Entscheidungsdatum
04.02.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G309 2226428-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Einzelrichter über die Beschwerde der 1. XXXX in XXXX und 2. des Rechtsanwaltes XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts XXXX vom 03.10.2019,
XXXX , betreffend Gerichtsgebühren, A) beschlossen und B) zu Recht erkannt:
A)
1. Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde des Rechtsanwaltes XXXX wird als verspätet zurückgewiesen.
3. Der Antrag auf Herabsetzung, in eventu Stundung, der Gebühren wird wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen.
B)
Im Übrigen wird die Beschwerde der XXXX als unbegründet abgewiesen.
C)
Die Revision ist jeweils gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) brachte vertreten durch Rechtsanwalt XXXX (im Folgenden: BF2) am 25.06.2019 eine Besitzstörungsklage im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) beim Bezirksgericht (BG) XXXX zu XXXX gegen XXXX in XXXX als beklagte Partei ein.
2. Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 29.07.2019 zu XXXX , wurde der BF1, aufgrund des erfolglos gebliebenen Gebühreneinzuges, von der Kostenbeamtin für die Präsidentin des Landesgerichts (LG) XXXX die Zahlung von Pauschalgebühren gemäß Tarifpost (TP) 1 Gerichtsgebührengesetz (GGG) in der Höhe von EUR 107,00 zuzüglich eines Einhebungsbetrages in der Höhe von EUR 8,00 sowie eines Mehrbetrages gemäß § 31 GGG in der Höhe von EUR 22,00 - somit ein Gesamtbetrag in der Höhe von EUR 137,00 - vorgeschrieben. Hinsichtlich des Mehrbetrages und der Einhebungsgebühr wurde auch der Rechtsanwalt als Bürge und Zahler als zahlungspflichtig bestimmt.
3. Mit dem am 19.08.2019 beim LG XXXX eingebrachten Schriftsatz erhoben die BF1 und der BF2 durch ihren bevollmächtigten, mittlerweile aber verstorbenen Rechtsvertreter Rechtsanwalt XXXX das Rechtsmittel der Vorstellung gegen den Zahlungsauftrag.
4. Mit Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts XXXX (im Folgenden: belangte Behörde) vom 03.10.2019, XXXX , zugestellt durch Hinterlegung am 09.10.2019, wurde die BF zur Zahlung eines Gesamtbetrages von EUR 137,00 verpflichtet. Der Betrag setzt sich aus den nach TP 1 GGG bemessenen Pauschalgebühren in Höhe von EUR 107,00 (Bemessungsgrundlage EUR 750,00) zuzüglich eines Mehrbetrages nach § 31 GGG in der Höhe von EUR 22,00 sowie der Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG in der Höhe von EUR 8,00 zusammen. Hinsichtlich des Mehrbetrages und der Einhebungsgebühr wurde auch der Rechtsanwalt der BF als Bürge und Zahler zur Zahlung verpflichtet.
Der Bescheid wurde unter Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen und unter ausführlicher Anführung der entsprechenden höchstgerichtlichen Judikatur im Wesentlichen damit begründet, dass das System der Gerichtsgebühren nicht verfassungswidrig sei. Es bestünden keine Bedenken gegen die Höhe der Gerichtsgebühren in Hinblick auf den Gleichheitssatz und den effektiven Zugang zu einem Gericht und auch die Bemessung der Gerichtsgebühren nach dem Streitwert im Gerichtsverfahren sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Da das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhänge, werde dem Kläger der Zugang zu einem Gericht nicht verwehrt. Zudem würden die Möglichkeiten der Gebührenbefreiung nach § 63 Abs. 1 ZPO und § 9 Abs. 1 und 2 GEG ein ausreichendes Maß an Flexibilität sichern.
5. Mit dem am 05.11.2019 bei der Präsidentin des LG XXXX eingebrachten und mit selbigem Tag datierten Schriftsatz erhob ausschließlich die BF1 binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid, die per Fax eingebracht wurde. Sie ist nicht unterschrieben und unvollständig, weil nur 8 (von insgesamt 27) Seiten übermittelt wurden.
