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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
StGG Art6 Abs1 / ErwerbsausübungLeitsatz
Keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit durch die an den Inhaber einer Fahrschulbewilligung gestellten Anforderungen hinsichtlich einer bestimmten technischen AusbildungSpruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS OÖ) sind Berufungen gegen Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich anhängig, mit denen Anträge der Berufungswerber auf Bewilligung zur Errichtung von Fahrschulen gemäß §109 Abs1 lite des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967), BGBl. 267, idF der Novelle BGBl. 615/1977, abgewiesen wurden.
2. Aus Anlaß dieser Berufungsverfahren stellt der UVS OÖ zu Zlen. VwSen-510002/4/Sch/Rd, VwSen-510013/3/Gf/Km und VwSen-510015/6/Fra/Ka unter Bezugnahme auf Art129a Abs3 iVm Art89 Abs2 und Art140 Abs1 B-VG die (beim Verfassungsgerichtshof zu G198/94, G23/95 und G43/95 protokollierten) Anträge, die lite des §109 Abs1 KFG 1967 als verfassungswidrig aufzuheben.
Er begründet dies - zusammengefaßt - (nach einer Schilderung der historischen Entwicklung der die Fahrschulen regelnden Vorschriften (BGBl. 437/1929, 138/1930, 29/1937, 106/1937, 223/1955)) damit, daß nach der derzeit geltenden Rechtslage (§70 Abs2 KFG 1967) die theoretische Lenkerprüfung aus einem rechtskundlichen und einem technischen Teil bestehe; die Gewichtigkeit des rechtskundlichen Teiles überwiege. Unter diesen Umständen sei es sachlich nicht zu rechtfertigen, an die technische Ausbildung eines Fahrschulinhabers derart hohe Anforderungen zu stellen, wie sie §109 Abs1 lite KFG 1967 vorsieht, nämlich eine spezifische technische (Hoch-)Schulausbildung zu fordern. Damit verletze das Gesetz den Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit.
3. Die Bundesregierung beschloß am 13. September 1994, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen.
4. Zu G198/94 und G43/95 erstatteten die Berufungswerber im Verfahren vor dem UVS OÖ als beteiligte Parteien im Gesetzesprüfungsverfahren Äußerungen. Sie unterstützen den Antrag des UVS OÖ.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Gesetzesaufhebungsanträge erwogen:
1. Der - gemäß §123 Abs1 letzter Satz KFG 1967 (idF BGBl. 452/1992) zur Entscheidung über die bei ihm eingebrachten Berufungen zuständige - UVS OÖ ist dem Art129a Abs3 iVm Art89 Abs2 und Art140 Abs1 B-VG zufolge legitimiert, Gesetzesaufhebungsanträge zu stellen.
Er hätte bei Entscheidung über die bei ihm anhängigen Rechtsmittel u.a. §109 Abs1 lite KFG 1967 anzuwenden.
Da außer der Präjudizialität auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge zulässig.
2. Sie sind jedoch nicht berechtigt:
a) Das KFG 1967, BGBl. 267, wurde wiederholt novelliert, zuletzt durch Bundesgesetz BGBl. 258/1995. Die angefochtene Bestimmung (§109 Abs1 lite) steht in der Fassung der Novelle BGBl. 615/1977 in Kraft.
Die hier vornehmlich in Betracht zu ziehenden Vorschriften des KFG 1967 lauten (die angefochtene Gesetzesstelle ist hervorgehoben):
"Lenkerprüfung
§70. (1) Die Lenkerprüfung hat aus einer theoretischen und einer praktischen Prüfung zu bestehen; .....
(2) Die theoretische Prüfung ist unter Bedachtnahme auf die angestrebte Gruppe (§65 Abs1) abzunehmen und hat sich zu erstrecken
a) auf die Kenntnis der für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften und
b) auf die für das sichere Lenken von Kraftfahrzeugen und das richtige Verhalten bei den im Straßenverkehr zu erwartenden besonderen Umständen und Gefahren notwendigen Kenntnisse, zum Beispiel im Hinblick auf die Fahrbahnbeschaffenheit, die Sichtverhältnisse und auf die Beeinträchtigung anderer Straßenbenützer; bei Bewerbern um eine Lenkerberechtigung für die Gruppen C, D, E, F und G auch auf die hiefür in technischer Hinsicht und im Hinblick auf die Eigenart und Bauart der Kraftfahrzeuge und Anhänger notwendigen Kenntnisse.
.....
XI. Abschnitt
Ausbildung von Kraftfahrzeuglenkern
Ausbildung in Fahrschulen
§108. (1) Das Ausbilden von Bewerbern um eine Lenkerberechtigung und das entgeltliche Weiterbilden von Besitzern einer Lenkerberechtigung durch Vertiefung bereits erworbener Kenntnisse ist unbeschadet der §§64a Abs5 und 119 bis 122b nur im Rahmen des Betriebes einer Fahrschule zulässig.
(2) .....
(3) Die Errichtung einer Fahrschule und die Verlegung ihres Standortes bedürfen der Bewilligung des Landeshauptmannes; ......
Persönliche Voraussetzungen für die
Erteilung einer Fahrschulbewilligung
§109. (1) Eine Fahrschulbewilligung (§108 Abs3) darf nur natürlichen Personen und nur Personen erteilt werden, die
a) österreichische Staatsbürger sind und das 27. Lebensjahr vollendet haben, .....,
b) vertrauenswürdig sind,
c) die Leistungsfähigkeit der Fahrschule gewährleisten können,
d) auch im Hinblick auf die Lage ihres ordentlichen Wohnsitzes die unmittelbare persönliche Leitung der Fahrschule erwarten lassen, sofern nicht ein Leiter im Sinne des §113 Abs2 litb und c bestellt wird,
e) das Diplom der Fakultät für Maschinenbau oder für Elektrotechnik einer österreichischen Technischen Universität besitzen oder die Reifeprüfung an einer österreichischen Höheren technischen Lehranstalt maschinen- oder elektrotechnischer Richtung erfolgreich bestanden haben,
f)-i) .....
