Entscheidungsdatum
26.01.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
I411 1314905-4/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 28.06.2019, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.01.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte erstmals am 20.07.2006 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, dass er Mitglied der Partei XXXX gewesen sei, welche Probleme mit der Gegenpartei XXXX gehabt habe. Die XXXX -Partei habe das Haus seines Vaters niedergebrannt und das ganze Viertel zerstört. Danach sei das Leben des BF in Gefahr gewesen und er geflüchtet. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des [damals] Bundesasylamtes vom 19.09.2007, Zl. 06 07.570-BAS, abgewiesen. Weiters wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und er nach Nigeria ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.06.2013, Zl. D11 314905-1/2008/7E, als unbegründet abgewiesen, womit die Entscheidung in Rechtskraft erwuchs.
2. Am 12.11.2015 stellte der BF neuerlich einen Asylantrag, den er damit begründete, dass es 2015 gefährlicher sei als 2006 und er nunmehr eine offizielle Bestätigung seiner Partei erhalten habe, wonach es in Nigeria für ihn nicht sicher sei. Mit Bescheid des [nunmehr] Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) vom 08.09.2016, Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Ihm wurde keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde seitens des [nunmehr] Bundesverwaltungsgerichtes mit Erkenntnis vom 13.05.2019, GZ I411 1314905-2/8E und I411 1314905-3/3E in dessen Spruchpunkt A.1. als unbegründet abgewiesen. Eine dagegen erhobene Revision wurde seitens des Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 19.09.2019, Ra 2019/14/0425, als verspätet zurückgewiesen. Die Entscheidung der belangten Behörde erwuchs damit in Rechtskraft.
3. Parallel zum gegenständlichen Verfahren stellte der BF mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung Rechtsanwalt Dr. Gerhard MORY vom 01.06.2015 einen Antrag gemäß § 55 Abs 1 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, welcher mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.09.2016, Zl. XXXX als unzulässig zurückgewiesen wurde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.05.2019, GZ I411 1314905-2/8E und I411 1314905-3/3E, wurde auch die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 27.09.2016 im Spruchpunkt A.2. als unbegründet abgewiesen. Der dagegen erhobenen Revision wurde seitens des Verwaltungsgerichtshofs mit Erkenntnis vom 24.10.2019, Ra 2019/21/0174-7 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes stattgegeben und der Spruchpunkt A.2. aufgehoben. Die diesbezügliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgt in einem separaten Erkenntnis.
4. Am 18.06.2019 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG.
5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 28.06.2019, Zl. XXXX wurde der Antrag des BF auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vom 18.06.2019 gemäß § 46a Abs 4 in Verbindung mit Abs 1 Z 3 FPG abgewiesen.
6. Dagegen erhob der BF mit Einlangen 25.07.2019 fristgerecht durch seine Rechtsvertretung, die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, es sei unrichtig, dass es dem BF problemlos möglich sei, eine Geburtsurkunde zu erlangen. Er habe vergeblich versucht, sich eine Geburtsurkunde von Nigeria zu besorgen. Dabei habe er erfahren, dass er zunächst ein „Certificate of Origin“ beim traditionellen Familienoberhaupt der Region beantragen müsse. Dies wäre beim BF XXXX gewesen. Die Mutter des BF lebe jedoch in Lagos und sei sehr alt sowie nicht mehr in der Lage, als Stellvertreterin für den BF vor Ort zu handeln, der Vater sei bereits verstorben. Folglich sei die Besorgung eines „Certificate of Origin“, in der Folge eine Geburtsurkunde und weiters die Erlangung eines Reisepasses für den BF unmöglich gewesen. Es werde daher der Antrag gestellt, aufgrund der tatsächlichen Unmöglichkeit seiner Ausreise bzw. Abschiebung eine Karte für Geduldete auszustellen.
7. Mit Schriftsatz, einlangend mit 16.08.2019, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
8. Am 12.01.2021 fand an der Außenstelle Innsbruck des Bundesverwaltungsgerichts eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Der BF ist Staatsangehöriger von Nigeria, dessen Identität in Ermangelung entsprechender identitätsbezeugender Dokumente nicht feststeht.
Am 20.07.2006 stellte der BF seinen ersten Antrag auf Asyl in Österreich, welcher mit Bescheid des [damals] Bundesasylamtes vom 19.09.2007, Zl. XXXX , sowie mit Erkenntnis des [damals] Asylgerichtshofes vom 28.06.2013, D11 314905-1/2008/7E, rechtskräftig negativ entschieden wurde. Der BF kam seiner daraus erwachsenen Ausreiseverpflichtung nicht nach.
Am 12.11.2015 stellte er neuerlich einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 08.09.2016, Zl. XXXX , als unzulässig zurückgewiesen wurde. Dieser Bescheid erwuchs nach Zurückweisung einer gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.05.2019 zu GZ I411 1314905-2/8E und I411 1314905-3/3E gerichteten Revision seitens des Verwaltungsgerichtshofs (19.09.2019, Ra 2019/14/0425) in Rechtskraft.