6. Die gegenständliche (unvollständige) Beschwerde und der Justizverwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 11.12.2019 von der belangten Behörde vorgelegt.
7. Infolge des Ablebens des bevollmächtigen Rechtsvertreters XXXX trug das Bundesverwaltungsgericht der BF1 mit Mängelbehebungsauftrag vom 13.10.2020 binnen 14-tägiger Frist direkt auf, die Beschwerde vollständig und von einem vertretungsbefugten Organ unterschrieben vorzulegen. Der Mängelbehebungsauftrag wurde der BF1 durch Hinterlegung am 21.10.2020 (Beginn der Abholfrist) zugestellt.
8. Am 03.11.2020 wurde eine vollständige, 27 Seiten umfassende Ausfertigung der Beschwerde beim BVwG überreicht, in der erstmals auch der BF2 als Beschwerdeführer aufscheint und die sowohl von ihm als auch von der Geschäftsführerin der BF1 unterschrieben wurde. Darin beantragen die BF, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu, die Gebühren herabzusetzen, in eventu, sie bis zum Abschluss des Grundverfahrens zu stunden, sowie gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Außerdem wird beantragt, der Beschwerde „bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit“ die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass die Gerichtsgebühren zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK und Art 7 B-VG. Art 18 B-VG werde durch die überhöhten Gerichtsgebühren, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe, umgangen. Es würden nicht alle, die keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung eines Rechtsstreits hätten, Verfahrenshilfe erhalten. Personen, denen die Verfahrenshilfe nicht bewilligt werde, könnten ihr Recht aus finanziellen Gründen weder aktiv noch passiv geltend machen. Gerechtigkeit könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob sich eine Partei die Gerichtsgebühren leisten könne. Die Gebühren seien unabhängig vom Prozessaufwand und von der Verfahrensdauer bei der Einbringung zu entrichten; dies widerspräche dem Recht auf ein faires Verfahren. Es sei absurd, wenn jemand in einem Verfahren obsiege und trotzdem die Gerichtsgebühren tragen müsse, weil das Exekutionsverfahren gegen den Gegner erfolglos bleibe. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren am Beginn eines Verfahrens zu zahlen seien, obwohl mitunter Monate bis zur ersten Tagsatzung vergingen. 110 % der Justizkosten in Österreich würden durch Gebühren finanziert, die daher eine unzulässige Steuer seien. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren vom Streitwert abhängig seien, zumal der Aufwand für das Gericht nicht mit dem Streitwert ansteige. Richter würden die Nichtzahlung von Gerichtsgebühren (zu Unrecht) als Missachtung des Gerichts ansehen. Die Pauschalgebühr von EUR 107 sei zwar auf den ersten Blick gering; die BF1 sei aber auf einmal mit ungefähr XXXX Besitzstörern konfrontiert gewesen und müsse gegen jeden von ihnen vorgehen. Ihr Zugang zum Recht werde faktisch vereitelt, weil es in Summe um Gerichtsgebühren von EUR XXXX gehe. Für die Haftung des BF2 gebe es keine grundrechtskonforme Rechtfertigung. Der EGMR und der EuGH hätten bereits ausgesprochen, dass der Rechtsvertreter nicht zur Haftung für Gerichtsgebühren gezwungen werden dürfe.
Es wurden die Anträge gestellt den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu, die Gebühren herabzusetzen, in eventu, die Zahlung der Gebühren bis zum Abschluss des Grundverfahrens zu stunden, sowie den Sachverhalt gemäß Art. 267 AEUV zur Einholung einer Vorabentscheidung vorzulegen beziehungsweise zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens wegen Bedenken der Verfassungsmäßigkeit gemäß Art. 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen und ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit gestellt.
