Entscheidungsdatum
07.01.2021Norm
BDG 1979 §123Spruch
W136 2235115-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch den NÖ Landesverein für Erwachsenenschutz, gegen den Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 19.09.2019, Zl. BMI-40054-0013-DK-Senat1/2019, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) ist Exekutivbeamter und versah seit 01.10.2016 Dienst als Sachbearbeiter im Referat 2.2. des XXXX . Seit spätestens Juli 2018 befand er sich (erneut) im Krankenstand. Mehrmalige Untersuchungen ergaben, dass er nicht dienstfähig ist.
2. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 05.08.2019, GZ BMI-PA 1700/0470-I/f/2019 wurde der BF vorläufig vom Dienst suspendiert. Dieser Bescheid wurde dem BF persönlich durch Exekutivbeamte in einem Lebensmittelgeschäft in XXXX , wo sich der BF nach seinen Angaben von 14.01.2019 bis 21.08.2019 in einem Sonderkrankenhaus einer gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzog, am 06.08.2019 übergeben (Akt Seite 169).
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.08.2019, Zl. BMI-40054-0007-DK-Senat 1/ 2019, wurde der BF gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 vom Dienst suspendiert. Dieser Bescheid wurde dem BF an seinem damaligen Hauptwohnsitz in Wien am 19.08.2020 (Beginn der Abholfrist beim Postamt 1203 Wien) zugestellt (Akt Seite 250).
4. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 19.09.2019, Zl. BMI-40054-0013-DK-Senat 1/ 2019, wurde gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil der BF im Verdacht stehe, er habe (wörtlich, Anonymisierung durch das BVwG)
„1.)am 22.11.2018 um 16.44 Uhr in einem Supermarkt (laut Anlass Bericht Geschäftslokal XXXX ) einen Ladendiebstahl begangen, indem er eine volle Vodkaflasche in eine leere Plastikflasche umgefüllt, die leere Vodkaflasche zurückgestellt und das Geschäft verlassen hat sowie sich nach Anhaltung durch den Ladendetektiv mit seinem Dienstausweis und seiner Dienstkokarde legitimiert und dem Ladendetektiv gegenüber angegeben, dies dienstlichen Gründen getan zu haben, da er eine Klientel von Suchtmittelabhängigen observiere und einer Spezialeinheit für Suchtmitteldelikte angehöre, was, zumal er seit XXXX vom Amtsarzt des Bundesministeriums für Inneres für nicht dienstfähig erklärt worden ist, nicht der Wahrheit entsprach und er auch zu keiner Zeit einen Auftrag zu einer Observation erhalten hat, […]
2.) am 23.11.2018 um 13.22 Uhr in einer Filiale der XXXX in XXXX einen versuchten Ladendiebstahl begangen, indem er versuchte, eine volle Vodkaflasche in eine leere Plastikflasche um zu füllen sowie sich bei seiner Anhaltung gerechtfertigt, den Vodka für seine Arbeit zu brauchen und sich in weiterer Folge gegenüber der eingetroffenen Funkwagenbesatzung des Stadtpolizeikommandos XXXX mit seinem Dienstausweis und seiner Dienstkokarde legitimiert sowie behauptet, beim XXXX als verdeckter Ermittler im Extremismusbereich tätig zu sein, obwohl dies unzutreffend ist, […],
3.) im Jahr 2018 zwei Personen ( XXXX M., XXXX P.) mehrmals Kokain angeboten und auch mit beiden dieses konsumiert, konkret
a.) im Sommer 2018 in der Wohnung des XXXX M. diesem und XXXX P. cirka 10 Gramm Kokain angeboten sowie einen Teil des Kokains selbst konsumierte
b.) im Sommer 2018 in der Wohnung des XXXX P. gemeinsam mit XXXX M. und XXXX P. Kokain konsumiert und sei er -laut XXXX M.- überdies gemeinsam mit XXXX P. im Besitz einer größeren Menge an Kokain - annähernd die Hälfte einer 1 kg Packung Mehl und Tabletten gewesen
c.) Anfang des Jahres 2018 XXXX P. in einem Lokal namens XXXX auf eine „Line“ eingeladen sowie an diesem Abend - laut XXXX P. - einem unbekannten, australischen Mann zwei „Brieferl“ Kokain im Wer von insgesamt € 180,- verkauft,
d.) im Zeitraum von Anfang 2018 bis Juli 2018 an XXXX P. anfänglich alle zwei bis drei Tage, später fast täglich 10 Gramm Kokain verkauft und jedes Mal cirka 5 Gramm für sich selbst einbehalten, wobei sich die Anzahl der Verkaufe an XXXX P. in 180 Tagen auf cirka 90 belief und dieser von ihm cirka 900 Gramm Kokain erworben und dafür pro Gramm zwischen € 70 und € 80 bezahlt hat,
e.) im Oktober 2018 oder November 2018 XXXX P. bei seinem letzten Kontakt mit diesem 10 Gramm Kokain verkauft,
f.) laut XXXX P. unter Verwendung seines Dienstausweises verkaufte oder abgekaufte Drogen wieder zurückgefordert,
