TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/29 W236 2238934-1

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Veröffentlicht am 29.01.2021
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Entscheidungsdatum

29.01.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs2 Z7
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W146 2238934-1/4Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER über die Beschwerde von XXXX XXXX, geb. XXXX , StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2020, Zl. 1272423603-201275892, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

II. Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde am 17.12.2020 von Organen der LPD Wien wegen einer angezeigten Nötigung an Frau XXXX angetroffen und einer Personenkontrolle unterzogen. Der Beschwerdeführer hatte keinerlei Personaldokumente, noch einen Meldezettel oder einen Schlüssel einer Unterkunft bei sich.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass die Abschiebung in die Ukraine zulässig ist (Spruchpunkt III.), eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und 7 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich sei. Der Beschwerdeführer halte sich illegal in Österreich auf und habe im Rahmen der Einvernahme eine illegale Beschäftigung zugegeben. Nur durch Zufall sei sein illegaler Aufenthalt aufgedeckt worden. Der Beschwerdeführer halte sich nicht an die fremdenpolizeilichen Bestimmungen und gefährde damit die öffentliche Sicherheit und Ordnung, womit sein Aufenthalt auch unverzüglich zu beenden sei.

Dagegen erhob der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 18.01.2021 Beschwerde und beantragte eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG zu erteilen, die Rückkehrentscheidung aufzuheben, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung beizumessen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu das Einreiseverbot angemessen zu reduzieren und herabzusetzen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Lebensgefährtin und Freunde im Bundesgebiet habe. Die Lebensgefährtin sei polnische Staatsbürgerin, sei in Österreich beschäftigt und nehme das EU-Freizügigkeitsrecht in Anspruch. Das Kind des Beschwerdeführers würde derzeit von dessen Mutter nach Österreich geholt und solle hier in Österreich leben.

Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 25.01.2021 vom Bundesamt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer wurde am 17.12.2020 von Organen der LPD Wien wegen einer angezeigten Nötigung an Frau XXXX angetroffen und einer Personenkontrolle unterzogen.

Der Beschwerdeführer ist laut seinen Angaben ukrainischer Staatsbürger. Er ist nicht im Besitz von Personaldokumenten. Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet nicht gemeldet.

Der Beschwerdeführer ist laut seinen Angaben seit 14 Jahren illegal in Österreich aufhältig und arbeitet hier ohne Arbeitsbewilligung auf Baustellen.

In der Ukraine leben der Sohn, die Eltern, die Schwester und die Großeltern des Beschwerdeführers. In Österreich lebt die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers.

Ein gemeinsamer Wohnsitz des Beschwerdeführers mit der in der Beschwerde angeführten „Lebensgefährtin“ kann nicht festgestellt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich besteht.

Die Durchführung der Rückkehrentscheidung stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf ein eventuell bestehendes Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK dar.

Der Beschwerdeführer machte keine Gefährdung von Art. 2, 3 EMRK in der Ukraine geltend. Eine solche kann auch von Amtswegen nicht erkannt werden. Es liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, denen zufolge anzunehmen ist, dass eine Rückkehr oder Rückführung in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr für den Beschwerdeführer bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Ukraine gilt als sicherer Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, den Angaben des Beschwerdeführers, Auskünften diverser behördlicher Register und den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen.

Die angebliche Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ist laut ZMR Auskunft verheiratet. Ihr vorgelegter Mietvertrag ist seit zweieinhalb Jahren abgelaufen. Die am Verdienstnachweis der angeblichen Lebensgefährtin vom November 2020 eines Wiener Rechtsanwalts ausgewiesene Adresse deckt sich nicht mit der ZMR Auskunft.

Die Feststellung zum Aufenthaltsort des Sohnes des Beschwerdeführers ergibt sich aus der vorgelegten Einreichbestätigung der MA 35, wonach die sichtvermerkfreie Zeit des Sohnes im Bundesgebiet am 27.10.2020 endet und der Aussage des Beschwerdeführers vom 18.12.2020, wonach der Sohn bei seinen Großeltern in der Ukraine wohnt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine keiner Gefährdung im Sinne von Art. 2, 3 EMRK ausgesetzt ist, ergibt sich aus seinem Vorbringen. Weiters gilt die Ukraine als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 14 Herkunftsstaaten-Verordnung. Zudem ist der Beschwerdeführer in der Ukraine aufgewachsen und hat sein überwiegendes Leben dort verbracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Vorab ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden und in Form eines Teilerkenntnisses ergehenden Entscheidung nur jener Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt (§ 27 VwGVG), welche sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richten.

Die Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache, das heißt hinsichtlich aller übrigen mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Spruchpunkte des Bescheides, ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Rechtsprechung festgehalten, dass § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG regelt, dass das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen hat. Ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - wie er etwa in § 13 Abs. 3 und 4 und § 22 Abs. 1 und 3 VwGVG sowie § 30 Abs. 2 VwGG vorgesehen ist - ist in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. (VwGH 13.09.2016, Zl. Fr 2016/01/0014)

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Vorgaben ausgeführt, dass § 18 Abs. 5 BFA-VG - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so gelesen werden kann, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden hat. Da demnach insoweit eine Entscheidung über die Beschwerde gegen diesen Ausspruch zu fällen ist, ist der Auffassung, eine förmliche Entscheidung innerhalb einer Woche sei nur dann geboten, wenn die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu erfolgen habe, der Boden entzogen. (vgl. VwGH 19.06.2017, Zl. Fr 2017/19/0023).

Im vorliegenden Fall wurde in der Beschwerde kein reales Risiko einer Verletzung der gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen dargetan, und es liegen aus den in der Beweiswürdigung dargetanen Gründen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor.

Aus dem Beschwerdevorbringen gehen insofern keine konkreten Anhaltspunkte für eine dem Beschwerdeführer bei einer sofortigen Außerlandesbringung drohende Art. 8 EMRK-Verletzung hervor, da sich der Beschwerdeführer seit 14 Jahren illegal im Bundesgebiet aufhält und der Schwarzarbeit nachgeht. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Interesse an Aufrechterhaltung seiner angeblichen Lebensgemeinschaft überwiegt somit nicht das öffentliche Interesse an einer raschen Aufenthaltsbeendigung, zumal ein allfälliges Privatleben auch durch Besuche der Lebensgefährtin in der Ukraine aufrechterhalten werden kann.

In der gegenständlichen Beschwerde sind auch sonst keine Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers im Sinne des § 18 Abs. 5 BFA-VG stützen würde, bezeichnet worden.

Daher ist der Beschwerde des Beschwerdeführers im Rahme von § 18 Abs. 5 BFA-VG eine aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Wie sich aus der o.a. Rechtsprechung des VwGH ergibt, ist ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Daher erweist sich der in der Beschwerde gestellte Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig und war daher zurückzuweisen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Wie der rechtlichen Beurteilung unzweifelhaft zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot illegaler Aufenthalt Mittellosigkeit Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung unzulässiger Antrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W146.2238934.1.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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