Der Antrag, die Gebühren herabzusetzen, wird damit begründet, dass es sich in der Gesamtheit um „Unsummen“ handle, die in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand stünden. Die BF hätten das Recht auf Herabsetzung der Gebühren und Stundung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Grundverfahrens. Dazu wurden mehrere Artikel vorgelegt, die u.a. die Höhe und das System der Gerichtsgebühren in Österreich kritisieren.
9. Mit Schreiben vom 02.12.2020 teilte das BVwG dem BF2 mit, dass seine Beschwerde nach der Aktenlage verspätet sei, weil er erst in der am 03.11.2020 beim BVwG eingebrachten Verbesserung der Beschwerde als (zweiter) Beschwerdeführer aufscheine. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, sich dazu binnen 14-tägiger Frist zu äußern. Dieses Schreiben wurde dem BF2 am 03.12.2020 zugestellt. Bislang ist keine Stellungnahme eingelangt.
10. Laut Bekanntmachung der Rechtsanwaltskammer XXXX ist der bevollmächtigte Rechtsanwalt XXXX verstorben, wodurch das Vollmachtsverhältnis erloschen ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Am 25.06.2019 brachte die BF durch ihre rechtsfreundliche Vertretung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) beim BG XXXX eine Besitzstörungsklage ein.
1.2. Der Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 29.07.2019 trat durch die dagegen erhobene Vorstellung außer Kraft und wurde von der Präsidentin des LG XXXX ein Vollbescheid erlassen.
1.3. Für die Einbringung der Klage ist die BF aufgrund von TP 1 I. GGG in der zeitraumrelevanten Fassung zur Zahlung von Pauschalgebühren in der Höhe von EUR 107,00 zuzüglich eines Mehrbetrages nach § 31 GGG in der Höhe von EUR 22,00 sowie eines Einhebungsbetrages nach § 6a Abs. 1 GEG in der Höhe von EUR 8,00 verpflichtet. Der Rechtsanwalt der BF ist auch hinsichtlich des Mehrbetrages und der Einhebungsgebühr als Bürge und Zahler zahlungspflichtig.
1.4. In der bei der Präsidentin des Landesgerichts XXXX eingebrachten Beschwerde wird nur die BF1 als Beschwerdeführerin genannt. Der BF2 scheint in dieser Eingabe nicht als Beschwerdeführer auf. Erst in der am 03.11.2020 übermittelten Beschwerde wurde sein Name sowohl im Rubrum als auch am Schluss des Schriftsatzes handschriftlich ergänzt; diese Beschwerdeausfertigung trägt auch seine Unterschrift. Der BF2 trat somit erst im November 2020 als weiterer Beschwerdeführer in Erscheinung.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Justizverwaltungsaktes und des diesem Verfahren zu Grunde liegenden Verfahrens zu XXXX und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides den maßgeblichen Sachverhalt in Übereinstimmung mit der Aktenlage richtig festgestellt.
In der Beschwerde der BF1, die den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt, wird im Wesentlichen nur die rechtliche Beurteilung der Vorschreibungsbehörde bekämpft.
In Übrigen steht der relevante Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest, sodass sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, ist das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte geregelt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
3.2. Zu Spruchteil A) 1.: Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Da diese hier nicht ausgeschlossen wurde, kann sie der Beschwerde auch nicht vom BVwG zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag in der Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchteil A) 2.: Beschwerdeerhebung des BF2:
Die Frist zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde beträgt gemäß § 7 Abs 4 VwGVG vier Wochen ab Zustellung des Bescheids; sie ist bei der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, einzubringen. Innerhalb dieser Frist hat zwar die BF1, nicht aber der BF2 eine Beschwerde bei der Präsidentin des Landesgerichts XXXX als Vorschreibungsbehörde eingebracht. Die erst am 03.11.2020 beim BVwG eingebrachte Beschwerde des BF2 ist daher als verspätet zurückzuweisen. Der Umstand, dass er allenfalls versehentlich nicht als Beschwerdeführer in der ursprünglichen Fassung der Beschwerde genannt wurde, führt nicht dazu, dass seine Beschwerde nun als rechtzeitig anzusehen wäre. Die rechtzeitig verbesserte, zulässige Beschwerde der BF1 ist dagegen grundsätzlich meritorisch zu behandeln.
