TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/9 W208 2235647-1

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Veröffentlicht am 09.02.2021
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Entscheidungsdatum

09.02.2021

Norm

BDG 1979 §43a
BDG 1979 §93
B-GlBG §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W208 2235647-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Abteilungsinspektor XXXX , vertreten durch RA Dr. Walter SUPPAN, gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission im Bundesministerium für Inneres (nunmehr Bundesdisziplinarbehörde) vom 27.08.2020, GZ: 44153/4-DK/3/20, mit dem die Disziplinarstrafe der Geldbuße iHv € 300,-- verhängt wurde, weil er für schuldig befunden wurde, dass er bei einem Dienst während des Harley-Davidson-Treffens in XXXX , am 2. September 2018, Inspektorin XXXX , „MILF“ (mother l'd like to fuck) genannt und damit seine Dienstpflichten nach § 43a BDG iVm § 8 B-GIBG verletzt hat, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF oder DB) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund als Exekutivorgan und war seit 2012 dritter stellvertretender Kommandant bzw ist seit 01.10.2019 zweiter stellvertretender Kommandant der Polizeiinspektion (PI) XXXX .

2. Am 03.12.2019 brachte eine Mitarbeiterin der PI ( XXXX , [EP]), während einer Ergänzungsausbildung der Sicherheitsakademie in XXXX (SIAK), eine Beschwerde wegen Mobbing an ihrer Stammdienststelle, die oben genannte PI, seit März 2017 ein. Sie nannte dabei keine Namen, verwies aber auf ein Tagebuch, dass sie vorlegen könne. Die SIAK übermittelte diesen Sachverhalt am 05.12.2019 an die Dienstbehörde (AS 203), die Landespolizeidirektion XXXX (LPD), die am 16.12.2019 das Bezirkspolizeikommando XXXX (BPK) mit Erhebungen beauftragte (AS 207).

Am 14.01.2020 wurde die EP zur Einvernahme an das BPK geladen und konkretisierte dort ihre Vorwürfe unter späterer Vorlage eines Gedächtnisprotokolls (AS 121-183), dass sie auf Basis ihres handgeschriebenen und daher teilweise unleserlichen Mobbingtagebuches angefertigt hatte. Sie erhob dabei Vorwürfe gegen den BF, drei weitere namentlich genannte Führungskräfte sowie Kolleginnen und Kollegen der PI bzw ihres SIAK-Kurses (AV BPK, 14.01.2020 – AS 29). Die genannten Führungskräfte wurden am 12.02.2020 von der BPK zu einer Stellungnahme aufgefordert (der BF mit AS 255).

Der Kdt der BPK übermittelte am selben Tag (12.02.2020) eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft (StA) zur Beurteilung, ob eine Anfangsverdacht wegen einer Straftat vorliege.

Am 18.02.2020 erstattete der BF eine Stellungnahme (AS 259).

Am 24.02.2020 erstattete der Kdt der BPK eine Disziplinaranzeige ua gegen den BF an die LPD (AS 1), die noch am selben Tag an die zuständige Disziplinarkommission (DK) vorgelegt wurde (AS 41).

3. Am 13.03.2020 fasste die DK – nachdem sie am 25.02.2020 einen Ermittlungsauftrag erteilt hatte, dessen Ergebnis am 03.03.2020 bei ihr einlangte – einen Einleitungsbeschluss (EB) mit folgendem Inhalt (Anonymisierung und Kürzung auf das Wesentliche im kursiven Text jeweils durch BVwG):

„[Der BF] ist verdächtig:

1. Er habe die Mitarbeiterin Insp [EP] in einem Mail im März 2017, ergangen an alle Bediensteten der PI XXXX zur „Schmutzwäschebeauftragten" ernannt, die die Schmutzwäsche aller Bediensteten zu sortieren, abzuzählen und in einen Wäschesack zu geben hatte. Die Beamtin übte diese Tätigkeit bis März 2019 aus.

2. Er habe im Zeitraum von ca Dezember 2017 bis Februar 2018 und ab Juli 2018 bei gemeinsamen Diensten seine Mitarbeiterin Insp [EP], dadurch belästigt, indem er jeweils ca 10 mal pro Dienst zu ihr sagte ‚Da O XXXX und die P XXXX , de san a supa Paarle, de passn supa zam, de toma zam', obwohl sie ihn ausdrücklich und mehrmals aufgefordert hatte, dies zu unterlassen.

3. Er habe Insp [EP] bei einem Dienst während des Harley-Davidson-Treffens in XXXX , im September 2018, ‚MILF‘ (mother l'd like to fuck) genannt.

Der Beamte ist verdächtig, Dienstpflichten nach

•        § 43 Abs 2 BDG - in Verbindung mit §§ 8, 8a B-GIBG - nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt und

•        § 43a BDG, nämlich Mitarbeitern mit Achtung zu begegnen und diskriminierende Verhaltensweisen zu unterlassen,

gemäß § 91 BDG schuldhaft verletzt zu haben.“

4. Die StA teilte am 23.03.2020 mit, dass kein Ermittlungsverfahren eingeleitete werde, weil sich aus den Äußerungen ua des BF keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für ein wissentlich befugnissmissbräuchliches Vorgehen ergeben würde. Es sei vom Vorliegen eines Verdachtes einer Vielzahl an disziplinarrechtlich zu würdigenden Dienstpflichtverletzungen auszugehen, die aber keine strafrechtliche Relevanz entfalten würden ( XXXX ).

5.Die gegen den EB eingebrachte Beschwerde beim BVwG war zwischen 16.04.2020 und 19.05.2020 dort anhängig und wurde mit der Maßgabe abgewiesen, dass im Spruchpunkt 1 keine Einleitung erfolgte und das Disziplinarverfahren eingestellt wurde. Die Einleitung in den übrigen Spruchpunkten 2 und 3 wurde bestätigt (BVwG 19.05.2020, W208 2230366-1/2E).

6. Am 27.08.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der DK statt, die mit dem nunmehr bekämpften Disziplinarerkenntnis endete. Der BF wurde im Spruchpunkt 1 des EB wegen Geringfügigkeit freigesprochen.

Im Spruchpunkt 2 erging ein Schuldspruch und wurde eine Geldbuße iHv € 300,-- wegen Verstoß gegen die Dienstpflichten nach § 43a BDG iVm § 8 B-GlBG verhängt. Kosten wurden dem BF keine auferlegt. Die Begründung zum Schuldspruch lautete wie folgt (Anonymisierung und Kürzung auf das Wesentliche im kursiven Text jeweils durch BVwG):

„Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der DB seine Dienstpflichten im Umfange des Spruchteiles I schuldhaft verletzt hat; die Bezeichnung der Beamtin als „MILF" hat stattgefunden. […]

Gemäß § 2 Abs. 4 B-GIBG ist jeder Vorgesetzte Vertreter des Dienstgebers. Der DB ist dienstführender Beamter der Verwendungsgruppe E2a und 2. stellvertretender Kommandant der PI […]; er ist damit Vorgesetzter im Sinne des § 45 Abs. 1 BDG. Bei der betroffenen Beamtin handelte es sich um eine Mitarbeiterin, die ihm weisungsunterworfen war. Bei ihm handelt es sich daher um einen Vertreter des Dienstgebers im Sinne der §§ 8 Abs. 1, Ziffer 1 bzw. 8a Abs. 1, Ziffer 1 B-GIBG. Die Bezeichnung der Beamtin als „MILF" berührt die sexuelle Sphäre} ist demütigend, entwürdigend und stellt eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 8 Abs. 2 B-GIBG dar.

