TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/27 W141 2238393-1

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Veröffentlicht am 27.01.2021
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Entscheidungsdatum

27.01.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W141 2238393-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan Wagner sowie den fachkundigen Laienrichter
Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 23.12.2020, XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1.       Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge belangte Behörde genannt) hat dem Beschwerdeführer am 07.05.2018 einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 vH ausgestellt.

2.       Mit Bescheid vom 07.02.2019 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 26.07.2018 auf Eintragung des Zusatzvermerks „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass stattgegeben und in den Behindertenpass des Beschwerdeführers die Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ und „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese“ eingetragen.

Der Behindertenpass wurde mit 01.01.2021 befristet, da aufgrund einer möglichen Reoperation eine maßgebliche Funktionsverbesserung zu erwarten sei, welche sich auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirke.

3.       Mit Schreiben vom 22.02.2019 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Parkausweises für Behinderte vorliegen und wurde dem Beschwerdeführer ein Parkausweis bis 01.01.2021 befristet ausgestellt, da der Behindertenpass befristet war.

4.       Am 09.09.2020 hat der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde unter Vorlage von Beweismitteln einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und Eintragung des Zusatzvermerks „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gestellt.

5.       Die belangte Behörde hat zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen das im Rahmen der Ausstellung des Behindertenpasses eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.11.2020, mit dem Ergebnis herangezogen, dass der Grad der Behinderung 70 vH betrage und die Voraussetzungen für die Eintragung des begehrten Zusatzvermerks in den Behindertenpass nicht vorlägen.

6.       Mit Wirksamkeit ab dem 23.12.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein bis 31.12.2024 befristeter Behindertenpass ausgestellt.

7.       Im Rahmen des von der belangten Behörde am 10.11.2020 gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden vom Beschwerdeführer Einwendungen erhoben. Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen zusammenfassend aus, dass ihm vier Mal das Knieimplantat gewechselt worden wäre und das dritte ca. vier Jahre lang locker gewesen wäre, wodurch er große Schmerzen gehabt hätte. Durch den Wechsel hätten sich die Schmerze verringert.

Darüber hinaus wäre seit dem zweiten Wechsel des Implantats der Fuß instabil und sei er hochgradig sturzgefährdet. Dies wäre auch schon des Öfteren passiert, so wäre beispielsweise der Wirbeleinbruch durch einen Sturz zu Stande gekommen, oder habe er sich vor ca. sieben Wochen einen Rippenbruch durch einen Sturz zugezogen. Darüber hinaus könne er in Folge eines Sturzes nicht mehr selbständig aufstehen. Der Beschwerdeführer müsse in seinen Wohnräumen mit zwei Unterarmstützkrücken seine häuslichen Tätigkeiten bewältigen. Aufgrund des Wirbeleinbruchs könne er nur kurze Zeit stehen und würden dann die Schmerzen so groß werden, dass er sich setzen müsse.

8.       Mit Schreiben vom 02.12.2020 reichte der Beschwerdeführer einen neuen Befund vom orthopädischen Spital Speising nach.

9.       Zur Überprüfung der Einwende und des neu vorgelegten Befundes wurde eine medizinische Stellungnahme desselben Arztes für Allgemeinmedizin datiert mit 16.12.2020 von der belangten Behörde eingeholt. Der Sachverständige hielt fest, dass die nachgereichten Einwendungen insgesamt keine ausreichend relevanten Sachverhalte, welche eine Änderung des Gutachtens bewirken würden, beinhalten würden.

10.      Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.

Dem Bescheid war die Stellungnahme des Sachverständigen beigelegt.

Begründend wurde ausgeführt, dass ein ärztliches Sachverständigengutachten sowie eine Stellungnahme eingeholt und als schlüssig erkannt worden wären, nach welchen die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

In der rechtlichen Beurteilung zitiert die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG).

11.      Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 05.01.2021 Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage weiterer Befunde brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er mit der Abweisung seines Antrages nicht einverstanden sei. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

12.      Mit dem – im Bundesverwaltungsgericht am 07.01.2021 eingelangten – Schreiben hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.