Zu Spruchteil A) 3.: Antrag auf Herabsetzung, in eventu Stundung, der Gebühren:
Die BF1 hat in der Beschwerde – für den Fall, dass der Bescheid nicht aufgehoben und das Verfahren eingestellt wird – den Eventualantrag auf Herabsetzung der Gebühren und in eventu den Antrag auf Stundung der Gebühren gestellt.
Gemäß § 9 Abs. 1 GEG kann auf Antrag die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird.
Gemäß § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Gemäß § 9 Abs. 4 GEG entscheidet über Anträge nach Abs. 1 bis 3 der Präsident des Oberlandesgerichts Wien im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid; er kann den Leiter oder andere Bedienstete der Einbringungsstelle ermächtigen, diese Angelegenheiten in seinem Namen zu erledigen und zu unterfertigen.
Da für die Entscheidung über diese Anträge nicht das BVwG, sondern gemäß § 9 Abs. 4 GEG der Präsident des Oberlandesgerichts Wien zuständig ist, war der Nachlass- und Stundungsantrag daher zurückzuweisen.
Hier wurde erstmals in der Beschwerde ein Antrag auf Herabsetzung und auf Stundung der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren gestellt, den nicht damit begründet wird, dass deren Zahlung oder Einbringung eine besondere Härte darstelle, sondern mit der unverhältnismäßigen Höhe der Gebühren
Die in der Beschwerde zitierte Entscheidung des EGMR vom 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Entscheidung kann aus Art 6 Abs 1 EMRK kein Recht auf ein kostenloses Gerichtsverfahren in zivilrechtlichen Angelegenheiten abgeleitet werden. Die Notwendigkeit, Zivilgerichten Gerichtsgebühren zu erstatten, ist für sich genommen keine mit der EMRK unvereinbare Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht, zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt. Die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, fällt nach der Ansicht des EGMR in den staatlichen Ermessensspielraum, zumal das Gerichtsgebührensystem in Österreich durch die Möglichkeiten der vollen oder teilweisen Befreiung von Gebühren oder deren Reduktion nach § 63 Abs 1 ZPO sowie § 9 Abs 1 und 2 GEG ausreichend flexibel ist.
Aus dieser Entscheidung des EGMR ergibt sich gerade nicht, dass die BF1 ohne weiteres ein Recht auf eine Reduktion der Gerichtsgebühren oder deren Stundung bis zur Erledigung des Grundverfahrens haben.
Zu Spruchteil B): Abweisung der Beschwerde:
Der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG unterliegen nach Anmerkung 1 zu TP 1 GGG alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, also auch die von der BF1 als klagender Partei erhobene Besitzstörungsklage, bei der die Bemessungsgrundlage gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit c GGG EUR 750 beträgt. Ausgehend davon ergibt sich aus TP 1 Z I GGG für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz hier eine Pauschalgebühr von EUR 107.
Gemäß § 2 Z 1 lit a iVm TP 1 GGG entsteht der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Kläger. Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.
Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 22 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen.
Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen. Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.
Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der Präsidentin des Landesgerichts XXXX als Vorschreibungsbehörde verwiesen werden.
Das BVwG teilt die in der Beschwerde geäußerten grundsätzlichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe – ausgehend von den bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 bei § 1 GGG und bei TP 1 GGG E 1 ff angeführten höchstgerichtlichen Entscheidungen – nicht, sodass sowohl eine Antragstellung nach Art 140 B-VG als auch ein Vorabentscheidungsersuchen unterbleiben. Gerichtsgebühren sind nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-) Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt (siehe VfGH 18.06.2018, E 421/2018). Der VfGH lehnte zuletzt mit dem Beschluss vom 07.10.2020 zu GZ E 3236-3247/2020-6 die Behandlung einer Beschwerde in vergleichbaren Fällen unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung zum System der Gerichtsgebühren im Zivilprozess mangels hinreichender Erfolgsaussicht ab.
Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet. Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (z.B. Verfahrenshilfe, Stundungs- oder Nachlassantrag) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich).
Eine exzessive Höhe der Gebühr liegt hier jedenfalls nicht vor, auch wenn berücksichtigt wird, dass die BF1 eine Vielzahl von Besitzstörungsklagen erhob, zumal gemäß § 63 Abs 2 ZPO auch einer juristischen Person die Verfahrenshilfe bewilligt werden kann, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Art 6 EMRK verwehrt den Vertragsstaaten nicht, Regelungen über den Zugang zu Gericht im Interesse des Funktionierens der Rechtspflege zu treffen. Durch das Institut der Verfahrenshilfe wird sichergestellt, dass auch wirtschaftlich schwächere Personen den gebührenden Rechtsschutz erfahren (RIS Justiz RS0109487). Wenn eine Vielzahl von Verfahren angestrengt wird und die finanziellen Mittel für einige, aber nicht für alle ausreichen, kann die Verfahrenshilfe für die Verfahren bewilligt werden, für die die erforderlichen Mittel nicht mehr (vollständig) aufgebracht werden können. Gemäß den §§ 63 Abs 1, 64 Abs 2 ZPO besteht auch die Möglichkeit einer Teilverfahrenshilfe in Form der Stundung der Pauschalgebühr auf bestimmte Dauer (etwa bis Verfahrenskosten - allenfalls teilweise - von unterliegenden Prozessgegnern einbringlich gemacht werden können). Außerdem besteht die Möglichkeit eines Stundungs- oder Nachlassantrags iSd § 9 GEG.
Die Beschwerde zeigt nicht konkret auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging und warum er europarechtswidrig sein soll. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).
Die Pauschalgebühr für die Besitzstörungsklage wurde nicht entrichtet; der Einziehungsversuch blieb erfolglos. Der BF2 hat die Klage, durch deren Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wurde, als Bevollmächtigter der BF1 verfasst und überreicht. Damit trifft ihn nach § 31 Abs 2 GGG die Haftung für den Mehrbetrag als Bürge und Zahler neben der BF1. Für die Einhebungsgebühr gilt mangels einer entgegenstehenden Bestimmung dieselbe Form der Haftung wie für jene Beträge, zu deren Einbringung der Zahlungsauftrag erlassen wurde. Die Vorschreibung des Mehrbetrages samt Einhebungsgebühr an den BF2 als Bürgen und Zahler ist daher inhaltlich nicht zu beanstanden, zumal ihm als berufsmäßigem Parteienvertreter die Bestimmungen über die Gerichtsgebühren, insbesondere über das Entstehen des Gebührenanspruchs und der Haftungen, bekannt sind und ihm die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zu seinen Klienten obliegt. Ihm daraus erwachsene Nachteile hat er selbst zu verantworten und zu tragen (siehe VwGH 30.06.2005, 2005/16/0082).
Im Ergebnis ist die Beschwerde somit (soweit sie nicht zurückzuweisen ist) als unbegründet abzuweisen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen. Außerdem hat auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragt.
3.4. Zu Spruchteil C.): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Bemessungsgrundlage Besitzstörungsklage Einhebungsgebühr Eventualantrag Eventualbegehren Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Haftung Herabsetzung Mandatsbescheid Mehrbetrag Pauschalgebühren Primärantrag Rechtsmittelfrist Stundung Stundungsantrag Unionsrecht Unzuständigkeit BVwG verfassungsrechtliche Bedenken Verspätung Vorstellung Zahlungsauftrag ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G309.2226428.1.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021