Zur Glaubwürdigkeit der Zeugin Insp [EP]

Entgegen der Meinung des DB kommt den Aussagen der Zeugin, die 67 Minuten einvernommen wurde, Glaubwürdigkeit zu. Ihre Aussagen vor dem Senat der DK waren lebensnah, schlüssig und wirkten zu keinem Zeitpunkt stereotyp, oder auswendig gelernt. Der erkennende Senat hatte niemals den Eindruck, sie würde die geschilderten Ereignisse/Erlebnisse übertrieben, bzw. zu ihrem Vorteil darstellen. Ein Motiv, warum sie die Unwahrheit hätte sagen sollen, war nicht ansatzweise erkennbar. Im Gegensatz zum DB, der sich sogar in der mündlichen Disziplinarverhandlung zu einer herabwürdigenden Äußerung (Seite 18) hinreißen ließ (was im Übrigen die Glaubwürdigkeit der Zeugin, dass sich die von ihr geschilderten Ereignisse im Wesentlichen tatsächlich so ereignet haben, stützt), blieb die Zeugin während der gesamten Dauer ihrer Einvernahme emotional stets ruhig, gelassen und sachlich. Auch einer intensiven, breit ausgeführten Befragung des Rechtsvertreters des DB, der vermeintliche — vom erkennenden Senat jedoch so nicht erkannte — Widersprüche in der Dokumentation (Mobbingtagebuch) ansprach, hielt sie stand und blieb bei ihren Antworten ruhig und sachlich. Auch in nonverbaler Hinsicht gab es während ihrer Einvernahme keine wesentlichen Verhaltensänderungen, weder hinsichtlich Körperhaltung, Augenstellung, Stimmlage oder Sprechgeschwindigkeit.

Dass die Zeugin offenbar danach differenzierte, wer etwas zu ihr sagte und beispielsweise die Bezeichnung als „MILF' von jungen Soldaten als Kompliment auffasste, vom DB aber als Beleidigung, ist auch für den erkennenden Senat nicht verständlich, vermag aber ihre Glaubwürdigkeit nicht zu erschüttern, sondern stärkt sie sogar. Es ist — wie auch ihre Differenzierung in der causa „Da O XXXX ...“ (arg.: wäre „O XXXX " durch „Insp M." ersetzt worden hätte es sie nicht gestört) — nichts anderes als eine ehrliche Antwort und beweist, dass sie keine Tendenzen zeigte, die in dieser causa betroffenen Disziplinarbeschuldigten wider besseren Wissens zu belasten. Auch ihre — für den Senat der DK deutlich erkennbare — Tendenz, Aussagen, welche allenfalls mehrere Interpretationen zuließen, in der Regel auf sich zu beziehen und quasi alles persönlich zu nehmen, hat auf ihre Glaubwürdigkeit keinen Einfluss. Dies auch deshalb, weil sie bereits in ihren eigenen schriftlichen Aufzeichnungen auf eigene Missverständnisse einging und eigene Fehler einräumte (vgl. dazu Ausführungen auf Seite 19 ihres Gedankenprotokolls). Die Glaubwürdigkeit der Zeugin lässt sich unter Einbeziehung ihrer schriftlichen Ausführungen (Mobbingtagebuch, Gedankenprotokoll), sowie im Vergleich mit den Ergebnissen ihrer Befragung in den gegen die weiteren drei Beamten der PI […] geführten Disziplinarverhandlungen auch objektiv darstellen.

•        So musste der DB Kontrlnsp H. in der rechtskräftig erledigten Disziplinarverhandlung einräumen, sich am Weltfrauentag am 08. März 2019 tatsächlich abfällig über Frauen geäußert zu haben. Die von der Zeugin in ihrem Gedankenprotokoll geschilderte Aussage ‚Schaltet ab den Dreck! Frauen sollen die Kinder bekommen und gehören hinter den Herd Ich will dass Frauen sich bücken und nichts zu sagen haben, wie bei den Moslems‘ wurde von diesem DB fast wortgleich verwendet. Das von ihr auf Seite 18 geschilderte Ereignis fand also tatsächlich so statt.

•        Derselbe DB gab in der Verhandlung auch zu, dass die Zeugin [EP] bei einer Unterredung mit ihm am 11. März 2019 (also lange bevor sie „Mobbing-Anzeige" in der SIAK erstattete) angesprochen hatte, dass ihr ein — trotz Nachfrage aber namentlich nicht genannter — Beamter zweimal gesagt habe, man werde sie nicht ausbilden und ihr nichts beibringen. Gemeint war von ihr damit offensichtlich Bezlnsp D., über den sie in diesem Kontext auf Seite 1 und Seite 14 berichtete.

•        Ebenso einräumen musste Kontrlnsp H., dass bei einem der ersten Dienste mit der Zeugin das Alter von Exekutivbediensteten und die Notwendigkeit der Rekrutierung jüngerer Beamter „aus der Szene" ein Thema gewesen sei (Aus seiner Sicht sei dies freilich eine allgemeine Aussage gewesen). Die Zeugin bezog dies auf sich und leitete daraus ab, sie sei unerwünscht (siehe dazu auch die Ausführungen des Senates über sie weiter oben); es bleibt aber die Tatsache, dass es dieses Gespräch über das Alter gab, worüber sie auf Seite 1. ihres Gedankenprotokolls berichtete.

•        Auch DB Cheflnsp V. musste in der rechtskräftig erledigten Disziplinarverhandlung einräumen, dass er mit ihr keine im Sinne des § 45a BDG korrekten Mitarbeitergespräche führte.

•        Cheflnsp V. bestätigte auch, dass er von der Zeugin bezüglich der Probleme, welche sie mit GrInsp O. […] hatte, angesprochen wurde.

•        Derselbe DB musste in der Disziplinarverhandlung auch einräumen, es könne sein, dass er mit ihr einmal über das Thema „Prüfungsfragen" gesprochen habe, weil er diesen Vorwurf von anderen gehört habe, worüber sie auf Seite 7 berichtete.

•        Dass der Zeugin — wie sie an mehreren Steilen ihres Gedankenprotokolls berichtete — offenbar tatsächlich mehrfach und wahrscheinlich auch von mehreren Beamten ihre vermeintliche Sehschwäche vorgehalten wurde und dies in der PI also tatsächlich ein Thema war, hat wiederum der DB selbst sehr eindrucksvoll bewiesen, als er in der mündlichen Disziplinarverhandlung am 27. August 2020 wörtlich ausführte: ‚Meiner Meinung nach hat sie es nicht gesehen, sie braucht zwar eine Lesebrille, aber sie braucht auch eine Fernbrille, meiner Meinung nach, aber ich bin kein Arzt. (VP — Seite 18). Nichts anderes als solche, von ihr subjektiv empfundenen Beleidigungen/Herabwürdigungen machte sie aber im Wesentlichen in der gesamten „causa PI […]" geltend,

•        Insp M. gab bei seiner Einvernahme (Disziplinarverhandlung gegen KontrInsp H.) wiederum an, die Beamtin habe sich ihm gegenüber geäußert, sich benachteiligt zu fühlen.

•        Derselbe Zeuge bestätigte auch, die Zeugin [EP] hätte ihm einmal gesagt, dass sich Bezlnsp D. — mit dem er kein gutes Einvernehmen hatte über ihn geäußert hätte, was im Wesentlichen wiederum mit ihren Ausführungen auf Seite 3 übereinstimmt.

Bezieht man also die gesamte ‚causa PI […]‘ in die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin ein, so stellt sich heraus, dass die von ihr behaupteten und von der Disziplinarkommission untersuchten Vorkommnisse, bzw. Themen tatsächlich stattfanden, bzw. eine Rolle spielten und sie dies — lange vor ihrer Meldung in der SIAK — zumindest teilweise auch gegenüber anderen Beamten angesprochen hat. Dass die betroffenen Disziplinarbeschuldigten - zum Teil auch durchaus glaubhaft - etwas anderes meinten, bzw. teils entbehrliche, aber doch allgemeine, nicht konkret auf die Beamtin bezogene Aussagen machten und sie nicht diskriminieren/beleidigen wollten, sie dies aber subjektiv auf sich bezog und als beleidigend empfand, ist ein Phänomen, welches in der Wahrnehmungspsychologie ausführlich erforscht wurde (siehe dazu Kroeber-Riel & Weinberg, 2003, S. 269 — Die Aufnahme bzw. der Verarbeitungsprozess von Informationen wird beim Menschen durch drei unterschiedliche Aspekte beeinflusst: Subjektivität, Selektivität und Aktivität) und ihre Glaubwürdigkeit nicht erschüttern kann. Berücksichtigt man all diese Aspekte, so wäre es völlig lebensfremd und unlogisch anzunehmen, die Zeugin habe zwar zu all den oben angeführten Sachverhalten die Wahrheit gesagt, aber im Hinblick auf die dem DB vorgeworfene Aussage ‚MILF' gelogen, wobei ihr noch dazu jegliches Motiv gefehlt hätte.

