehnjährigem Einreiseverbot erließ. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 27.11.2018 als unbegründet ab. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Am 09.02.2017 verurteilte ein Bezirksgericht den BF wegen unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF an verschiedenen Orten am 07.09.2016 3,7 Gramm Marihuana, am 24.09.2016 5,7 Gramm, 27,8 Gramm und 25 Gramm Marihuana, am 26.09.2016 10,4 Gramm Marihuana sowie am 03.10.2016 etwa 55 Gramm Marihuana mit dem Vorsatz besaß, das Suchtgift durch gewinnbringende Verkäufe in Verkehr zu setzen.

Als mildernd berücksichtigte das Gericht die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres, den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie das reumütige Geständnis, als erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 30.11.2017 wurde der BF wegen der Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung, teilweise in Form des Versuches nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf die Verurteilung vom 09.02.2017 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF und ein Beitragstäter am 26.10.2016 ihrem Opfer mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzten, mit einem Holzstecken gegen dessen rechtes Knie schlugen und der Beitragstäter des BF die Person festhielt, während ihr der BF mit einer Wodkaflasche wiederholt wuchtige Schläge auf den Kopf versetzte. Das Opfer erlitt dadurch zum einen eine Platzwunde am Kopf sowie eine Schnittwunde am Zeigefinger, zum anderen bestand ein Verdacht auf Nasenbeinbruch.

Außerdem stachen der BF und zwei Mittäter am 26.12.2016 mit Messern mit einer Klingenlänge von zumindest neun cm (Gesamtlänge 21 cm) auf drei Opfer ein. Einem der Opfer versetzten die beiden Mittäter des BF derart wuchtige Stiche in den Bauchbereich, das dessen Knorpel im Bereich des Rippenbogens brach, die Bauchhöhle eröffnet wurde, zusätzlich eine geringgradige Blutung in der Bauchhöhle eintrat und eine Kopfprellung mit Prellung über dem Scheitel verursacht wurde (an sich schwere Körperverletzung). Dem zweiten Opfer versetzte einer der Täter mehrere Messerstiche in den Bereich des oberen Rückens und des rechten Ellbogens, wodurch eine leichte Körperverletzung eintrat. Das dritte Opfer wurde von einem der Täter mit einem Messerstich im Bereich des Rückens unter dem linken Schulterblatt attackiert und erlitt dadurch ebenfalls eine leichte Körperverletzung.

Als erschwerend wertete das Gericht das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die auf derselben schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe sowie die Tatbegehung in Gemeinschaft, als mildernd die teilweise beim Versuch gebliebenen Tathandlungen, das Alter unter 21 Jahren und eine gewisse Enthemmung durch Alkohol. Weiters berücksichtigte das Gericht die Milderungs- und Erschwerungsgründe der ersten Verurteilung.

Mit Urteil vom 08.08.2018 korrigierte ein Oberlandesgericht die vom Erstgericht vorgenommene Strafzumessung dahingehend, dass die mangelnde Schuldeinsicht als entscheidende Tatsache bei der Strafzumessung entfiel, der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe nicht berücksichtigt wurde, weil der BF die abgeurteilten Straftaten noch vor der ersten Verurteilung am 09.02.2017 beging, dem BF daher der Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels zu Gute kam und der Einsatz des Messers sowie die Tatbegehung während des bereits beim Bezirksgericht anhängigen ersten Strafverfahrens als schuldsteigernd gewertet wurden. Vor diesem Hintergrund ging das Oberlandesgericht von einem deutlich überhöhten Strafmaß aus und setzte die verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren auf fünf Jahre herab.

Am 06.12.2018 wurde der BF von einem Bezirksgericht wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, wobei die letzte Tathandlung am 28.08.2017 gesetzt wurde.

Am 29.06.2020 stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft einen Asylfolgeantrag.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 22.07.2020 hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des BF auf. In seinem Beschluss vom 28.07.2020, GZ W241 XXXX ging das BVwG von der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes aus und begründete dies damit, dass der BF sein bisheriges Vorbringen nur um neue Elemente ergänzte, sich im Wesentlichen jedoch auf sein bisheriges Fluchtvorbringen stützte, wobei er die neuen Elemente im ersten Verfahren mit keinem Wort erwähnt hatte und dadurch versuchte, durch missbräuchliche Stellung eines zweiten Asylantrags seine nach der vorzeitigen Entlassung aus der Haft bevorstehende Abschiebung zu verhindern.