Der BF hat keinen Nachweis darüber erbracht, dass er seiner Verpflichtung, aus Eigenem ein Reisedokument bei der für ihn zuständigen Stelle einzuholen, entsprochen hat, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre, zumal auch zwei Schwestern des BF in Nigeria leben.
Durch sein Verhalten verletzte der BF seine Mitwirkungspflicht. Darüber hinaus erklärte der BF am 24.06.2020 im Zuge eines verpflichtenden Rückkehrberatungsgespräches bei der XXXX ausdrücklich, nicht rückkehrwillig zu sein.
Es konnten in Zusammenschau keine außerhalb der Sphäre des BF liegenden Gründe festgestellt werden, die seine Abschiebung aus dem Bundesgebiet unmöglich erscheinen ließen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit gründen auf den diesbezüglichen glaubhaften und gleichbleibenden Angaben des BF im Zuge der Verfahren. Da der BF den österreichischen Behörden bislang keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht fest.
Die Feststellungen zu den Vorverfahren ergeben sich aus den unstrittigen Inhalten der Verwaltungsakten samt den vorangegangen Asylverfahren sowie durch die Einsichtnahme in den Gerichtsakt des Asylgerichtshofes zu GZ D11 314905-1/2008 und in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu GZ I411 1314905-2 und damit zu den Beschwerdeverfahren der vorangegangenen Asylverfahren. Darüber hinaus sind die entsprechenden Eintragungen im Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister zur Person des BF ersichtlich. Weiters wurde auch Einsicht in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu GZ I411 1314905-5 genommen.
Es ist nicht aktenkundig, dass der BF seiner Verpflichtung, aus Eigenem ein Reisedokument bei der für ihn zuständigen Stelle einzuholen, nachgekommen wäre.
Zwar legte der BF eine Bestätigung der nigerianischen Botschaft in Wien vor, wonach er die Ausstellung eines Reisepasses beantragt habe und zu diesem Zweck noch weitere Dokumente vorlegen müsse, darunter eine Geburtsurkunde und ein Bestätigungsschreiben der lokalen Behörden seines Geburtsortes. Jedoch ist diese Bestätigung mit 16.10.2015 datiert, weitere Bestätigungen brachte der BF nicht in Vorlage. Der Antrag des BF auf Ausstellung einer Duldungskarte ist jedoch mit 18.06.2019 – somit zu einem Zeitpunkt knapp dreieinhalb Jahre später – datiert. Inwieweit der BF sich in dieser Zeit vor Antragstellung bemüht habe, einen Reisepass ausgestellt zu bekommen, wird seitens des BF nicht dargelegt. Er verweist in seiner Beschwerde lediglich darauf, dass er ein sogenanntes „Certificate of Origin“ benötigen würde, welches beim traditionellen Familienoberhaupt der Region XXXX eingeholt werden müsse, aus welcher der Vater des BF stamme. Dieses könne er jedoch nicht erlangen, da sein Vater tot und seine in Lagos lebende Mutter zu alt zum Reisen und nicht in der Lage sei, als Stellvertreterin für den BF vor Ort zu handeln. Ungeachtet des Umstandes, dass die Mutter des BF entsprechend seiner eigenen Ausführungen mittlerweile verstorben wäre, lässt der BF jedoch außer Acht, dass auch seine beiden Schwestern in Nigeria leben, die ihm bei der Beschaffung der erforderlichen Unterlagen behilflich sein könnten. Der Umstand, dass diese – nach wie vor – in Nigeria aufhältig sind, ergibt sich aus aufgrund der Ausführungen des BF im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu GZ 411 1314905-5 (Protokoll vom 12.01.2021, S 4 & S 8).
Aus diesem Grund war festzustellen, dass der BF seine Mitwirkungspflicht verletzt hat.
Die fehlende Rückkehrwilligkeit des BF ergibt sich aus der vorliegenden Bestätigung der Caritas der Erzdiözese Salzburg vom 24.06.2020 (Akt I411 1314905-5, AS 167).
Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass die Abschiebung des BF aus tatsächlichen, vom BF nicht zu vertretenen Gründen, unmöglich erscheine.
3. Rechtliche Beurteilung:
A) Zur Abweisung der Beschwerde
3.1. Rechtslage
Gemäß § 46 Abs 2 FPG hat ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.
Gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint, es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.
Gemäß Abs 3 leg cit liegen vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) jedenfalls vor, wenn er
1. seine Identität verschleiert,
2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder
3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
Gemäß Abs 4 leg cit hat das Bundesamt bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs 1 von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen.