13.      Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.01.2021 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, die Beschwerde zu verbessern, da daraus nicht hervorgehe, ob der Beschwerdeführer gegen die Ausstellung des Behindertenpasses vom 29.12.2020,
OB XXXX , und/oder bezüglich der mit Bescheid vom 23.12.2020,
OB XXXX , abgewiesenen Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" Beschwerde einbringe.

Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass, sollte er dem Mängelbehebungsauftrag nicht bis längstens zwei Wochen ab Zustellung nachkommen, die Beschwerde zurückzuweisen sein werde.

14. In der Folge wurde vom Beschwerdeführer ein Vorbringen erstattet und wurde das bereits im Akt aufliegende Beweismittel, Befund vom orthopädischen Spital Speising, neuerlich vorgelegt. Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen aus, sich gegen die abgewiesene Zusatzeintragung zu beschweren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem, für die Entscheidung maßgeblichen, Sachverhalt aus.

1.1.    Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland. Er ist Inhaber eines Behindertenpasses.

1.2.    Zu den beantragten Zusatzeintragungen:

Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1.   Art der Funktionseinschränkungen:

-        Prostatakarzinom 9/2019

-        Zustand nach mehrfachen Kniegelenksoperationen rechts

-        Permanentes Vorhofflimmern bei arterieller Hypertonie

-        Psoriasisarthritis

-        Koronare Herzkrankheit

-        Endoprothese des linken Kniegelenkes

-        Abnützungen der Wirbelsäule

-        chronisch obstruktive Atemwegserkrankung

1.2.2. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Allgemeinzustand: 74 jähriger AW in gutem AZ kommt alleine ins Untersuchungszimmer, Rechtshänder,
Ernährungszustand: gut
Größe: 180,00 cm Gewicht: 127,00 kg Blutdruck: 130/90

Klinischer Status – Fachstatus:
Haut: und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, kein Ikterus, keine periphere oder zentrale Zyanose

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, sichtbare Schleimhäute: unauffällig Zunge feucht, wird gerade hervorgestreckt , normal
PR unauffällig, Rachen: bland,
Gebiß: saniert,
Hörvermögen ohne Hörgerät unauffällig
Collum: Halsorgane unauffällig, keine Einflußstauung, keine Stenosegeräusche

Thorax: symmetrisch, leichte Gynäkomastie beidseits,
Cor : HT rhythmisch, mittellaut, normfrequent Puls: 72 / min
Pulmo: sonorer KS, Vesikuläratmen, Basen atemverschieblich, keine Dyspnoe in Ruhe und beim Gang im Zimmer

Abdomen: Bauchdecken über Thoraxniveau, Hepar nicht vergrößert, Lien nicht palpabel, keine pathologischen Resistenzen tastbar, indolent, blande NVH nach Hernia inguinalis links und Lapraskopie, NL bds. frei

Extremitäten:
OE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig. Nacken und Schürzengriff möglich, in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Faustschluß beidseits unauffällig, keine maßgeblichen Schwielenbildungen, eine Sensibilitätsstörung wird nicht angegeben, Feinmotorik und Fingerfertigkeit ungestört.

UE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig. Blande Narbenverhältnisse und Verplumpung rechtes mehr als linkes Kniegelenk, passive Beugung rechts etwas eingeschränkt, sonst in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, deutliche Crepitatio rechts
keine Sensibilitätsausfälle, selbständige Hebung des rechten Beines von der Unterlage nicht durchgeführt, links unauffällig Der Umfang der Unterschenkel (an der größten Circumferenz) beträgt rechts 46 und links 44 cm, Fußpulse tastbar, verstärkte Venenzeichnung keine Ödeme
PSR: seitengleich abgeschwächt, Nervenstämme: frei, Lasegue: neg.