g.) XXXX regelmäßig zwei bis drei Mal in der Woche auf Kokain eingeladen und habe XXXX für ihn einmal einen Behälter mit cirka 5 bis 10 Gramm Kokain in ein Lokal im 9. Bezirk verbracht
h.) in der Zeit von November 2017 bis 28.11.2018 seinen eignen Angaben zufolge durchschnittlich 1 Gramm an Drogen in Form von Kokain, Heroin Ecstasy, Amphetamine konsumiert, welche er von an verschiedenen Plätzen in Wien vom Sehen her bekannten Verkäufern bezogen,
i.) Drogen an XXXX P. verkauft und andere Personen auf Drogen eingeladen und Drogen gemeinsam mit diesen konsumiert, […]“
Dieser Einleitungsbeschluss wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch im Sonderkrankenhaus XXXX , von wo er mit dem Vermerk „verzogen“ retourniert wurde, dem BF an seinem damaligen Hauptwohnsitz in Wien mit 04.10.2019 (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Laut dem im Akt der belangten Behörde inneliegenden Rückschein wurde die Verständigung über die Hinterlegung des Schriftstückes beim Postamt 1203 Wien nach Zustellversuch am 03.10.2019 in der Abgabeeinrichtung eingelegt (Akt Seite 335).
5. Seitens des LG für Strafsachen Wien wurde am 25.05.2020 der Dienstbehörde des BF mitgeteilt, dass für den 01.07.2020 die Hauptverhandlung im Strafverfahren gegen den BF anberaumt worden sei. Gemäß Note des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 07.07.2020 wurde der BF wegen § 28 a Abs. 1 5 und 6 Fall, Abs. 3 1. Fall SMG und § 302 Abs. 1 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten rechtskräftig verurteilt, mit Note vom 20.07.2020 wurde die gekürzte Urteilsausfertigung übermittelt.
Mit E-Mail vom 28.07.2020 teilte das Landesgericht für Strafsachen der belangten Behörde über Nachfrage mit, dass ein Gutachten betreffend Schuldfähigkeit des BF im Strafverfahren nicht eingeholt wurde, zumal an seiner Schuldfähigkeit keinerlei Zweifel bestanden hätten.
6. Aus einem Aktenvermerkt der belangten Behörde vom 07.08.2020 geht hervor, dass die belangte Behörde – nach der diesbezüglich gegenteiligen Aktenlage allerdings irrtümlich - vermeinte, den Einleitungsbeschluss im Oktober 2019 versehentlich an eine frühere, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aufrechte Adresse des BF im 9. Bezirk in Wien versendet zu haben, weshalb die belangte Behörde die Übermittlung des verfahrensgegenständlichen Einleitungsbeschlussess an den zwischenzeitlich am 24.07.2020 durch das BG Melk bestellten gerichtlichen Erwachsenenvertreter des BF veranlasste.
7. Am 10.09.2020 wurde gegenständliche Beschwerde durch die gerichtliche Erwachsenenvertretung des BF eingebracht.
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF am 15.12.2019 bei einem Treppensturz ein schweres Schädel-Hirntrauma erlitten habe, weshalb er gesundheitlich schwer beeinträchtigt sei. Mit Beschluss des BG Melk vom 24.07.2020 sei daher ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter ua auch für die Vertretung in Disziplinarverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestellt worden. Der Einleitungsbeschluss sei nach zahlreichen unwirksamen Zustellversuchen an den BF seiner Erwachsenenvertretung erst am 13.08.2020 zugestellt worden
Der Einleitungsbeschluss sei rechtswidrig, weil die disziplinarrechtliche Verfolgung der Delikte verjährt sei, das Datum der tatsächlichen Kenntnisnahme der Dienstbehörde, lasse sich dem Disziplinarakt nicht entnehmen. Weiters sei kein disziplinärer Überhang gegeben, die Dienstpflichtverletzungen würden sich in der Verwirklichung des strafgerichtlich abgehandelten Tatbestandes verwirklichen. Auch wenn das Strafverfahren ohne Einholung eines entsprechenden Gutachtens betreffend die Zurechnungsfähigkeit abgeführt wurde, lägen zahlreiche Hinweise darauf vor, dass der BF zwischen Jänner und November 2018 zurechnungsunfähig gewesen sei. Die Substanzabhängigkeit des BF sei bekannt ebenso seine langandauernden Krankenstände, seine Aufenthalte in der Psychiatrie im AKH im Jahr 2017 und 2018, seine Reha-Aufenthalte 2017 und seine wiederholt festgestellte Dienstunfähigkeit. Kurz nach dem Tatzeitraum habe sich der BF von 13.12.2018 bis 14.01.2019 in einem Zentrum für Suchtkranke, danach bis 21.08.2019 in einem Sonderkrankenhaus zur Rehabilitation aufgehalten. Aus den angeführten Gründen sei der Einleitungsbeschluss aufzuheben bzw. das Verfahren einzustellen. In einem eventuell weiterzuführenden Verfahren sei ungeachtet der strafrechtlichen Verurteilung ein Gutachten zur Zurechnungsfähigkeit des BF einzuholen.