Mit Bescheid des BFA vom 15.07.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet und der Eintritt der Rechtsfolgen nach Entlassung des BF aus seiner Strafhaft festgelegt.

Von 27.12.2016 bis 27.07.2020 befand sich der BF durchgehend in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Am 27.07.2020 wurde der BF nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner gesamten Haftstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung der Bewährungshilfe aus der Haft entlassen und in Schubhaft genommen. Seit 14.03.2017 war der BF durchgehend ausschließlich in Justizanstalten bzw. seit Entlassung aus der Strafhaft in einem Polizeianhaltezentrum behördlich gemeldet. Von 12.10.2016 bis 04.11.2016 war der BF nicht im Bundesgebiet gemeldet.

Mit Erkenntnis vom 28.08.2020, GZ W150 XXXX , schriftlich ausgefertigt am 12.10.2020, GZ W150 XXXX , wies das BVwG die Beschwerde des BF gegen den Schubhaftbescheid vom 15.07.2020 als unbegründet ab.

Mit Erkenntnis vom 26.11.2020, GZ W154 XXXX , stellte das BVwG fest, dass gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Von 27.07.2020 bis 02.08.2020, von 07.08.2020, 13:15 Uhr bis 07.08.2020, 18:43 Uhr, von 29.08.2020 bis 06.09.2020, von 16.09.2020 bis 23.09.2020, von 18.10.2020 bis 22.10.2020, 07:30 Uhr, von 22.10.2020, 10:10 Uhr bis 26.10.2020 sowie von 29.11.2020 bis 09.12.2020 war der BF im Hungerstreik.

Am 02.12.2020 wurde für den BF ein EU Laissez Passer für die einmalige Einreise von Wien nach Kabul ausgestellt. Die Charterrückführung des BF war für 15.12.2020 geplant.

Am 12.12.2020 teilten die schwedischen Behörden, die für die Organisation der Charterrückführung am 15.12.2020 zuständig waren, dem BFA mit, dass Kabul der Rückführung von Personen mit EU Laissez Passer nicht zustimmen würde, weshalb der BF von der Charterliste abgemeldet wurde.

Nach umgehender mehrfacher Rücksprache sicherte die afghanische Botschaft in Wien dem BFA am 18.12.2020 ausdrücklich zu, EU Laissez Passer für die Rückführung afghanischer Staatsangehöriger aus Österreich künftig zu akzeptieren.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand mit einigen Wochen, allenfalls wenigen Monaten, einzustufen. Die nächste Charterrückführung ist für Februar 2021 geplant. Eine zeitnahe Abschiebung ist jedenfalls realistisch.

Der BF ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er verfügt über keine schützenswerten sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, ging nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach hat einen Geldbetrag von EUR 793,00 zur Verfügung. Der BF ist abgesehen von einer depressiven Verstimmung gesund und jedenfalls haftfähig.

3. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur rechtskräftigen Entscheidung im (ersten) Asylverfahren des BF ergeben sich aus dem Verfahrensakt, insbesondere aus dem Erkenntnis des BVwG vom 27.11.2018, GZ W238 XXXX .

Die Feststellungen zu den Straftaten ergeben sich aus dem Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 09.02.2017, XXXX ; dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30.11.2017, XXXX , dem Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom 08.08.2018 XXXX und dem Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellungen zum Asylfolgeantrag des BF stützen sich auf den Gerichtsakt W241 2202474-2, insbesondere den Beschluss des BVwG vom 28.07.2020, GZ W241 2202474-2/3E.

Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Justizanstalten bzw. dem Polizeianhaltezentrum und seinen behördlichen Meldungen beruhen auf einem amtswegig eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister in Verbindung mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30.11.2017 XXXX . Die bedingte Entlassung aus der Strafhaft stützt sich auf den Beschluss des Oberlandesgerichts XXXX vom 10.06.2020 XXXX .

Die Feststellungen zum bisherigen Schubhaftverfahren des BF sind den hiergerichtlichen Vorakten W150 2232595-2 und W154 2232595-3 zu entnehmen.

Die Feststellungen zum wiederholten Hungerstreik des BF stützen sich auf einen im Akt erliegenden Auszug aus der Anhaltedatei in Verbindung mit den diesbezüglichen Meldungen der Landespolizeidirektion XXXX .