Wirbelsäule: In der Aufsicht gerade, weitgehend im Lot, BSD re. - 2 cm, in der Seitenansicht gering verstärkte Brustkyphose FBA: 15 cm, Aufrichten frei, kein Klopfschmerz,
Ott: unauffällig, zu 1/3 eingeschränkte Seitneigung und Seitdrehung der LWS, zu 1/3 eingeschränkte Beweglichkeit der HWS, Kinn-Brustabstand: 1 cm, Hartspann der paravertebralen Muskulatur,

Gesamtmobilität – Gangbild:
kommt mit orthopädischen Schuhen und 2 Stützkrücken mit weitgehend unauffälliger Abrollbewegung, freier Stand sicher möglich, Zehenballen- und Fersengang sowie Einbeinstand beidseits und Hocke nicht durchgeführt. Vermag sich selbständig aus- und wieder anzuziehen

Status Psychicus:
Bewußtsein klar.
gut kontaktfähig, Allseits orientiert, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten; keine produktive oder psychotische Symptomatik, Antrieb unauffällig, Affekt : dysthym

1.2.3. Zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke (ca. 300- 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung allenfalls erforderlicher Behelfe die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der unteren Extremitäten vor. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.

Es liegen weder erhebliche dauerhafte Einschränkungen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Leistungsfähigkeit vor.

Eine Herzerkrankung liegt nicht in einem Ausmaß vor, welches eine erhebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde.

Beim Beschwerdeführer liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

1.3.    Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 07.01.2021 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen gründen sich auf das im Beschwerdeverfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.11.2020, die Stellungnahme vom 16.12.2020 sowie auf die vorgelegten medizinischen Beweismittel.

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten und die Stellungnahme sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausführlich Stellung genommen.

Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, der befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt und fasst deren Inhalt nachvollziehbar wie folgt zusammen:

-        Dr. Michael Kasparek, FA für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (ohne Datum von 4/2020?):

Z.n. Rerevision re Knie, mehrfache Lockerung einer Tumor Prothese, Z.n. Femurfraktur re, Z.n. K-TEP links PCP, hochgradige Osteochondrose. Spondylarthrose, Discusprolaps LWS, ausgeprägte Gangstörung aufgrund kompletter Insuffizienz des Streckapparates re

-        2019-10 CT des Beckens und der LWS bei Zustand nach Prostatakarzinom:

Osteopenie/Osteoporose, Spondylosis deformans, Deckplattenimpressionfraktur L3 mit 40% verlagerte ventraler Deckplatte, subligamentäres Discusbulging L3-4, keine ossäre Spinalkanalstenose, mäßige ISG und Coxarthrose, keine periprothetische Fraktur

-        2019-9 Krankenhaus der barmherzigen Schwestern, Urologie:

o        AdenoCa prostatae pT2c

o        COPD

o        Hyperlipidämie

o        Psoriasisarthritis

o        Vorhofflimmern unter Marcoumar

o        Z.n. MCI (Hinterwand) 2007

o        Z.n. PTCA mit Stenting

o        Art. Hypertonie

-        2019-9 ADK:

Unizentrisches, mikroglandulär und Complexdrüsig wachsendes, azinäres Prostatakarzinom, Gleason-Score 3+ 4 - 7, Grad 4 Anteile bei 40 %, Gleason-Score Subgrading G2 (von 5).

-        2019-6 Physiotherapie Peterhof:

Zustand nach viermaliger K-TEP Revision rechts zusätzlich PHS beidseits, Psoriasisarthritis, Vorhofflimmern, arterieller Bluthochdruck, Copd, Hyperlipidämie, Adipositas, in der Gangschulung Wechsel auf eine Krücke im UInnenbereich, Kräftigung der Beinmuskulatur

-        Schreiben des orthopädischen Spitals Speising vom 01.12.2020:

das einen Z.n. Knie-TEP li. 2008, Z,n. Knle-TEP re. 2012, septische Revision 2012, Sturz Sommer 2012 mit Instabilität und Quadrizepsruptur, Wechsel auf RHK Knie-TEP, periprothetlscher Infekt re. Kniegelenk Februar 2014, Explantation und Implantation eines temporären Spacers, Replantation ebenfalls 2014 auf eine Tumorprothese Typ MUTARS KRI mit intraop. Femurfraktur und Verplattung, neuerliche Quadrizepsruptur 23.7.2014 mit Rekonstruktion in transossärer Augmentation mit einem MÜTARS-Band, 2019 Wechsel der Tumorprothese aufgrund eines Metallschluß-Abriebs. beschreibt.