Zu den Aussagen und der Glaubwürdigkeit der weiteren vernommenen Zeugen:

Aus den Einvernahmen der weiteren Zeugen war nichts zu gewinnen. Sämtliche Zeugen waren - wenig glaubhaft - bemüht zu versichern, nichts gesehen, oder gehört zu haben. Es war für den erkennenden Senat deutlich erkennbar, dass alle Zeugen offenbar nichts mit dieser Sache zu tun haben wollten. Lediglich die Zeugin Grlnsp W. gab an, von der Zeugin [EP] auf die vielen Dienste mit Grlnsp O. angesprochen worden zu sein und bestätigte so zumindest, dass diese causa »O XXXX " offenbar ein Thema war, zeichnete sich aber sonst — wie die übrigen Zeugen — durch ausweichende Antworten aus.

Zur Glaubwürdigkeit des DB

Anders stellte sich die Glaubwürdigkeit des DB dar; dessen Ausführungen, bzw. leugnende Verantwortung wurde vom erkennenden Senat als Schutzbehauptung gewertet. Seine Aussagen waren nicht glaubhaft. Einerseits verantwortete er sich im Hinblick auf die Verwendung der Phrase „Da O XXXX widersprüchlich. Während er in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 18.02.2020 wörtlich ausführt: ‚Ich habe diese Aussage nicht getätigt‘ (Punkt 3., Seite 2), gab er in der mündlichen Disziplinarverhandlung an, sie inhaltlich, mit ausschließlich dienstlichem Hintergrund doch verwendet zu haben (VP, Seite 12.).

Andererseits beweist seine in der mündlichen Disziplinarverhandlung gemachte Aussage, wonach die Beamtin [EP] ‚nicht nur eine Lesebrille, sondern auch eine Fernsichtbrille brauche‘, dass er durchaus geneigt ist, sich unsachlich, zu äußern. Schon deshalb ist seine Aussage, die Beamtin nicht als „MILF" bezeichnet zu haben, nicht glaubhaft.“

Es folgen Ausführungen zur Einordnung der Aussage „MILF“ gegenüber der Mitarbeiterin als verbale „sexuelle Belästigung“ und als Dienstpflichtverletzung nach § 43a BDG. Hinsichtlich der Strafbemessung wurde eine mittelgradige Verletzung der Dienstpflichten angenommen und eine Geldbuße im unteren Bereich als adäquat – unter Berücksichtigung der Milderungsgründe (positive Zukunftsprognose und gute Dienstbeschreibung sowie disziplinäre und strafrechtliche Unbescholtenheit) – aus general- und spezialpräventiven Gründen angesehen. Maßgebend dafür sei gewesen, dass die Aussage nur einmal gefallen sei und dem BF keine vorsätzliche Beleidigung anzulasten gewesen wäre. Der Senat gehe davon aus, dass er aus Unbedachtheit gehandelt und die Aussage wohl in Verbindung mit der zuvor getätigten Aussage „Cordula Grün“ witzig fand.

Das zunächst mündlich verkündete Erkenntnis wurde am 03.09.2020 schriftlich ausgefertigt und am 07.09.2020 dem Rechtsvertreter des BF zugestellt.

7. Mit Schriftsatz vom 25.09.2020 brachte der BF gegen das oben angeführte Disziplinarerkenntnis innerhalb offener Frist Beschwerde gegen den Schuldspruch ein und beantragte einen Freispruch. Als Begründung führte er im Wesentlichen an, dass er die ihm zugeschriebene Äußerung „MILF“ nicht getätigt habe und die Zeugin EP unglaubwürdig sei.

8. Mit Schreiben vom 28.09.2020 (eingelangt beim BVwG am 02.10.2020) wurden die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.

9. Am 25.01.2021 führte das BVwG eine Verhandlung durch, bei der neben den Parteien folgende Zeugen einvernommen wurden:

Chefinspektor XXXX ([B] Verfasser des AV vom 05.12.2019 an der SIAK)

Chefinspektor XXXX ([M] Lehrgangskommandant SIAK und Meldungsleger)

Revierinspektorin XXXX ([P] Verfasserin des AV vom 14.01.2020 bei der BPK)

Chefinspektorin Mag. XXXX ([Z] Gleichbehandlungsbeauftragte)

Inspektorin EP (Hauptbelastungszeugin)

Am Schluss der Verhandlung wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs 3 AVG geschlossen. Eine Verkündung unterblieb, um die Zeugenaussagen zur Aussageentwicklung zu analysieren und keine Wartezeiten aufgrund der angespannten Corona-Situation zu generieren. Den Parteien wurde eine Frist von einer Woche für allfällige Protokollrügen eingeräumt. Protokollrügen langten nicht ein.

Die belangte Behörde übermittelte jedoch die rechtskräftigen Disziplinarerkenntnisse der drei weiteren Führungskräfte der PI, die im Zusammenhang mit der Mobbingsituation standen und deren rechtskräftige Erledigung im Disziplinarerkenntnis unter Nennung diverser Details (Seite 7 bzw AS 373) behauptet wurde.

Die Zeugin EP teilte telefonisch am 28.01.2021 der Referentin des erkennenden Richters mit, ihr sei nach der Verhandlung noch etwas eingefallen und übermittelte sie – dazu aufgefordert dies schriftlich vorzulegen – in der Folge ein mit 30.01.2021 datiertes Schreiben (hg eingelangt am 08.02.2021) in dem sie ihr Lachen in der Verhandlung erklärte, als der BF aussagte, er kenne den Ausdruck „MILF“ nicht, sie habe dieses Leugnen als „lächerlich“ empfunden. Weiters führte sie eine bisher unbekannte Aussage des BF an, die ihrer Ansicht nach verdeutlichen würden, „welche Ausdrücke“ der BF kenne, er nicht’s vom „Me-Too-Gerede“ halte, ihr unterstellt worden sei, dass sie verbreitet habe „Jemand sei sie angestiegen“ und erklärte abschließend, dass sie beim der Meldung an des SIAK zwar den Ausdruck „MILF“ benutzt, aber niemals gesagt habe, sie sei „nur eine zum Flachlegen“, wie im AV der SIAK festgehalten worden sei.

Diese nach der Verhandlung eingebrachten Beweismittel sind weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens geeignet, eine anders lautende Entscheidung in der Sache herbeiführen. Eine neuerliche Eröffnung des Ermittlungsverfahrens war daher nicht notwendig. Der Sachverhalt ist entscheidungsreif.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF

Der 1975 geborene BF ist Abteilungsinspektor, seit 1995 im Polizeidienst und seit 2012 stellvertretender Kommandant (zuerst 3. Stellvertreter, seit 01.10.2019 2. Stellvertreter) der im Verfahrensgang genannten PI. Die PI ist eine Grenzpolizeidienststelle, die aber auch für sogenannte AGM, das sind Ausgleichsmaßnahmen, wie Schwerpunktkontrollen im Verkehrsdienst, Suchtmittel, Alkohol, Schlepperei herangezogen wird. Die PI hatte bzw hat einen – je nach Zuteilungen – schwankenden Mitarbeiterstand von rund 13 Personen, nur eine davon ist eine Frau. Jeder Mitarbeiter macht rund zwei bis drei Überstundendienste im Monat.