Die Ausstellung eines EU Laissez Passer ergibt sich aus einer im Akt erliegenden Kopie desselben, die für 15.12.2020 geplante Charterabschiebung geht aus dem Abschiebeauftrag vom 09.12.2020 hervor.

Die Feststellungen zum Unterbleiben der Charterrückführung des BF sowie zur Zusicherung der afghanischen Botschaft künftig Rückführungen von Personen mit EU Laissez Passer zu akzeptieren beruhen auf der Auskunft des BFA vom 18.12.2020.

Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der Tatsache, dass für den BF ein EU Laissez Passer ausgestellt wurde, der nach wie vor gültig ist in Verbindung mit dem Umstand, dass die afghanische Botschaft nach mehrfacher Rücksprache am 18.12.2020 ausdrücklich zusicherte, die Rückführung afghanischer Staatsangehöriger aus Österreich, für die ein EU Laissez Passer ausgestellt wurde, künftig zu akzeptieren. Angesichts des Umstandes, dass die letzte Charterrückführung nach Afghanistan laut Auskunft des BFA vom 18.12.2020 am 15.12.2020 – abgesehen vom geschilderten Hindernis – problemlos durchgeführt wurde sowie der Tatsache, dass das BFA in seinem mit der gegenständlichen Aktenvorlage übermittelten Schreiben mitteilte, dass die nächste Charterrückführung für Februar 2021 geplant sei, ist auch eine zeitnahe Abschiebung realistisch.

Die Feststellungen zur fehlenden Integration des BF ergeben sich aus der Aktenlage. Der dem BF zur Verfügung stehende Geldbetrag ergibt sich aus einem Auszug aus der Anhaltedatei. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit des BF beruht auf seinen Straftaten und den damit einhergehenden Verurteilungen wegen Gewalt- und Suchtmitteldelikten zu teilweise unbedingten und zumindest einer vergleichsweise hohen Freiheitsstrafe, denen eine besonders hohe Gewaltbereitschaft des BF zu entnehmen ist, der Asylfolgeantragstellung und den wiederholten Hungerstreiks, die der BF auch kurz nach der letzten Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft mit Erkenntnis des BVwG vom 26.11.2020, am 29.11.2020 beharrlich fortsetzte. Außerdem versuchte der BF das Gericht durch falsche Angaben zu täuschen, indem er einen Meldezettel, datiert mit 04.11.2016, mit dem Vermerk „ich bin noch immer hier gemeldet“ vorlegte. Ein Vergleich mit einem aktuellen Melderegisterauszug ergab jedoch, dass er an der darin angeführten Adresse bereits am 14.03.2017, sohin vor über drei Jahren, abgemeldet wurde. Im Übrigen gab der BF in seiner handschriftlichen Stellungnahme vom 09.12.2020 an, dass er lediglich einen Fehler gemacht habe und es sich dabei um seinen ersten und letzten Fehler gehandelt habe. Der BF wurde allerdings nicht nur einmal, sondern insgesamt dreimal rechtskräftig verurteilt, wobei eine Verurteilung auf eine Tat zurückzuführen ist, die er bereits in der Justizanstalt setzte und die ersten beiden Verurteilungen auch auf mehreren Handlungssträngen beruhen und verwies in der schriftlichen Stellungnahme auch darauf, dass er betrunken gewesen sei. Dies zeigt, dass er den Unrechtsgehalt seiner Straftaten nach wie vor nicht erkennt, was ebenso für seine fehlende Vertrauenswürdigkeit spricht.

Der Gesundheitszustand des BF beruht auf den angeforderten medizinischen Unterlagen. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren, insbesondere aus den medizinischen Unterlagen, nicht hervorgetreten.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

4.1. Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der BF seit 27.07.2020 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

[…]

f)        wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

[…]

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

Schubhaft

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1.       dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3.       die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.      ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a.       der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b.       der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.       es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

