Entscheidungsdatum
10.02.2021Norm
BBG §40Spruch
G303 2228168-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva Wendler und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, vom 30.12.2019, Zl. OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Grad der Behinderung 40 von Hundert beträgt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 18.10.2019 über die Zentrale Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein. Dem Antrag waren ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln sowie eine Meldebestätigung angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 15.11.2019, wurde basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 14.11.2019, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
COPD
Unterer Rahmensatz bei FEV1/FVC 10/2019, 67,42 % erforderlicher Dauertherapie, chronischem Husten, bestehende Belastungsatemnot, unauffälliger Bronchoskopie und unauffälligem Lungenröntgen
06.06.02
30
Gesamtgrad der Behinderung
30 v.H.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 18.11.2019 wurde der BF das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
3.1. Nach der vorliegenden Aktenlage erstattete die BF dazu keine Stellungnahme.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30.12.2019 wurde der Antrag der BF vom 18.10.2019 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen, da mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt wären.
4.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das eingeholte, unter I.2.1. angeführte, ärztliche Sachverständigengutachten. Danach betrage der Grad der Behinderung der BF 30 %. Das genannte Gutachten der Sachverständigen vom 15.11.2019 wurden dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt.
In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 26.01.2020 fristgerecht Beschwerde. Begründend führte die BF im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass das Asthma kombiniert mit der COPD zu beträchtlichen körperlichen Einschränkungen führe. Die BF sei als Kinderkrankenschwester in der häuslichen Kinderkrankenpflege tätig und führe die körperliche Belastung permanent zu vermehrtem Husten mit ausgeprägter Exazerbation, welche zu Atemnotsituationen führe. Durch die aufgrund der langen Cortisoneinnahme herabgesetzte Infektabwehr bestehe durch den ständigen Kontakt mit chronisch kranken Kindern eine dauerhafte Ansteckungsgefahr, vor allem mit Bronchitiden. Die Dauereinnahme von Medikamenten zur Behandlung der bestehenden ACO ziehe auch Folgeerkrankungen nach sich, wie zwei Abszesse 2019 sowie Gelenks- und Gewichtsprobleme. Hinzu komme die psychische Belastung durch die Angst vor einer Atemnotsituation und einer dauerhaften Lungenschädigung. Die BF legte einen Arztbrief von Dr. XXXX , Facharzt für Lungenkrankheiten, vom 13.12.2019, vor.
6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 30.01.2020 vorgelegt.
7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichts ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.
7.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, vom 30.09.2020, werden, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 29.09.2020, folgende Gesundheitsschädigungen angeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Obstruktives Atemwegssyndrom, Mischform einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung bzw. allergisches Asthma bronchiale mit rezidivierenden akuten Exacerbationen seit 2019 bekannt
06.06.02
40
2
Arterielle Hypertonie
05.01.02
20
Gesamtgrad der Behinderung
40 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die führende Gesundheitsschädigung (GS) 1 durch die GS 2 nicht weiter gesteigert werde.
Festgehalten werde, dass bei der BF eine obstruktive Atemwegserkrankung mit entsprechenden Veränderungen in der Lungenfunktion bestehe. Ein Emphysemaspekt von Seiten der Lunge sei derzeit nicht vorliegend. Erschwerend sei, dass es immer wieder zu akuten Exacerbationen komme und die BF immer über einen längeren Zeitraum Cortisonmedikation einnehmen müsse. Auffallend sei in der klinischen Untersuchung, dass eine Sinustachycardie vorgelegen sei, bei unauffälligem Echokardiographiebefund, möglicherweise durch die Medikamente bedingt. Des Weiteren bestehe ein Bluthochdruck der medikamentös behandelt werde. Höhergradige Spätschäden im Bereich des Herzens seien nicht nachweisbar.
Im Vergleich zum Vorgutachten sei insofern eine andere Einstufung erfolgt, als dass der klinische Verlauf und insbesondere der Aspekt der rezidivierenden akuten Exacerbationen berücksichtigt worden seien.
8. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 03.11.2020 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
9. Mit Schreiben vom 09.11.2020 nahm die BF zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung und brachte zusammengefasst vor, dass die Erstdiagnose Asthma im Dezember 2018 gestellt worden sei. Die Hustenproblematik bestehe dauerhaft seit Oktober 2018 und sei nur zeitweise durch zahlreiche Medikamente etwas verbessert worden. Die daraus resultierende Atemnotsymptomatik stelle ein Problem im beruflichen Umfeld dar, da die BF als Dipl. Kinderkrankenschwester in der häuslichen Kinderkrankenpflege allein für die kleinen Patienten zuständig sei und nicht im Gefüge eines unterstützenden Klinikkollegiums. Eine OSC-Therapie habe vom Januar 2019 bis Mitte Mai 2020 stattgefunden und sei seit mehreren Tagen wieder notwendig geworden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF hat einen Wohnsitz im Inland.
Die BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:
- Obstruktives Atemwegssyndrom, Mischform einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung bzw. allergisches Asthma bronchiale mit rezidivierenden akuten Exacerbationen (Grad der Behinderung: 40 %)
- Arterielle Hypertonie (Grad der Behinderung: 20 %)
Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus der führenden obstruktiven Atemwegserkrankung. Der Bluthochdruck führt nicht zu einer weiteren Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades, da keine negative Leidensbeeinflussung besteht.
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit 40 (vierzig) von Hundert (v.H.).
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der Beschwerde sowie aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellung zum Wohnsitz ergibt sich aus einem Auszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben der BF im verfahrenseinleitenden Antrag.
Der Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. wurde aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, vom 30.09.2020, objektiviert.
Das medizinische Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf und steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen im Einklang. Es wurde dabei auf die Art der einzelnen Leiden der BF, deren Ausmaß und Wechselwirkungen zueinander ausführlich eingegangen.
Die festgestellten behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen und ihre korrekte und nachvollziehbare Einschätzung bezüglich des Grades der Behinderung gemäß der anzuwendenden Einschätzungsverordnung samt Anlage ergeben sich daraus.
Im Vergleich zum Vorgutachten wurde nunmehr die obstruktive Atemwegserkrankung um eine Stufe höher eingeschätzt, sodass der Grad der Behinderung 40 v.H. beträgt. Begründet wurde die höhere Einstufung mit der Berücksichtigung des klinischen Verlaufes der Erkrankung sowie der rezidivierenden akuten Exacerbationen. Somit wurde dem Beschwerdevorbringen der BF insofern entsprochen, als im Sachverständigengutachten das vermehrte Husten mit ausgeprägten Exazerbationen berücksichtigt wurde.
Das Vorbringen der BF, dass sie durch die bestehende Atemwegserkrankung in ihrem beruflichen Alltag eingeschränkt sei, ist zweifelsohne glaubhaft, allerdings ist der Grad der Behinderung entsprechend der Kriterien der Einschätzungsverordnung nach medizinischen Gesichtspunkten abstrakt einzuschätzen.
Insgesamt war aus dem Beschwerdevorbringen sowie aus den vorgelegten Befunden kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass weitere – vom Sachverständigen nicht berücksichtigte – behinderungsrelevante Gesundheitsschädigungen bei der BF vorliegen.
Der Inhalt des Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 30.09.2020 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt.
In der von der BF erstatteten Stellungnahme wurde dem Gutachten nicht substantiiert entgegengetreten.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keinerlei Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 leg. cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrages, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung von Dr. XXXX basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht substantiiert beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint und unstrittig ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970 in der geltenden Fassung, angehören.
Nach § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG 1998), BGBl. I Nr. 400/1998 in der geltenden Fassung, sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. I Nr. 183/1947).
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idgF) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Wie oben unter Punkt II.2 ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom erkennenden Gericht eingeholte, als nachvollziehbar und widerspruchfrei gewertete Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 30.09.2020 zugrunde gelegt.
Danach konnte ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert festgestellt werden.
Die Gesamteinschätzung ist auch unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen (vgl. VwGH 18.10.2000, Zl. 99/09/0097).
Im gegenständlichen Fall sind daher die Voraussetzungen für die Ausstellung des beantragten Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass der Grad Behinderung 40 von Hundert beträgt.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind – soweit im Beschwerdefall relevant – eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G303.2228168.1.00Im RIS seit
18.05.2021Zuletzt aktualisiert am
18.05.2021