8. Mit Note vom 14.09.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 17.09.2020 einlangend, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakten vor und legte zum Verjährungseinwand ausführlich dar, warum diesem keine Berechtigung zukomme.
9. Mit Note vom 02.10.2020 erteilte das Bundesverwaltungsgereicht dem BF zu Handen seiner Vertretung einen Verspätungsvorhalt bezüglich seiner Beschwerde.
Zum Verspätungsvorhalt teilte die Erwachsenenvertretung des BF mit, dass eine etwaige Zustellung des Einleitungsbeschlusses mittels Hinterlegung am Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers „mangels“ dessen Ortabwesenheit unwirksam gewesen sei. Zudem sei der BF zu diesem Zeitpunkt unter Drogeneinfluss gestanden, von 14.01.2019 bis 21.08.2019 sei er in der Therapieeinrichtung aufhältig gewesen. Der BF könne zu seinem Aufenthalt im Zeitraum 04.10.2019 aus gesundheitlichen Gründen keine Angaben machen. Seine geschiedene Ehefrau gäbe an, dass er sich bei einer Bekannten im Drogenmilieu aufgehalten habe, Näheres sei nicht zu eruieren. Jedenfalls sei er nicht an der Meldeadresse aufhältig gewesen. Außerdem sei der BF zum Zeitpunkt des Zustellversuches unter Substanzeinfluss gestanden und sei daher nicht geschäftsfähig gewesen. Die Bestellung eines Erwachsenenvertreters indiziere eine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit in einem nahen zeitlichen Konnnex zu dessen Bestellung. Das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit sei von Amts wegen zu prüfen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
1.1. Der Beschwerdeführer war von 07.02.2014 bis 24.05.2019 an der Adresse XXXX in Wien gemeldet, hatte jedoch das Mietverhältnis nach Angaben seines Vermieters bereits im Dezember 2018 gekündigt (Akt Seite 129).
Von 24.05.2019 bis 03.12.2019 war der BF bei seiner geschiedenen Frau XXXX an der Adresse XXXX in 1020 Wien gemeldet. Danach war der BF bis zum 06.03.2020 in einem Übergangswohnheim der Caritas hauptgemeldet.
Die Meldedaten ergeben sich aus der vom Gericht durchgeführten Meldeabfragen.
1.2. Von 14.01.2019 bis zum 21.08.2019 unterzog sich der BF wegen Alkohol- und Drogenabhängigkeit einer gesundheitsbezogenen Maßnahme in einer Sonderkrankenanstalt in XXXX . Diese Feststellung beruht auf den diesbezüglichen Angaben in der Beschwerde.
1.3. Am 15.12.2019 erlitt der BF bei einem Treppensturz ein schweres Schädel-Hirntrauma, infolge dessen er an einem hirnorganischen Psychosyndrom leidet (organisch bedingte psychische Erkrankung), welches Einschränkungen der Realitätssicht, der Kurzzeitmnestik und des planenden Vorausdenkens bedingt. Diese Feststellungen ergeben sich aus dem vom BF vorgelegten psychiatrischen Sachverständigengutachten, das vom BG Melk im Verfahren betreffend Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters eingeholt wurde.
2. Der beschwerdegegenständliche Beschluss wurde dem BF durch Hinterlegung der Benachrichtigung über die Hinterlegung an seinem damaligen Hauptwohnsitz am 04.10.2019 (Beginn der Abholfrist beim Postamt 1203) zugestellt. Diese Feststellung ergibt sich aus dem im Akt der Behörde enthaltenen Rückschein (Akt Seite 335).