[…]“

Dauer der Schubhaft

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1.       drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.       sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1.       die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.       eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.       der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.       die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Gegen den BF besteht bereits seit Ende 2018 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Er stellte aus dem Stande der Strafhaft am 29.06.2020, sohin zu einem Zeitpunkt, zu dem eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits bestand, einen unbegründeten Asylfolgeantrag. Die Aufhebung seines faktischen Abschiebeschutzes wurde vom BVwG für rechtmäßig erklärt. Der BF ist nicht vertrauenswürdig und hat keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte, die ihn vom Untertauchen abhalten würden. Zwar verfügt der BF über einen Geldbetrag in Höhe von EUR 793,00, doch genügt dies nur vorübergehend zur Existenzsicherung und wurde die Fluchtgefahr im Hinblick darauf, dass der BF das Gericht – wie beweiswürdigend ausgeführt – durch die Vorlage eines veralteten Melderegisterauszugs über das Bestehen eines Wohnsitzes außerhalb von Haftanstalten zu täuschen versuchte, noch verstärkt. Fluchtgefahr liegt somit gemäß § 76 Abs. 3 Z 3, 4, 5 und 9 FPG vor. Im Verfahren sind keine für die Freilassung des BF sprechenden Umstände hervorgekommen.

Im Hinblick auf die Straftaten des BF ist festzuhalten, dass daraus sein besonderes Gewaltpotenzial hervorgeht, zumal der BF nicht davor zurückschreckte seine Opfer mit einem Messer zu attackieren. Hinzu kommt, dass der BF selbst während anhängigen Strafverfahrens weitere strafbare Handlungen setzte und er sich zum Zeitpunkt der letzten Tat bereits in Haft befand, sodass das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung der Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des BF überwiegt. Soweit der BF in seiner handschriftlichen Stellungnahme vom 09.12.2020 ausführte, dass er während der Haft gearbeitet und ein Anti-Gewalttraining absolviert habe und diesbezüglich eine Bestätigung vorlegte, ist festzuhalten, dass er sich seit 27.12.2016 durchgehend in Haft befand, sodass ein strafrechtliches Wohlverhalten während dieses Zeitraums nicht zu einer günstigen Gefährdungsprognose führen konnte (vgl. VwGH 05.11.2020, Ra 2020/21/0287, Rn. 19).

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu insbesondere seine Straffälligkeit noch vor dem Abschluss seines ersten Asylverfahrens in Verbindung mit dem Umstand, dass der BF den Unrechtsgehalt seiner Taten – wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt – nach wie vor nicht erkennt und das Gericht hinsichtlich des Bestehens eines Wohnsitzes außerhalb von Haftanstalten zu täuschen versuchte – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der BF befindet sich seit 27.07.2020 in Schubhaft. Zwar wurde für den BF – wie bisher im Einvernehmen mit der afghanischen Botschaft üblich – ein EU Laissez Passer ausgestellt, doch ist das Unterbleiben der Abschiebung des BF im Zuge der Charterrückführung am 15.12.2020 darauf zurückzuführen, dass die afghanischen Behörden den ausführenden Behörden in Schweden mitteilten, dass sie die Rückführung von Personen mit EU Laissez Passer nicht akzeptieren würden. Erst am 12.12.2020 wurde diese Information an das BFA weitergeleitet. Trotz umgehender Rücksprache mit der afghanischen Botschaft wurde allerdings kein Grund dafür mitgeteilt. Das Unterbleiben der Abschiebung ist daher gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG zuletzt daran gescheitert, dass die für die Einreise des BF nach Afghanistan erforderliche Bewilligung der afghanischen Behörden nicht vorlag. Entgegen der Ansicht des BF in seiner Stellungnahme vom 17.12.2020 beträgt die höchstzulässige Dauer der Schubhaft im Fall des BF sohin 18 Monate. Die Bestimmung des § 80 Abs. 4 Z 2 FPG steht im Einklang mit Artikel 15 Abs. 6 lit. b der RückführungsRL, die die Verlängerung der Schubhaft um 12 Monate im Falle der Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten ermöglicht.

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass eine höchstzulässige Schubhaftdauer von 18 Monaten im gegenständlichen Fall nicht vorliegen würde, ist zu berücksichtigen, dass sich der BF aufgrund seines Asylfolgeantrags vom 29.06.2020 in einem aufrechten Asylverfahren befindet und die Schubhaft zur Sicherung dieses Verfahrens im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet wurde. Über den Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz wurde noch nicht abgesprochen. Eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme wurde daher in diesem Verfahren bisher nicht erlassen, weshalb auch die Voraussetzungen gemäß § 80 Abs. 5 FPG erfüllt sind, wonach die Schubhaft zehn Monate nicht überschreiten darf.