Er gibt neben dem BF zwei weitere Stellvertreter, die als Dienstführende agieren:

1. Stellvertreter - Kontrollinspektor XXXX (H)

3. Stellvertreter – Bezirksinspektor XXXX (D)

Der Vorgesetzte des BF und Kommandant der PI ist Chefinspektor XXXX (V).

Neben dem fallweisen Streifendienst zählen administrative Tätigkeiten wie Dienstpläne schreiben und Abrechnungen prüfen zu den Aufgaben des BF.

Seit Jänner 2003 ist der BF definitiv gestellt. Er hat in seiner Laufbahn 2012 eine Belobigung, wegen „Allgemeinleistung“ erhalten. Daneben regelmäßig Belohnungen zum Jahreswechsel bzw zu Weihnachten (AS 45).

Der BF verfügt über einen ungekürzten Monatsbezug von € 2.700,70 brutto. Er hat sonst keine weiteren Einkünfte.

Er ist verheiratet und hat Sorgepflichten für 2 Söhne (17 und 20 Jahre alt, einer Student, einer im Maturajahr, beide wohnen noch im Elternhaus). Die Beziehung zu seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen ist und war auch 2018 gut. Er hatte mit seinen Söhnen immer –auch in deren Pubertät – eine gute Gesprächsbasis (VHS 4 und VHS 6).

Er ist Hälfteeigentümer eines Einfamilienhauses für das er die üblichen Betriebskosten zahlen muss. Er hat mit Ausnahme von monatlich rund € 400,-- (seit Oktober 2020) für die Studentenwohnung seines älteren Sohnes, keine Verbindlichkeiten oder Kredite.

1.2. Zum Sachverhalt

1.2.1. Zum Kontext

Die ehemalige Mitarbeiterin der PI, [die Zeugin EP] - der im Jahr 2012 ein bösartiger Krebstumor entfernt wurde – wollte mit 46 Jahren noch einmal etwas Neues ausprobieren und hat die Polizeiaufnahmeprüfung geschafft. Sie erhielt am 01.09.2016 einen Sondervertrag für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich.

Sie ist Mutter von 2 Kindern und geschieden (die Scheidung erfolgte während ihrer Zeit an der PI). Sie ist nicht empfindlich und hat bei diversen Musikkapellen (unter anderem einer Polizeimusikkapelle) Bassflügelhorn gespielt, „Männergespräche“ und „schlüpfrige Witze“ machen ihr nichts aus. Sie hat keine negative Einstellung zu Männern und Polizisten (VHS 21, 22).

Sie kam nach ihrer Ausbildung am 01.03.2017 zur PI des BF und wurde von diesem gleich zu Beginn beauftragt sich um die Verpackung der gebrauchten Bettwäsche des Nachdienstes für die Reinigungsfirma zu kümmern. Sie behauptete vom BF in diesem Zusammenhang als „Schmutzwäschebeauftragte“ bezeichnet worden zu sein, was aber nicht bewiesen werden konnte (vgl das Erkenntnis des BVwG 19.05.2020, W208 2230366-1/2E zum EB).

Gleich bei einem ihrer ersten Dienste mit dem Kommandantenstellvertreter H führte dieser ein Gespräch mit ihr über die Altersstruktur an der PI und das jüngere Beamte für Ermittlungen in der „Szene“ notwendig seien. Weiters gab er ihr zu verstehen, dass sie (die Dienstführenden) kein Interesse hätten ihr alles mehrfach zu zeigen und sie sich selbst darum kümmern müsse. Derselbe Beamte tätigte später (am 08.03.2019), in Anwesenheit der EP, die folgende Aussage bei einer TV-Reportage über Frauenrechte im Aufenthaltsraum der PI: „Schaltet ab den Dreck! Frauen sollen Kinder bekommen und gehören hinter den Herd. Ich will, dass Frauen buckeln und nichts zu sagen haben, wie bei den Moslems.“ H wurde wegen dieser Aussage mit Disziplinarerkenntnis vom 03.09.2020 rechtkräftig bestraft (AS 373 – OZ 6).

Sie behauptete bei einem ihrer ersten Dienste (März 2017) und später nocheinmal im Dezember 2018 von Kommandantenstellvertreter D damit konfrontiert worden zu sein, dass er ihr gesagt habe, man werde ihr nichts beibringen und ihr nicht alles mehrfach sagen, ein Oberst sei ein guter Freund und wenn sie mucke sei sie weg. Im Disziplinarverfahren gegen den D konnten diese Aussagen des D nicht erwiesen werden. Der D gab an, es sei zwar über Ausbildung und in diesem Zusammenhang mit dem von ihm und den Oberst initiierten Aufbau einer Fahndungsgruppe gesprochen worden, sie habe das aber falsch verknüpft und das Gespräch so gedeutet, dass ihr gedroht worden sei. D wurde „in dubio pro reo“ freigesprochen (AS 373 – OZ 6).

Ab September 2017 war sie für 3 Monate in XXXX (Burgenland) und von März 2018 bis Juni 2018 zum Grenzdienst am XXXX (Tirol) dienstzugeteilt.

Am 12.09.2018 beim Grenzdienst in XXXX beschwerte sich die EP beim BF (VHS 27), weil sie ihrer Meinung zu viele Dienste mit Gruppeninspektor XXXX , auch „ XXXX “ (O) genannt, verrichten musste und sich diesbezüglich die ganze Dienstführung gegen sie verschworen hätte. Sie musste im August vier Dienste mit O verrichten. O war ein kurz vor der Versetzung in den Ruhestand befindlicher Beamter und war die EP der Meinung, nichts von ihm lernen zu können. Der BF – der mit ihr von Anfang an per „Du“ war (AS 315 / VHS DK 13, AS 326 / VHS DK 24) – hat ihr mehrfach gesagt, dass sie (gemeint EP und O als Streifenteam) super zusammenpassen würden (AS 310 / VHS DK 8). O hat daraufhin mehrfach Andeutungen gegenüber der EP gemacht, mit ihr in den Urlaub fahren zu wollen, was diese aber ablehnte.

Mitarbeitergespräche mit der EP, wurden weder 2017 noch 2018 vom PI-Kommandanten V entsprechend den Vorgaben des § 45a BDG geführt, was letztlich zu einem Disziplinarverfahren und einem Schuldspruch des V in diesem Punkt führte. Dass der V ihr gegenüber auch diskriminierende Aussagen in die Richtung gemacht hätte, dass sie nur deshalb die Polizeiausbildung geschafft habe, weil ihr jemand die Fragen gegeben habe, konnte die DK nicht nachweisen, wenngleich der V einräumte, mit ihr ein Gespräch über Prüfungsfragen geführt zu haben. Im Fall O hat ihr V eine Intervention angeboten, diese lehnte die P aber ab, weil sie eine persönliche Aussprache mit O vorzog (AS 373, OZ 7).

Die EP hatte den Eindruck, dass der BF die Bemerkungen im Bezug auf O gemacht hat um sie zu ärgern, weil er selbst ein Interesse an ihr hatte. Dieses Interesse leitete sie aus diversen Kleinigkeiten ab, wo er versucht habe sich bei ihr interessant zu machen, zB habe er erwähnt, dass er gut kochen können, weil sie gesagt habe, sie mag nicht kochen, dass er Frauen mit dunklen Haaren möge (VHS 21, AS 328 / VHS DK 26), dass er Kirschen gekauft und diese bei einer draußen gelegenen (gemeint: abgelegenen) Fischerhütte mit ihr gegessen habe, wenngleich es nie Annährungsversuche gegeben habe (VHS 28).

Anfang Oktober 2018 erlitt sie bei einem Einsatztraining einen Bandscheibenvorfall und war 2 Monate im Krankenstand. Nach der Rückkehr aus dem Krankenstand nahm sie die Mobbingsituation noch intensiver wahr, weil Kollegen unter anderem den Sozialraum verließen, wenn sie eintrat. Sie zog sich auch dann selbst immer mehr zurück.

