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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Februar 1997, Zl. SD 169/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Februar 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage am 13. September 1991 zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner in Österreich lebenden Ehefrau in das Bundesgebiet eingereist und habe nach Vorlage eines Befreiungsscheines (gültig vom 7. November 1991 bis 6. November 1996) und einer Arbeitsbestätigung Sichtvermerke bis 6. Dezember 1994 erhalten. Ein rechtzeitig gestellter Verlängerungsantrag sei vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 10. Jänner 1995 im Hinblick auf eine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 30. August 1993 wegen schwerer Nötigung und Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten abgewiesen worden, sodaß der Beschwerdeführer seit Erlassung dieses Bescheides nicht mehr zum Aufenthalt berechtigt sei. Der Bundesminister für Inneres habe der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 1. April 1996 keine Folge gegeben. Seit Erlassung dieses Bescheides stehe entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch § 17 Abs. 4 FrG einer Ausweisung nicht entgegen. Es sei zwar richtig, daß die Erstbehörde in der Begründung ihres Bescheides versehentlich zum Ausdruck gebracht habe, der gegen den Ministerialbescheid erhobenen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde sei nicht stattgegeben worden, doch irre der Beschwerdeführer, wenn er meine, daß während des Beschwerdeverfahrens eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 4 FrG nicht zulässig wäre, zumal der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Daß der Verwaltungsgerichtshof über diese Beschwerde noch nicht abgesprochen habe, sei ohne Relevanz, da keine Vorschrift bestehe, welche die zur Erlassung einer Ausweisung zuständige Behörde verpflichte, mit dieser Entscheidung bis zum Abschluß eines derartigen Beschwerdeverfahrens zuzuwarten (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1996, Zl. 96/18/0107).
Angesichts des unerlaubten Aufenthaltes sei gemäß § 17 Abs. 1 FrG die Ausweisung des Beschwerdeführers zu verfügen, wobei allerdings auf § 19 leg. cit. Bedacht zu nehmen sei.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe - der Beschwerdeführer mache dazu in seiner Berufung keine Angaben - sei festzuhalten, daß er seit 1991 in Österreich lebe und daß sich seine, mittlerweile allerdings von ihm geschiedene, Gattin im Bundesgebiet aufhalte. Es liege daher ein Eingriff i.S. des § 19 FrG vor. Dessen ungeachtet sei aber die Ausweisung des Beschwerdeführers zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten, weil den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Dies habe zur Folge, daß der bereits mehr als einjährige unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses von solchem Gewicht darstelle, daß die Ausweisung dringend geboten und damit auch zulässig i.S. des § 19 FrG sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer bekämpft die Ansicht der belangten Behörde, daß er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, mit dem Argument, daß er gegen den seinen Aufenthaltsbewilligungsantrag abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. April 1996 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe, über die noch nicht entschieden worden sei. Demnach hätte gemäß § 17 Abs. 4 FrG noch nicht über eine allfällige Ausweisung des Beschwerdeführers entschieden werden dürfen. Die anders lautende Rechtsansicht der belangten Behörde, daß § 17 Abs. 4 FrG seit Erlassung des genannten Ministerialbescheides der Ausweisung des Beschwerdeführers nicht entgegenstehe, sei mit der Rechtsordnung nicht in Einklang. Bei der Durchsetzbarkeit der Ausweisung vor Eintritt der Rechtskraft müsse zwischen den zwei Fallgruppen des § 17 Abs. 1 und des Abs. 2 FrG unterschieden werden. Aus § 17 Abs. 3 leg. cit. ergebe sich, daß nur Ausweisungen nach Abs. 2 mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen Erlassung - durchsetzbar seien. In der Fallgruppe des Abs. 1, "die auch rein formal rechtlich auf den Beschwerdeführer zutreffen würde", würde den Betroffenen (hier dem Beschwerdeführer) das Recht auf Anwesenheit im Bundesgebiet gewährleistet, weil der Schutz des Privat- und Familienlebens zu beachten sei. Im Zusammenhalt mit § 17 Abs. 4 FrG bedeute dies, daß bei einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erst nach Erledigung dieses Antrages über die Ausweisung zu entscheiden sei. In die "Gesamterledigung" eines solchen Verwaltungsverfahrens sei daher auch ein anhängiges Beschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof einzubeziehen.