3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Nach dem Gesetzestext des § 46a FPG ist Voraussetzung für die Ausstellung einer "Karte für Geduldete", dass der Aufenthalt des Fremden im Sinne von Abs 1 Z 3 dieser Bestimmung geduldet ist, wenn dessen Abschiebung (nach Nigeria) aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenen Gründen unmöglich war, was es nun zu prüfen gilt.
Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen gemäß § 46a Abs 3 FPG jedenfalls vor, wenn er seine Identität verschleiert, einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
Aus den Erläuterungen zum Initiativantrag 2285/A vom 20.09.2017 (XXV.GP) zum FrÄG 2017 (BGBl I Nr. 145/2017) ergibt sich bezüglich § 46 Abs 2 FPG Folgendes:
„Unabhängig davon, ob mit Erlassung der Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde oder nicht, haben ausreisepflichtige Fremde überdies an der Erlangung der für die Ausreise erforderlichen Dokumente mitzuwirken. Dabei soll sowohl die bereits nach geltender Rechtslage vorgesehene Mitwirkung an Maßnahmen des Bundesamts umfasst sein, die zwecks Erlangung von für die Abschiebung erforderlichen Bewilligungen gesetzt werden, als auch – gemäß der neuen Bestimmung des § 46 Abs 2 FPG – Handlungen des Fremden selbst, die zur Vorbereitung für eine eigenständige Ausreise zu treffen sind, wie insbesondere die eigenständige Beantragung eines allenfalls erforderlichen Reisedokumentes und die insoweit notwendige Erstattung von Angaben gegenüber der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat)… Unbeschadet der Befugnis des Bundesamtes soll nämlich künftig auch der Fremde selbst explizit der Verpflichtung unterliegen, sich ein für die Ausreise erforderliches Reisedokument bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem zu beschaffen und bei dieser Behörde sämtliche für diesen Zweck erforderlichen Handlungen zu setzen, wobei hier insbesondere die Beantragung des Reisedokuments, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten umfasst sein sollen […]“
Während im Zuge der vorangegangenen Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes mit dem FrÄG 2015 (BGBl I Nr. 70/2015) in § 46 FPG lediglich festgelegt wurde, dass ein Fremder an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken hat, so ist dieser nach der aktuellen Rechtslage nunmehr verpflichtet, sich aus Eigenem und proaktiv um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu bemühen.
Das Gesetz setzt es als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. – in dessen Auftrag – der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs 1 FPG, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.
Die Pflicht des Fremden nach Abs 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs 3 Z 1a zu verweisen).
Im gegenständlichen Fall hat der BF jedoch keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er in den letzten Jahren aus eigener Initiative Kontakt mit der Botschaft Nigerias zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes aufgenommen hat. In der Beschwerde verweist er lediglich darauf, dass ihm kein Reisepass ausgestellt werden könne, weil er eine Geburtsurkunde und ein „Certificate of Origin“ benötigen würde. Dies wird auch im vorgelegten Schreiben der nigerianischen Botschaft in Wien bestätigt, wobei dieses Schreiben jedoch aus dem Jahr 2015 stammt. Damit liegen die letzten Handlungen des BF zur Beschaffung eines Reisepasses zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits dreieinhalb Jahre zurück. Auch hat er keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er den Versuch unternommen hat, mit Familienangehörigen (wie den beiden Schwestern des BF, siehe Punkt II. 2.), Bekannten oder Behörden in seinem Heimatland Kontakt aufzunehmen, um sich entsprechende Dokumente und Unterlagen auf postalischem Wege übermitteln zu lassen. Insbesondere wird seine mangelnde Bereitschaft zur Mitwirkung auch dadurch untermauert, dass er im Zuge eines am 24.06.2020 durchgeführten Rückkehrberatungsgespräches ausdrücklich erklärte, nicht rückkehrwillig zu sein.
Da der BF sohin im gegenständlichen Fall nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument zu beantragen und die Erfüllung dieser Pflicht dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen, ist seine Abschiebung nach Nigeria nicht aus tatsächlichen, nicht von ihm zu vertretenden Gründen unmöglich, vielmehr ist ihm eine schuldhafte Verletzung seiner Ausreiseverpflichtung zur Last zu legen. Der BF hat somit die Gründe, warum seine Abschiebung bislang nicht erfolgt ist, selbst zu vertreten und war sein Aufenthalt nicht iSd. § 46a Abs 1 Z 3 FPG zu dulden und ihm auch keine Karte für Geduldete gemäß Abs 4 leg. cit. auszustellen.
Ein unter § 46a Abs 1 Z 1, Z 2 oder Z 4 FPG zu subsumierender Sachverhalt wurde seitens des BF weder vorgebracht, noch ergibt sich ein solcher aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Abschiebung Ausreiseverpflichtung Duldung Karte für Geduldete Mitwirkungspflicht mündliche Verhandlung Nachweismangel Reisedokument Verschulden VorlagepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I411.1314905.4.00Im RIS seit
20.05.2021Zuletzt aktualisiert am
20.05.2021