Entscheidungsdatum
12.02.2021Norm
AsylG 2005 §5 Abs1Spruch
W235 2239310-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2021, Zl. 1267399807-200730273, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1.1. Am 17.08.2020 stellte der minderjährige XXXX , geb. XXXX , ein syrischer Staatsangehöriger einen Antrag auf internationalen Schutz. Gemeinsam mit dem minderjährigen Antragsteller reisten sein Onkel, XXXX , geb. XXXX , und dessen Sohn (= Cousin des Antragstellers) in das Bundesgebiet ein und stellten ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz.
Nach einer Altersfeststellung gemäß dem „4 Augen-Prinzip“ durch zwei Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde das Verfahren des minderjährigen Antragstellers am 17.09.2020 zugelassen.
Im Akt befindet sich ein als „Stellungnahme – Vollmachtsbekanntgabe“ bezeichnetes Schriftstück der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 20.10.2020 mit folgendem Wortlaut:
„Die Bezirkshauptmannschaft XXXX als regionale Organisationseinheit des Landes Niederösterreich als Kinder und Jugendhilfeträger stellt hinsichtlich des Minderjährigen
XXXX (1267399807, geb. XXXX , Syrien)
nach Rücksprache mit dem Minderjährigen und des Bevollmächtigten fest, dass
XXXX (1267399600, geb. XXXX , Syrien)
durch den Obsorgeberechtigten des Minderjährigen mit Pflege und Erziehung betraut wurde.
Hinweis für den Bevollmächtigten:
Es wird empfohlen, die Übertragung der Obsorge beim zuständigen Bezirksgericht zu beantragen.“ (vgl. AS 107)
1.2. Aus dem Zentralen Melderegister ist ersichtlich, dass der Antragsteller bis 11.12.2020 in XXXX (Niederösterreich) und ab 11.12.2020 in XXXX (Kärnten) wohnhaft ist (vgl. ZMR-Auszug vom 05.02.2021.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2021 wurde der Antrag des minderjährigen Antragstellers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Rumänien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde gegen den Antragsteller die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Rumänien zulässig ist.
Dieser Bescheid wurde am 19.01.2021 dem als gesetzlichen Vertreter bezeichneten Onkel des Antragstellers, XXXX , zugestellt.
3. Gegen diesen Bescheid erhob XXXX , XXXX , am 02.02.2021 als „gesetzlicher Vertreter gemäß § 10 Abs. 3 BFA-VG“ Beschwerde wegen Behördenwillkür, inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und stellte (unter anderem) den Antrag die Beschwerde zurückzuweisen und festzustellen, dass der Bescheid nicht erlassen wurde und sich der Antragsteller noch in erster Instanz des Zulassungsverfahrens befindet.
Begründend wurde verfahrenswesentlich ausgeführt, dass die Behörde die Rechtslage verkannt habe, wenn sie vermeine, dass der Onkel des Antragstellers dessen gesetzlicher Vertreter sei, obwohl er von der Bezirkshauptmannschaft XXXX mit Stellungnahme vom 20.10.2020 lediglich mit Pflege und Erziehung betraut worden sei. In dieser Stellungnahme werde lediglich angeregt, einen Antrag auf Obsorge bei einem Pflegschaftsgericht zu stellen. Nach Rücksprache mit der Bezirkshauptmannschaft XXXX sei bestätigt worden, dass niemand mit der Obsorge / gesetzlichen Vertretung durch ein Pflegschaftsgericht betraut worden sei. Daher sei der Rechtsberater gemäß § 10 Abs. 3 BFA-VG der gesetzliche Vertreter des Antragstellers.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Herr XXXX ist nicht der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Antragstellers.
Die gesetzliche Vertretung des minderjährigen Antragstellers obliegt seit 17.09.2020 dem örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verfügte die Übermittlung des in Beschwerde gezogenen Bescheides an Herrn XXXX .
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Der „Stellungnahme – Vollmachtsbekanntgabe“ der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 20.10.2020 ist eindeutig zu entnehmen, dass diese Herrn XXXX lediglich mit der Pflege und Erziehung des minderjährigen Antragstellers, jedoch nicht mit seiner gesetzlichen Vertretung betrauen wollte. Ein Hinweis auf die Übertragung auch der gesetzlichen Vertretung an Herrn XXXX findet sich im gesamten Schreiben nicht einmal ansatzweise.