(2) Der Landeshauptmann kann vom Erfordernis der Erbringung des Nachweises über die erfolgreiche Absolvierung der im Abs1 lite angeführten Schulen befreien, wenn der Antragsteller eine gleichwertige andere Schulausbildung genossen hat. Eine solche Befreiung gilt für das gesamte Bundesgebiet.
(3) .....
Leitung der Fahrschule
§113. (1) Der Fahrschulbesitzer hat den Betrieb seiner Fahrschule außer in den im Abs2 angeführten Fällen selbst zu leiten; dies erfordert für die sich aus diesem Bundesgesetz und aus den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen ergebenden Pflichten, wie insbesondere die Aufsicht über die Lehrtätigkeit und die wirtschaftliche Gebarung, die hiefür notwendige Anwesenheitsdauer in der Fahrschule. Der Fahrschulbesitzer darf sich zur Erfüllung dieser Pflichten nur in den Fällen des Abs2 durch einen verantwortlichen Leiter, den Fahrschulleiter, vertreten lassen.
(2) ....."
b) Die angefochtene Gesetzesbestimmung beschränkt den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit. Sie greift daher in das durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich geschützte Recht ein.
Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 3968/1961, 4011/1961, 5871/1968, 9233/1981) durch Art6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist.
Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. z.B. VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, 11749/1988).
c) Keiner weiteren Erörterung bedarf, daß es im besonderen öffentlichen Interesse liegt, die Erteilung einer Fahrschulbewilligung an die Erfüllung bestimmter persönlicher Voraussetzungen des Bewerbers zu knüpfen. Diese Voraussetzungen müssen aber im Sinne der soeben wiedergegebenen Vorjudikatur - von der abzurücken kein Anlaß besteht - ein taugliches und adäquates Mittel zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Zieles (nämlich eine möglichst fundierte Ausbildung der Kraftfahrzeuglenker zu gewährleisten, um solcherart der Verkehrssicherheit zu dienen) darstellen und sachlich gerechtfertigt sein. Zu diesen Voraussetzungen kann etwa eine bestimmte (Schul-)Ausbildung gehören; auch zur verfassungsrechtlichen Beurteilung solcher Ausbildungsbestimmungen ist die soeben dargestellte Vorjudikatur heranzuziehen (vgl. z.B. VfSlg. 13094/1992).
§109 Abs1 lite KFG 1967 entspricht - entgegen der Meinung des antragstellenden UVS OÖ - diesen Anforderungen:
Wenn der antragstellende UVS meint, für die Lenkerprüfung sei nunmehr nur noch geringes technisches Wissen erforderlich, ist ihm zum einen entgegenzuhalten, daß sich nach §70 Abs2 litb letzter Halbsatz KFG 1967 die Lenkerprüfung bei Bewerbern um eine Lenkerberechtigung für die Gruppen C, D, E, F und G auch auf die "hiefür in technischer Hinsicht und im Hinblick auf die Eigenart und Bauart der Kraftfahrzeuge und Anhänger notwendigen Kenntnisse" zu erstrecken hat. Um diese Kenntnisse vermitteln zu können, ist ausreichendes (kraftfahr-)technisches Wissen erforderlich.
Zum anderen kann dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er vom Inhaber der Fahrschule technisches Wissen verlangt, das über den Stoff hinausgeht, der im Rahmen des Unterrichts den Fahrschülern zu vermitteln ist. Dies ist schon allein aus §109 Abs1 litd und §113 Abs1 KFG 1967 abzuleiten, wonach der Fahrschulbesitzer den Betrieb seiner Fahrschule grundsätzlich selbst zu leiten hat. Er ist daher unter anderem auch dafür persönlich verantwortlich, daß die Schulfahrzeuge verkehrs- und betriebssicher sind (vgl. §112 leg.cit.). Um den damit verbundenen Pflichten nachkommen zu können, sind entsprechende technische Kenntnisse erforderlich.
Daraus folgt, daß die nach §109 Abs1 lite KFG 1967 an den Inhaber einer Fahrschulbewilligung gestellten Anforderungen unter dem vom UVS behandelten Gesichtspunkt der Erwerbsausübungsfreiheit - auch im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber bei Bestimmung der für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erforderlichen Schulausbildung zukommt - verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, daß die zitierte Rechtsvorschrift nicht zwingend einen einschlägigen Universitätsabschluß verlangt, sondern sich mit einer entsprechenden HTL-Ausbildung begnügt. Darüber hinaus läßt Abs2 (eine unechte Ermessensbestimmung) hievon Ausnahmen bei Vorliegen einer gleichwertigen anderen Schulausbildung zu (vgl. auch z.B. VfSlg. 13094/1992 und VfGH 2.3.1995 G272/94, betreffend die Nachsicht von einem Befähigungsnachweis).
d) Die vom antragstellenden UVS OÖ vorgebrachten Bedenken treffen also nicht zu.
Die Anträge waren sohin abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Kraftfahrrecht, Ausbildung von Kfz-Lenkern, Befähigungsnachweis, Nachsicht (vom Befähigungsnachweis), Gewerberecht, Fahrschulen, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G198.1994Dokumentnummer
JFT_10049381_94G00198_00