1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 96/18/0107, ein mit der Kernaussage der vorstehenden Beschwerdeausführungen übereinstimmendes Beschwerdevorbringen, dem in den wesentlichen Punkten ein gleichgelagerter Sachverhalt zugrunde lag, als verfehlt erachtet. Auf diese Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen (vgl. auch das Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/18/0519). Ergänzend sei zu dem in der vorliegenden Beschwerde zur Stützung ihres Standpunktes enthaltenen Hinweis auf die "zwei Fallgruppen" von Ausweisungen (einerseits § 17 Abs. 1, andererseits § 17 Abs. 2 FrG) und die Bestimmung des § 17 Abs. 3 leg. cit., aus der sich ergebe, daß bei der Durchsetzbarkeit der Ausweisung "vor Eintritt der Rechtskraft" die Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen insofern bedeutsam sei, als in den Fällen des § 17 Abs. 1 dem Fremden das "Recht auf Anwesenheit im Bundesgebiet gewährleistet" sei, folgendes festgehalten: Selbst wenn § 17 Abs. 3 FrG noch dem Rechtsbestand angehörte - diese Norm wurde vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben (vgl. die diesbezügliche Kundmachung des Bundeskanzlers
BGBl. Nr. 43/1996) -, wäre damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil auch diesfalls zu beachten wäre, daß - was die Beschwerde verkennt - die gegenständliche auf § 17 Abs. 1 FrG gestützte Ausweisung rechtskräftig und demnach gemäß § 22 Abs. 1 leg. cit. durchsetzbar ist. Von einem "Recht auf Anwesenheit" des Beschwerdeführers kann somit keine Rede sein.
1.3. Unter Zugrundelegung des Vorgesagten stößt die auf den unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen basierende Ansicht der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung (seit etwa einem Jahr) nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, auf keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde wendet sich überdies gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 19 FrG vorgenommenen Interessenabwägung.
2.2. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den mehrjährigen (bis Anfang 1995 rechtmäßigen) Aufenthalt des Beschwerdeführers und den Aufenthalt seiner (mittlerweile allerdings von ihm geschiedenen) Gattin in Österreich einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben i.S. des § 19 FrG angenommen. Wenn die Behörde unbeschadet dessen zu dem Ergebnis gelangt ist, daß diese Maßnahme im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten und damit im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, so haftet dieser Beurteilung keine Rechtswidrigkeit an. Denn der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 ABs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu; dieses maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens wurde durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers - unrechtmäßiger Aufenthalt in der Dauer von bereits mehr als einem Jahr, Verbleiben im Bundesgebiet ungeachtet der rechtskräftigen abweislichen Entscheidung nach dem Aufenthaltsgesetz - gravierend beeinträchtigt (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/18/0512, und vom 30. Jänner 1997, Zl. 95/18/0721). Das darin begründete erhebliche Interesse der Allgemeinheit an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers macht die Ausweisung auch unter Bedachtnahme auf die gegenläufigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers notwendig.
Der Beschwerdeeinwand, der "mehr als einjährige unrechtmäßige Aufenthalt" sei im Hinblick auf das "noch anhängige Verfahren über die Aufenthaltsberechtigung nicht unrechtmäßig", geht angesichts der obigen Ausführungen unter II.1.2. und 1.3. ins Leere. Der weitere Einwand, daß "für die hypothetische Annahme" eines unrechtmäßigen Aufenthaltes dieser nur deshalb von so langer Dauer wäre, weil das "diesbezügliche Verfahren an sich, ohne daß der Beschwerdeführer darauf Einfluß nehmen kann, so lange dauert", schlägt schon deshalb nicht zugunsten des Beschwerdeführers aus, weil er jedenfalls mit Eintritt der Rechtskraft des seinen Verlängerungsantrag nach dem Aufenthaltsgesetz abweisenden Bescheides zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet war.
Auch der Hinweis auf den ihm erteilten Befreiungsschein mit einer Gültigkeitsdauer vom 7. November 1996 bis 6. November 2001, ohne daß dabi die "Frage aufgerollt worden wäre, daß sich der Beschwerdeführer angeblich unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhielte", vermag seine private Interessenlage nicht zu stärken, enthebt doch gemäß § 25 AuslBG der Befreiungsschein den Ausländer nicht der Verpflichtung, den jeweils geltenden Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern nachzukommen.
Was schließlich die nähere Darstellung des Inhaltes des Scheidungsvergleiches anlangt, den die belangte Behörde - so die Beschwerde - insofern zu berücksichtigen gehabt hätte, als der Beschwerdeführer im Fall seiner Ausweisung die sich daraus ergebenden Verpflichtungen seiner (geschiedenen) Gattin gegenüber nicht einzuhalten in der Lage wäre, was zu einer Gefährdung des Lebensunterhaltes der Ehegattin führen würde, so handelt es sich bei diesem Vorbringen - unter Zugrundelegung der unbestrittenen Feststellung im angefochtenen Bescheid, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zur Zulässigkeit der Ausweisung nach § 19 FrG keine Angaben gemacht habe - um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG), weshalb darauf nicht einzugehen war.
3. Da sohin bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180155.X00Im RIS seit
20.11.2000