Im Dezember 2018 nahm sie Kontakt mit der Gleichbehandlungsbeauftragten Z auf, die ihr empfahl ein „Mobbingtagebuch“ zu führen (AS 201). Chronologisch zu führen begann sie das Tagebuch erst im März 2019, die davor stattgefundenen Ereignisse – die sie teilweise auf losen Zetteln und in ihrem Dienstnotizbuch (VHS 27) notiert hatte und an die sie sich erinnern konnte – hat sie zusammengefasst und nachgetragen (AS 340 / VHS DK 38).

Von 01.04.2019 bis 31.12.2019 war sie zu Vollausbildung an die SIAK dienstzugeteilt. Im Sommer 2019 kam er zu einem längeren persönlichen Gespräch mit der Gleichbehandlungsbeauftragten Z. Die EP erwähnte dabei unter anderem auch, dass sie vom BF als „MILF“ bezeichnet worden sei (VHS 18). Eine Intervention der Z lehnte sie aber ab, weil sie gehofft hat, dass ihr an der Dienststelle nach Beendigung der Ausbildung mehr Respekt entgegengebracht werden würde (VHS 19).

Am 03.12.2019 machte sie dann eine Meldung wegen Mobbing, weil ihr anlässlich eine Meinungsverschiedenheit, von Kurskollegen aus ihrer PI vorgeworfen worden war, dass sie auch an ihrer Stammdienststelle mit niemandem auskomme und sie wusste, dass sie nach dem bevorstehenden Kursende wieder dort Dienst versehen würde müssen. In dieser Meldung erwähnte sie ebenfalls, dass sie als „MILF“ bezeichnet worden sei, ohne jedoch Namen zu nennen.

Festgestellt wird daher, dass die dem BF vorgeworfene Aussage „MILF“ nicht isoliert zu betrachten ist, sondern im Zusammenhang mit diversen, von der EP als Mobbing wahrgenommen Handlungen bzw Unterlassungen und Aussagen des BF, seines Vorgesetzten V, der anderen Stellvertreter H und D sowie anderer Kollegen stand.

1.2.2. Zum konkreten Vorwurf

Der BF hat Insp EP bei einem gemeinsamen Nachdienst am letzten Tag des Harley-Davidson-Treffens in XXXX , am 02.09.2018, im Dienstauto „MILF“ (mother l'd like to fuck) genannt, nachdem er zuvor zu ihr gesagt hatte, sie sei für ihn „Cordula Grün“, als dieses Lied im Radio gespielt wurde und sie diese Anspielung ignoriert hatte. Auf die Aussage „MILF“ hat sie dann reagiert, indem sie sich, obwohl Fahrerin des Dienstautos, zu ihm hindrehte und sagte: „Sicher nicht“. Sie fand die Situation peinlich und fühlte sich darin bestätigt, dass der BF etwas von ihr wollte (VHS 25). Da er keine weiteren Annäherungen oder Aussagen machte, war die Angelegenheit für sie beendet, wenngleich es sie innerlich weiterbeschäftigte.

Sie hat den Vorfall – zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt - auf einem undatierten Zettel (AS 67) notiert und nach dem 16.02.2019 in ihr Mobbingtagebuch (handgeschrieben AS 87) eingetragen (VHS 24). Bei einem persönlichen Gespräch mit der Gleichbehandlungsbeauftragten Z im Sommer 2019, erwähnte sie – neben einigen anderen Vorfällen, die nicht nur den BF betrafen – auch die Aussage „MILF“ (VHS 18). Sie wollte aber nicht, dass diese ein Meldung macht oder an der PI interveniert, weil sie gehofft hat, dass ihr nach dem Abschluss der Ergänzungsausbildung mehr Respekt entgegengebracht würde (VHS 18).

Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie an der SIAK von Gerüchten erfuhr, die an der PI über sie verbreitet wurden, und Angst hatte, dorthin wieder zurückzumüssen, hat sie die Aussage „MILF“ durch den BF keinem Vorgesetzten gemeldet.

Die konkrete erste offizielle Erwähnung der Aussage „MILF“ erfolgte beim Gespräch mit dem Lehrgangskommandanten des SIAK-Kurses M (VHS 11) und dessen Stellvertreter B (VHS 8) an der SIAK am 03.12.2019, wobei sie da aber keinen Namen nannte, sondern nur von mehreren dienstführenden Beamten sprach. Der B hielt die Aussage „MILF“ in seinem AV vom 05.12.2019 (AS 203) zwar nicht fest, bestätigte aber ebenso wie M, dass davon die Rede gewesen sei (VHS 8, 11). Im AV ist diese Thematik offenbar mit dem Satz, sie habe gesagt, sie sei „eine zum Flachlegen“ festgehalten worden.

Den Namen des BF als Urheber der Aussage „MILF“, nannte sie erst bei der Befragung durch den Kdt der zuständigen BPD am 14.01.2020 (AV vom 14.01.2020) und danach in der ihr aufgetragenen chronologischen Auflistung der Vorfälle im computergeschriebenen Mobbingtagebuch (AS 141), das auf ihren handschriftlichen Aufzeichnungen (AS 67) beruht. Wobei das genaue Datum der gemeinsamen Streife des BF mit der EP am letzten Tag des Harley-Davidson-Treffens, erst durch eine Recherche in der EDD (Elektronische Dienstdokumentation) durch die dazu beauftragte Verfasserin des AV, der P, festgestellt wurde (VHS 14).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich neben den genannten Aktenvermerken, Notizen und dem Mobbingtagebuch der EP, im Wesentlichen aus den Aussagen des BF und der Zeugen vor der DK sowie dem BVwG. Die Fundstellen im Akt sind mit AS für Aktenseite, jene in der Verhandlungsschrift der DK mit VHS DK und Seite, jene in der Verhandlungsschrift des BVwG mit VHS und Seite angeführt.

Die von der DK angeführten rechtskräftigen Erledigungen der Vorwürfe der EP gegen die anderen Dienstführenden (AS 373), die teilweise zu Schuldsprüchen, aber auch zu Freisprüchen im Zweifel oder wegen Geringfügigkeit oder weil die BF allgemein gehaltene Aussagen negativ auf sich bezog, führten, belegen zwar die von der BF wahrgenommene Stimmung ihr gegenüber an der PI und dass einigen der Aussagen ihr gegenüber so getroffen wurden, wie von ihr in ihrem Mobbingtagebuch angeführt, können aber entgegen der Ansicht der DK, nichts dazu beitragen, ob die Aussage „MILF“ getroffen wurde oder nicht.

Es geht diesbezüglich nicht um die Glaubwürdigkeit der Zeugin EP als Person – die offenbar davon abgeleitet wird, dass die anderen Vorkommnisse die sie angeführt hat teilweise bestätigt wurden – sondern einzig und alleine um die Glaubhaftigkeit der Schilderung der Aussage „MILF“. Umgekehrt, kann aber auch nicht aus der Tatsache, dass die Zeugin EP einige neutral bzw allgemein gemeinte Aussagen und Handlungen subjektiv auf sich bezog, negativ interpretierte und daraus die falschen Schlüsse zog, darauf geschlossen werden, dass die Aussage „MILF“ nicht gefallen ist. Überspitzt gesagt, gilt weder „Wer einmal lügt (oder wie hier: irrt) dem glaubt man nicht!“ noch, dass jemand der in vielen Punkten die Wahrheit gesagt hat, nicht doch in einem Punkt lügen oder irren kann. Wobei ein Irrtum oder eine subjektive Fehlinterpretation der Aussage „MILF“ aufgrund der Situation sowie der Eindeutigkeit und Kürze des Begriffes auszuschließen ist.

Relevant ist daher im Gegenstand ausschließlich, ob die Aussage MILF durch den BF getätigt wurde oder nicht bzw ob die Aussage der Zeugin EP glaubhaft ist oder sie lügt, um den BF zu belasten oder ihm zu schaden.