Diesbezüglich führt das Sachverständige aus, dass insbesondere auch in der hierortigen Begutachtung eine derartige Einschränkung der Gehfähigkeit oder körperlichen Leistungsfähigkeit, welche eine erhebliche Erschwernis der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bewirken könnte, gerade eben nicht objektiviert werden konnte.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Im Gutachten des Allgemeinmediziners wird überzeugend dargestellt, dass gegenüber dem Gutachten von 2019 eine Besserung des Knieleidens rechts nach erfolgreicher Endoprothesenneuimplantation objektivierbar ist.

Der Sachverständige hält weiter nachvollziehbar fest, dass die eingeschränkte Beweglichkeit der Kniegelenke und der Wirbelsäule eine mäßiggradige Einschränkung der Mobilität bewirkt. Diese erreicht jedoch kein Ausmaß, welches das Erreichen, das sichere Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich gefährden bzw. erschweren würde. Darüber hinaus liegt beim Beschwerdeführer auch kein maßgeblich herabgesetzter Allgemein- und Ernährungszustand beziehungsweise keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit vor, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren würde. Die behinderungsbedingte Notwendigkeit der bei der Untersuchung benützten Stützkrücken ist durch die objektivierbaren Funktionseinschränkungen nicht mehr begründbar, so der Allgemeinmediziner weiter. Dies auch insbesondere, da keine Lockerung der Knieendoprothese mehr objektivierbar ist.

Beim Beschwerdeführer liegt auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

Betreffend die Gesamtmobilität hält der Sachverständige zudem fest, dass der Beschwerdeführer mit orthopädischen Schuhen und zwei Stützkrücken zur Untersuchung kommt. Das Gangbild des Beschwerdeführers stellt sich mit weitgehend unauffälliger Abrollbewegung dar. Der freie Stand ist sicher möglich.

Zusammenfassend wird im eingeholten Sachverständigengutachten schlüssig dargestellt, dass weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen und keine schwere Erkrankung des Immunsystems vorliegen, welche die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass bedingen würden.

Das eingeholte Sachverständigengutachten und die Stellungnahme stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Das Sachverständigengutachten und die Stellungnahme werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der in der Beschwerde erhobene Einwand in Form von Vorlage eines bereits vorgelegten medizinischen Beweismittel, war nicht geeignet, eine Änderung zu bewirken.

Das Beschwerdevorbringen und das vorgelegte medizinische Beweismittel waren sohin nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach eine ausreichende Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates und genügende körperliche Belastbarkeit gegeben sind, zu entkräften.

Die Angaben des Beschwerdeführers konnten daher nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II. 3.1.

Zu 1.3.) Das Schreiben mit welchem die Beschwerdevorlage durch die belangte Behörde erfolgt ist weist am Eingangsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes das Datum 07.01.2021 auf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz – BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 43 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Falle des Eintretens von Änderungen durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen (§ 43 Abs. 1 BBG).

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 46 BBG idF des BGBl. I Nr. 57/2015 dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 1 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen vorliegt. Diese Eintragung ist bei Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne der Abschnitte 07 und 09 der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie bei Malignomen des Verdauungstraktes im Sinne des Abschnittes 13 der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

In den Erläuterungen zur oben genannten Verordnung wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 (auszugsweise):

Abs. 2 unterscheidet zwei Arten von Eintragungen; solche, die die Art der Behinderung des Passinhabers/der Passinhaberin betreffen und jene, die Feststellungen über Erfordernisse des Menschen mit Behinderung im täglichen Leben treffen, etwa die behinderungsbedingte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensations-möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128 und die dort angeführte Vorjudikatur sowie VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242 und 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH vom 14.05.2009,
Zl. 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 – 400 m ausgeht (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014).

Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbstständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung des erforderlichen Behelfes die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.

Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren oder oberen Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden. Somit sind das Erreichen, ein gesichertes Ein- und Aussteigen und ein gesicherter Transport im öffentlichen Verkehrsmittel möglich.

Unter Verweis auf die zuvor wiedergegebenen Ausführungen in den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sowie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragungen „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten sowie eine medizinische Stellungnahme eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Beschwerdevorbringen und die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen– wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt – waren nicht geeignet, die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Feststellungen hervorzurufen. Es liegen auch keine Beweismittel vor, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt. Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2238393.1.00

Im RIS seit

20.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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