Beim Grund, der für das Unterbleiben der Abschiebung kausal war, handelt es sich um ein bisher einmaliges Hindernis. Außerdem sicherte die afghanische Botschaft in Wien am 18.12.2020 dem BFA ausdrücklich zu, die Rückführung von Personen mit EU Laissez Passer aus Österreich künftig zu akzeptieren und steht der dem BF am 02.12.2020 ausgestellte EU Laissez Passer, der für die einmalige Reise von Wien nach Kabul gilt, die bisher nicht stattgefunden hat, nach wie vor in Geltung. Schließlich ist die nächste Charterrückführung nach Afghanistan für Februar 2021 geplant. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint eine tatsächliche Abschiebung des BF – wiederum entgegen der Ansicht des BF in seiner Stellungnahme vom 17.12.2020, wonach die afghanischen Behörden einen großen Unsicherheitsfaktor darstellen würden – im Februar 2021 auch realistisch. Zu diesem Zeitpunkt wird der BF etwa sieben Monate in Schubhaft angehalten. Die höchstzulässige Schubhaftdauer von 18 bzw. alternativ zehn Monaten, wird damit jedenfalls nicht überschritten.

Soweit der BF die Unsicherheit der Abschiebung mit pandemiebedingten Einschränkungen, insbesondere damit begründete, dass in Österreich ein weiterer Lockdown debattiert werde, läuft dies schon vor dem Hintergrund ins Leere, dass der Lockdown nach derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich am 18.01.2021 – sohin noch vor der geplanten nächsten Charterrückführung im Februar 2021– enden wird und die letzte Charterrückführung am 15.12.2020 trotz vorangegangenem Lockdown stattfand.

Verzögerungen, die in der Sphäre des BFA liegen würden, sind nicht zu erkennen. Das BFA hat die Ausstellung eines EU Laissez Passer rechtzeitig veranlasst und unmittelbar nach Auskunft über die fehlende Zustimmung seitens Kabul Rücksprache mit den afghanischen Behörden gehalten, um den Grund für die Weigerung der afghanischen Behörden, Personen mit EU Laissez Passer zu akzeptieren, zur erfahren.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit - unter Berücksichtigung der Straffälligkeit des BF gemäß 76 Abs. 2a FPG in Zusammenschau mit der bisherigen Anhaltedauer von fünf Monaten und der höchstzulässigen Anhaltedauer im gegenständlichen Fall gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG von 18 Monaten bzw. § 80 Abs. 5 FPG von zehn Monaten - der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist.

Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen. Darüber hinaus besteht für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, eine gesonderte Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die weitere Anhaltung in Schubhaft zu erheben und diesen (inhaltlich) gerichtlich prüfen zu lassen.

Die vom BF beantragte Einvernahme eines zeugenschaftlichen Vertreters zur Klärung des Sachverhalts hinsichtlich des Unterbleibens der für 15.12.2020 geplanten Abschiebung des BF konnte aufgrund der amtswegig eingeholten schriftlichen Stellungnahme sowie den Gegenausführungen des BF am 18.12.2020, wonach keine Anhaltspunkte dafür bestünden, den vom BFA dargelegten Sachverhalt bezüglich der Abschiebung am 15.12.2020 in Zweifel zu ziehen, unterbleiben.

4.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil sich das Gericht bei allen Sachverhaltselementen auf eine klare Sachlage stützen konnte und der BF in seinen Stellungnahmen kein davon abweichendes Vorbringen erstattete.

Die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks um die Fluchtgefahr – insbesondere im Hinblick auf die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des BF – zu beurteilen, war im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil dies schon aus dem einschlägigen Vorverhalten, nämlich der Folgeantragstellung, um einer Abschiebung zu entgehen, den Hungerstreiks, die der BF während der gesamten Schubhaftdauer beharrlich, insbesondere auch nach der letzten Schubhaftüberprüfung, fortsetzte sowie seiner wiederholten Straftaten, die – wie bereits ausgeführt – das öffentliche Interesse an einer baldigen Abschiebung verstärkten, abgeleitet werden konnte (vgl. VwGH Ra 2020/21/0287, Rn. 19).

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot falsche Angaben Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Vereitelung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W278.2232595.4.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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