Es handelte sich um eine Vier-Augen-Situation in der Nacht, in einem Dienstauto der Polizei und es gab keine unmittelbaren Zeugen. Dennoch kann aufgrund nachvollziehbarer Kriterien (Motiv, Art und Weise der Aussagen, Aussageentwicklung, zeitliche Verknüpfungen, Interaktionen, Gesprächen, Komplikationen, nebensächlichen Details, Gefühlsbeschreibungen) festgestellt werden, ob die Aussage der EP der Wahrheit entspricht oder nicht.

Der erkennende Richter des BVwG hat – wie auch schon die DK, die auf Seite 6 des Disziplinarerkenntnisses (AS 372) nachvollziehbar dargelegt hat, warum sie zur Erkenntnis gelangte, dass die Zeugin EP die Wahrheit gesagt hat – aus den folgenden Gründen keinen Zweifel, dass der BF die Aussage „MILF“ gegenüber der EP am 02.09.2018 getätigt hat:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Zeugin EP mehrfach – unter Hinweis auf ihre Wahrheitspflicht als Zeugin und die strafrechtlichen Konsequenzen einer Falschaussage – versichert hat, dass die Aussage durch den BF getätigt wurde. Der BF – der als Beschuldigter nicht der Wahrheitspflicht unterliegt – bestritt die Aussage von Anfang an.

Unstrittig ist, dass am 02.09.2018 (einem Sonntag) der BF mit der EP ab 19:00 Uhr Nachtdienst versah. Die Dienststelle wurde rund 2 Stunden nach Dienstantritt verlassen. Die EP war als Fahrerin des Dienstautos eingeteilt. Der Auftrag war, einen von der Fremden- und Grenzabteilung festgelegten Standort am XXXX zu besetzen und dort Streifendienst mit dem Auto und Fahrzeugkontrollen durchzuführen. Einsatzzeit am festgelegten Standort war 01:00 bis 05:00 Uhr. Auf der Fahrt dorthin lief das Radio und wurde Small-Talk gemacht. Dass sich keiner der beiden Betroffenen – weder der BF, noch die EP – an die Gespräche erinnern konnten, ist durch den Zeitablauf und die geringe emotionale Beteiligung erklärbar.

Es ist davon auszugehen, dass an dem Abend über Privates gesprochen wurde, weil der BF angab die Stimmung sei „normal, neutral“ gewesen und man mache schon „Smalltalk“ (VHS 5). Bei der DK hat er auch ausgesagt, dass er wie mit allen anderen von Anfang an „per Du“ mit ihr gewesen sei (VHS DK 24/AS 326, VHS 25) und sie des Öfteren ihre Scheidungsgeschichte kundgetan habe (VHS DK 19/AS 321). Dass „ausgemacht“ worden wäre, wer wen kontrolliert usw (VHS 5), ist nicht glaubhaft, weil er der Kommandant war und das zweifellos kraft seiner Autorität und Diensterfahrung festgelegt hätte.

Die EP hat als Zeugin angegeben, es sei nicht viel los gewesen an diesem Tag, weil es der letzte Tag des Treffens gewesen sei (VHS 22) und sie später das Folgende auf einem handgeschriebenen A4-Zettel (AS 67) dazu notiert hätte (VHS 24): „Während der Dienste hat er mich ausschließlich mit sinnlosen, belästigenden Gerede zugemüllt. Es gab keine beruflichen Gespräche, die mir in der Ausbildung förderlich gewesen wären. Es gab nur geistigen Müll und Cordula Grün und MILF!“ Diesen Zettel konnte sie im Original in der Verhandlung vorweisen und deckt sich dieser mit der Kopie im Akt, auf dem auch andere Vorwürfe notiert waren z.B. die Einteilung als „Schmutzwäschebeauftragte“.

Im computergeschriebenen „Mobbingtagebuch“ (AS 141) hat sie dazu festgehalten:

„ [BF] – Harley-Treffen 2018 XXXX

Natürlich gingen die Belästigungen mit den Phrasen: ‚Da O XXXX und die P XXXX , de san a supa Paarle, de passn supa zom.‘, immer weiter, bei jedem Dienst mit [dem BF]. Meine Vermutung, dass er an mir interessiert war, bestätigte sich beim Harley-Treffen Anfang September 2018. Es war ein Nachtdienst, wir bestreiften das Gebiet rund um den XXXX , ich war die Fahrerin. Irgendwann erklang im Radio das Lied ‚Cordula Grün‘, woraufhin ich sagte, dass es ein dämliches Lied sei. Dann murmelte [der BF] vor sich hin: ‚Du bist für mich die Cordula Grün‘. Ich tat so, als hätte ich das nicht gehört. Ich wusste schon von andern Diensten, dass ihm das Lied im Bezug auf mich etwas bedeutete, weil er das Radio immer lauter drehte, wenn es gespielt wurde. Ich fuhr weiter und dann plötzlich aus dem Nichts sage er: ‚MILF‘. Nun tat ich nicht mehr so, als würde ich nichts hören. Obwohl ich mit dem Auto fuhr, drehte ich meinen Kopf zu ihm und sagte mit bestimmter Stimme: ‚NEIN! Ganz sicher nicht!‘ Woraufhin er ganz verwundert meinte: ‚Du weißt was das bedeutet?‘ ‚Ja, sagte ich, ich hatte viele Dienste gemeinsam mit Soldaten und die haben mir das bald erklärt.‘

Danach folgt eine Erklärung: „Mom I’d Like to Fuck (englisch, wörtlich übersetzt: ‚Mama, die ich gerne ficken würde‘, in Kurzform MILF(/MILF/), auch Mother I’d Like to Fuck, ist ein umgangssprachlicher, durch den Film American Pie bekannt gewordener und später durch das Porno-Metier noch weiter popularisierter Ausdruck für Frauen mittleren Alters, die aus der Sicht anderer Personen eine attraktive Sexualpartnerin darstellen.“

Der VHS der DK ist zum Vorwurf „MILF“ das Folgende zu entnehmen:

Als das Lied „Cordula Grün“ im Radio gespielt wurde, habe die EP zum BF gesagt, „Ich mag dieses Lied nicht“ und er habe zu ihr gesagt: „Du bist für mich die Cordula Grün“. Das sei von der EP ignoriert worden. Wenig später habe der BF zu ihr: „MILF“ gesgt. Die EP habe sich zu ihm hingedreht und gesagt: „Nein, sicher nicht.“. Der BF sei verwundert gewesen und habe gesagt: „Du weißt nicht mal, was das heißt.“ Die EP habe ihm dann erklärt, dass sie das wisse, weil sie es von jungen Bundesheersoldaten mit denen sie Grenzdienst versehen habe gelernt habe. Die EP habe sich durch diese Aussage in ihrem Gefühl bestätigt gefühlt, dass der BF etwas von ihr wolle. Die Situation sei ihr peinlich gewesen (AS 339/ VHS DK 37). Das Gefühl, dass er Interesse an ihr habe, hätte sie gehabt, weil er bei einem anderen Anlass gesagt hätte, dass ihm dunkelhaarige Frauen gefallen würden und dass er erwähnt hätte, dass er gut kochen könne, als ihm die EP gesagt hätte, sie möge kochen nicht (AS 32/ VHS DK 26).