Da das Verfahren des minderjährigen Antragstellers am 17.09.2020 zugelassen wurde (vgl. hierzu AS 55 sowie Seite 4 des in Beschwerde gezogenen Bescheides), ist der örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde, gesetzlicher Vertreter. Da der Beschwerdeführer bis 11.12.2020 in XXXX wohnhaft war, war dies zwischen 17.09.2020 und 11.12.2020 die Bezirkshauptmannschaft XXXX .
Dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Übermittlung des in Beschwerde gezogenen Bescheides an Herrn XXXX verfügte, gründet auf dem Akteninhalt und ist auch auf Seite 1 des Bescheides ersichtlich.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.
3.2. Zu A)
3.2.1. Gemäß § 10 Abs. 3 dritter Satz BFA-VG ist gesetzlicher Vertreter für Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht ab Ankunft in der Erstaufnahmestelle, Regionaldirektion oder Außenstelle der Rechtsberater (§ 49), nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes der örtlich zuständige Kinder- und Jugendhilfeträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde.
3.2.2. Wie aus dem Akteninhalt ersichtlich wurde das Verfahren des Antragstellers am 17.09.2020 zugelassen und ist gemäß § 10 Abs. 3 dritter Satz BFA-VG ab diesem Zeitpunkt der örtlich zuständige Kinder- und Jugendhilfeträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde, gesetzlicher Vertreter. Dies war zwischen 17.09.2020 und 11.12.2020 die Bezirkshauptmannschaft XXXX , was auch daraus erkennbar ist, dass es die Bezirkshauptmannschaft XXXX als Kinder und Jugendhilfeträger des Landes Niederösterreich war, die mit Schreiben vom 20.10.2020 Herrn XXXX mit der Pflege und Erziehung des minderjährigen Antragstellers betraut hat.
Mit ihren Ausführungen, dass der Rechtsberater (im vorliegenden Fall Herr Herrn XXXX , XXXX ) gesetzlicher Vertreter gemäß § 10 Abs. 3 BFA-VG ist, übersieht die Beschwerde, dass das Verfahren bereits zugelassen wurde und, dass die Bezirkshauptmannschaft XXXX als Kinder und Jugendhilfeträger des Landes Niederösterreich mit ihrem Schreiben vom 20.10.2020 bereits als gesetzliche Vertretung in Erscheinung getreten ist.
3.2.3. Die Erhebung einer Beschwerde setzt zwingend die Erlassung des damit angefochtenen Bescheides voraus. Ein schriftlicher Bescheid ist ab dem Zeitpunkt der rechtswirksamen Zustellung (Ausfolgung) erlassen. Wird statt an den Zustellungsbevollmächtigten (im vorliegenden Fall ist das die gesetzliche Vertretung) an einen Dritten zugestellt, den die Behörden irrtümlich für den gesetzlichen Vertreter hält, ist die Zustellung unwirksam.
Gegenständlich wurde die Zustellung an Herrn XXXX statt an die gesetzliche Vertretung des minderjährigen Antragstellers verfügt, weshalb die Zustellung unwirksam war. Somit wurde der mit Beschwerde bekämpft Bescheid nicht erlassen.
Die Beschwerde war daher mangels rechtsgültiger Erlassung des zugrundeliegenden Bescheides als unzulässig zurückzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, dass der minderjährige Antragsteller seit 11.12.2020 in XXXX wohnhaft ist, wodurch auch die Vertretung wechselt (bzw. gewechselt hat), da bei einer Übersiedelung des Jugendlichen aufgrund der nicht-existenten Versteinerung der Zuständigkeit des erstzuständigen Jugendwohlfahrtsträger auch die Vertretung wechselt (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer „Asyl- und Fremdenrecht“, K14 zu § 10 BFA-VG, Seite 157).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Fallgegenständlich erfolgte die Zurückweisung der Beschwerde wegen eines Zustellmangels im erstinstanzlichen Verfahren. Daher war die Beschwerde zurückzuweisen, was im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht.
Schlagworte
Bescheiderlassung gesetzlicher Vertreter Irrtum Jugendwohlfahrtsträger minderjähriger Antragsteller Nichtbescheid rechtswirksame Zustellung Unzulässigkeit der Beschwerde Zurückweisung Zuständigkeit ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W235.2239310.1.00Im RIS seit
21.05.2021Zuletzt aktualisiert am
21.05.2021