Diese beim Postamt 1203 hinterlegte Sendung wurde von der Post nicht an die belangte Behörde retourniert. Dies ergibt sich aus einem Aktenvermerk der belangten Behörde (Akt Seite 447, ON 28)
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde
1. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.
Gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle zu hinterlegen, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
Gemäß § 17 Abs. 2 ZustellG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
Gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.
Wie aus dem oben festgestellten Sachverhalt hervorgeht, wurde der angefochtene Bescheid nach einem Zustellversuch am 03.10.2019 beim Postamt 1203 hinterlegt. Die Abholfrist begann am 04.10.2019. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte gilt der Bescheid damit als am 04.10.2019 zugestellt.
Wenn die Vertreterin des BF in ihrer Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt des Gerichtes einwendet, dass die Verständigung über die Hinterlegung am damaligen Hauptwohnsitz des BF aufgrund dessen Ortabwesenheit unwirksam gewesen sei, so ist auf folgendes hinzuweisen:
Voraussetzung für eine Hinterlegung iSd § 17 Abs 1 ZustG ist ua das Vorliegen eines Grundes für die Annahme des Zustellers, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. "Grund zur Annahme" heißt dabei, daß bestimmte objektive Tatsachen (Namensschild, frühere Zustellungen am selben Ort) vorliegen müssen, aus denen der Zusteller mit einiger Sicherheit ableiten kann, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (vgl. VwGH vom 27.02.1997, Zl. 95/16/0134).
Im vorliegenden Fall wurde die Verständigung über die Hinterlegung in der Abgabeeinrichtung des Hauptwohnsitzes des BF eingelegt, wobei dessen Unterkunftgeberin, seine geschiedene Frau, denselben Nachnamen wie der BF trägt und an dieser Adresse wohnhaft ist. Bereits aus diesem Grund durfte der Zusteller mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass dem BF bereits im August 2019 der Bescheid der belangten Behörde betreffend seine Suspendierung an dieser Agabestelle durch Hinterlegung zugestellt wurde, weshalb er auch aus diesem Grund von einer regelmäßigen Anwesenheit des Empfängers an der Abgabestelle ausgehen durfte.
Im Übrigen ist mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem BF der bekämpfte Bescheid, ebenso wie der davor durch Hinterlegung zugestellte Suspendierungsbescheid der belangten Behörde tatsächlich zugekommen ist. Nachdem keine dieser Sendungen als nicht behoben an die belangte Behörde retourniert wurde, ist davon auszugehen, dass diese Sendungen bei der Postgeschäftsstelle vom Empfänger behoben worden sind. Allerdings kommt es darauf im vorliegenden Fall ebenso wenig wie auf die tatsächliche Anwesenheit des BF zum Zustellzeitpunkt an, da wie ausgeführt die Zustellung mit Beginn der Abholfrist als bewirkt gilt.
2. Dem Einwand, dass der BF zum Zustellzeitpunkt des bekämpften Bescheides nicht prozess- und geschäftsfähig gewesen wäre, weswegen eine Zustellung nicht bewirkt werden konnte, kommt ebenfalls keine Berechtigung zu.
Zwar ist richtig ist, dass die Bestellung eines Erwachsenenvertreters ein Indiz für eine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit im nahen zeitlichen Konnex zur Bestellung indiziert, dieser zeitliche Konnex ist allerdings im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben, da die Bestellung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters erst im Juni 2020, somit rund neun Monate nach Zustellung des beschwerdegegenständlichen Bescheides an den BF, erfolgte. Zudem ergibt sich aus dem vom zuständigen Pflegschaftsgericht eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten, dass das beim BF vorliegende hirnorganischen Psychosyndrom, aufgrund dessen die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters erfolgte, auf ein im Dezember 2019 erlittenes Schädel-Hirn Trauma zurückzuführen ist.
Für den Umstand, dass der BF bereits davor, nämlich Anfang 2019 Oktober aufgrund von Alkohol- und Drogenmissbrauch nicht geschäftsfähig gewesen sei, gibt es, außer der bloßen Behauptung seiner Vertretung keinen Hinweis, zumal sich der BF gerade von Jänner bis August 2019 einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme iZm seiner Suchterkrankung unterzog.
3. Zusammengefasst wurde dem BF der verfahrensgegenständliche Bescheid im Oktober 2019 rechtswirksam zugestellt. Die dagegen durch seinen im Juli 2020 bestellten gerichtlichen Erwachsenenvertreter im September 2020 eingebrachte Beschwerde erweist sich daher als verspätet und war zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abgabestelle Erwachsenenvertreter Prozessfähigkeit Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung Zustellung durch HinterlegungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2235115.1.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021