In der Verhandlung vor dem BVwG als Zeugin befragt gab die EP diesen Sachverhalt im Kern unverändert wieder zu Protokoll (VHS 22) und brachte ergänzende Erklärungen dafür, warum sie davon ausging, dass der BF ein Interesse an ihr gehabt habe. Zu den schon erwähnten Aussagen zum Kochen, gab der BF an, dass er schon gerne koche, aber nicht wisse, ob er mit ihr das beredet habe (VHS 6). Er bestätigte auch, dass seine Frau dunkles Haar habe, erklärte das Wissen der EP darüber aber damit, dass er ein Bild seiner Frau am Schreibtisch habe (VHS 6). Die EP führte ergänzend aus, der BF habe immer, wenn das Lied „Cordula Grün“ im Radio gelaufen sei, dieses lauter gedreht, so als ob er ihr damit etwas sagen wolle (VHS 22), ein ähnliche Aussage hat sie auch bei der DK getroffen (VHS DK 32/AS 335). Am Schluss der Verhandlung fiel der EP noch ein weiteres Detail ein, dass der BF sie einmal zum Kirschenessen eingeladen habe und mit ihr zu einer einsam gelegenen Fischerhütte gefahren sei. Als Beweis legte sie eine Skizze vor, auf der ein Baum umgeben von einer Bank und Kirschen gezeichnet waren und die Sätze „ich musste mit ihm zu einem Geschäft fahren, er lotste mich über Wald- und Wiesenwege zu einer Fischerhütte (Jagdhütte), seine? Von einem Freund? In der Nähe seiner Heimat? notiert waren (VHS 28 und Beilage 1 zur VHS). Diese Aussage kam spontan und authentisch und bringt ein originelles Detail zu Tage, das bisher nicht bekannt war.

Die EP führte auch nachvollziehbar an, dass der BF den Ausdruck „MILF“ gekannt habe, weil er selbst öfter mit Bundesheersoldaten Dienst gemacht hätte und diese hätten ihn „cool“ gefunden, weil er mit ihnen „schweinische Videos“ geschaut habe (VHS 27).

Zu diesen Aussagen (Radio lauter drehen, Kirschenessen, „schweinische Videos“ schauen) äußerte sich der BF in der Verhandlung überraschender Weise nicht. Er führte lediglich an, er wisse nicht, wie sie darauf komme, dass er auf sie stehen würde und dass er „MILF“ gesagt habe (VHS 31). Bei der DK hatte er bereits angeführt, dass er den Begriff „MILF“ davor noch nie gehört habe (VHS DK 18/AS 320).

Vor dem Hintergrund, dass der BF selbst Grenzdienst mit Soldaten gemacht hat – was er nicht bestritt – und selbst zwei Söhne im Teenageralter hatte, mit denen er eine gute Gesprächsbasis hatte, ist nicht glaubhaft, dass er den Begriff „MILF“ nicht kannte.

Die Wiedergabe des Kontext dieser Aussage mit dem Lied „Cordula Grün“ und des Dialogs danach als Reaktion auf diese Aussage und sogar der körperlichen Reaktion (drehen des Kopfes) ist ein klarer Hinweis dafür, dass die Aussage getätigt wurde (Frage-Antwortketten, Körperpositionen die auch nach längerer Zeit noch in Erinnerung bleiben). Ebenso, wie dass die EP es unterlies, dem BF weitaus gravierendere Aussagen oder gar körperliche Übergriffe vorzuwerfen und damit auf Mehrbelastungen verzichtete, was aufgrund der Vier-Augen-Situation leicht möglich gewesen wäre.

Sie hat auch das eigenpsychologische Erleben nachvollziehbar geschildert, dass sie das Gefühl hatte, dass er sich bei ihr interessant machen wollte. Die Schilderungen waren bildhaft und mit nachvollziehbaren Beispielen dargelegt, ohne dabei zu übertreiben und ihn weiter zu belasten (etwa, dass es beim Kirschenessen zu einer körperlichen Annäherung gekommen wäre).

Die EP führte an, dass das Interesse bald nach dem Vorfall beim Harley-Treffen umgeschlagen habe, weil sie sich nach einer lautstarken Auseinandersetzung in „ L XXXX “ beschwert habe. Wörtlich führte sie aus (VHS 27): „Ich habe ihm gesagt, er soll aufhören mit diesem O XXXX -Gerede. Ich habe ihm gesagt, dass D XXXX mir gedroht hat, er würde den Oberst kennen, er sei sein Freund. Eines Tages, als ich an die Dienststelle zurückkam, hat mich mein Kollege B XXXX gewarnt und mir gesagt, der [BF] wird dafür sorgen, dass ich wegkomm von der Polizei. Ich habe gesagt, er muss aufpassen, was er sagt, weil ich mir keiner Schuld bewusst war.“

Nach einem Blick in das von ihr mitgeführte Dienstnotizbuch konnte die Auseinandersetzung mit 12.09.2018 datiert werden und waren dort auch die entsprechenden Stichworte notiert (VHS 27).

Wenngleich dieser Vorfall, mit dem eigentlichen Vorwurf auf den ersten Blick nichts zu tun hat, passt er aufgrund der zeitlichen Verknüpfung ins Bild, weil er nahelegt, dass es davor sehr wohl ein Interesse des BF an ihr als reifere aber hübsche Frau gab, sonst hätte er sie nicht mit seinen Aussagen geneckt und hätte sie nicht davor von einem Gefühl des Interesses und danach von einem Umschlagen der Stimmung berichtet.

Sie hat auch ihr Motiv nachvollziehbar dargestellt, es vorerst mit der klaren Absage an ihn bewenden zu lassen und keine Meldung zu machen. Es ist nachvollziehbar, dass ihr später unter dem Eindruck des Gesprächs mit der Gleichbehandlungsbeauftragen im Dezember 2018 – nachdem sie im Krankenstand 2 Monate Zeit hatte nachzudenken und sie zunehmend das Gefühl hatte an der PI isoliert zu werden – klar wurde, dass sie sich den Umgang mit ihr durch die Dienstführung nicht gefallen lassen hätte müssen und sie erst nach dem Gespräch mit der Gleichbehandlungsbeauftragten Z begann, alle Vorfälle aufzuschreiben, worunter auch die Aussage „MILF“ des BF war.

Die enttäuschte Erwartung aufgrund eines Vorfalls an der SIAK, bei der ihr vorgeworfen wurde, dass sie an ihrer Dienststelle mit niemandem auskomme, als letztlichen Auslöser einer offiziellen Meldung beim Lehrgangskommandanten wegen Mobbing, ist ebenso nachvollziehbar. Die im AV vom 05.12.2019 (AS 203) über das Gespräch vom 03.12.2019, festgehaltene Aussage, sie sei „eine zum Flachlegen“ und die Aussage der Zeugin Z sowie der beiden Zeugen B und M beweisen, dass sich den Ausdruck „MILF“ erwähnt hat.

Im Aktenvermerk der SIAK vom 05.12.2019 ist festgehalten, dass die EP mitgeteilt habe, dass sie an der Dienststelle stark gemobbt werde und ein Dienstführender ihr gesagt habe: „Du bist schon 50 Jahre, dir brauchen wir nix mehr erklären, wie man was macht, das zahlt sich bei dir im Gegensatz zu den Jungen nimma aus. Das einzige wos du bist, is ane zum flachlegen.“ Die BF sprach nach dem AV auch davon, dass dieser Dienstführende nicht der einzige gewesen sei, der solche Bemerkungen gemacht habe. Dies zeigt, dass die BF trotz ihres reiferen Alters von der Dienstführung (zu der auch der BF gehört) als attraktive Sexualpartnerin wahrgenommen wurde, wenngleich sie nicht behauptet hat, dass der BF diese Aussage getroffen hat. Dass sich der BF bei einem ruhigen Nachdienst im Spätsommer zu der Aussage „MILF“ hinreißen lies, nachdem sein damaliges Lieblingslied „Cordula Grün“ gespielt wurde und er in der EP „seine Cordula Grün“ sah, ist glaubhaft.

Der Umstand, dass der BF verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Söhnen ist, kann die oben genannten Qualitätskriterien einer erlebnisfundierten Aussage der zur Wahrheit verpflichteten EP nicht abschwächen. Mit welchen Hintergedanken der BF diese Aussage gemachte hat, sei es nun im Scherz oder aus echtem Interesse an ihr, spielt aufgrund der eindeutigen Zurechenbarkeit der Aussage „MILF“ zur sexuellen Sphäre keine Rolle. Dass die EP dem BF vor dieser Aussage einen Anlass gegeben hätte, dass sie derart eindeutige Aussagen von ihm als Vorgesetzten tolerieren oder gar wünschen würde, hat weder die EP noch der BF behauptet und sind auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen. Der Umstand, dass sie bei der DK (AS 338, VHS DK 36) ausgesagt hat, sie würde den Ausdruck „MILF“ von jungen Bundesheersoldaten als Kompliment oder Spaß empfinden, kann nicht in diese Richtung ausgelegt werden, weil hier keinerlei Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis bestand.

Die weiteren Einvernahmen bestätigen den Befund, dass die EP die Wahrheit gesagt hat.

Am 14.01.2020 kam es zu einer Befragung der EP beim BPK durch den Kommandanten Oberstleutnant XXXX im Beisein von Bezirksinspektor XXXX und RevInsp P, die darüber einen AV (AS 29) anlegte. Die Zeugin P wies in ihrer Aussage vor dem BVwG auf die Authentizität der BF bei dieser Aussage hin. Die EP sei um Fassung bemüht gewesen, dann wieder weinerlich, habe einen mitgenommenen Eindruck gemacht und habe gesagt, dass sie das Gefühl gehabt habe, dass der BF ein Interesse an ihr gehabt habe und sie beim Harley-Davidson-Treffen am XXXX -See als MILF bezeichnet habe. Sie habe kein Datum gewusst und sei immer hin und her gesprungen. Die P sagte auch aus, dass sie das Tagebuch kopiert habe, dass sie noch am selben Tag nach der Befragung vorbeigebracht habe (VHS 14, 15).

Hätte die BF es bewusst darauf angelegt, dem BF durch eine Falschaussage zu schaden, hätte sie von Anfang an eine chronologische, klar strukturierte und zielgerichtete Aussage gemacht bzw Beweismittel vorgelegt und hätte wohl auch den Versuch eines körperlichen Übergriffes behauptet.

Schließlich wäre, um ihr Ziel zu erreichen, nicht wieder an ihre PI XXXX zurückkehren zu müssen, eine Belastung des BF mit der Aussage „MILF“ gar nicht notwendig gewesen, weil genügend leicht beweisbares Verhalten der übrigen Kollegenschaft vorlag, dass das Betriebsklima für sie dort nicht mehr zumutbar war. Ab 17.01.2020 wurde sie aufgrund der Vorwürfe an die PI XXXX dienstverwendet (Disziplinaranzeige, 13).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. und Zuständigkeit des BVwG

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde beim BVwG vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht. Gründe für eine Unzulässigkeit der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 135a BDG hat die Entscheidung des BVwG durch einen Senat zu erfolgen, wenn

1. gegen ein Erkenntnis, mit dem der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche verhängt wurde, Beschwerde erhoben wurde oder

2. die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt gegen ein Erkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde Beschwerde erhoben hat,

a) in dem eine strengere Strafe als eine Geldbuße ausgesprochen wurde oder

b) in dem eine Geldbuße ausgesprochen wurde und der Einzelrichter nach Prüfung der Angelegenheit zu der Auffassung gelangt, dass die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt werden könnte.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit erheblicher Kostenersparnis verbunden ist.

Das BVwG hat seine Entscheidung nach der Sach- und Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt zu treffen hat (VwGH 30.03.2017, Ro 2015/03/0036; 16.12.2015, Ro 2014/03/0083).

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG)

§ 43a Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG) lautet:

. Achtungsvoller Umgang (Mobbingverbot)

§ 43a. Beamtinnen und Beamte haben als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind.

Der VwGH hat dazu unter anderem ausgeführt:

Bei Mobbing handelt es sich um eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen und Kolleginnen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Für Mobbing ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen über einen längeren Zeitraum typisch, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen, Rufschädigung etc. Die Beurteilung, ob Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz Mobbing zugrunde liegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. OGH B 24. März 2017, 9 ObA 32/17x; das ausdrückliche Mobbingverbot in § 43a BDG 1979 und die Erläuterungen der Regierungsvorlage 488 BlgNR 24. GP, S 9; VwGH 24.05.2017, Ra 2016/09/0115).

Der Beschwerdeführer lässt seine Stellung als Vorgesetzter und als Dienststellenleiter unberücksichtigt. Als solcher gehörte es unter anderem zu seinen Pflichten, Abhilfe gegen sexuelle Belästigung zu schaffen und seine Vorbildfunktion als Vorgesetzter zu wahren. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls ein- bzw. mehrdeutige Äußerungen gebraucht, die bei objektiver Beurteilung als der sexuellen Sphäre zugehörig zu betrachten sind. Dabei muss der Beschwerdeführer auch eine für ihn ungünstige inhaltliche Auslegung - soweit sie im objektiven Wortlaut der Äußerungen Deckung findet - gegen sich gelten lassen. Selbst wenn der Beschwerdeführer mit seinen Äußerungen subjektiv andere, vom objektiven Bedeutungsinhalt abweichende Vorstellungen tatsächlich hatte, vermag dies jedoch daran nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer die bei den Adressaten seiner ein- bzw. mehrdeutigen Äußerungen bewirkten sexuellen Belästigungen zu verantworten hat. Mit der Behauptung, es habe mit den "beiden Damen" Konflikte gegeben, seine Autorität als Vorgesetzter sei untergraben worden, bzw. er sei provoziert worden, vermag der Beschwerdeführer sein Verhalten weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen (VwGH 04.09.2003, 2000/09/0165).

Nicht jede unpassende Äußerung und nicht jedes Vergreifen im Ausdruck gegenüber einem Vorgesetzten oder Kollegen stellt schon eine Dienstpflichtverletzung dar. Spontane mündliche Äußerungen im dienstlichen Umgang dürfen nicht „auf die Goldwaage gelegt werden" (VwGH 04.09.1989, 89/09/0076).

Strafbemessung

§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

Der VwGH hat dazu in seiner Entscheidung vom 10.09.2015, Ra 2015/09/0041 festgestellt:

„Bei der Bemessung einer Disziplinarstrafe nach § 93 BDG 1979 ist auch eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 2013, 2013/09/0027, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0009, Folgendes ausgeführt:

‚Bei der Entscheidung über ein Disziplinarerkenntnis nach dem BDG 1979 handelt es sich nicht um eine Verwaltungsstrafsache im Sinne des Art. 130 Abs. 3 B-VG. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts trifft daher zu, dass das Verwaltungsgericht, wenn es zur selben sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Beurteilung kommt, vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 B-VG nicht sein eigenes Ermessen an die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission setzen darf. Jedoch ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Bemessung einer Disziplinarstrafe nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission auf gesetzmäßige Weise erfolgte.

Weiters ist zu bedenken, dass das Verwaltungsgericht im Fall einer gesetzwidrigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG (Art. 130 Abs. 4 B-VG) in der Sache selbst zu entscheiden und dabei auch eine Ermessensentscheidung zu treffen hat.

Bei der Entscheidung über die disziplinarrechtliche Schuld und Strafe (§§ 91 ff BDG 1979) handelt es sich um eine aus gebundenen Entscheidungen und einer Ermessensentscheidung zusammengesetzte Entscheidung. Bei der Beurteilung der Schuld und deren Schwere ist kein Ermessen zu üben, erst die Auswahl der Strafmittel (§ 92 Abs. 1 leg. cit.) und gegebenenfalls (im Falle einer Geldbuße oder Geldstrafe) die Festlegung von deren Höhe stellen Ermessensentscheidungen dar.‘“

Die relevanten Bestimmungen des Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG) lauten (Auszug):

„Sexuelle Belästigung

§ 8. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer im Zusammenhang mit ihrem oder seinem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

1. von der Vertreterin oder vom Vertreter des Dienstgebers selbst sexuell belästigt wird,

2.

2. durch die Vertreterin oder den Vertreter des Dienstgebers dadurch diskriminiert wird, indem sie oder er es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte eine angemessene Abhilfe zu schaffen oder

3.

3. durch Dritte sexuell belästigt wird.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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